In unserer Disneyland-Version von Multikulturalismus ist es Häresie, aber die Europäer verstehen allmählich, dass Gemeinschaften von Einwanderern Brutstätten der Intoleranz sein können.
Nichts verdeutlicht die Lage besser, als eine Waffe an Ihrem Kopf.
Die Waffe befand sich in diesem Fall in den Händen eines jungen Arabers. Der Kopf war meiner. Und die Lage sieht so aus, dass Bedenken über Einwanderung in Europa nicht nur das Ergebnis von weißem Rassismus sind, sondern dass sie in vielen Fällen eine kluge Antwort darstellen auf steigende Zahlen intoleranter, gewalttätiger junger Männer in Gemeinschaften von Einwanderern. Es ist eine Lage, die wir in Kanada besser erkennen sollten, nicht nur, um zu vermeiden, gedankenlos europäische Ängste vor Einwanderung als Engstirnigkeit abzutun, sondern auch, um die Probleme zu vermeiden, die Europa heimsuchen. (…)
Als ich Passanten interviewte, kam ein Auto langsam näher. Ein Fenster wurde herunter gekurbelt. Die beiden jungen Männer darin schrieen mich an: „Flikker! Flikker!“
Ich hatte keine Ahnung, worum es ihnen ging, aber dann blieb das Auto auf dem Bürgersteig ein paar Fuß vor mir stehen. Der Fahrer schrie, „Flikker!“ und richtete eine Handfeuerwaffe auf meinen Kopf.
Ich duckte mich schnell und tief nach unten. Aber das nächste Geräusch, das ich hörte, war das Auto, wie es wegfuhr.
Wie ich später erfuhr, ist „Flikker“ das holländische Äquivalent zu „Schwuchtel“. Diese Männer hatten angenommen, dass ich ein Prostituierter sein musste, weil ich auf dem Bürgersteig stand, und darum ein Schwuler.
Ich war geschockt. Ich war schon in mehreren riskanten Ländern ohne einen Zwischenfall gewesen, aber hier, im friedlichen kleinen Holland, hält man eine Waffe in mein Gesicht. Unmöglich.
Glücklicherweise arbeitete ich diese Nacht mit einer jungen, holländischen Journalistin und sie hatte eine Erklärung. „Das waren Marokkaner“, sagte sie mit einem Achselzucken.
Als ein netter, liberaler Kanadier fand ich es ein wenig schockierend, Volkszugehörigkeit geradeheraus als Erklärung für Kriminalität genannt zu bekommen. Aber meine holländische Kollegin ist eine nachdenkliche Feministin und eine Linke, nicht irgendein rassistischer Reaktionär. (…)
„Junge Marokkaner sind das größte Problem“, sagte mir der Besitzer eines Coffee-Shops im Rotlichtbezirk. In Holland sind „Coffee-Shops“ Kneipen, die Marijuana verkaufen, und der Besitzer, ein Holländer in seinen 30ern, sortierte gerade seine Waren, als er sprach. Er und seine Frau waren genauso ultraliberal, wie man das von Coffee-Shop-Besitzern im Rotlichtbezirk erwarten könnte, aber sie regten sich furchtbar über marokkanische Männer auf, und vor allem über die Kinder der zweiten Generation marokkanischer Einwanderer – die Variante, die Schwule in holländisch anschreit, und nicht in arabisch. Viele sind religiöse Eiferer und gewalttätig, wie sie versicherten, und für so etwas gibt es keinen Platz in einem Land, das für seine Toleranz bekannt ist. „Wenn Migranten hier leben möchten, dann müssen sie auch tolerant sein“, sagte er.
Ich habe ähnliche Kommentare wieder und wieder gehört. Frauen sagten mir, dass sie die Straße überquerten, um jungen marokkanischen Männern aus dem Weg zu gehen. Prostituierte fürchten sich vor Marokkanern und akzeptieren sie oftmals nicht als Kunden, egal wie dringend sie das Geld brauchen. Holländische Homosexuelle sind ebenso verängstigt. Und wütend.
Ich sprach eines Abends in einer Kneipe mit einer Gruppe schwuler Männer und erzählte ihnen, wie ich mit dem Wort „Flikker“ vertraut wurde, obwohl ich vorsichtig war, die Volkszugehörigkeit der jungen Männer nicht zu erwähnen. Sie waren entsetzt. So etwas passiert einfach nicht in Holland, wie sie versicherten. In kleineren holländischen Städten, sagten sie mir, akzeptieren die Menschen Homosexualität vielleicht nicht, aber sie würden niemals einen schwulen Mann anschreien oder angreifen.
