Protestierende Moscheebaugegner wurden aus dem Saal der Ahnungslosen verwiesen, da man lieber unter sich bleiben wollte. Eine Kölnerin, die die Veranstaltung besucht hat, machte sich die Mühe, die Rede der Sozialdezernentin, die nicht so viel vom Islam kennt, nach einem Tonbandprotokoll abzuschreiben, und stellt uns den Text freundlicherweise zur Verfügung.
Herr Wirges hat mich ja schon vorgestellt als Sozialdezernentin, ich bin auch Referentin für Integration in dieser Stadt (…) Ich will damit anfangen, daß wir drauf achten müssen, daß und Sie erinnern sich, (…) diese sind mit ihren Eltern und Großeltern nach Köln gekommen als Gastarbeiter, und zwar eher in unteren Schichten, das ist damals so gewesen und wir haben leider in der Bundesrepublik ein Problem, daß Kinder, die in bildungsfernen Schichten oder unteren Schichten aufwachsen, daß die wenig Möglichkeiten haben, aus dieser Schicht herauszukommen. Das führt heute dazu, daß wir in unteren, in den bildungsfernen Schichten, relativ viele Türkinnen und Türken haben, das liegt einfach sozusagen in der Geschichte, hat aber nichts damit zu tun, daß die aus jetzt der Türkei kommen. Wir haben natürlich auch Menschen deutscher Herkunft in unseren bildungsfernen Schichten, und wenn ich also von Integration rede, meine ich in erster Linie, zielt dies darauf hin, daß diese Schere zwischen arm und reich, daß die nicht immer weiter auseinandergeht, daß wir nicht mehr hier Menschen in armen Schichten haben, sondern daß diese Menschen oder die Kinder vor allen Dingen auch dieser Menschen immer wieder Chancen haben, in dieser Gesellschaft auch hochzukommen. Das geht allerdings (…) (großer Beifall) Das fängt am meisten an über die Frage Bildung, Schulbildung, Kindergarten, Ausbildung, Übergang Studium und Beruf und und und. Das kann ich mit Fug und Recht als Sozialdezernentin sagen, damit am meisten auch von der Stadt einzuwirken, und jetzt komme ich zur Rolle der Religion.
In diesem ganzen sozialen Prozeß haben die Religionen in Köln eine ganz ganz wichtige Rolle, und zwar würden wir unsere Sozialpolitik überhaupt nicht machen können, wenn wir nicht die Religionsgemeinschaften hätten. Da spreche ich von der Caritas, da spreche ich von der Diakonie, von der jüdischen Synagogengemeinde; ich spreche aber auch von diversen Moscheegemeinden, die nämlich alle sozusagen dasselbe machen, das sind nämlich die Menschen, die dort ein- und ausgehen, die dafür sorgen, daß sie in Bildung an die Grenze gehen, in sozialen Fragen, in Sprachkursen, was immer es auch ist. Wir würden als Stadt ganz schlecht dastehen, wenn wir nicht die Religionsgemeinschaften insgesamt hätten, die uns helfen, diese sozialen Fragen zu lösen. Und da möchte ich ausdrücklich sagen, da bin ich über jede Religionsgemeinschaft froh, die dieses tut, weil Menschen eines bestimmten Glaubens natürlich am liebsten zu ihrer Religionsgemeinschaft gehen (Beifall). So ist es halt normal, daß jüdische Menschen natürlich zur jüdischen Synagogengemeinde gehen und dort in die Kindergartengruppe oder in den Sprachkurs oder was immer auch gehen, und daß Menschen katholischen Glaubens in die katholische Gemeinde gehen. Gerade hier in Ehrenfeld ist das ja ganz eklatant sichtbar, weil die jüdische Synagogengemeine ja auch hier ein riesiges Sozialzentrum in der Ottostraße hat, insofern sprechen wir immer gern vom „Ehrenfelder Dreiklang“, (…) daß nämlich die Katholiken, die Juden und die Muslime hier gleichermaßen ihre soziale Arbeit machen können, und darüber sind wir sehr, sehr dankbar.
Ich will aber noch ein bißchen ausholen zur Stellung der Religionen in Deutschland, in der Bundesrepublik. Wir sind nämlich alle sehr stolz darauf, daß wir hier in Deutschland das Modell des säkularen Rechtsstaates haben, das heißt, das darf man nicht verwechseln mit einem laizistischen Staat, wie es in der Türkei oder in Frankreich ist. Laizistisch heißt absolute und strikte Trennung von Staat und Religion. Säkularer Rechtsstaat heißt, daß wir einen Staat haben, der ganz positiv Religionen haben möchte, der stolz ist, daß er Religionen in seinem Staate hat und daß die Religionen bestimmte Rollen spielen. Das macht sich bemerkbar, daß der Staat selbst zwar über die Grundwerte auch Werte vermittelt, aber ansonsten darauf angewiesen ist, daß die Religionen Werte, die sie bei sich entwickeln, hineinbringen in das Staatswesen. Das sehen Sie alle zum Beispiel beim Rundfunk, denn im Rundfunkrat sind die Kirchen selbstverständlich Mitglied, (…) und daß die Bundesrepublik eine Religionsfreiheit hat, das finde ich jetzt auch nochmal ganz wichtig. Religionsfreiheit bedeutet, daß jede Religion anerkannt ist, also Religionsfreiheit bedeutet einmal etwas Positives, daß es aber auch in Ordnung ist, wenn man keiner Religion angehört, daß es auch noch anders geht. Und darauf sind wir in der Bundesrepublik besonders stolz, und jetzt will ich auch noch einmal ein bißchen zur Geschichte ausholen.
