Die Schweriner Volkszeitung (SVZ) startet [1] heute eine fünfteilige Serie, die die USA als Retter Europas und als das Land zeigt, in dem die Wiege der Demokratie steht, mit einem leidenschaftlichen proamerikanischen Beitrag, geschrieben von einem Menschen, der die USA liebt und gegen einen überwältigenden Mainstream Vorurteile abbauen will. Er ist von der Art, die man in den Zeitungen der westlichen Bundesländer, wo die „kritische Distanz“ zu den USA geradezu Kult ist, lange nicht gesehen hat. Für die neuen Bundesländer, wo das Feindbild Amerika jahrzehntelang in die Köpfe der Menschen eingehämmert wurde, ist er sensationell.
Autor Friederich Mielke erklärt die Feindbildpflege zu DDR-Zeiten, die immer mit Antisemitismus einher ging, scheut sich nicht zu erwähnen, dass „der marxistisch-leninistische Antiimperialismus der DDR Bilder und Metaphern aus der Nazizeit“ benutzte und endet mit einem Appell an seine Mitbürger, ihre Klischees zu hinterfragen und die stabile und starke Demokratie der Amerikaner anzuerkennen, ebenso die Tatsache, dass die USA die Kraft ihrer Militärmacht lieber zugunsten einer friedlichen „pax americana“ einsetzen und nicht als „imperiale“ Weltmacht erscheinen würden. Der Autor liebt die USA, man merkt es in jeder Zeile.
Der Ursprung der hart näckigen Vorurteile in den neuen Bundesländern.Wer heute in den neuen Bundesländern über Amerika spricht, trifft auf harte Vorurteile. 40 Jahre anti-amerikanische Propaganda hinterlassen Spuren. Die USA hatten hier keine Chance, sich als demokratisches, rechtsstaatliches und republikanisches Staatswesen einzubringen. Begriffe wie Imperialismus, Militarismus, Klassenfeind und Ausbeutergesellschaft prägen das Amerikabild. Die anti-amerikanische Propaganda sah Amerika als rassistisch, unsozial, ausbeuterisch, kulturlos und militaristisch. Im „Wettkampf der Systeme“ waren die USA die Projektionsfläche für alles Unsoziale, Ungerechte und ideologisch Ablehnungswürdige.
Ehrlicherweise muss man zugeben, dass diese Sicht auf Amerika sich kaum von der in den alten Bundesländern unterscheidet. Vielleicht noch etwas härter und etwas mehr staatlich gesteuert – aber Amerika als Inkarnation des Bösen und verantwortlich für alles Übel in der Welt zu sehen, diese Ansichten sind hier inzwischen vollständig gesesellschaftsfähig, und zwar in allen politischen Lagern.
In der DDR entstand eine scharfe Variante des deutschen Anti-Amerikanismus. Das marxistisch-leninistische Weltbild war eine anti-amerikanische Ideologie. Ab 1948 richtete sich die DDR-Propaganda gegen die USA als westliche Führungsmacht und Schutzherr des westdeutschen Konkurrenzstaates. Der „US-Imperialismus“ erhielt die Schuld für alle Übel der Welt: „Amerikanische Rüstungsindustrielle und Bankiers“ strebten nach der Weltherrschaft. Das „Weltfriedenslager“ sei auf dem Vormarsch, der Imperialismus kämpfe gegen seinen Untergang. (…) Nach Thomas Haury hat die SED antiwestliche Ressentiments benutzt, um die westliche Dekadenz und den wurzellosen Kosmopolitismus mit der „deutschen Kultur“ zu konfrontieren. Der Marxismus-Leninismus weise frappierende Affinitäten zum antisemitischen Weltbild auf, schreibt Haury. Finanzkapitalisten wurden „zionistisch“ oder „jüdisch“ genannt, das gute amerikanische Volk wurde den bösen „US-Finanzkapitalisten“ gegenübergestellt. Dan Diner hat erarbeitet, dass „der marxistisch-leninistische Antiimperialismus der DDR Bilder und Metaphern aus der Nazizeit gebrauchte.
Die anti-amerikanische Propaganda war erfolgreich. Bis heute fällt es vielen Bürgern in den neuen Bundesländern schwer, Amerika als Führungsmacht des Westens anzuerkennen. George W. Bush wird abgelehnt, die Nato für überflüssig erklärt und die deutsch-amerikanischen Beziehungen mit Argwohn beobachtet: Verstecken sich nicht amerikanische Großmachtgelüste hinter der US-Außenpolitik? Die USA werden gern wegen ihrer Rüstungs-, Umwelt und Wirtschaftspolitik abgelehnt. Amerika, nein danke, hört man zwischen Rostock und Eisenach.
Allerdings nicht nur dort. Man hört es quer durch die Republik, nahezu jeder gefällt sich darin, amerikafeindlich zu sein. Natürlich wird das nicht zugegeben. Man versteckt sich gerne hinter der „Kritik unter Freunden“ oder der Ablehnung von Bush. Herr Mielke jedenfalls gehört nicht dazu und beendet seinen Beitrag mit einem Appell:
Wir brauchen heute einen Bewusstwerdungsprozess, der die linken anti-amerikanischen Klischees hinterfragt und die USA als das präsentiert, was sie sind: eine sozial und kulturell heterogene Gesellschaft, eine stabile rechtsstaatliche Demokratie, eine Militärmacht, deren Kraft sich lieber zugunsten einer friedlichen „pax americana“ einsetzt und nicht als „imperiale“ Weltmacht erscheint. Die USA sind weder die Inkarnation des Bösen, noch der Inbegriff des Guten: Sie sind einfach eine komplexe, stabile und starke Demokratie mit eigener kulturellen und staatspolitischen Identität.
Die Führungsmacht des Westens ist mit den Mitgliedern der EU eng verwandt – im ethnischen, politischen, rechtlichen, religiösen und verfassungsrechtlichen Sinne. Wir dürfen die USA als Führungsmacht anerkennen, ohne uns vor der amerikanischen Macht zu fürchten. Außenpolitische Fehler der Vereinigten Staaten gehören zum Schicksal dieser traditionsreichen Demokratie. Wir können darauf vertrauen, dass diese Fehler korrigiert werden und die Substanz der demokratischen und rechtsstaatlichen Struktur der USA nicht gefährden. Amerika ist kein starres, autoritäres System. Seine Politik, Kultur, Gesellschaft und Wirtschaft unterliegen ständigem Wandel. Das ist sein Geheimnis für Fortschritt und Erfolg.
Ein mutiger Beitrag gegen den Zeitgeist!
(Spürnase: Daniel O.)
» Buchtipp: Andrei S. Markovits: Amerika, Dich hasst sich’s besser [2]. Eine Rezension von PI befindet sich hier [3].
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