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Münchner Sicherheitskonferenz: Putin wie Chruschtschow

Fast schon legendär ist die erregte Rede des früheren sowjetischen Staatschefs Nikita Sergejewitsch Chruschtschow auf der 15. UNO-Vollversammlung 1960, als er mit seinem berühmt gewordenen Hämmern seines Schuhs auf den Tisch für großes Aufsehen sorgte. Es scheint, als ob ihm der russische Präsident Wladimir Putin mit seinem gestrigen Auftritt auf der Münchner Sicherheitskonferenz nacheifern wollte.

Zwar ließ Putin seine Schuhe an, aber (als erster russischer Gast) rechnete er auf der Sicherheitskonferenz [1] wie zu Zeiten des Kalten Krieges in harscher Form mit der Politik von US-Präsident Bush ab. In nahezu allen wichtigen Fragen nahm Putin gegensätzliche Positionen zum Westen ein. Dem amerikanischen Präsidenten warf er vor, die Welt unsicherer gemacht [2] zu haben, das Völkerrecht zu missachten und politische Lösungen unmöglich zu machen. Die Politik der USA würde das Wettrüsten von Staaten, die nach Atomwaffen streben, anstacheln. Russland habe es außerdem satt, sich ständig Demokratie von denen predigen zu lasen, die eine monopolare Weltordnung anstrebten.

Der russische Präsident ging am Samstag auf der Sicherheitskonferenz in München unerwartet hart mit Washington ins Gericht: Die zunehmende Verachtung fundamentaler Grundsätze des Völkerrechts beschleunige das Wettrüsten, die monopolare Welt habe sich nicht bewährt. Seit dem Ende des Kalten Krieges gebe es mehr bewaffnete Konflikte und weit mehr Tote als zuvor, sagte Wladimir Putin. Der Versuch der USA, Probleme einseitig zu lösen, habe andere menschliche Tragödien ausgelöst – der Präsident spielte damit unverhohlen auf das US-Engagement im Irak an. Die Anwendung von Gewalt dürfe jedoch nur das letzte Mittel sein und könne allein von den Vereinten Nationen legitimiert werden, fügte er hinzu. Weder die Nato noch die Europäische Union könnten diese Legitimation durch eigene Beschlüsse ersetzen.

Deutliche Worte gab es auch zum Thema Energiepolitik, wo Russland sich jegliche Einmischung von außen verbat, und zum Kosovo. Die UNO strebt ja bekanntlich eine weitgehende Unabhängigkeit des Kosovo von Serbien an, ein irrsinniges Bestreben, dem Serbien verständlicherweise unmöglich zustimmen kann

Putins großer Auftritt in München war eine Art Rückmeldung Russlands als Weltmacht. Anklänge hatte es in den vergangenen Monaten wiederholt gegeben: So wurde zum Beispiel öffentlich angekündigt, dem von Washington zur „Achse des Bösen“ gezählten Iran Waffen zu liefern. Unbotmäßigen kleineren Nachbarn wie der Ukraine und Weißrussland wird zuweilen die Energiezufuhr abgeschnitten. Eine positive wirtschaftliche Entwicklung unterstützt den neuen russischen Kurs, der ausdrücklich Schluss mit der alleinigen Supermachtrolle der USA machen will. Nato-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer äußerte sich offen „enttäuscht“ über die aggressiven Ausführungen Putins. Die Rede des russischen Präsidenten sei „nicht hilfreich“ gewesen. Auf Kritik Putins an der erweiterten Nato sagte der Niederländer: „Es gibt keine Nato-Erweiterung in einem aggressiven Sinn, nicht so, dass dies gegen irgend jemand gerichtet ist.“Der mögliche republikanische US-Präsidentschaftskandidat John McCain äußerte ebenfalls seine Sorge über den neuen harten russischen Kurs. Er befürchte, Moskau werde noch mehr Druck als ohnehin schon über die Energiepolitik ausüben. McCain widersprach der Ansicht Putins, die Welt sei monopolar. Im übrigen hätten die USA nicht allein den Kalten Krieg gewonnen. Es dürfe „kein Platz mehr für sinnlose Konfrontationen sein“, fügte er hinzu.

Leider aber dürfte der Aufruf der israelischen Außenministerin Zipi Livni [3], die internationale Staatengemeinschaft möge ihre Streitigkeiten beenden und den Iran in seinen Bestrebungen zur Entwicklung von Atomwaffen stoppen, ungestört verhallen.

Interessant sind übrigens die vielen Putin-Befürworter im Kommentar-Bereich bei Focus [2], die geradezu entzückt sind über dessen Abrechnung mit Bush.

(Spürnase: b. jellyfish)

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