[1]Meist schon in ihrem ersten Semester lernen Jura-Studenten in Deutschland, dass die Meinungsfreiheit ein „demokratiekonstitutives“ Grundrecht sei. Das heißt: Dort, wo die Menschen ihre Meinung nicht frei äußern können, ist auch keine Demokratie möglich. Es handelt sich um ein Ausschlusskriterium.
(Von Franz Trinkbecher)
Die Meinungsfreiheit steht in Deutschland nach dem Grundgesetz allerdings unter einem so genannten „qualifizierten Gesetzesvorbehalt“. In Art. 5 Abs. 2 GG heißt es, die Meinungsfreiheit finde „ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre“.
Das heißt, dass die Meinungsfreiheit nur auf Grundlage eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, das diesen Anforderungen genügt – daher ein „qualifizierter Gesetzesvorbehalt“. Was ein „allgemeines Gesetz“ ist, ist unter Juristen allerdings umstritten. Ausgehend von Art. 118 Abs. 1 Weimarer Reichsverfassung werden hierzu zwei Ansichten vertreten: Nach einer Ansicht soll jedes Gesetz allgemein sein, das sich nicht gegen eine bestimmte Meinung richtet, das also nicht Sonderrecht begründet, um eine unliebsame Meinung etwa wegen ihrer „geistigen Zielrichtung“ zu verbieten. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von der so genannten „Sonderrechtslehre“.
Nach einer anderen Ansicht ist ein Gesetz dann allgemein, wenn es dem Schutz eines gesellschaftlichen Gutes dient, das bei Abwägung als höherrangig einzustufen gewesen sei als die Meinungsfreiheit, die darum habe zurücktreten müssen. Diese Auffassung wird „Abwägungslehre“ genannt.
In seinem „Lüth-Urteil“ kombinierte das Bundesverfassungsgericht kurzerhand beide Theorien und goss aus den beiden Ansätzen die folgende Formulierung, mit deren Hilfe bis heute ausgelotet wird, wo die Meinungsfreiheit zu enden hat. Demnach sind solche Gesetze „allgemein“, die „nicht eine Meinung als solche verbieten, die sich nicht gegen die Äußerung der Meinung als solche richten, die vielmehr dem Schutze eines schlechthin, ohne Rücksicht auf eine bestimmte Meinung, zu schützenden Rechtsguts dienen, dem Schutze eines Gemeinschaftswertes, der gegenüber der Betätigung der Meinungsfreiheit den Vorrang hat“. (Quelle) [2]
Während das „demokratiekonstitutive“ Grundrecht der Meinungsfreiheit somit aufgrund eines allgemeinen Gesetzes eingeschränkt werden kann, wird die Religionsfreiheit in Art. 4 schrankenlos gewährt. Ursprünglich war ebenfalls ein Gesetzesvorbehalt vorgesehen. Dieser wurde dann aber gestrichen. Das ging so lange gut, wie die Religionsfreiheit lediglich die Freiheit eines heterogenen Christen- und Judentums in Deutschland gewährleisten sollte. Seitdem aber der radikale Islam in Deutschland Fuß gefasst hat und unter dem Deckmantel der Religionsfreiheit in so mancher Moschee unverblümt zu Hass und Mord an den „Ungläubigen“ aufgestachelt wird, sind die alten Schranken nicht mehr zu gebrauchen. Sie erweisen sich vielmehr immer öfter als eine gefährliche Hypothek, etwa wenn sie dazu dienen, selbst Sonderrecht zu beanspruchen, wie zum Beispiel in dem Fall, dass ein Schüler sich vor kurzem vor Gericht das Recht erstritt, in den Räumlichkeiten einer staatlichen Schule in den Pausen beten zu dürfen.
Nach dem Grundgesetz darf die Religionsfreiheit, in Ermangelung eines Gesetzesvorbehaltes, nur im Rahmen der so genannten „praktischen Konkordanz“ eingeschränkt werden, das heißt, ausschließlich dann, wenn andere Verfassungsgüter im konkreten Fall in Widerspruch mit der Religionsfreiheit geraten sind. Dabei ist allerdings auf einen möglichst „schonenden und angemessenen Ausgleich“ der betroffenen Rechtspositionen zu achten.