Wir kennen wenige Staaten auf der Welt (kleiner Tumult, Ruf: Themaverfehlung), und wir sind ganz stolz in der Bundesrepublik, daß wir seit dem Dreißigjährigen Krieg ein friedliches Beisammensein zwischen Katholiken und Protestanten in Deutschland haben. Das gibt es nicht so häufig, gucken Sie nach Nordirland und es gibt allerdings einen Ausrutscher: Mit den Juden sind wir nicht so friedlich umgegangen, das ist erst in der Nachkriegszeit so, aber wir sind stolz darauf, daß viele Religionen jeweils (…) in Deutschland, und das dürfte mit Hoffnung erfüllen.
Ich möchte noch daran erinnern, daß die Protestanten bis vor zweihundert Jahren aus der Stadt noch ausgeschlossen waren, und keine Gottesdienste abhalten durften, das haben die in Wohnzimmer und Kinderzimmern gemacht, und erst vor zweihundert Jahren ist es den Protestanten erlaubt worden, daß sie hier ein Gebetshaus haben, das nur zur Geschichte. Da bin ich schon froh, daß die Protestanten inzwischen Gebetshäuser haben, ich denke, dasselbe (frenetischer Beifall) (…) Ich will einen kurzen Ausflug machen, das wird ja immer wieder angesprochen, wenn gefragt wird, was ist denn mit den Christen in der Türkei oder im Iran. Das ist für mich auch eine ganz interessante Frage, aber ich möchte nochmal sagen: Mir ist es relativ egal, wie es in anderen Ländern ist. Ich bin stolz darauf, daß wir hier in Deutschland eine Religionsfreiheit haben. Ich finde, wir sollten Vorbild sein (frenetischer Beifall).
Ich möchte noch einige Ausführungen zur Rolle der Religion im Integrationsprozeß machen. Wir haben hier im säkularen Rechtsstaat viele Religionen nebeneinander, die nebeneinander erlaubt sind und auch gewollt sind, und Deutschland lebt davon, daß die Religonen zum Beispiel Werte sind. Was wäre die Jugend ohne dem, daß nicht die verschiedenen Religionsgemeinschaften Werte vermitteln würden. (…) weil nämlich viele Jugendliche gar nicht mehr in katholischen oder evangelischen oder jüdischen oder muslimischen Gemeinden zuhause sind, und da sollte ich, ganz egal, ob ich jetzt religiös bin oder nicht, als städtische Vertreterin immer dafür plädieren: Es ist gut, daß wir viele Religionen in der Stadt haben, die stark sind, weil sie nämlich Werte vermitteln und Jugendliche auch abhalten von Kriminalität. (viel Beifall).
Wir wissen, viele Bürger sind ja auch verunsichert, weil sie vom Islam nicht so viel kennen, mir geht es übrigens ebenso, ich komme aus Hamburg, also aus Norddeutschland. Als ich hier nach Köln kam, kannte ich überhaupt keine Katholiken (Beifall) (…) und das hat für mich ne Weile gedauert, das nicht für völlig fremd zu halten, sondern mich daran zu gewöhnen und zu sagen, und andere Religionen sind anders aufgebaut. (…) jetzt geht es mir mit Muslimen genau so, aber man weiß doch wieder zu wenig. An Sie, die Sie alle erwachsen sind und in der Schulzeit wahrscheinlich nur den einen konfessionellen Religionsunterricht hatten und nicht viel mitgekriegt haben, nicht viel mitgekriegt haben von anderen Religionen: Ich merke für mich, ich lerne eigentlich jeden Tag immer neu dazu und bekomme mit, was überhaupt zum Beispiel Islam (…) Ich stelle allerdings dabei auch immer fest, daß die Religionen sich doch sehr ähneln
(Tumult: Zwischenruf: Meine Religion ähnelt nicht dem Islam. Ich will niemand steinigen – weiterer Zwischenruf: zum Thema, bitte zum Thema, sonst können wir uns das sparen, weiterer Tumult und viel Beifall)
Bredehorst fährt fort: … und miteinander kennenlernen, welchen Glauben die jeweils andere Religion hat, und ich spreche noch einmal (…) vom Religions- und Integrationsprozeß, das ist nämlich, das ist nämlich der, daß Religion einem Menschen Halt gibt und gerade in einer Gesellschaft, wo viele Menschen ohne Perspektive sind, weil sie keinen Arbeitsplatz haben oder wenig Einkommen haben, sie kämpfen um ihre Existenz, ist Religion ein ganz ganz wichtiger Halt (…) das gilt für Katholiken genauso wie für Protestanten, wie für Juden und Muslime oder für Buddhisten auch. (…) Ich glaube nicht, daß wir Parallelgesellschaften haben (Tumult) (..) das ist nicht der Fall, weil ich zum Beispiel daran erinnere, daß bei der katholischen Kirche ganz viele Gottesdienste in dieser Stadt in portugiesischer, in spanischer, in italienischer Sprache gehalten werden (großer Tumult, vermischt mit Beifall) wichtig ist, daß sich Menschen, die in dieser Stadt leben, auch wohl und heimatlich fühlen, dafür (der Rest geht unter in Tumult sowie frenetischem Beifall – Zwischenruf: Fühlen sich die Ehrenfelder in Ehrenfeld noch wohl – der Meurer) auch in Rechtsrheinischen – finde ich es ganz wichtig, daß es auch für Muslime sichtbare Gotteshäuser gibt (weiter anhaltender frenetischer Beifall) Es ist nicht umsonst, daß die Deutschland-Zentrale von Microsoft sich gerade in Köln angesiedelt hat. Die Mitarbeiter von Microsoft wollten nämlich unbedingt nach Köln, weil sie eine multikulturelle sichtbare Gesellschaft haben wollen (großer Tumult) – das ist ein ganz hoher Wirtschaftsfaktor hier in Köln (anhaltender Beifall).