[6]Am 26. Januar veröffentlichte PI einen Beitrag von Wolfgang Halder mit dem Titel „Kann das Christentum die Islamisierung stoppen?“ [7]. Während Halder die Frage mit einem klaren Nein beantwortet („Die Grundlage unserer Freiheit ist nicht christlich“), entgegnet ihm der katholische Katechist und Initiator von deusvult.info [8], Stefan Ullrich (Foto), in seiner Replik: „Ja, das Christentum kann die Islamisierung stoppen – wenn es authentisch ist!“
Zu 1.: Der Beitrag von Wolfgang Halder beginnt mit Begrifflichkeiten und philosophischen Vorentscheidungen, die auf „das Christentum“ nicht oder nur teilweise Anwendung finden. Der christliche Glaube lässt sich z.B. schon von der Natur seiner Entstehung her eben nicht unter einen Oberbegriff wie „Glaubenssystem“ subsumieren, weil er gewissermaßen weder „System“ hat noch selbst ist. Einzige Grundlage und Rechtfertigung seiner Existenz sowie gleichzeitig seiner Zielsetzung bestehen ausschließlich in der von zuverlässigen Quellen bezeugten Selbstoffenbarung Gottes in Form seines Mensch gewordenen Sohnes Jesus Christus. Da ein Mensch aus Fleisch und Blut kein „System“ ist (und noch viel weniger ein „Gottmensch“), geht der Begriff „Glaubenssystem“ – zumindest im Falle des christlichen Glaubens – schon a priori ins Leere. Ein System hat immer etwas Starres und Abgeschlossenes – ein Mensch aber nicht, und Gott schon gar nicht.
Zunächst jedoch gilt es, den Begriff „Glaube“ im jüdisch-christlichen Sinne zu klären und „sicherzustellen“. Im Unterschied zu allen anderen „typischen“ Religionen ersinnt hier nicht der suchende Mensch von sich aus irgendetwas, sondern die Bewegung erfolgt gerade umgekehrt: Gott macht den ersten Schritt und kommt aus eigener Entscheidung und eigenem Wollen auf den Menschen zu – völlig überraschend, auf ungewöhnliche, unerwartete Weise und (teilweise sogar) gegen den Willen der Menschen. Abraham, Mose und die Propheten des Alten Testaments sowie die Fischer vom See Genezareth des Neuen Testaments gehen allesamt ihren normalen „alltäglichen“ Verrichtungen nach, bis sich Gott ihnen plötzlich in den Weg stellt, sie Dinge erleben lässt, die irdisch nicht erklärt werden können, sie Dinge lehrt, die Menschen-Gebote und -Weisheit deutlich übersteigen und schließlich ihr Leben total umkrempelt. Diese außergewöhnlichen Vorgänge werden von vielen verschiedenen Menschen an verschiedenen Orten und zu verschiedenen Zeiten beobachtet, bezeugt, gesammelt, geprüft, ausgelegt und zuerst mündlich, später dann schriftlich tradiert. Wer nun in diesen sog. „Offenbarungen“ das Wirken Gottes und seine Botschaft erkennt und auf sie vertraut, der wird zum „Glaubenden“. Denn das deutsche Wort „glauben“ entspringt dem lateinischen „credere“, was wiederum abgeleitet ist von „cor dare“, und das heißt nichts anderes als jemandem „sein Herz schenken“.
Christlicher Glaube bedeutet also nicht ein Erdenken oder Erbeten von etwas, was nicht real überprüfbar ist/war, sondern vielmehr die bejahende Antwort des Menschen auf die historisch eingetretene Erscheinung Gottes auf Erden und sein Angebot an uns. Dies alles muss hier vorausgeschickt werden, um im folgenden die Thesen und Argumente des Beitrags von Herrn Halder aus dem rechten Blickwinkel beleuchten und prüfen zu können und dabei insbesondere die Frage aufzuwerfen, ob seine Ausführungen tatsächlich das christliche „Glaubenssystem“ betreffen oder vielleicht nur das, was der Autor für dieses hält…
Zu 1. a): „Jeder Glaube ist besser als kein Glaube“ unterstellt der Verfasser als Pauschal-Position der Christenheit und sieht darin gar eine Gleichheit zwischen „islamischer und christlicher Wertungshierarchie“.
Letztlich berührt H. damit die uralte theologische „fides qua/fides quae“ – Thematik, d.h. die Unterscheidung zwischen dem Glaubensakt an sich (fides qua) und dem Glaubensinhalt (fides quae) einer Religion. Nun ist es durchaus zutreffend, dass die Kirche dem „fides qua“ zunächst einen gewissen „Respekt-Vorschuss“ zollt in der Freude darüber, dass ein Mensch überhaupt Gott ernsthaft sucht. Diese Haltung ist aber stets gepaart mit der Hoffnung, dass der Glaubende dabei auch den richtigen Zugang finden möge und sich nicht einem Irrweg hingebe. Daher ist die Frage nach dem „fides quae“, also dem tatsächlichen Inhalt eines Glaubens, stets unmittelbar an das „fides qua“ gekoppelt.
