Liebe PI-Leser, ich bin die Leserkommentare zu meinem letzten Artikel sorgfältig durchgegangen und muss zugeben, dass mein Artikel durch seine Kürze etwas missverständlich wurde. Dieser hier ist ein wenig länger, dampft aber dennoch das, was ich gemeint habe, auf das Wesentliche ein. Bisweilen neige ich dazu, Dinge zu überziehen; das dient allein der Veranschaulichung meiner Argumentation.

(Von Martin Hablik)

1960: „Sie reden dauernd vom Grundgesetz! Sind sie etwa Kommunist?“

2010: „Sie reden dauernd vom Grundgesetz! Sind sie etwa Nazi?“

Ich bin Atheist und das hat nicht einmal etwas damit zu tun, dass mein Vater als Kind in einem katholischen Heim sexuell missbraucht wurde, ein Erlebnis, über das er bis zu seinem Tod nur reden konnte, wenn er einen im Tee hatte. Sind Priester nun allesamt Päderasten? Nein, man schätzt den Anteil an Pädophilen in der Kirche auf etwa 10%, ebenso wie den in der Gesamtbevölkerung. Das einzige, das ich daher glaube, ist, dass Religion Menschen nicht automatisch besser oder anders macht, egal wie sehr sie ihren Glauben vor sich hertragen. Ich hing früher auch der Idee an, dass man Religion mittels Vernunft und Bildung überwinden könnte. Dawkins verweist in „Der Gotteswahn“ auf eine Studie, die eine positive Korrelation zwischen mangelnder Bildung und der Anfälligkeit für religiöse Wahnvorstellungen aufzeigt. Das sagt mir eher, dass dumme Menschen leichter für Ideologien einzufangen sind, die ihnen ein Weltbild präsentieren, das so schlicht ist, dass auch der Dümmste unter ihnen es versteht. Man kann natürlich auch einwenden, dass man Korrelationen nicht unbesehen trauen darf; das deutete der Forscher Helmut Sies dezent an, als er eine klare positive Korrelation zwischen brütenden Storchenpaaren und der Geburtenrate in einer Stadt (Helmut Sies, A new parameter for sex education. Nature, 332:495, 1988) aufzeigte. Religion ist meines Erachtens nicht zu überwinden, weil sie dem Menschen inhärent ist. Das „Gut und Böse“-Konzept hat sich überall dort entwickelt, wo es auch Menschen gibt, sei es bei den Maori oder bei südamerikanischen Stämmen, die in so vollkommener Isolation lebten, dass sie nicht einmal wussten, dass es außer ihnen noch andere Menschen gab. Wenn man eine Horde Schimpansen (haben dieselben Vorfahren wie wir Menschen) unter einen Baum setzt, während es regnet, kommt es bisweilen vor, dass sich das Alphamännchen dem Regen gegenüber aufführt wie einem Rivalen, der in sein Revier eingedrungen ist: Ein Naturereignis wird personifiziert. Wie weit ist es von dort bis zu den Naturgöttern der ersten Religionen, die die Menschheit hervorgebracht hat? Die Mehrzahl der Menschen neigt nun einmal dazu, nicht denken zu wollen. Sie wollen keine Entscheidungen treffen, keine Verantwortung übernehmen, sie wollen jemanden, der ihnen sagt, dass alles gut wird, sie fühlen sich geschmeichelt, wenn sie glauben, außerwählt, etwas Besonderes und von Gott persönlich geliebt zu sein, sie brauchen jemanden, der ihnen sagt, wo es langgeht und was sie tun sollen, eine Autorität, die ihnen mit fester Stimme verkündet, was Sache ist (sehr erschreckend zu sehen im Milgram-Experiment). Die meisten Menschen sind so gestrickt. Ist das schlecht? Nein, ich glaube vielmehr, es ist notwendig für eine stabile Gesellschaft. Eine Gesellschaft kann nicht nur aus Alphamännchen bestehen, weil die sich nicht unterordnen können und einfach nicht teamfähig sind. Sie kann aber auch nicht aus reinem Gefolge bestehen, denn das würde passiv herumsitzen und keine Initiative ergreifen, also braucht man beides: Anführer und Gefolge, im richtigen Mengenverhältnis (meines Erachtens etwa 10% zu 90%). Ein charismatischer Mensch, der weiß, welche Knöpfe er bei seinen Zuhörern drücken muss, wird es immer schaffen, ein absolut loyales Gefolge um sich zu scharen. Wie die Sache ausgeht, hängt fast allein davon ab, ob dieser Anführer Adolf oder Jesus heißt. Bitte verstehen Sie das nicht falsch: Das soll keineswegs ein Vergleich oder gar Gleichsetzen zwischen Hitler und dem christlichen Erlöser sein, es soll allein zeigen, dass Menschen nichts lieber tun, als jemanden zu folgen, der ihnen auf glaubhafte Weise versichert, all ihre Probleme lösen zu können.