Dass die Religionsfreiheit somit nicht nur ihrer Stellung innerhalb des Grundgesetzes zufolge, sondern auch nach ihrer dogmatischen Auskleidung, nämlich als schrankenlos gewährtes Grundrecht, höher gewichtet wird als die Meinungsfreiheit, ist höchst bedenklich und längst nicht mehr zeitgemäß – wenn diese gesetzgeberische Entscheidung überhaupt je zeitgemäß war. Dass die Meinungsfreiheit in den letzten Jahren indes immer häufiger einer vermeintlichen „Religionsfreiheit“ zu weichen hatte – gemeint ist zuvörderst, was Islamisten als ihr „gottgegebenes“ Recht reklamierten –, das ist etwas, was man nicht nur in Deutschland und längst nicht nur im Verfassungsrecht zu beobachten hat.
Kurt Westergaard, ein dänischer Zeichner, fertigte beispielsweise vor vier Jahren eine Karikatur an, die sein Leben verändern sollte [3]: Er zeichnete den islamischen Propheten Mohammed, der eine Bombe als Turban trägt; die Lunte brennt bereits, bald wird die Bombe in die Luft gehen. Die Karikatur Westergaards wurde in der dänischen Tageszeitung „Jyllands-Posten“ am 30. September 2005 gemeinsam mit elf weiteren Karikaturen veröffentlicht, die alle den Fundamentalismus des Islam zum Gegenstand hatten. In der Folge erhob sich ein unvergleichbarer Proteststurm in der ganzen muslimischen Welt, der monatelang anhielt und so sehr tobte, dass der damalige Ministerpräsident Dänemarks, Anders Fogh Rassmussen, von der „schwersten Krise“ sprach, die sein kleines Land „seit dem Zweiten Weltkrieg“ zu überstehen gehabt habe. Dänische Produkte wurden in der islamischen Welt boykottiert, westliche Botschaften wurden attackiert und zum Teil sogar gestürmt, Kirchen wurden in Brand gesetzt, über 150 Menschen fanden infolge der Veröffentlichung den Tod, als wütende Muslime Rache dafür nehmen wollten, dass ihr Prophet durch den Westen beleidigt worden sei. Die meisten dieser Menschen hatten die besagten Karikaturen wohl nie gesehen. Die Empörung wurde gezielt geschürt und von den Mächtigen in der islamischen Welt missbraucht. Der Zorn sollte gegen den ganzen Westen gewendet werden, um so Druck aufzubauen.
Und viele im Westen knickten vor dem inszenierten Volkszorn ein und bekannten, dass die dänischen Karikaturen tatsächlich nicht mehr von der Meinungsfreiheit gedeckt gewesen seien. Sie zu veröffentlichen sei falsch und unmoralisch gewesen. Viele forderten gar, dass die Urheber sich zu entschuldigen hätten. In Deutschland lehnten sowohl die Bild-Zeitung als auch das Nachrichtenportal Spiegel Online den Abdruck der Karikaturen ab – angeblich weil sie keine weiteren „religiösen Gefühle“ verletzen wollten. In Wirklichkeit stand dahinter wohl vor allem die nackte Angst, selbst Opfer von Boykott und Ausschreitungen zu werden. Es war Feigheit.
Der Literatur-Nobelpreisträger Günter Grass, der zu seinen glanzvolleren Zeiten selbst die Kunst- und, damit einhergehend, die Meinungsfreiheit verteidigt hatte, erhob ebenfalls anklagend den Zeigefinger und bemerkte in der ihm eigenen Selbstgefälligkeit, dass die Veröffentlichung der Zeichnungen eine „bewusste und geplante Provokation eines rechten dänischen Blattes“ gewesen sei. Er fügte hinzu, den Urhebern und Redakteuren, die nun mit Morddrohungen überzogen wurden, müsse klar gewesen sein, was sie taten; „sie haben aber weitergemacht, weil sie rechtsradikal und fremdenfeindlich sind“.
Schaut man sich die besagten Zeichnungen aber einmal an, die viele Journalisten im Westen nicht einmal ihren eigenen westlichen Lesern zumuten wollten, merkt man recht schnell, dass es hierbei weder um „Fremdenfeindlichkeit“ noch „Rechtsradikalität“ geht. Es geht darum, den Finger in eine klaffende und schmerzhafte Wunde zu legen. Es geht darum, auf eine Realität hinzuweisen, die viele als selbstverständlich abtun, ohne sie allerdings auch nur im Ansatz verstanden zu haben – ohne ihre Sprengkraft unter dem Turban zu begreifen.