Auch im Falle des Islam weiß die Kirche – und gerade der amtierende Papst – sehr wohl, was die Lehre des Koran theologisch besagt und dass sie in vielen Punkten nicht nur mit christlichen, sondern auch allgemein anerkannten Wertvorstellungen des sog. „natürlichen Sittengesetzes“, das „allen Menschen ins Herz geschrieben“ ist und von dem sich letztlich auch die Menschenrechts-Charta wesentlich abgeleitet hat, unvereinbar ist. Die Kirche erkennt aber auch, dass der Koran immerhin auf Teile des jüdisch-christlichen Glaubensgutes verweist und sogar darauf aufbauen will oder besser darauf aufzubauen meint, auch wenn er dabei freilich entscheidende „Stellschrauben“ in einer Weise verdreht, dass letztlich eine neue, andere und mitunter sogar auf den Kopf gestellte Glaubenslehre entstanden ist. Ferner erkennt die Kirche auch, dass Viele der 1,3 Milliarden Islam-Gläubigen im Herzen eigentlich das Rechte suchen und auch wollen, aber aufgrund von Indoktrination, kulturellem Umfeld, Tradition etc. nicht verstehen, warum dies nicht im Koran, sondern in der Bibel zu finden ist.
Aus diesem Grunde betrachtet die kath. Kirche laut Kompendium zum 2. Vatikanischen Konzil auf Seite 357 die Muslime (nicht den Islam!) „mit Hochachtung“. Dabei ist allerdings sogleich hinzuzufügen, dass die Auseinandersetzung mit dem Islam in den 60er-Jahren des 20. Jahrhunderts so gut wie keine Rolle spielte und folglich von den Bischöfen auch gar nicht wirklich behandelt worden war. Man wollte damals nur einen „Schlussstrich“ unter die jahrhundertelangen Konflikte zwischen Islam und Christentum ziehen und in guter Absicht einen neuen Anfang anbieten!
Heute – ein halbes Jahrhundert später und um viele Erfahrungen und Ereignisse auf diesem Gebiet „reicher“ ist es für Kirche und Christenheit äußerst schwierig und heikel, den „goldenen Mittelweg“ zu finden zwischen Wahrheitsbekenntnis und Werteverteidigung einerseits sowie kompletter Spaltung von islamischer und christlicher Welt mit der virulenten Gefahr eines globalen „Glaubenskriegs“ andererseits. Die katholische Kirche – und insbesondere Papst Benedikt XVI. – versucht, diesen Weg zu gehen, indem einerseits der biblische Abraham als gemeinsamer Stammvater von Juden, Christen und Muslimen herausgestellt wird, um zumindest eine irgendwie geartete Dialogbasis zu haben (die freilich hinkt, nachdem der Koran die Figur Abrahams in wesentlichen Punkten anders zeichnet als die Thora bzw. das Alte Testament), andererseits aber auch Kritik am islamischen System und insbesondere am Religionsstifter geäußert wird (vgl. Regensburger „Mohammed-Rede“ des Papstes 2006 oder die durchaus „diskursive“ Nahost-Synode von 2010).
Nicht wenige Christen – mich offenkundig eingeschlossen – sind allerdings der Auffassung, dass dieser Weg so nicht ausreicht, das Christentum bzw. die Kirche ihre gut gemeinte Toleranz und Diplomatie zu Ungunsten der Wahrheit schon viel zu weit überdehnt hat und in diesem Konflikt viel mehr „Kante“ zeigen müsste. Aber dazu braucht es auch mehr Signale und Druck von der Basis. Sind diese entsprechend spürbar, werden auch die Amtsträger nachziehen.
Dass man aber Muslime allein deswegen bewundert, weil sie „sich jeden Tag fünf Mal vor ihrem Schöpfer auf den Boden werfen“, mag die Haltung des von H. zitierten Herrn M. und einiger anderer „Katholiken“ sein, aber ob diese Haltung wahrhaft katholisch oder überhaupt christlich genannt werden kann, darf bezweifelt werden.
Fazit also zu diesem Punkt: Das von H. unterstellte „erste Merkmal von Glaubenssystemen“, nämlich die These „Ein Gläubiger ist immer besser als ein Ungläubiger – ganz gleich, woran er glaubt“, trifft in dieser Pauschalierung auf das christliche „System“ nicht zu.
zu 1. b): Eine ausgeprägte „Wir-und-Sie“-Gruppenabgrenzung zwischen Glaubens- bzw. Religionszugehörigen einerseits und den Nichtzugehörigen andererseits unterstellt der Autor „seinen“ Glaubenssystemen als nächstes und nimmt dabei auch gleich wieder Juden- und Christentum auf’ s Korn. Als Christ möchte ich hier nicht großartig den Anwalt des Judentums mimen und mich daher zu H.’s diesbezüglichen Ausführungen nicht näher äußern. Denn für Christen wurde alles, worauf die Prophetie und die Gebote des Alten Testaments abzielten und zusteuerten, in der Person des Mensch gewordenen Gottessohnes erfüllt und vollendet, was im Klartext (für Christen) bedeutet:
Ab dem Erscheinen Jesu Christi auf Erden ist maßgeblich, was Er gesagt und getan hat und nicht unvollkommene Patriarchen, Könige und Propheten aus grauer Vorzeit, die ja letztendlich nur das Kommen des Messias vorzeichneten, selbst aber noch nicht das „letzte Wort“ Gottes waren ( , auch wenn das Alte Testament selbstverständlich noch zum Kanon der christlich-kirchlichen Lehre mit dazu gehört).
