In Zeiten des grassierenden Anti-Amerikanismus ist es umso nötiger, sich offen zu den USA zu bekennen. Wir von PI tun dies seit der Gründung dieses Blogs – ohne den üblichen "es-sind-ja-nicht-alle-amis-so-wie-bush"-Disclaimer. Viele anti-amerikanisch eingestellte Deutsche sehen in den USA (und seinem ‚bösen‘ Präsidenten!) das Grundübel dieser Welt. Unterhält man sich dann mit einigen von ihnen, wird schnell klar, dass die mit dem ausgeprägtesten Groll gegen die Supermacht selbst noch nie über den Atlantik gereist sind. Einer, der die Staaten schon zig Mal besuchte, ist Welt-Journalist Hannes Stein. Er beschreibt in einem lesenswerten Artikel, warum er immer wieder Sehnsucht nach der amerikanischen Leichtigkeit hat.

Ich sehne mich nach Amerika. Diese Sehnsucht kommt und geht bei mir in Wellen – mal ist sie stärker, mal schwächer, je nach Adrenalinspiegel, Mondphase und Wetterlage. Aber da ist sie eigentlich immer. Im Moment ist es wieder so weit: Am liebsten würde ich mich sofort ins Flugzeug setzen, um völlig gejetlagged ins nächste Diner zu stolpern und einen Berg Pancakes mit Butter und Ahornsirup zu vertilgen. Wonach sehne ich mich außerdem, wenn ich mich nach Amerika sehne? Hier eine kleine Liste, ganz persönlich und ungeheuer ergänzungsbedürftig.

Ich sehne mich nach der amerikanischen Oberflächlichkeit: nach dem Lächeln im Gesicht der Kellnerin, die mir Rotwein nachschenkt – und nein, ich habe keinen grotesk-unterwürfigen Balletttanz aufführen müssen, damit sie mir die Gnade erweist, mich zur Kenntnis zu nehmen. Übrigens glaube ich nicht, dass die amerikanische Freundlichkeit nur gespielt ist: Könnte es nicht auch sein, dass die Leute dort drüben wirklich netter sind? Eine gewagte Hypothese, ich weiß! „Eine Maske kann einen Gesichtsausdruck verändern“, notierte George Orwell. Wer sich selbst trainiert, andere Leute entgegenkommend zu behandeln, der wird ihnen irgendwann wirklich entgegenkommen. Ich sehne mich nach „Katz’s Deli“ in New York: nach meterdicken Pastrami-Sandwiches (es ist, glaube ich, seit Menschengedenken noch nicht vorgekommen, dass ein Gast sein Pastrami-Sandwich in diesem Deli aufgegessen hat), nach der Suppe mit Mazzeknödeln, und als ich das zweite Mal dort aufkreuzte (in der West Houston Street in New York) erkannte mich der Ukrainer hinterm Tresen schon wieder, und ich war sein Freund und bekam eine Extraportion Salzgurken.

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Anti-Anti-Amerikaner: Hannes Stein.

Ich sehne mich nach der Leichtigkeit, mit der man in Amerika mit Wildfremden ins Gespräch kommt: Einmal stand ich in einer Schlange und hatte unter dem Arm Arthur Hermans Buch „Wie die Schotten die Moderne erfanden“ eingeklemmt. Der Mann vor mir drehte sich um, schaute mir spöttisch in die Augen und fragte: „Ausgerechnet die Schotten?“, und schon waren wir mitten in einer Diskussion. Ich sehne mich nach dem „Starbuck’s“ in Washington, in dem ich saß und Cappuccino aus einem Pappbecher trank, während im Hintergrund Bob Dylans neue CD „Modern Times“ spielte – ich aber las die Rede, die Martin Luther King in der Hauptstadt Amerikas vor vierzig Jahren hielt:

„Ich habe den Traum, dass eines Tages auf den roten Hügeln von Georgia der Sohn früherer Sklaven und der Sohn früherer Sklavenhalter fähig sein werden, sich am Tisch der Brüderlichkeit zusammenzusetzen.“ Das ließ mich nicht kalt. Ich sehne mich nach den drei zentralen Worten in der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung von 1776, dem heiligsten politischen Text, der je von Menschen verfasst wurde – ich meine die Worte „Streben nach Glück“. (Sie kommen gleich nach dem Recht auf Leben und Freiheit.) Verächter Amerikas halten dies für einen Ausdruck von Egoismus und Dekadenz, und sie haben keine Ahnung. Wirklich keine Ahnung.