Politische Dogmen wie der Kommunismus in all seinen Facetten, der Nationalsozialismus und die Weltreligionen funktionieren allesamt nach denselben Mechanismen (das ist keine Wertung!), es unterscheidet sich allein die Botschaft und was daraus erwächst. Hier kommt oft das, was ich als Bodycount-Argument (BA) bezeichne: Den Wert eines Dogmas an seiner Leichenproduktion messen. Ich bin der Ansicht, da ist Vorsicht geboten. Der Kommunismus hat 80 Millionen Leichen produziert und ist gesellschaftlich anerkannt, der Nationalsozialismus 50 Millionen. Entsprechend des BA könnte sich nun jeder Irre eine SS-Uniform anziehen und sagen: „Hey bis zur gesellschaftlichen Anerkennung fehlen uns nur 30 Millionen Leichen. Höchstens. Wir wollen auch wieder cool sein, gebt uns noch eine Chance.“

Als Atheist ist man gehalten, Religion grundsätzlich abzulehnen, als wären sie allein die Ursache allen Übels, und nicht die Mechanismen, nach denen sie funktionieren. Diesen Standpunkt verstehe und respektiere ich. Dennoch glaube ich, dass man Religion nicht los wird, ohne die Menschheit selbst loszuwerden, also muss ich mich mit der faktischen Realität der Religion abfinden. Nun vergleichen wir die beiden Religionen in Europa, um die es bei PI hauptsächlich geht: Christentum und Islam. Der Vorteil, den ich auch als Atheist dem Christentum zugestehen muss, besteht darin, dass das Christentum fähig war, den Prozess der Aufklärung hervorzubringen. Zu Da Vincis Zeiten gab es keine andere Gesellschaft, auf die Europa hätte blicken und erkennen können, dass es eine Welt ohne allesbeherrschende Religion mit eingebauter Unfehlbarkeit geben kann. Oder dass es auch für göttliche Wunder bisweilen eine natürliche Erklärung gibt. Europa, bzw. dessen hauptsächlich christliche Gesellschaft, ist von ganz allein auf diese Idee gekommen, bzw. die Idee der Aufklärung hat sich entwickelt und wurde von der Gesellschaft anerkannt, obwohl sie (teilweise etwas, teilweise komplett) außerhalb des vorherrschenden religiösen Dogmas lag. Was wir heute haben, ist ein säkulares Europa, in dem keine Hexen mehr verbrannt werden und das vorherrschende Weltbild wissenschaftlich aber nicht zwingend religionsfeindlich ist.

Auf der anderen Seite haben wir den Islam. Da gab es keine Aufklärung oder einen vergleichbaren Prozess, und was heute dort als Demokratiebewegung durchgeht, ist eher die Transformation von (halbwegs zivilisierten) Diktaturen/Polizeistaaten in islamische Theokratien, also praktisch ein Rückschritt, insbesondere für Frauen, Nichtmoslems, ganz speziell Juden und auch für die Moslems selbst. Was wir am politischen Islam haben, kann man getrost als Barbarei bezeichnen und obwohl die islamische Welt (im Gegensatz zum Europa vor der Aufklärung) von anderen Gesellschaften umgeben ist, die sich weiterentwickelt haben, verweigert sich diese Kultur seit Jahrhunderten hartnäckig jeder Zivilisation (verstehe ich entsprechend Broder als Kultur plus Respekt vor dem menschlichen Leben). Und nicht nur das, sie bekämpft diese sogar als westliche Dekadenz.

