Integration heißt Teilhabe ermöglichen und Lebensperspektiven gestalten
Deutschland ist ein Einwanderungsland, auch wenn gegenwärtig mehr Menschen Deutschland verlassen als zuwandern. Die jahrzehntelange Zuwanderung hat eine kulturelle, religiöse und gesellschaftliche Vielfalt geschaffen, die unser Land verändert hat. Diese Vielfalt ist eine der wesentlichen Ressourcen für die zukünftige Gestaltung unseres Bundeslandes. Integration bleibt damit eine der politischen Kernaufgaben in Bremen.
Grundlage und Rahmen des Umgangs mit gesellschaftlicher Vielfalt und den Problemen der Integration ist unsere demokratische Rechtsordnung, wie sie im Grundgesetz und in der Bremischen Landesverfassung verankert ist. Politische Positionen und Zielsetzungen, die auf die Ausgrenzung von Menschen mit Verweis auf angeblich naturhafte, einer Integration entgegenstehende kulturelle Unterschiede hinwirken, sind prinzipiell zurückzuweisen, weil sie zu Diskriminierung, Abschottung und zu tiefen Spaltungen der Gesellschaft führen.
Die Freie Hansestadt Bremen ist ein demokratisches Gemeinwesen, in dem Weltoffenheit und ein humanistisches Menschenbild historische Tradition haben. Sie sind Grundlage unseres politischen Wollens und Wirkens. Sie sind bestimmend für unsere Überzeugung, dass Chancengleichheit, und Respekt gegenüber allen Kulturen, Religionen und Lebensentwürfen, die ihrerseits Demokratie und Menschenrechte achten, selbstverständlich sein müssen.
Die großen Fortschritte, die auf dem Gebiet der Integration bereits erzielt wurden, fanden in der Diskussion der vergangenen Monate zu geringe Berücksichtigung. Integrationsprobleme wurden pauschal dem Unwillen oder einem unveränderbaren Entwicklungsstand der Migrantinnen und Migranten zugeschrieben. Benachteiligende soziale Faktoren, geringere Bildungschancen von Kindern mit Migrationshintergrund, Barrieren bei der Arbeitssuche und rechtliche Hindernisse, vorhandene Qualifikationen für den beruflichen Lebensweg zu nutzen, wurden zu wenig thematisiert.
Der Senat hat mit der Konzeption zur Integration von Zuwanderern und Zuwanderinnen im Lande Bremen für die Jahre 2007-2011 die Grundsätze, Leitbilder und Handlungsziele für die bremische Integrationspolitik formuliert.
In der Überzeugung, dass Integration ein Prozess ist, der gemeinsam von der aufnehmenden Gesellschaft und den Einwanderinnen und Einwanderern entwickelt werden muss, hat die Bremische Bürgerschaft darüber hinaus zahlreiche integrationspolitische Initiativen und Maßnahmen auf den Weg gebracht:
• Durch eine umfassende Schulreform wurde die Vielgliedrigkeit des Schulsystems aufgehoben und ein System aus Oberschulen und Gymnasien eingeführt, in dem alle Kinder gemeinsam miteinander erfolgreich lernen können.
• Durch einen Beschluss zur Stärkung der Sprachkompetenz von Kindern und Jugendlichen durch Sprachförderprogramme für den schulischen und vorschulischen Bereich und eine Initiative zur Bildung und Ausbildung für Kinder und Jugendliche ohne gesicherten Aufenthaltsstatus wurden die Chancen von Kindern mit Migrationshintergrund zusätzlich verbessert.
• Durch eine Initiative, mit der der Senat aufgefordert wurde, eine Strategie zu entwickeln und umzusetzen, um mehr Migrantinnen und Migranten für das Lehramt und für soziale Berufe zu gewinnen.
• Durch einen Beschluss zur erleichterten Anerkennung von im Ausland erworbenen Abschlüssen wurde im Rahmen der landesrechtlichen Möglichkeiten die Basis dafür geschaffen, dass Migrantinnen und Migranten in Bremen entsprechend ihrer wirklichen Qualifikation arbeiten können.
• Durch eine Initiative zur Stärkung des Umweltbewusstseins von Migrantinnen und Migranten wurde mittels zielgruppenorientierter Kommunikation das Bewusstsein für Umweltbelange gestärkt.