» Homepage von Hannes Stein

(Spürnase: Gudrun Eussner)

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24 KOMMENTARE

  1. Naja…. dazu sage ich mal nichts. 😉

    Es mag ja alles super sein, auf der andren Seite des Teiches.
    Aber das „Brot“…, das ist grauenhaft!!!

    Frohe Weihnachten und esst nicht zu schwer! @=:-)

  2. wie gerne würde ich in die usa auswandern…
    ich hoffe, dass ich dieses jahr bei der lottery mal endlich glück habe !!!

  3. In die USA nur auswandern, wenn man entweder eine feste Jobzusage hat oder über ein dickes finanzielles Polster verfügt – alles andere ist sehr riskant. Bei Ersterem ist die Lotterie dann egal.

  4. So sehr ich dem Grundtenor zustimme:

    Meine Heimat ist Deutschland und Europa.

    Und es ist eine Schande mitzuerleben wie dieser Kontinent vor die Hunde geht. Denn Amerika kann nie ein Ersatz fuer Europa sein.

  5. Ohne fixes Jobangebot ist es ohnehin nicht möglich (ausser für Menschen welche ihren Ruhestand geniessen wollen). Anders als in Europa darf nur einwandern wer sich produktiv am Arbeitsleben beteiligt. Hätten wir das auch, wären die Islamisten heute eine unbedeutende Randgruppe.

  6. ich kann hannes stein voll verstehen. wir sitzen hier auf unseren umzugkisten, die wir schon mal vorbereitet haben und warten auf den „abruf“ und wenn alles nach plan läuft sind wir im laufe des januar für immer drüben.

    @nonconformicus
    es gibt in verschiedenen gegenden schon „deutsches“ brot. alternativ kauft man sich einen brotbackautomaten und backt sein brot selbst (macht „unsere familie“ drüben auch und auch wir werden uns einen brotbackautomaten kaufen). wenn’s also nur am brot liegen sollte, kann ich nur sagen: das problem ist gelöst

    @martsus
    nicht aufgeben, jedes jahr aufs neue mitmachen. wir haben es im dritten oder vierten anlauf geschafft.

    @daniel
    du kannst auch ohne jobzusage und ohne dickes finanzielles polster (sicher: ganz ohne kohle geht’s nicht, du musst ja ein paar wochen überbrüclen und anschaffungen tätigen können) nach usa gehen. wenn du mit der sprache klar kommst, kriegst du immer einen job. wenn du dann noch eine handwerkliche ausbildung hast ist es noch besser.

  7. @ Daniel & Funseeker
    „In die USA nur auswandern, wenn man entweder eine feste Jobzusage hat oder über ein dickes finanzielles Polster verfügt“

    leider habe ich beides nicht…aber einen traum und die motivation etwas zu erreichen. riskant ist es, ja…aber wie heisst es: wer nicht wagt, der nicht gewinnt !

  8. Danke, PI. Genau so sehe ich das auch.

    Diese Einstellung ändert doch nichts daran, daß wir Deutsche bzw. Europäer sind und dazu beitragen wollen (und müssen), daß sich die Dinge hier zum Positiven verändern. Das geht aber mit unseren amerikanischen Freunden besser als gegen sie. Und es erfordert, die wahren Ursachen der Probleme zu analysieren, statt sich mit der einfachen Suche nach Sündenböcken aufzuhalten.

  9. @v8fan:
    schön zu hören, dass es bei euch geklappt hat !!
    herzlichen glückwunsch !
    werde auch mitmachen, bis es klappt!
    die kalifornische sonne wartet auf mich
    und das surfbrett scharrt schon ungeduldig
    mit der finne 😉

    wo ziehts euch beide denn hin ?

  10. @martshellus

    ich ziehe mit meinen töchtern (meine freundin wird dann ein paar monate später nachkommen) nach ohio. dort lebt unsere „gewählte familie“. aus einem geschäftskontakt wurde im laufe der (inzwischen 22) jahre eine sehr enge familiäre beziehung. wir sind dort ganz einfach zu hause.