Ist es denn etwa „rechtsradikal“ und „fremdenfeindlich“, möchte man Grass fragen, darauf hinzuweisen, dass der fundamentalistische Islam wie keine andere Kraft in den letzten Jahrzehnten den Frieden in der Welt bedroht? Waren es denn nicht Islamisten, angeleitet vom Koran, die am 11. September 2001 im Namen Allahs unter anderem das World Trade Center angegriffen und dabei fast 3000 Menschen töteten, und waren es nicht gleichfalls Islamisten, angeleitet vom Koran, die etwa 2004 in Spanien und 2005 in Großbritannien Hunderte unschuldige Menschen in den Tod rissen? Worauf, wenn nicht auf den Koran und eben den Propheten Mohammed, beriefen sich diese Männer, als sie beschlossen, Tod und Verderben in die Städte der USA und Europas zu tragen? Worauf berufen sich heute all die Imame, die in westlichen Städten gegen die einheimische Bevölkerung hetzen und es als Sünde geißeln, sich anzupassen?
Das Einzige, was die Karikaturisten getan hatten, war, darauf hinzuweisen, dass diese Mörder ein Teil des heutigen Islam sind – ein prägender Teil. Das ist keine Diffamierung. Es ist schlicht die Wahrheit. Und selbst wenn es nicht die Wahrheit gewesen wäre, was es aber ist, dann wäre dies dennoch die Bekundung einer legitimen Meinung, geschützt durch eines der vornehmsten Menschenrechte, die es überhaupt gibt: die Meinungsfreiheit. Denn wo jedes vermeintlich falsche Wort, wo jede Äußerung, die einem anderen missfällt, dazu führen kann, dass man sogleich ermordet wird, da gibt es gar keine Freiheit mehr. Das gilt auch dann bereits, wenn derjenige, der mit dem Tode bedroht wird, sich lediglich sagen lassen muss, er sei doch selber schuld, ohne sogleich umgebracht zu werden; besser wäre es eben gewesen, er hätte geschwiegen. Das ist nicht nur Feigheit. Das ist Verrat an den kulturellen Werten der Zivilisation!
Und doch sprachen damals viele genauso wie Grass. Hendrik Zörner etwa, Sprecher des Deutschen Journalisten-Verbandes, erklärte stellvertretend für viele andere: „Veröffentlichungen in Wort und Bild, die das sittliche oder religiöse Empfinden einer Personengruppe nach Form und Inhalt wesentlich verletzen können“, seien mit „der Verantwortung der Presse nicht zu vereinbaren“. Das heißt nichts anderes, als dass Zörner die Religion – man sollte besser sagen: die eitlen Befindlichkeit von einigen Gläubigen – höher bewertete als die Meinungsfreiheit. Wer so spricht, macht die Meinungsfreiheit zum disponiblen Gut von Hetzern, Fundamentalisten und, dahinter stehend, den Herrschenden in der islamischen Welt. Die Grenzen der Meinungsfreiheit legt dann nicht mehr die freiheitliche Gesellschaft fest; sie werden nicht mehr im Diskurs und nötigenfalls vor dem Bundesverfassungsgericht ausgelotet: Die Grenzen legen dann Mullahs und Muftis fest – und der vorauseilende Gehorsam aus Furcht vor ihrem imaginierten „Rechtspruch“, welcher Hunderttausende und Millionen auf die Straße bringen könnte.
Inzwischen ist Kurt Westergaard 74 Jahre alt. Er hat es in diesen vier Jahren, trotz zahlreicher Drohungen gegen sein Leben, abgelehnt, sich für seine Karikatur zu entschuldigen, obgleich er sich sehr wohl medienwirksam von dem islamkritischen Film „Fitna“ des niederländischen Politikers Geert Wilders distanziert hat. Seit vier Jahren steht Westergaard nun also unter Polizeischutz und muss damit rechnen, dass er jeden Tag getötet werden könnte. An diesem Neujahrstag [4] wäre es beinahe so weit gewesen: Ein Mann somalischer Herkunft drang, bewaffnet mit einer Axt und einem Messer, in das Haus Westergaards ein, in welchem sich jener gemeinsam mit seiner Enkeltochter aufhielt. Glücklicherweise gelang es Westergaard noch rechtzeitig, sich in ein Bad zu flüchten, das zu einem Panikraum ausgebaut worden war. Wenig später traf die herbeigerufene Polizei ein und schoss den Axt schwingenden Angreifer nieder. Der Somalier soll direkte Verbindungen zu Al-Qaida unterhalten. Dies ist nicht der erste vereitelte Anschlag auf Westergaards Leben: Bereits im Februar 2008 verhaftete die dänische Polizei vier Migranten, zwei aus Tunesien, einen aus Marokko, die einen Anschlag auf Westergaard geplant hatten.