Was haben wir heute im müßigen Europa? Einen Haufen kreischender linksgrüner Idioten, die den Islam als unantastbares Kulturgut ansehen und kein Problem damit haben, Grundgesetz und Menschenrechte dahinter zurückzustellen. Sie ziehen lieber los und demonstrieren gegen den Papst, weil der eine reaktionäre Haltung gegenüber der Schwulenehe hat und erklären Islamkritik zum Rassismus. Im Umkehrschluss wäre somit auch Kritik am Christentum nichts als Rassismus. Also versammelte sich eine Rassistenbande in Erfurt und demonstrierte gegen den Papst. Was machen diese Typen in ihrer restlichen Freizeit? Keine Ahnung, aber sie stehen nicht vor der iranischen Botschaft in Berlin und verlangen von Ali Reza Sheikh Attar eine Stellungnahme bezüglich der seit Khameneis Revolution im Iran erhängten 4000 Homosexuellen. Gegenfrage: Wie viele Homosexuelle sind seit 1978 von der Schweizer Garde auf Geheiß des Papstes in Rom gehängt worden?

Um es kurz zu machen: Christentum und Zivilisation sind miteinander vereinbar, denn das sehen wir hier in Europa, das nicht ist nur eine nette Idee, sondern faktische Realität. Islam und Zivilisation sind nicht miteinander vereinbar, das ist kein Vorurteil oder Islamophobie, sondern allein die faktische Realität, wie wir sie aus islamischen Theokratien kennen und aus den Ländern, die sich freudig auf den Weg zu einer solchen machen. In diesen Fällen geht es um die Realität, nicht um die Theorie, denn Menschen leben oder sterben nun einmal faktisch, nicht theoretisch. Was die westliche Welt in ihrer Trägheit und der Islam in seiner Barbarei dennoch gemeinsam haben, scheint eine Art Selbsthass zu sein, ganz so, als wären wir Menschen schlicht unfähig, auch nur ein wenig Glück und Frieden über längere Zeit zu ertragen.

Als Atheist lehne ich jede Religion kategorisch ab, als Realist ist mir jedoch klar, dass ich damit einen Teil des menschlichen Wesens, praktisch eines seiner Grundbedürfnisse, negiere. Der Religion ist nicht auf rationalem Wege beizukommen, bei allem Respekt, aber diese Idee halte ich für eine Wahnvorstellung (die ich durchaus einmal geteilt habe). Also sehe ich mir an, was zur Zeit in Europa auf dem Markt ist: Das Christentum, das Europa geformt und auch seinen Teil zur Aufklärung beigetragen hat, ebenso wie zu den Menschenrechten, das Judentum, die Religion mit der höchsten „Dichte“ an Nobelpreisträgern, und den Islam, eine nackte rohe Barbarei, die nichts Wertvolles zur Menschheitsgeschichte beigetragen hat und darüber hinaus auch noch das zerstören will, was andere an Zivilisation geschaffen haben. Auf welcher Seite soll ich als Pragmatiker denn stehen?

Ich für meinen Teil entscheide mich für das Christentum. Was mir bei der Amtskirche jedoch fehlt, ist die kürzlich erwähnte klare Linie. Es fehlt mir auch an Kampfbereitschaft, für die eigenen Werte einzustehen, die christlichen Werte zu verteidigen, die westlichen Werte, das Grundgesetz. Das fehlt mir in praktisch allen europäischen Ländern (ja, selbst in der Vatikanstadt). Wenn ich Christ bin, sollte „Was würde Jesus tun?“ wenigstens eine der Fragen sein, die ich mir stelle. Ich will damit nicht auf lächerliche Antworten hinaus wie „Er hätte Wasser in Wein verwandelt“, das liegt außerhalb unserer Möglichkeiten und würde es das nicht, wäre Jesus auch kein Ideal mehr, nach dem man streben könnte. Es geht vielmehr darum, dass Jesus dazu aufgerufen hat, ALLE Menschen zu lieben, klare, nicht verhandelbare Konzepte hatte seine Standpunkte unabhängig von den jeweiligen (persönlichen) Konsequenzen vertreten hat. Jesus wollte weder tote Ungläubige noch besonders tote Juden. Dazu braucht man ein Rückgrat, einen Arsch in der Hose; beides sehe ich bei unserer Amtskirche nicht mehr. Die von Jesus vorgelebten Ideale sind mit westlichen Werten und unserem Grundgesetz noch immer kompatibel, doch wie soll man als Christ die eigene Kirche ernst nehmen, wenn sie es trotzdem nicht einmal mehr schafft, die Ideale ihres eigenen Erlösers zu vertreten und vorzuleben?