• Mit einem Beschluss für eine moderne, interkulturelle Verwaltung in Bremen, durch den der Senat aufgefordert wurde, weiter darauf hinzuwirken, mehr Migrantinnen und Migranten im öffentlichen Dienst auf allen Ebenen und in allen Bereichen zu beschäftigten und alle Bediensteten auf dem Gebiet der interkulturellen Kompetenz fortzubilden, Maßnahmen gegen Rassismus zu ergreifen und entsprechende Zielvereinbarungen mit Verwaltung und Eigenbetrieben zu schließen.
• Durch einen Beschluss zur stärkeren Nutzung der Potenziale von Unternehmerinnen und Unternehmern mit Migrationshintergrund wurde der Senat zu einer Verstärkung der Aktivitäten bei der Unterstützung von migrantischen Unternehmen aufgefordert.
• Durch die Aufforderung an den Senat, die Berichterstattung zur Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit wieder aufzunehmen.
• Durch Maßnahmen zur besseren Integration geduldeter Migrantinnen und Migranten im Land Bremen und zur Verbesserung der Verwaltungsarbeit im Umgang mit Flüchtlingen (Versorgung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge, Bleiberechte für Roma und Angehörige anderer Minderheiten, Standards für die Passersatzpapierbeschaffung und Reisefähigkeitsbegutachtung, Abschaffung der Residenzpflicht, Serviceorientierung der Ausländerbehörde).
• Durch einen Beschluss für die Ausweitung des Recht auf Rückkehr für zwangsverheiratete Frauen und Mädchen.
• Und schließlich hat sich die Bremische Bürgerschaft dafür ausgesprochen, den sog. Optionszwang im Staatsangehörigkeitsrecht aufzuheben, um Menschen die doppelte Staatsangehörigkeit zu ermöglichen.
Darüber hinaus ist daran gearbeitet worden,
• die gesundheitliche Versorgung von Migrantinnen und Migranten zu verbessern, hier insbesondere die Öffnung für die sogenannten Papierlosen.
• die Lage von älteren Migrantinnen und Migranten mehr ins Blickfeld zu nehmen.
• um das Wahlrecht auch für nicht EU-Bürgerinnen und Bürger einzuführen.
• den Dialog über die Anerkennung des Islam als grundsätzlich gleichberechtigte Religion zu vertiefen.
Angesichts der großen noch zu bewältigenden Aufgaben und in Fortführung der genannten Initiativen und Maßnahmen möge die Bürgerschaft (Landtag) beschließen:
Die Bürgerschaft (Landtag) fordert den Senat auf, weiterhin alle notwendigen Maßnahmen für ein besseres soziales und kulturelles Miteinander im Lande Bremen zu ergreifen und die erfolgreiche bremische Integrationspolitik weiterzuentwickeln.
Die Bürgerschaft (Landtag) wird auch künftig allen Versuchen, Menschen wegen ihres Migrationshintergrundes, wegen ihres religiösen oder kulturellen Hintergrundes oder ihrer Hautfarbe auszugrenzen, konsequent entgegenwirken und die Beachtung der Menschenrechte, wie sie im Grundgesetz und in der Verfassung der Freien Hansestadt Bremen verankert sind, Chancengleichheit in Schule, Ausbildung und auf dem Arbeitsmarkt sowie gleiche Teilhaberechte in allen gesellschaftlichen Bereichen und für alle Bremerinnen und Bremer sicherstellen.
Die Bürgerschaft (Landtag) bekräftigt als eine der dringendsten Aufgaben Bremer Politik eine Integrationspolitik, die das Ziel verfolgt, die Gesellschaft zusammenzuführen, die Demokratie zu stärken und die Potenziale der kulturellen, religiösen und gesellschaftlichen Vielfalt zu nutzen.
Die Bürgerschaft (Landtag) betrachtet Integration als einen gemeinsamen Prozess zur Ermöglichung von Teilhabe und eigenverantwortlicher Gestaltung von Lebensperspektiven und wird diese Sichtweise weiterhin zur Grundlage ihrer Beschlüsse machen.
Dr. Zahra Mohammadzadeh, Mustafa Öztürk, Dr. Hermann Kuhn, Dr. Matthias Güldner und Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN
Sükrü Senkal, Karin Garling, Mustafa Güngör, Petra Krümpfer, Sirvan Cakici, Björn Tschöpe und Fraktion der SPD