Entsprechend sind auch die Gebote und Glaubensinhalte des Alten Testaments so zu interpretieren, wie Jesus sie in den Evangelien rekapitulierte und anwandte, denn Jesus selbst ist die „lebendige Thora“ – also das, worauf das ganze Gesetz eigentlich hinauslaufen soll. Und dieser Jesus zeigt uns durch seinen barmherzigen persönlichen Umgang mit offiziell geächteten, nichtjüdischen „Ungläubigen“ – wie z.B. in der Begegnung mit der Samariterin am Jakobsbrunnen (Johannes 4, 1- 42), der Heilung einer griechischen „Heidin“ (Markus 7, 24-30) usw. – sowie überdeutlich am Gleichnis des barmherzigen „ungläubigen“ Samariters (Lukas 10, 25 – 37), dass wir unter dem schon alttestamentlich auftauchendem „Nächsten“ eben nicht nur den „Glaubensbruder“ oder „Gruppenzugehörigen“ verstehen sollen, sondern im Prinzip alle Mitmenschen! Allein schon Jesu Missionsauftrag und Taufformel in Matthäus 28, 19 lassen glasklar erkennen, dass ihm am Heil Aller – nicht nur „seiner Juden“ – gelegen war:
„Darum geht zu allen Völkern und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehrt sie alles zu befolgen, was ich euch geboten habe. Seid gewiss: Ich bin bei euch alle Tage, bis zum Ende der Welt.“
Halders „Wir-Sie-Trennungshypothese“ trifft zwar auf den Islam, der die wertmäßige Unterscheidung von „Gläubigen“ und „Ungläubigen“ in der Tat in martialischer Schärfe lehrt, voll zu, findet jedoch im Falle des christlichen Glauben in dieser Form keine Anwendung (, auch wenn dies zugegeben nicht immer so praktiziert wurde – aber das ist wieder ein anderes Thema…). Dass dies alles nun nicht nur meine persönliche Auslegung oder eine rein biblische Position ohne jeden Bezug zur realen Kirche – insbesondere der heutigen Zeit – ist, mag vielleicht folgende Passagen zur Atheismus-Frage aus o. g. Kompendium belegen, wo es auf Seite 468 heißt:
Wenn die Kirche auch den Atheismus eindeutig verwirft, so bekennt sie doch aufrichtig, dass alle Menschen, Glaubende und Nichtglaubende, zum richtigen Aufbau dieser Welt, in der sie gemeinsam leben, zusammenarbeiten müssen. Das kann gewiss nicht geschehen ohne einen aufrichtigen und klugen Dialog.(…). Die Atheisten aber lädt sie schlicht ein, das Evangelium Christi unbefangen zu würdigen (…).
Klingt das nach „Wir und sie“? Und meinen Sie, einen nur halbwegs ähnlichen Auszug über „Ungläubige“ in den Fatwas der Al-Azhar-Universität in Kairo finden zu können?
Zu 1. c): „Missionarisches Sendungsbewusstsein“ ist in der Tat im Christentum wie im Islam ein ureigenes Kernelement des Glaubens – mit dem feinen Unterschied allerdings, dass im Falle des Christentums die Mission gemäß Mt. 28, 19 (s. o.) ohne Zwang, sondern allein kraft der Verkündigung des Wortes Gottes und eines vorbildlichen Tuns erfolgen soll und i. d. R. auch meistens erfolgt ist, im Falle des Islam jedoch diese ausdrücklich mit dem Schwert erfolgen darf und soll, wenn sich nicht zum Islam bekannt oder zumindest seine Vorherrschaft nicht akzeptiert wird – wovon die islamische Geschichte beredte Beispiele liefert. Während der Koran den „Heiligen Krieg“ eindeutig zur Glaubensforderung an die Muslime erhebt (z.B. Sure 8, Vers 39: „Und kämpft gegen sie, bis…alles an Allah glaubt!“) und „Prophet“ Mohammed auch tatsächlich entsprechende Kriege geführt hat, findet sich in den gesamten Evangelien weder ein einziger Gewaltaufruf des „Religionsverkünders“ noch eine einzige Gewalttat desselben in punkto Glaubensverbreitung bzw. Umgang mit Ungläubigen oder Feinden.
Zwar kam es in der 2000-jährigen Geschichte des Christentums auch zu Gewaltmaßnahmen und Kriegen, jedoch waren die meisten davon entweder reine Verteidigungsreaktionen gegen Angreifer oder schlicht und ergreifend irrige Aktionen ohne jede biblische Rechtfertigung oder Glaubensgrundlage. Die heutige kath. Kirche jedenfalls
…verbietet streng, dass jemand zur Aufnahme des Glaubens gezwungen oder durch ungehörige Mittel beeinflusst oder angelockt werde, wie sie umgekehrt auch mit Nachdruck für das Recht eintritt, dass niemand durch üble Druckmittel vom Glauben abgehalten werde (…) (Kompendium, S. 623).
Und auf Seite 541 steht u. a. zum Thema „Krieg“ allgemein:
(…) Die göttliche Vorsehung fordert dringend von uns, dass wir uns von der alten Knechtschaft des Krieges befreien (…).
Und speziell zum Verhältnis von Christen und Nichtchristen auf Seite 544:
(…) Die Kirche freut sich über den Geist wahrer Brüderlichkeit zwischen Christen und Nichtchristen, der auf allen Gebieten zu immer größeren Anstrengungen drängt, um die ungeheure Not zu lindern.
Klingt das nicht etwas anders als die Kriegserklärung Osama bin Ladens „gegen Juden und Kreuzfahrer“ aus dem Jahre 1998?
Zu 1. d): Nur so viel: Das christliche „Glaubenssystem“ bzw. die Kirche spricht sich in der Tat gegen alle „-Ismen“ aus, so sie immer eine Wirklichkeit verkürzende, verengende, verzerrende, übertreibende oder auch nur einseitige Verabsolutierung einer bestimmten Einstellung, Haltung oder Weltanschauung darstellen.
So hat die Kirche – und die Kirche sogar zu allererst! – bestimmt nichts gegen das „Individuelle“ jedes einzelnen Menschen, der ja nach biblisch-kirchlicher Lehre immerhin als Gottes Ebenbild gilt -, wohl aber gegen den „Individualismus“, hinter dessen übersteigerter Selbstzentrik letztlich nichts anders als ein vornehm bemäntelter Egoismus steckt (, sofern die Anderen dabei missachtet oder gering geschätzt werden).