Menschen (die meisten davon) wollen geführt werden, sie brauchen klare, vernünftige und zuverlässige Richtlinien (bitte diesen Satz nicht mutwillig falsch verstehen und an stramm marschierende Horden denken). Diese Richtlinien haben wir längst, es sind die westlichen Werte und das Grundgesetz. Die setzt aber niemand mehr um, niemand steht mehr für sie ein. Das wirre Bild, das ich von der Politik habe, ist ein schwarzer Atomausstieg und ein grüner Bahnhof in Stuttgart. Wie soll ich denn als Wähler noch auf die Idee kommen, dass es tatsächlich eine Rolle spielt, wo ich mein Kreuz mache? Oder sehen wir uns beispielsweise Herrn Schäuble an; kürzlich erschien in meiner Lieblingszeitung, der „Bild“, eine Zeitleiste, die uns zeigte, dass sich praktisch alles, was Herr Schäuble in Zuge der Krise von sich gab, spätestens sechs Wochen später als falsch erwies. Was soll ich davon halten? Ist der Mann so brutal inkompetent, dass man seine Entscheidungen auch per Münzwurf von einem Affen treffen lassen könnte, der den Steuerzahler nur eine Handvoll Bananen täglich kosten würde, ganz im Gegensatz zu Herrn Schäuble? Oder ist das die „Wat kümmert mich ming Jeschwätz von jestern?“-Einstellung, die heute fast jeder Politiker an den Tag legt? Verlässlichkeit und Aufrichtigkeit sind in der Politik heute die Ausnahme, nicht die Regel. Ebenso bei der christlichen Amtskirche, die sich dennoch selbst das Prädikat „ethisch-moralisch einwandfrei“ verleiht. Bei den Moslems ist die Sache etwas besser, denn da kann ich mich wenigstens felsenfest darauf verlassen, Taqiyya-gerecht belogen zu werden.

Kommen wir nun zu den Pius-Brüdern. Von der Piusbruderschaft, eigentlich die Priesterbruderschaft St. Pius X. (Fraternitas Sacerdotalis Sancti Pii X.) dürfte fast jeder schon einmal gehört haben. In Deutschland hat sie etwa 10.000 Anhänger sowie „Zweigstellen“ in etwa 30 Ländern. Gegründet wurde sie 1970 durch den Erzbischof Marcel Lefebvre (1905-1991). Weltberühmt wurde kürzlich ihr Mitglied Richard Nelson Williamson, ein britischer Bischof, der unter anderem den Holocaust nicht ganz so sieht, wie wir Normalsterblichen ihn durch die anerkannte Historie kennen. Kaum zum Bischof geweiht, wurde er exkommuniziert, da diese Weihe durch Erzbischof Marcel Lefebvre gegen den Willen des Papstes durchgeführt wurde. Am selben Tag (30. Juni 1988) geweiht und ebenso kurz darauf exkommuniziert wurden auch die Bischöfe Bernard Tissier de Mallerais, Alfonso de Gallarreta und Bernard Fellay, die nicht weniger radikale Ansichten haben als Williams. Dies war allerding nicht der Grund für ihren Ausschluss aus der Kirche, es war vielmehr der Ungehorsam Lefebvres dem Vatikan gegenüber. Seine Liebe zum Judentum tat Williams offiziell 1989 in Kanada kund, als er während einer Messe verkündete, die Juden hätten den Holocaust erfunden, die Protestanten bekämen ihre Befehle vom Teufel und der Vatikan hätte seine Seele an den Liberalismus verkauft. Zusammen mit den vier anderen von Lefebvre geweihten Bischöfen wurde Williams Exkommunikation Anfang 2009 auf Anweisung von Papst Benedikt XVI. aufgehoben. Werfen wir nun einen Blick auf einige der Eckpunkte der von den Pius-Brüdern idealisierten neuen Gesellschaftsordnung, wie sie auf dem vierteljährlich erscheinenden Hausblatt des Civitas Instituts (auf www.civitas-institut.de) dargestellt wird („Grundsätze einer christlichen Gesellschaftsordnung“ von Franz Schmidtberger, Ausgabe 1, 2007):
– Die Gewalt in Staat und Gesellschaft geht nicht vom Volk sondern von Gott aus.
– Ehelose Menschen haben kein Wahlrecht mehr.
– Parteien werden verboten [damit hätte sich m. E. auch das Wahlrecht erledigt].
– Ein christlicher „Wächterrat“ wird eingerichtet.
– Die zivile Ehe wird abgeschafft, ebenso wie das Recht auf Scheidung.
– Empfängnisverhütung ist verboten.
– Gotteslästerung, Homosexualität und Pornographie verschwinden aus dem öffentlichen Leben.
– Der Staat und die Menschen darin existieren allein, um der Kirche zu dienen.
– Freimaurerlogen und Geheimgesellschaften werden verboten.
– Falsche Religionen werden verboten.
– Gehirnwäsche und Umerziehung für „Sünder“.
– Die Todesstrafe wird wieder eingeführt.
– Gewerkschaften und Streikrecht werden abgeschafft.
– Deutschland wird wieder ein Agrarstaat.
– Gewaltiger Militärapparat mit Missionierungsauftrag wird etabliert [schwierig in einem Agrarstaat].