  11. Danke für das Video. Leider kommt darin nicht zur Sprache, daß der Islamkonvertit auf ein Buch schwören wird, das die Vernichtung der Gesellschaft, für die er angeblich einsteht, zu ihrem Ziel gemacht hat, und zwar seit dem 7. Jahrhundert. Die Muslime glauben bis heute an jedes Wort des Koran. Sie äußern es selbst.

    Sure 2:191 und 9:5 fordern auf, Nichtmuslime zu töten. Sure 61:9 erklärt den Islam als zukünftigen Sieger über alles, was es sonst an Religion gibt.

    Insofern könnte der Mann auch auf „Mein Kampf“ schwören, jedem sein Lieblingsbuch.

    Mich verwunderte es nicht, wenn es in Europa so gestattet würde, mich wundert, daß es in den USA möglich ist, und zwar nach 9/11.

  12. @daniel #8

    dem muselmann haben sie wohl ins gehirn gesch….. – der islam hat die westliche zivilisation gegründet, das ist ja der absolute oberhammer. diese steinzeit-typen haben doch wohl ein rad ab !!!

  13. Ich bleibe auch lieber hier und versuche dazu beizutragen das es besser wird. Nützliche und attraktive Ideen können wir schliesslich übernehmen. Grundsätzlich hänge ich mehr an Europa, egal wie schön es in den USA auch sein mag.

    Hier übrigens ein interessanter Blog:
    http://usaerklaert.wordpress.com

  14. @ v8fan #11

    laut wiki liegt der anteil der moslems in der bevölkerungsschicht ohios unter 1%…

    *grinz*

  15. Ohio ist klasse – klimatisch sehr angenehm und auch die Bevölkerung ist mir bei meinen beiden Besuchen sehr positiv aufgefallen. Habe dort meinen Schulaustausch gemacht 🙂

  16. Eines Tages wer ich dann doch noch……

    @#1 Bei Traders Joe´s da gibts „European Style Bread“ sogar in grau und mit Kruste, das mit dem Wheat Bread kann wirklich nerven…

    ca

  17. @ daniel #17

    ohio ist ein geheimtipp. einerseits viel grün und landwirtschaft und andererseits auch viele hightec-firmen. in bayern würde man sagen: laptop und lederhose. und die lebenshaltungskosten sind in ohio, ebenso wie die immobilienpreise, recht günstig.

  18. @ ca #18

    bei uns in der nähe gibt’s den „jungle jim“. dort bekommst du lebensmittel aus allen ecken dieser welt. ok – die preise sind natürlich entsprechend.

  19. Ich möchte NIEMAND von sein Wolke 7 herunterholen.. doch der Juden/Israelhass in den USA ist sehr ähnlich wie in Europa!

    Also für Juden ist weder eine Alternative noch ein Lösung in der Richtung der USA zu schielen.

    Wir haben nur eine Heimat… und auch wenn diese uns Streitig gemacht wird, sind wir nur alleine in Israel Zuhause….

    Tiqvah Bat Shalom
    http://www.israel-shalom.net

    Ps. von Frankreich und der USA sind die meiste Heimkehrer zur Zeit… und diese tritt meistens nur dann auf, wenn man in d. Ort wo man ist, Unsicher erscheint……

  20. So sehr ich die Mentalität und Politik der Amerikaner schätze, aber der Kaffee dort ist grausig.

    Schade dass wir vor allem die schlechten Dinge (Starbucks, MCDonald´s, Political correctness) importieren und nicht die wirklich guten: den Geist von Freiheit, Selbstverantwortung und Mut!

    Ansonsten stimme ich dem Autor aber vollständig zu.

  21. > Schade dass wir vor allem die schlechten Dinge (Starbucks, MCDonald´s, Political correctness) importieren und nicht die wirklich guten: den Geist von Freiheit, Selbstverantwortung und Mut!

    Kommt noch.
    Ich habe auch nichts gegen Starbucks und McDonald´s. Eine eigene Filmindustrie a la Hollywood bräuchten wir auch noch dringend.

  22. Fazit:
    Brot mies, Kaffee mies, …?
    Lösung: Selber machen!

    Damit wären wir wieder beim „Geist von Freiheit, Selbstverantwortung und Mut!“ (Zitat #23)
    So einfach kann man globale Probleme lösen! :-))

    In diesem Sinne nochmals: Frohe und friedliche Weihnachten! 🙂

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