Auch hat die Kirche per se nichts gegen „das Kapital“, so dessen vernünftiger Einsatz der wirtschaftlichen und damit auch sozialen Prosperität einer menschlichen Gemeinschaft dient, wohl aber gegen einen Kapitalismus, der die materielle Gewinnmaximierung zum höchsten, wenn nicht einzigen Lebensinhalt erhebt und die Menschheit in einen gnadenlosen und ruinösen Wettbewerb unter Verschleuderung sämtlicher humaner und ökologischer Ressourcen treibt.
Dasselbe gilt für den sog. „Liberalismus“. Die Kirche hat bestimmt nichts gegen das wirklich und wahrhaft Liberale, d.h. eine Freiheit, die nicht nur äußerlich und als willfährige oder gar anarchische Beliebigkeit missverstanden wird, sondern den Menschen vor allem innerlich, d. h. von den Fesseln seiner Süchte, Laster, Abhängigkeiten, Schwächen und Bosheiten befreien will. Diese wahre, innere und beseligende Freiheit der Kinder Gottes meint auch Apostel Paulus, wenn er im Galaterbrief sagt:
„Zur Freiheit hat Christus uns befreit.“
Und selbstverständlich hat auch Ratzinger Recht, als er sagte, dass der Mensch sich „selbst keinen Sinn machen“, sondern diesen nur empfangen könne (nämlich von Gott). Denn wie sollte eine begrenzte, endliche und fehlbare Kreatur wie der homo sapiens sapiens sich selbst einen unendlichen Sinn „machen“ können? Denn nur der Sinn, der in sich schon immer war und niemals enden wird, ist wirklich einzig und absolut „sinnvoll“.
Zu 1. e): Jetzt aber wirds immer toller. Halder unterstellt den Gläubigen auch noch in gewohnt pauschaler Manier die Unfähigkeit bzw. „Weigerung, erwachsen zu werden“, und „begründet“ diese These mit allerlei persönlichen und vor allem spekulativen Ansichten, die sich objektiver Kriterien oder gar empirischer Erfahrungswerte weitgehend entziehen.
Wohin aber nun seine utopische „Welt lauter reifer Erwachsener“ – also „Ungläubiger“ nach H.‘ s Definition – führen kann, haben wir an den beiden großen real existierenden, vollständig „entgotteten“ Ideologien des 20. Jahrhunderts, nämlich dem braunen und roten Faschismus, augenscheinlich und brutalst schmerzhaft sehen und auskosten dürfen. Deren Ergebnisse von über 50 Millionen Toten sprechen jedenfalls für sich.
Ebenfalls im dunkeln muss bleiben, wo der Autor eigentlich seine Kindheit verbracht hat. Scheinbar aber nicht in Deutschland und scheinbar auch nicht als getaufter Christ. Denn die von ihm beschriebene kindliche oder schulische „Glaubensindoktrination“, sprich: „Zwangschristianisierung“ ala’ Koranschule ist – zumindest was unsere Generation betrifft, und wir sollten jetzt wirklich mal im Heute bleiben – ebenfalls eine Chimäre, die mit der Realität in unserem Lande ja wohl nicht all zu viel zu tun hat. Im Gegenteil: Einen zwangsloseren, offeneren und liberaleren, ja fast schon zu beliebigen und teilweise ausufernd diskursiven Religionsunterricht, wie unsere Jahrgänge ihn haben „genießen“ dürfen, ist eigentlich kaum noch vorstellbar, so er nicht jeden religiösen Anspruch und Ansatz komplett über Bord werfen und sich selbst ad absurdum führen möchte.
Zu 1. f): Ewiges Pauschal- und Totschlagsargument „Sexualfeindlichkeit“. Richtig ist sicher, dass die tatsächliche Lebenspraxis von Kirche und Christen (aber nicht nur dieser!) – insbesondere zu vergangenen Zeiten – hier oft daneben lag und etwas tat bzw. forderte oder eben nicht tat, was nur schwachen bis keinen Bezug zum Evangelium der Liebe hatte, indem auf übertriebene Weise etwas verteufelt wurde, was Gott ja in der Tat bewusst und willentlich geschaffen hat. Doch auch hier bleibt der Verfasser an den Abirrungen und ihren äußerlichen Symptomen haften und achtet zu wenig auf die wirkliche „dogmatische“ Position der Kirche und des Evangeliums Jesu Christi, die da z.B. unter Position 2332 des kath. Katechismus lautet:
Die Geschlechtlichkeit berührt alle Aspekte des Menschen in der Einheit seines Leibes und seiner Seele. Sie betrifft ganz besonders das Gefühlsleben, die Fähigkeit, zu lieben und Kinder zu zeugen und, allgemeiner, die Befähigung, Bande der Gemeinschaft mit anderen zu knüpfen.
Und unter 2333 heißt es gar:
Jeder Mensch, ob Mann oder Frau, muss seine Geschlechtlichkeit anerkennen und annehmen. (…)
Und Position 2362 zitiert sogar den „bösen“ Papst Pius XII. mit folgenden Worten bereits aus dem Jahr 1951:
Der Schöpfer selbst (…) hat es so eingerichtet, dass die Gatten bei dieser (Zeugungs-)Funktion Lust und Befriedigung des Leibes und des Geistes erleben. Somit begehen die Gatten nichts Böses, wenn sie diese Lust anstreben und sie genießen. Sie nehmen das an, was der Schöpfer ihnen zugedacht hat. Doch sollen die Gatten sich innerhalb der Grenzen einer angebrachte Mäßigung zu halten wissen.