Ich mag nicht sehr bibelfest sein, aber ich habe Zweifel, dass Jesus ein solches Regime abnicken würde, nur weil es unter „christlich“ läuft. Natürlich lehne ich solche Forderungen ab, ich habe auch nie behauptet, dass sie mir gefallen würden oder gar einen Weg zur Erlösung darstellen. Ich habe nur gesagt, dass man sich bei den Pius-Brüdern darauf verlassen kann, dass sie „a“ meinen, wenn sie „a“ sagen und daraus nicht am nächsten Tag ein „b“ wird, je nachdem, woher der Wind weht. Nur für meine Argumentation geht es jedoch nicht darum, was sie sagen, sondern wie sie es sagen, und wie konsequent sie ihre Standpunkte vertreten. Das Problem mit Standpunkten liegt darin, dass sie immer und immer wieder hinterfragt werden müssen. Wenn sie vernünftig sind, werden sie diese Prüfung überstehen. Wenn man sie allerdings zum Dogma verklärt, das nicht hinterfragt werden darf, dann befindet man sich auf einem Irrweg, der sicher nicht dorthin führt, wo man ursprünglich mit guten Absichten hinwollte. Nicht umsonst gibt es die Redewendung, der Weg in die Hölle sei mit guten Vorsätzen gepflastert. Ein Weltbild muss immer und immer wieder neu geprüft werden, ebenso wie kein vernünftiger Mensch in ein Flugzeug steigen würde, das seit Jahren keinen Techniker mehr gesehen hat, weil irgendwann irgendwer definiert hat, dies sei nicht notwendig. Die von Schmidtberger idealisierte Gesellschaft unterscheidet sich allein durch das Dogma von einem islamischen Gottesstaat. Den einen als gut und den anderen als böse zu definieren, gleicht einer Unterscheidung von guter und böser Schwerkraft: Die gute hält die Erde auf ihrer Bahn um die Sonne und die böse lässt Menschen Treppen herunterfallen.