Für einen kurzen Augenblick hat Westergaard es damit wieder auf die Titelseiten der Zeitungen geschafft, seine Karikatur, die all dies verursacht hat, wird dabei allerdings oft nicht gezeigt. Viele waren in den vergangenen Jahren hart mit Westergaard ins Gericht gegangen; einige sind ihm auch beigesprungen, um die Meinungsfreiheit zu verteidigen. Es mag ihm selbst nicht gefallen, doch Westergaard ist selber zu einer Art Symbol geworden – der alte Mann aus Dänemark, der Mohammed mit einem Bomben-Turban zeichnete und darum sterben sollte und nun einmal mehr beinahe gestorben wäre. Doch was hat sich in den Jahren getan, die vergangen sind, seit die Mohammed-Karikaturen veröffentlicht wurden?
Zum Beispiel das: Eine Professorin an der ehrwürdigen Yale University schrieb 2009 ein Buch über die Karikaturen und das, was infolge der Veröffentlichung geschah. Das Werk trägt den treffenden Titel “The Cartoons that Shook the World”. Aus Furcht aber, dass der Abdruck der Karikaturen, um die es in dem Buch geht, abermals „religiöse Gefühle“ verletzten und zu wütenden Protesten führen könnte, verzichtete Yale University Press darauf, die Karikaturen sowie einige weitere historische Illustrationen von Mohammed in das Werk aufzunehmen. Mehr Feigheit geht nicht. Es hat sich gar nichts geändert.
Und hier wir da ist es dieselbe grundfalsche und verlogene Argumentation, die bedient wird: Die Meinungsfreiheit müsse zurücktreten, wenn die Gefahr bestehe, das religiöse Bekenntnis anderer zu verletzten. Nicht zuletzt werden hierbei pragmatische Gründe ins Feld geführt, denn wer sieht es schon gern, wenn Kirchen und Botschaften überfallen, Fahnen verbrannt und Christen ermordet werden – und das aus Prinzip? Aber was anderes geschieht, wenn man hier nachgibt, als dass man die Hetzer und Fundamentalisten in ihrem Glauben bestärkt, man könne den Westen (oder jedenfalls seine Regierungen) durch Gewalt und einen tobenden Mob einschüchtern und erpressen?
Es geht hier aber nicht nur um vorgeblichen „Pragmatismus“: Als die Schweizer vor kurzem im Rahmen eines Volksinitiative beschlossen, den Bau von Minaretten in ihrem Land künftig zu verbieten, klagten viele in der muslimischen Welt und auch viele im Westen, dass damit die Religionsfreiheit der Muslime verletzt werde. Nicht zuletzt dieselben Menschen, die in ihren eigenen Ländern „Ungläubige“ diskriminieren und nicht selten ganz offen verfolgen, klagen auf das Recht, in Namen der Religion alles tun zu dürfen. Wenn in den Moscheen zum Jihad aufgerufen wird, geht es aber nicht mehr um Religion. Wenn propagiert wird, Parallelkulturen aufrecht zu halten und nur nach dem eigenen Recht der Scharia zu leben, dann wird nur mehr eine freiheitszersetzende Ideologie verbreitet, die mit unseren Werten schlechterdings nicht auszusöhnen ist. Diese Ideologie kann den Schutz der Religionsfreiheit nicht für sich reklamieren, denn hier geht es nicht mehr um ein Bekenntnis, nicht mehr um einen Kultur. Und auch dort endet die Religion, wo sie zum Vorwand gemacht wird, jede Kritik im Keim zu ersticken und alles, was irgendwie unliebsam sein könnte, sofort als billigen Vorurteilen und niederen Instinkten folgend zu diskreditieren.
Schaut man sich jene zwölf Karikaturen [5] an, welche die Welt erschütterten, jene zwölf Karikaturen, die noch heute Mord rechtfertigen sollen, so wird überaus deutlich, dass diese Zeichnungen niemals dem Zweck dienten, den Islam in seiner Gesamtheit zu verfemen. Es ging einzig darum, auf etwas hinzuweisen, was den heutigen Islam prägt wie nichts anderes: Terror, Gewalt und Unfreiheit. Das ist denn auch das Gesicht des Islam, das Hunderttausende von Muslimen zeigten, als sie Flaggen verbrennend und Mordparolen skandierend durch die Straßen zogen; das ist das Gesicht, das wir sahen, als Kirchen in Afrika niedergebrannt und Christen vom wütenden Mob totgeschlagen wurden.