Klingt das alles nach „Sexualfeindlichkeit“? Tatsache ist jedenfalls, dass die Kirche Sexualität vielmehr als ein großes Gnadengeschenk Gottes betrachtet, das lediglich der rechten „Zuordnung“ in Form des ganzheitlichen Menschseins (Leib und Seele, Ich und Partner, Lust und Familie/Verantwortung etc.) bedarf und nicht aus dieser Einheit herausgebrochen, verabsolutiert und damit verunstaltet werden soll. Und warum zitieren Sie auch noch unvollständig und teilweise sogar falsch bei dem Versuch, der kath. Kirche zu unterstellen, Vergewaltigung sei das geringere Übel als Sex zwischen Unverheirateten? Unter der von Ihnen aufgeführten Position 2353 des Katechismus heißt es zur Unzucht nämlich vollständig und korrekt:
Unzucht ist die körperliche Vereinigung zwischen einem Mann und einer Frau, die nicht miteinander verheiratet sind. Sie ist ein schwerer Verstoß (nicht „Verbrechen“, wie Sie geschrieben hatten) gegen die Würde dieser Menschen und der menschlichen Geschlechtlichkeit selbst, die von Natur aus auf das Wohl der Ehegatten sowie auf die Zeugung und Erziehung von Kindern hingeordnet ist. Zudem ist sie ein schweres Ärgernis, wenn dadurch junge Menschen sittlich verdorben werden.
Und unter der von Ihnen gegenübergestellten Position 2356 heißt es zur Vergewaltigung vollständig:
Vergewaltigung ist ein gewaltsamer Einbruch in die geschlechtliche Intimität eines Menschen. Sie ist ein Verstoß gegen die Gerechtigkeit und die Liebe. Vergewaltigung ist eine tiefe Verletzung des jedem Menschen zustehenden Rechtes auf Achtung, Freiheit, physische und seelische Unversehrtheit. Sie fügt schweren Schaden zu, der das Opfer lebenslang zeichnen kann. Sie ist stets eine in sich zutiefst verwerfliche Tat. Noch schlimmer ist es, wenn Eltern oder Erzieher ihnen anvertraute Kinder vergewaltigen.
Man könnte sich zwar jetzt an dem (vielleicht etwas ungeschickten) synonymen Gebrauch des Wortes „Verstoß“ für beide Fälle gleichermaßen festbeißen, doch dürfte aus den Texten in der Gesamtbetrachtung genügend deutlich hervorgehen, welches die Kirche als das schwerere Übel einstuft. Auf keinen Fall aber lassen die Texte Halders gegenteilige Schlussfolgerungen zu.
Zu 1. h): „Zweifel und Kritik“ sind im christlichen Glauben nicht in dem Sinne „verboten“, dass man über bestimmte Glaubensaussagen oder Bibelstellen ( vor allem nicht eindeutig interpretierbare) nicht reflektieren oder diskutieren dürfte – wenn es so wäre, dürfte es ja gar keine Konzilien und Synoden, keine theologischen Lehrstühle an Universitäten und auch keine Diskussions- und Dialogveranstaltungen geben und jemals gegeben haben! – , aber selbstverständlich finden sich bei einer Offenbarungsreligion wie Juden- und Christentum hier naturgemäß gewisse Grenzen. Denn darin besteht ja gerade dieser Glaube, dass eben die Selbstmitteilung Gottes, von der die Bibel zeugt, authentisch und wahrhaft und damit ein für alle Mal in seinen Grundaussagen festgelegt ist. Man darf selbstverständlich den Glauben auch ablegen, aber die Konsequenz wäre dann ein Austritt aus der Gemeinschaft der Christen und eine Nicht-mehr-Teilnahme am entsprechend religiösen Leben. Wo sehen Sie hier das Unbill? Dass die Kirche nun andererseits in ihrer Fürsorgepflicht danach trachtet, dass es zum Wohl und Heil dieses Menschen nicht zu einem Austritt kommt, ist doch nichts Verwerfliches, sondern spricht für Ihre Seriosität und Befolgung von Jesu Auftrag, „die Schafe zu weiden“.
Hier Parallelen zum Islam ziehen zu wollen, bei dem ernsthafte Glaubenszweifel mit dem Tod bestraft werden können und bei komplettem Abfall sogar müssen, ist schlicht absurd und unredlich.
Zu 1. i): Hier unterstellt der Autor der Religion (und damit auch der christlichen) per se und verallgemeinernd „barbarisches Wirken“, freilich ohne (wieder einmal) konkret zu benennen, worin genau dieses „Barbarentum“ denn eigentlich bestanden haben soll. Im Falle des Islam wird dies aus Schrift und Historie schnell klar, aber im Falle des Christentums?
Will H. sich etwa darüber beklagen, dass die Kirche die Christenheit und damit ganz Europa gegen den gewaltsamen Ansturm des Islam militärisch verteidigt hat?
Wäre er heute lieber Muslim anstatt bekennender „Freidenker“ – was sehr wahrscheinlich eingetreten wäre, wenn Karl Martell im 8. Jahrhundert bei den Pyrenäen, die christliche Flotte im 16. Jahrhundert bei Lepanto und Jan Sobieski im 17. Jahrhundert vor Wien nicht gekämpft und gesiegt hätten?
Möchte er etwa auf sein freies Bekenntnis zum Säkularisten, Freimaurer, Atheisten oder sonst etwas verzichten – was eintreten hätte können, wenn die Inquisition nicht entschieden gegen Katharer und andere Sekten vorgegangen wäre, deren Herrschaft weitaus strenger und intoleranter gewesen wäre als die der Katholischen Amtskirche?
