Die „Nie wieder“-Rufer sind gefragt – aber sie schweigen. Der politisch korrekte Umgang mit Rassismus und Antisemitismus folgt einem fest gefügten Täter/Opfer-Schema. Beides hat von glatzköpfig, deutsch oder westlich zu kommen, um Aufmerksamkeit und Besorgnis zu erregen. Per Definition werden Personen und Kulturen außerhalb des westlichen Kulturkreises bisher primär als potentielle wie tatsächliche Opfer betrachtet. Dass Rassismus und Diskriminierung in nicht-westlichen Kulturen ebenfalls oder sogar noch ausgeprägter vorkommen, widerspricht der Idealisierung von Fremdkulturen im Sinne der multikulturellen Bereicherung. Gemäß dieser Doktrin ist für die Realität nur wenig Platz.
Bisher von Medien und Politik nahezu vollständig verschwiegen, konnte sich Judenhass im Kielwasser des Multikulturalismus in Deutschland erneut in erschreckender Weise etablieren. Hierzu erschien heute in der Welt ein bemerkenswerter (und leider äußerst seltener) Artikel [1]:
Am Anfang stand ein Streit zwischen zwei Schülerinnen. Dann mischten sich Dritte ein – und der Zickenkrieg wurde zur Hatz. Arabische Jungen und Mädchen haben eine jüdische Schülerin durch Kreuzberg gejagt und verprügelt. Zeitweise kam Anne* nur mit Polizeischutz unbehelligt in die Schule. Der Staatsschutz ermittelt gegen mehrere Jugendliche wegen „Körperverletzung, Beleidigung und Nötigung“, sagt Polizeisprecher Bernhard Schodrowski. Inzwischen, so versichert Annes Schulleiterin, sei Ruhe eingekehrt. Doch Angriffe auf jüdische Schüler sind keine Seltenheit in Berlin. Sie sind traurige Realität, sagt Gideon Joffe, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Berlins. „Jeder unserer rund 2500 jüdischen Schüler hat damit schon Erfahrungen gemacht.“
Anne ist 14 Jahre alt und besucht seit kurzem eine Oberschule in Kreuzberg. Eines Tages beschimpft eine Klassenkameradin sie als „Jüdin“. Annes Pflegemutter alarmiert die Schulleitung. „Wir haben vor etwa acht Wochen von dem Vorfall erfahren und umgehend reagiert“, sagt die Schulleiterin. Eifersüchtelei hätte den Streit ausgelöst. Die Angreiferin wurde vom Unterricht suspendiert. Tags darauf lungern arabische Jungen vor der Schule herum. Anne hat den Vorfall in der RBB-Sendung Klartext geschildert. Demnach hat einer aggressiv gefragt: „Wer ist denn hier die Jüdin?“ Anne und eine Freundin rennen los, die Jungen hinterher. Flaschen fliegen und zersplittern. Die Mädchen retten sich in einen Hausflur.
Anfang September lauern zwei arabische Mädchen Anne vor der Schule auf, bespucken und schlagen sie. „Die haben gesagt, ich bin Jüdin und jetzt kriege ich eines auf die Fresse. Die haben mich geschlagen. Die haben gesagt: „Du dreckige Scheiße, geh dich aufhängen!'“, so Anne im RBB. Anne kann flüchten. Die Schule reagiert: „Wir haben die Namen der Angreiferinnen ermittelt, deren Schule angesprochen und die Polizei verständigt“, sagt die Leiterin.
Anne erhält eine Woche Polizeigeleit. Das Jugendamt setzt Streetworker ein. Annes Fall wird in allen Klassen besprochen. Inzwischen sei Anne in der Schule sicher und auch auf dem Schulweg keinen Attacken mehr ausgesetzt, versichern Schulleiterin und Polizei. Der auslösende Streit sei beigelegt, die suspendierte Schülerin gehe in eine Parallelklasse.
Für Gideon Joffe ist Annes Fall ein Beispiel muslimischen Antisemitismus, der erst langsam in der deutschen Gesellschaft bekannt werde.
* Die Namen sind aus Sicherheitsgründen geändert.
In Frankreich ist offener Judenhaß [2] längst alltäglich geworden. Thematisiert wird dieser inakzeptable Zustand dort angesichts der Bedrohungslage allerdings noch unzureichender als in Deutschland.
Jüdische Schüler werden in einigen Lehranstalten von ihren Klassenkameraden auf brutale Weise schikaniert, sodass Obin zu dem Schluss kommt: „In Frankreich sind jüdische Kinder die einzigen, die nicht in beliebiger Umgebung eingeschult werden können.“ Parallelen zu den sogenannten „national befreiten Zonen“ in einigen ostdeutschen Gemeinden drängen sich auf.
Ein Beitrag von der jüdischen Website Hagalil aus dem Jahre 2003 [3] offenbart, wie lange und intensiv Judenhass in Frankreich bereits grassiert. Ohne dass dies in der breiten Öffentlichkeit bisher ausreichend bekannt wurde, geschweige denn mit der gebührenden (angesichts der jüdischen Verfolgungshistorie in Europa) Entschlossenheit angegangen wurde.
Dieser Weltsicht wurde in den letzten drei Jahren mit unzähligen Anschlägen auf Synagogen und jüdische Einrichtungen sowie tätlichen Angriffen gegen Juden Nachdruck verliehen. Täter: meist arabische Jugendliche. Weit mehr als die Hälfte aller rassistischen Straftaten waren im letzten Jahr antisemitisch motiviert. Umgekehrt die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit: nur etwa 5% vermuten, dass Juden das Hauptziel von Übergriffen darstellen könnten. Die Mehrheit sieht die Muslime bzw. Araber als besonders gefährdete Gruppe an.
An Schulen mit hohem muslimischem Anteil herrscht für jüdische Schüler vielerorts der tägliche Ausnahmezustand. Sie weichen, wenn möglich, auf jüdische Schulen aus. Auch an manchen Universitäten ist die Lage kritisch; dort bekommen antisemitisch motivierte Muslime und ihre Verbände Unterstützung von „Linken“ bzw. Globalisierungsgegnern. Palästinasolidarität gehört in der französischen Linken von den Grünen bis zu Anarchos und Trotzkisten nahezu zum common sense.
„Unzählige Anschläge auf Synagogen“ – und keine angemessene Reaktion von Politik und Medien zeigen, dass es sich um eine tabuisierte Tätergruppe handelt. Rechtsextremistischer Judenhass wird völlig zu Recht als menschenverachtend gebrandmarkt. Die unterschiedlichen Reaktionen europäischer Medien und Politiker je nach ethnisch-kultureller Zugehörigkeit der Täter offenbaren aber leider, dass jüdische Opfer von Hass und Gewalt erst in zweiter Linie wichtig sind.
(Dank an Spürnase: Armin R.)
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