Es ist eine Schande, dass so viele im Westen sich bis heute weigern, dieses Gesicht zu sehen. Eine ebenso große Schande ist es, dass so viele im Westen die „demokratiekonstitutive“ Bedeutung der Meinungsfreiheit vergessen zu haben scheinen und allenthalben nur allzu willfährig in den Chor einstimmen, der fordert, Publikationen dieser Art künftig nicht mehr zuzulassen – vorgeblich, um Spannungen zu vermeiden. Als ob es ohne die Karikaturen, die lediglich Anlass sind, nicht Ursache, keine Spannungen gäbe! Endlich ist es eine Schande, dass so viele im Westen vergessen haben, dass die Religionsfreiheit das Ausleben eines Bekenntnisses schützt, die Religionsfreiheit aber keinesfalls besagt, dass im Namen einer „Religion“ – oder unter dem bloßen Deckmantel derselben – die verfassungsmäßigen Rechte anderer beschnitten werden.
Die Religionsfreiheit steht nicht über der Meinungsfreiheit. An Gott zu glauben ist zuletzt auch nichts anderes als eine Meinung, die allerdings nicht nur geäußert, sondern die zu einer Richtschnur für das eigene Handeln erkoren wird. Die Meinungsfreiheit ist dennoch wichtiger als jede Religion – zumal wenn es gar nicht um Fragen der Religion geht, sondern das Bekenntnis nur ein Vorwand ist wie im Fall der Mohammed-Karikaturen.
In Deutschland wäre es an der Zeit, die Religionsfreiheit endlich selbst unter den Vorbehalt eines Gesetzes zu stellen, und es wäre an der Zeit, dass sich diejenigen, die von sich behaupten, für die Demokratie einzutreten, endlich auch dazu bekennen, dass sie die Meinungsfreiheit verteidigen werden – koste es, was es wolle. Denn wenn dieser Kampf verloren geht oder schlimmer noch: wenn er von uns verloren gegeben wird, dann endet damit auch die Demokratie. Das ist gewiss.
In seiner Neujahrsansprache sagte Anders Fogh Rasmussen einst in Bezug auf die Mohammed-Karikaturen und die Mord- und Gewalttaten, welche sich infolge der Veröffentlichung ereigneten:
„Die Meinungsfreiheit darf um keinen Deut eingeschränkt werden, sie steht nicht zur Diskussion.“
Leider sieht das nicht jeder so. Dass Kurt Westergaard an einem Neujahrstag sterben sollte, mag Zufall sein. Vielleicht sollte dies aber auch ein Zeichen an die westliche Welt sein. Westergaard ist ein Symbol, darum sollte er symbolisch sterben. Die Wahrheit ist nämlich, dass der Kampf um die Meinungsfreiheit noch lange nicht gewonnen ist. Er wird auch nicht gewonnen mit bloßen Sympathiebekundungen oder Nachdrucken von Westergaards Karikatur. Das kann nur ein Anfang sein. Noch regiert in Europa nur allzu oft der schrankenlose Wahnsinn – und wer sein Recht auf Meinungs-, Presse- und Kunstfreiheit wahrnimmt, muss sich bisweilen nicht nur sagen lassen, dass er ein „Rechtsradikaler“ und „Fremdenfeind“ sei, weil anderen die solchermaßen geäußerte Ansicht nicht passt. Derjenige findet sich vielleicht überdies selbst irgendwann einmal in einem zum Panikraum ausgebauten Badezimmer wieder, während draußen ein brutaler Angreifer mit Axt und Messer lauert, der es als seine religiöse Pflicht begreift, diesen Menschen in Stücke zu hacken, weil er es wagte, eine Meinung auszusprechen.
Es wäre an der Zeit, diesen Symbolen des Hasses und des Wahnsinns selbst ein Symbol entgegenzusetzen: Wo es um die Betätigung der freien Meinung geht, haben religiöse Befindlichkeiten zurückzustehen, und ein Mord kann niemals durch eine Religion gerechtfertigt werden. Eine Religion, die ernstlich das Töten rechtfertigen würde, ist keine Religion!
Es ist deshalb an der Zeit, Schranken zu errichten – aber nicht Schranken der Meinungsfreiheit. Nur mit der freien Meinung werden wir uns vor dem Wahnsinn schützen können, der mit Axt und Messer bewaffnet oder mit Sprengstoff in der Unterhose ausgestattet daherkommt und sich unter dem Deckmantel der Religion zu verschanzen sucht.
Das ist die Bombe im Turban, die Westergaard einst zeichnete.
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