Möchte er etwa heute auf unser exzellentes Gesundheitswesen verzichten – das ganz wesentlich von den caritativen Orden des Christentums aufgebaut worden ist)?
Oder etwa auf seine Bildung, die ihm erst ermöglicht hat, all das zu denken und zu schreiben, was er hier verfasst hat – und die ganz wesentlich erst von katholischen Mönchen in unserem Land etabliert worden ist?
Oder vielleicht überhaupt auf unser ganzes Grundgesetz mit all seinen Freiheitsrechten und insbesondere der darin verankerten Menschenwürde – wofür sich im Parlamentarischen Rat auch und gerade Kirchenleute sehr eingesetzt hatten?
Selbstverständlich haben Religionen auch einen „religiösen Weltzugang“, denn sonst wären sie ja keine solchen. Der springende Punkt dabei ist aber die jeweilige Art des Zugangs und Sichtweise der Welt, die in den verschiedenen Religionen allerdings unterschiedlich ausfällt. So sind u. a. „Kennzeichen“ für das heutige real existierende Christentum tatsächlich „heilige Schriften und unantastbare Wahrheiten“. Stimmt. Ja und? „Absolute Unterwerfung, Vernichtung Andersdenkender, Kritikverbot, Herrschaft durch Angst und Terror“ sind dagegen „Kennzeichen“ des Islam, aber nicht des Christentums. „Unterscheidung der Geister“ wäre hier (ein weiteres Mal) gefragt…
Auch kann H.’s „biologische Erklärung“ für die Annahme eines Glaubens in generalisierter Form anhand von Erfahrungswerten nicht aufrecht erhalten werden, auch wenn es gewisse „biologische Traditionen“ mitunter vielleicht geben mag. Gleichermaßen kann es aber auch durch frühkindlich-biologische Prägungen zu atheistischen oder irgendwelchen anderen Denk- und Handlungsmustern kommen, nicht wahr?
Zu 2.: (Fast) volle Zustimmung hingegen gebührt dem Autor zum Thema „Meinungsfreiheit“. Sie ist in der Tat eines der höchsten und wichtigsten Güter des Westens und zugleich Schlüssel, der Islamisierung auf dem Boden des Rechtsstaats wirksam zu begegnen. Unter keinen Umständen darf an ihr irgendwie manipuliert werden – auch und gerade nicht unter dem Deckmantel des (vermeintlichen) Schutzes von Religionen in Form eines verklausulierten Verbots von Religionskritik.
Dennoch teile ich H.’s Ansicht, dass sich allein an der Meinungsfreiheit „alles entscheidet“ und sie der einzige oder hauptsächliche „Dreh- und Angelpunkt im Kampf gegen die Islamisierung“ sei, nicht in Gänze – ganz einfach weil sie nicht genügend in die Tiefe (unseres Menschseins) führt. Davon aber mehr beim nächsten Punkt:
Zu 3.: „Wofür kämpfen wir, wenn wir uns gegen die Islamisierung des Westens wenden?“ Bei H.’s Ausführungen hierzu zeigen sich zwei wesentliche und verhängnisvolle Grundfehler im Denken: Der eine ist das (bereits angesprochene) ungenügende bzw. oberflächliche Freiheits-Verständnis, das andere das frappierende Unverständnis vom Wesen des christlichen Glaubens per se und damit in zwingender Folge von der Geschichte des real existierenden Christentums.
Freiheit, wie der Autor sie bzgl. sämtlichen Handelns des Menschen radikal einfordert, ohne ihr gleichzeitig Schranken zu setzen – nämlich dort, wo die Freiheit des anderen wiederum verletzt werden würde -, führt in der Konsequenz in die totale Anarchie und damit letztlich wirklich zu jenem „Barbarentum“, das der Autor ja so sehr verabscheut. Warum aber ist dies so? Einfache Antwort: Weil der gefallene Mensch eben so ist, wie er ist – egoistisch, charakterschwach und zur Sünde geneigt, jedenfalls solange und soweit er sich nicht durch Christus von all dem im wahren und tieferen Sinn des Wortes befreien lässt. Und hier sind wir genau wieder am springenden Punkt: Es reicht eben nicht, dem Menschen nur äußerliche Freiheiten zuzubilligen (, was für sich genommen selbstverständlich rechtens und notwendig ist!), sondern er braucht auch die innere Freiheit, um mit diesen äußeren Freiheiten in rechter Weise umgehen zu können. Denn nicht umsonst sagt Jesus in Matthäus 26, 41:
Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach.
Was aber vermag, des Menschen Herz nun wirklich frei zu machen, sodass er in der Tat gar keine äußeren Regelungen und Normen mehr bräuchte? Antwort: die Liebe – und zwar nur sie! Die Liebe, die er empfängt, und die Liebe, die er gibt, ist das Zauberwort, das wirklich „frei“ setzt. Nicht zufällig hat auch Papst Johannes Paul II. bei seinem ersten Besuch im wieder vereinigten, aber immer noch von der „Mauer in den Köpfen“ heimgesuchten Deutschland 1996 dem „Buh“-plärrenden Publikum am Brandenburger Tor ruhig, aber bestimmt geantwortet:
Keine Freiheit ohne Liebe!
Worin besteht nun aber diese Liebe? Apostel Johannes konstatiert hierzu in 1 Joh. 4, 16 schlicht und ergreifend das berühmte Wort:
Gott (selbst) ist die Liebe.