Dann sagte ich ihnen, dass die beiden Männer Marokkaner waren. Es gab ein kollektives Augenrollen. Ah. Das erklärt die Sache. Obwohl das Verprügeln von Schwulen äußerst selten in Holland sein mag, so ist es eine Art Spezialität junger marokkanischer Männer, von denen es viele für einen großen Spaß halten, in Parks zu gehen, wo sich Schwule treffen, und sie willkürlich anzugreifen.
„Viele Marokkaner, nicht alle, aber viele von ihnen, machen eine Menge Probleme, nicht nur wegen Schwulen, sondern wegen allem“, sagte mir ein schwuler Mann. Er und seine Freunde hatten gerade darüber geredet, bevor ich eintraf.
Tatsächlich redet ein großer Teil Hollands über das Thema, und zwar schon seit Jahren. Nur dass es bis vor kurzem ausschließlich im Flüsterton erwähnt wurde. „Jeder sprach darüber, aber nur wenn die Tür geschlossen war“, sagte mir eine Frau in einem Coffee-Shop – ein Kommentar, das ich immer wieder vernahm. Doch so ist es nicht länger. Die Holländer sprechen offen darüber, sogar eifrig, dank eines politischen Wirbelsturms namens Pim Fortuyn. (…)
Und dass ist das Paradoxon von Pim Fortuyn. Indem er für ein Ende der Einwanderung in das kleine, dicht bevölkerte Holland aufrief, verteidigte er die Offenheit. Indem er „holländische Werte“ gegen Multikulturalismus verteidigte, unterstützte er Pluralismus und Vielfalt. Seine Partei zog eine erschreckende Zahl von Sonderlingen und Verrückten an und die Kommentare von Herrn Fortuyn waren oft verantwortungslos und aufrührerisch, aber der Mann glaubte ehrlich, dass er die Intoleranz bekämpfte und sie nicht bewarb.
Das ist nicht leicht zu verstehen für Nordamerikaner. Auf diesem Kontinent ist Toleranz etwas, das wir von im Lande Geborenen erwarten. Intoleranz ist eine Sünde der weißen Mehrheit. Und Feindlichkeit gegenüber Einwanderer ist die schlimmste Form von Intoleranz, die man sich vorstellen kann.
Der Gedanke, dass Einwanderer selbst auf erschütternde Weise intolerant sein könnten, ist dem nordamerikanischen Verstand fremd. Zum Teil liegt das daran, dass die Einwanderung nach dem Zweiten Weltkrieg nach Nordamerika ein überwältigender Erfolg war. Einwanderer in Kanada und in den Vereinigten Staaten haben zum Großteil wenigstens den Gedanken akzeptiert, dass wir zumindest Menschen tolerieren müssen, die nicht wie wir sind – das ist das Kernelement der Kultur liberaler Gesellschaften und der Schlüssel für das Funktionieren des Pluralismus.
Aber es gibt noch einen anderen Grund, warum wir annehmen, dass Gemeinschaften von Einwanderern gegen Engstirnigkeit und Hass immun sind: Radikaler Multikulturalismus. Das ist nicht der Multikulturalismus, der einfach menschliche Vielfalt würdigt. Es ist vielmehr der Multikulturalismus, der darauf besteht, dass alle Kulturen wunderbar, erhaben und gleich sind, dass alle Traditionen gepflegt und akzeptiert werden müssen und dass alle Kulturen Seite an Seite in süßer Harmonie leben können. In dieser Disneyland-Ideologie besteht die schlimmste Sünde, das eine, unentschuldbare Verbrechen, darin, eine andere Kultur zu kritisieren (von westlichen Kulturen abgesehen, deren Kritik nicht nur ermutigt, sondern vorgeschrieben wird).
Dies ist der Multikulturalismus, der sich weigert zu sehen, dass die meisten menschlichen Kulturen, heute und seit jeher, von Tribalismus gesättigt sind, von Engstirnigkeit und von antiliberalen Bösartigkeiten. Er weigert sich zum Beispiel zu sehen, dass ein brennender Hass auf Homosexuelle in vielen muslimischen Kulturen tief verankert ist, dass es kein Zufall ist, dass der offen schwule Bürgermeister von Paris von einem fundamentalistischen Muslim erstochen wurde, oder dass so viele junge marokkanische Männer sich dabei amüsieren, holländische „Flikker“ zu verprügeln.
Leider war diese Strömung des Multikulturalismus in Europa sehr ansteckend. Manchmal breitete sie sich in wahnsinnigen Formen aus. Als eine norwegische Zeitung berichtete, dass eingewanderte muslimische Männer eine unverhältnismäßig große Zahl von Vergewaltigungen in Norwegen begingen, bestand ein Professor darauf, dass norwegische Frauen zumindest teilweise dafür verantwortlich waren. Er schrieb, dass ihre Kleidung für muslimische kulturelle Standards provokativ war. „Norwegische Frauen müssen erkennen, dass wir in einer multikulturellen Gesellschaft leben und sich dieser anpassen.“ (…)