Nun sehen Sie sich Thilo Sarrazin an, der mit „Deutschland schafft sich ab“ wohl den Verkaufsschlager der letzten Dekaden geschrieben hat. Von der Politik verteufelt, hat Sarrazin dem Wähler gegenüber endlich mal das eingeräumt, was der sowieso jeden Tag sieht, denn es gibt nun einmal viel mehr Menschen, die die öffentlichen Verkehrsmittel benutzen als Menschen, die sich in einer gepanzerten Limousine zur Arbeit fahren lassen und für die unsere multikulturelle Bereicherung eher ein Abstraktum darstellt, das nur anderen passiert. Wie sollen diese Politiker denn das Volk vertreten, von dem sie sich fernhalten, als wäre es ansteckend, und das sie in seinen Sorgen, Ängsten, Hoffnungen und Wünschen einfach als politkorrekt definieren, ohne jemals einen entsprechenden Realitätsabgleich durchzuführen?
Ich möchte das alles jetzt so zusammenfassen: Aufrichtigkeit, Vernunft, der Wille, existierende Probleme angemessen anzusprechen, eine klare Linie und Zuverlässigkeit sind genau DAS, was dem Wähler heute fehlt. Das ist eine Marktlücke, die nur darauf wartet, gefüllt zu werden, und in der womöglich 50% der Wählerstimmen parken, von Menschen, die das ewige Gefasel von „Sachzwängen“ oder „Alternativlosigkeiten“, die pathologische Verlogenheit, sowie hysterisch-kopflosen Aktionismus fernab jeder vernünftigen Grundlage einfach nicht mehr ertragen können. Die Kehrseite und die Gefahr liegen wiederum darin, dass sich eine solche Bewegung meist auf einen einzelnen charismatischen Anführer fokussiert, wie beispielsweise einen Geert Wilders und wir dann nur hoffen können, dass die Intentionen dieser Zentralfigur grundgesetzkompatibel sind und bleiben, denn wie Lincoln so schön sagte: „Willst du den Charakter eines Menschen erkennen, so gib ihm Macht.“ Dann kann es allerdings durchaus schon zu spät sein. Damit will ich auf gar keinen Fall andeuten, dass ich Geert Wilders als potentiellen Faschisten ansehe, ich glaube auch nicht, dass er den Pfad westlicher Werte verlassen wird. Ich sage nur, dass wir, auch wenn wir uns dafür entscheiden, einem charismatischen Anführer zu folgen, nicht aufhören dürfen, kritisch zu sein. Wir haben in Europa die Möglichkeit, Kritik zu üben, ohne dafür erschossen zu werden, Herr Wilders tritt unter anderem auch dafür ein, dass dem so bleibt, vielleicht sollte man einen Moment lang innehalten und darüber nachdenken, bevor man weiter Kritik an ihm übt.
Freiheit muss immer und immer wieder neu erkämpft und verteidigt werden, sie kann aber auch nicht zugleich grenzenlos sein, denn es muss Regeln geben, die für alle verbindlich sind, denn die Freiheit des einen muss dort enden, wo die des anderen beginnt. Wenn dieses Regelwerk für jemanden unerträglich ist, dann kann er jederzeit von hier verschwinden, die Warteschlangen vor den fremden Botschaften hier in Deutschland sind für gewöhnlich sehr kurz (H. M. Broder). Das wird niemand tun, denn Deutschland füttert auch zugewanderte Schafe, die ansonsten keinen Beitrag leisten, abgesehen davon, auf unsere Werte und unsere Fahne zu pinkeln. Das als Freiheit und Selbstverwirklichung anzusehen, wird langfristig eben diese Werte beschneiden, wenigstens für den Teil der Gesellschaft, der in Deutschland mehr sieht als nur ein Hassobjekt. Denn dieses Deutschland gibt ihnen erst diese Freiheiten: Nur hier kann unsere Claudia unter dem Motto „Nie wieder Deutschland“ demonstrieren ohne wie in vielen anderen Ländern dafür erschossen zu werden, nur hier kann unsere Claudia als Frau entrüstet sein, wählen gehen und grunzbesoffen Interviews geben, ohne erst einen Mann um Erlaubnis zu fragen, nur hier kann sie eine Schwarzwälder Kirschtorte in sich hineinstopfen und zugleich den allein von Deutschland in der restlichen Welt verursachen Hunger geißeln, ohne dass jemand lacht. Und doch scheint sie diese Freiheiten nicht ertragen zu können, denn sie kämpft gegen eben dieses Deutschland und seine Möglichkeiten an. Ist das Irrsinn? Vielleicht. Aber es kann ebenso eine unauslöschliche Facette unserer Menschlichen Natur sein; Menschen sind nicht rational, sie neigen nicht dazu, sich mit Problemen auseinanderzusetzen, die ihnen noch nicht in den Arsch beißen. Menschen klammern sich bisweilen an Vorstellungen von der Welt, ohne auch nur einen Dreck darauf zu geben, wie die Welt tatsächlich ist. Wie der berühmte Fernseharzt Gregory House sagte: „Rationale Argumente funktionieren nicht bei religiösen Menschen, den sonst gäbe es keine religiösen Menschen”. Das gilt in der Tat für alle Dogmatiker, egal ob politisch oder religiös. Das Problem fast aller Philosophien/Religionen liegt darin, dass sie ein sehr detailliertes Bild davon haben, wie der Mensch sein sollte, das tatsächliche Wesen des Menschen jedoch als minderwertig und schlecht definieren. Ich bin mir nicht sicher, ob es auf Dauer gesund ist, sich selbst derart zwanghaft selbst und auch andere zu hassen, und verzichte auch auf das Zitat: „Dir Federn in den Arsch zu stecken, macht dich noch nicht zum Huhn“.