Und genau deswegen ist auch Gott selbst letztlich der Schlüssel zur wahren und inneren Freiheit, deren äußerliche „Variante“ dann nur noch eine selbstverständliche Abfolge davon ist. Aber nicht „irgendein“ Gott ist, bringt und will die Liebe, sondern ausschließlich der, der sich in Jesus Christus den Menschen offenbart hat, denn nur er hat durch Wort und Tat glaubwürdig gezeigt und bezeugt, was wahre und vollkommene Liebe wirklich bedeutet.
Entsprechend mahnt uns in dieser Weisheit auch die Heilige Schrift mit den simplen, aber treffenden Worten:
Hütet euch vor denen, die unter dem Deckmantel der Freiheit Böses tun!
Auch scheint der Autor den fundamentalen Unterschied zwischen Christentum und Islam immer noch nicht erfasst zu haben: Die Greueltaten des Christentums erfolgten zwar bisweilen durchaus im Namen, aber offenkundig nicht im Geiste Christi, da Jesus kein einziges Mal dergleichen selbst getan oder gar seinen Jüngern angeordnet hatte. Viele Greuel im Namen des Islam erfolg(t)en aber auch im Geiste desselben, weil Mohammed selbst so gelebt und solches auch entsprechend angeordnet hatte!
Wenn also ein Christ einen anderen tötet, weil dieser ein „Ungläubiger“ sei, handelt er ganz klar gegen das Evangelium, da es hierzu entsprechende Glaubensforderungen definitiv nicht gibt – im Gegenteil (Stichwort „Feindesliebe“). Tut jedoch ein Muslim das Gleiche, handelt er tatsächlich nach dem Koran, weil der Koran voll ist von solchen Anweisungen. Und das hat absolut nichts damit zu tun, dass der Islam „rund 600 Jahre jünger ist“, sondern schlicht damit, dass der geistliche Inhalt des Koran gegenüber der Bibel ein völlig anderer ist!
Was die weiter unten aufgeführten „Analogien“ zwischen bestimmten Texten von Kirchenleuten und denen gewisser brauner und roter Diktatoren anbelangt: Sie sind so offenkundig absurd, dass ich hier nicht mehr näher darauf eingehen möchte – völlig ungeachtet dessen, dass nicht wenige Geistliche unter Einsatz (und bisweilen auch Verlust) ihres Lebens sowohl den braunen wie auch den roten Faschismus vorbildlich und heldenhaft bekämpft haben (wie z.B. ein Pater Rupert Mayer in München oder auch Papst Johannes Paul II., der bekannter Weise ganz maßgeblich zum Sturz des Sozialismus beigetragen hat, der Millionen von Menschen die von Ihnen so hochgeschätzte Freiheit gebracht hat!).
Zu 4.: Genauso unsauber und verfahren bleibt auch die Argumentation für H.’s letzte These, nämlich die, nach der „das Christentum trotzdem wertvoll im Kampf gegen die Islamisierung“ sei – so sehr der Autor hier durchaus auch einiges Zutreffendes zum heutigen Christentum los wird. Insgesamt aber sind die Gedankengänge, die zu seiner an sich richtigen Behauptung führen, leider genau die verkehrten. Der Autor führt nämlich die „gewaltlose Diskussionsbereitschaft“ der heutigen westlichen Christenheit auf einen massiven Kenntnismangel ihres eigenen Glaubens zurück!
Ausschlaggebend ist aber hier vielmehr, dass der heutige (gläubige und aktive) Teil der Christenheit durch das persönliche Studium der Bibel und Kirchenliteratur viel besser über die (wahren) Inhalte des christlichen Glaubens informiert ist als die Christenheit in vielen Jahrhunderten davor, in denen die Masse der Menschen entweder gar nicht lesen oder zumindest nicht einmal über eine Heilige Schrift in der jeweiligen Landessprache verfügen konnte.
Und beim offenen, freien und ernsthaften Studium insbesondere des Neuen Testaments und vor allem der Evangelien (aber auch der daraus abgeleiteten Dogmen der Kirche) wird schnell klar, dass Gott eben keine Verbreitung oder Durchsetzung des Glaubens mit Gewalt will oder gutheißt, denn: „Gott ist die Liebe.“ Und wer das höchste Gebot des christlichen Glaubens wirklich ernst nimmt – nämlich die Gottes- Nächsten- und Selbstliebe – wird immer das Argument benutzen, um jemanden zu überzeugen, und nicht das Schwert, vor dem ja schließlich auch schon Jesus selbst gewarnt hatte gemäß Matthäus 26, 52:
Wer zum Schwert greift, wird durch das Schwert umkommen.
Vielmehr ergibt sich gerade durch die vom Verfasser andererseits zurecht beklagte Verflüchtigung der christlichen Glaubenspositionen in Form einer selbstgebastelten „Patchwork-Privatreligion“ das zentrale Problem beim Dialog mit dem Islam schlechthin:
Viele (der eher nebulös gläubigen und inaktiven) Christen sind genau wegen dieser Unkenntnis auch unfähig, den bei Diskussionen von Seiten des Islam vorgebrachten Positionen etwas Stichhaltiges entgegensetzen zu können! Und eine derartig laue, unkundige und x-beliebige „Christelei“ ist im Gegensatz zu Ihren Ansichten auch nicht geeignet, Muslimen den wahren christlichen Glauben irgendwie schmackhaft zu machen, denn die meisten (wirklich) Gläubigen wollen was Handfestes für Herz und Hirn und nicht irgend so einen pseudospirituellen Wackelpudding!
Eine Gesellschaft aber, die auf Wertgrundlagen fußt, die sie sich nicht selber gegeben hat, sondern die ihr von „höchster Instanz“ anempfohlen wurden und die sie kraft Vernunft und Einsicht glücklicherweise auch angenommen hat, geht irre und betreibt systematisch ihre Selbstauflösung, wenn sie diese einfach über Bord wirft.
Und so ist die verstärkte, wenn auch in vielen Bereichen diffuse, abergläubische oder ganz einfach übertrieben-krankhafte neue Religiosisierung der Welt, die wir seit wenigen Jahrzehnten erleben (, egal ob durch Islamisierung, Evangelikalisierung, Esoterisierung, Gnostizierung, Buddhisierung, „Patchworkisierung“ etc.) auch eine gewisse Spätreaktion auf die ebenso übersteuerte Säkularisierung, Industrialisierung, Rationalisierung, Materialisierung Atheisierung und Reheidnisierung insbesondere des Westens.
Die Kirche des Herrn geht dabei inmitten des allgemeinen Getümmels kollektiver geistiger Verwirrung und Extremisierung dieser Welt und Zeit den Weg der „goldenen Mitte“ – bzw. versucht dies zumindest. „Et…et“ – „sowohl als auch“, lautet hier das uralte katholische „Zauberwort“, um die Schafe zwischen allen Straßengräben rechts wie links oder sonstwo sicher und unbehelligt ans Ziel zu führen. Das bedeutet beispielsweise:
„Glaube und Vernunft“ (d.h. weder ein gottloser kalter Rationalismus noch ein schwärmerischer, fanatisch blinder und rational unreflektierter Fideismus),
„Tradition und Moderne“ (d.h. weder ein ideologisierter Modernismus noch ein ewig gestriger Traditionalismus),
„Schrift und Überlieferung“ (d.h. weder eine außerbiblische Verselbständigung kirchlicher Dogmen noch ein fundamentalistisches Kleben am Wortlaut der Hl. Schrift ohne Exegese und weiterer Ausfaltung),
„Christus und Kirche“ (d.h. weder ein von Gott abgekoppelter und sich selbst konstituierender „Glaubensverein“ noch ein Christus-„Tunnelblick“),
„Gott und Mensch“ (d.h. weder ein den Menschen verabsolutierender Humanismus noch ein übersteigerter „Gotteswahn“) usw., usf..
Nur ein Mensch, der wirklich in der Liebe Gottes steht und ernsthaft diesen Weg zu gehen versucht, überzeugt auch andere durch seine guten Früchte und kann erst damit wirkliche Änderungen in den Gesinnungen und Herzen der Menschen bewirken. Also läuft der Hase auch hier genau anders herum: Nicht „zum Glück tun sie das nicht“ (nämlich an dies alles zu glauben), wie H. konstatiert, sondern im Gegenteil: zu ihrem Glück und dem der ganzen Christen- und Menschheit sollten sie es tun! Denn in Johannes 14, 6 sagt Jesus Christus selbst:
Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Keiner kommt zum Vater außer durch mich.
Und nur so kann letztlich auch die Islamisierung des Westens und der ganzen Welt gestoppt bzw. umgewandelt werden: durch ein überzeugtes, authentisch und evangelienmäßig glaubendes, lebendes und handelndes Christentum, d.h. ein Christentum, das sich wahrlich „durch ihn, mit ihm und in ihm“ bewegt!
Das bedeutet gleichzeitig aber nicht, nicht auch dort politisch gegen die Islamisierung vorzugehen, wo dies sachlich angezeigt, rechtskonform und notwendig ist, denn entgegen aller falscher Meinungen sind auch und gerade Christen dazu aufgerufen, sich politisch zu engagieren, wie gerade Papst Benedikt XVI. unlängst wieder angemahnt hatte. Denn die (richtige und gesunde) institutionelle Trennung von Kirche und Staat darf keineswegs als ein Verbot politischer Betätigung oder einer diesbezüglichen Apathie missverstanden werden!
Schließlich konnten auch Karl Martell 732, die Kreuzritter 1099, die „Heilige Liga“ 1571 sowie Jan Sobieski 1683 das christliche Abendland gegen die Angriffe des Islam nicht deshalb erfolgreich verteidigen, weil sie nur beteten oder weil sie nur kämpften, sondern weil sie – wiederum wahrhaft „katholisch“ ( „et, et“) – beteten und kämpften!
Und genau das müssen wir heute auch wieder tun, um der globalen Aggression des radikalen Islam standhalten zu können – wenn auch mit anderen Methoden freilich. Heute muss gelten:
Bete und handle – Ora et age!
Ach ja… noch etwas: Wenn Sie schon Spinoza mit dem Satz „Der freie Mensch denkt an nichts weniger als an den Tod, und seine Weisheit ist nicht eine Betrachtung des Todes, sondern des Lebens“ zitieren, dann sind wir trotz allem vielleicht gar nicht mal so weit auseinander, wie es vordergründig den Anschein haben mag, denn der Messias sagte gemäß Lukas 20, 38 bereits über 1.600 Jahre vorher:
Gott aber ist nicht ein Gott der Toten, sondern der Lebenden!
Christus lädt jedenfalls auch Sie und alle anderen herzlich zur Mitarbeit in seinem Reich ein, deren Keimzelle er schon vor 2000 Jahren hier auf Erden legte!
Als nützliche Idioten für einen rein atheistisch motivierten Kampf gegen die „lediglich schlimmste aller Religionen“ werden sich überzeugte Christen allerdings nicht einspannen lassen.
Gesegnete Grüße und nix für ungut!
Stefan Ullrich
» Ausführliche Halder-Replik unter www.deusvult.info/Katechetik.htm [9].
(Hinweis: Gastbeiträge geben nicht zwingend die Meinung der Redaktion wieder. Wenn Sie selber einen Artikel beisteuern wollen, schreiben Sie uns: info@blue-wonder.org [10])
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