Jetzt werde ich die Sache auf die Spitze treiben. Nehmen wir dem Faschismus die politische Farbe weg und definieren ihn als ein Dogma, das alles zerstören will, was ihm entgegensteht, sei es durch Bekehrung, Unterwerfung oder physische Vernichtung. Diese Art Dogma zieht sich durch die gesamte Menschheitsgeschichte, vollkommen egal, ob sie als Nationalsozialismus, (Steinzeit-)Kommunismus, politischer Islam auftritt oder was auch immer uns als nächstes blüht. Wann immer ein solches Dogma mit der Unfähigkeit zur Selbstkritik ins Bett steigt, zeugen die beiden Wahnsinn, Krieg und Völkermord. Dennoch sind unsere strammen Linken davon überzeugt, dass allein ein Dogma in der Lage sei, uns vor Dogmen zu beschützen, was der Aussage gleicht, allein der Faschismus könne uns vor dem Faschismus retten. Sie bekämpfen den Faschismus und benutzen dabei dessen Methoden. Ist es so abwegig, zu glauben, dass eben diese Affinität zu Dogmen und der Unwille, die eigenen Überzeugungen zu hinterfragen (ist auch wirklich nicht angenehm), integrale Bestandteile der menschlichen Natur sind? Ich würde diese Möglichkeit nicht von der Hand weisen, angesichts der Tatsache, dass wir aus tausenden von Kriegen und unzähligen früheren Faschismen nichts gelernt haben und immer und immer wieder mit jeder Generation dieselben öden Denkmuster durchlaufen. Dieser Mechanismus macht es möglich, dass sich die Antifa von heute aufführt wie die SA von gestern, ohne die Parallele zu sehen. Sie kann es einfach nicht. Das soll keine Rechtfertigung für sie sein, nur eine Möglichkeit, dieses Verhalten zu deuten. Und womöglich hat Dmitrij Rogosin (siehe sein Interview auf PI) recht, wenn er sagt, dass die einzige Antwort, die uns auf den Islamofaschismus einfällt, ein neuer europäischer Faschismus ist. Angesichts der Menschheitsgeschichte sollten wir ein solches Szenario nicht als Hirngespinst abtun. Dazu müssen wir uns als das anerkennen, was wir sind, und nicht ideologisch-verklärt von einem Menschen träumen, der so nicht existiert. Daraus resultiert die anheimelnde Idee von einem Euro-Islam, die ich persönlich als einen gefährlichen Irrweg ansehe, so schnell wie sich der ägyptische Traum von Demokratie in die faktische Realität eines weiteren Gottesstaates verwandelt hat. Abgesehen davon, dass man die Verhandlungen über einen Islam-Light mit Leuten wie Aiman Mazyek führt, so als hätten wir nichts aus den Fehlern des schwachsinnigen britischen Ex-Premier Neville Chamberlain gelernt.
Zweifel sind notwendig, sie sollten nur nicht so exzessiv werden, dass sie die Handlungsfähigkeit lähmen. Zweifel sogar an uns selbst, denn nur Menschen, die eben nicht mehr an sich zweifeln, sind in der Lage, einen Holocaust zu veranstalten, ein paar Millionen Bauern verhungern zu lassen, oder über eine Insel zu laufen und fast 70 Kinder zu erschießen. Viele Menschen lassen sich davon mitreißen und auch das sind weder Idioten noch Monster, es sind ganz normale Leute, Bäcker, Lehrer, Schuster, der Apotheker von nebenan, die ihr Hirn abschalten, dem Alphamännchen folgen und grauenhafte Dinge tun, weil die Vorstellung, etwas könne grundsätzlich falsch laufen, nicht mehr in ihrem Denk
Die Vorstellung, dass vernünftigen und intelligenten Menschen Dogmatismen nicht passieren können, ist grundfalsch, aber so fest im Denken verwurzelt, das es schon zum eigenen Dogmatismus geworden ist. Wenn wir diese Anfälligkeit als Teil des Menschen anerkennen, so grausig diese Vorstellung auch sein mag, dann trägt das vielleicht einen kleinen Teil dazu bei, dass nicht immer alles in einem Blutbad enden muss.

Das sind nur meine persönlichen Ansichten, meine Vorstellung davon, wie wir Menschen vielleicht „ticken“, die muss so nicht stimmen, aber ich bitte Sie, lieber Leser, wenn Sie bis hierhin durchgehalten haben, wenigstens die Möglichkeit einzuräumen, dass da etwas dran sein könnte, auch wenn das keine sehr erfreuliche Vorstellung ist. Außerdem höre ich mich wahnsinnig gern reden.

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