Der iranische Rapper Shahin NajafiWas tut man, wenn ein ausländischer Staat ganz offen erklärt, die Bürger eines anderen Staates umbringen zu wollen? Vielleicht gäbe es nach kurzem diplomatischen Hin und Her den Abbruch der Beziehungen. Und was ist, wenn islamische Geistliche, die im Iran das Sagen haben, eine Fatwa aussprechen gegen einen eigenen Staatsbürger, der in Deutschland lebt? Macht das die Sache besser? Oder müsste nicht dieselbe Reaktion erfolgen?

(Von rotgold)

Der iranische Rapper Shahin Najafi (Foto oben) wird von gleich vier Todesdekreten aus dem Iran bedroht, weil er einen heiligen Imam in einem satirischen Lied beleidigt haben soll; 100.000 Dollar sind auf seinen Tod ausgelobt worden.

Welche Reaktion erfolgt von deutschen Politikern? Keine. Welche von deutschen Künstlern? Keine. Warum eigentlich nicht? Weil Shahin Najafi kein Deutscher ist? Darf er darum abgeschossen werden? Oder weil er „den Islam beleidigt“ hat?

Günter Wallraff hat Shahin Najafi in seine Obhut genommen. Er übt offene Solidarität mit dem Rapper, und das ist auf jeden Fall lobenswert und auch mutig. Darüber hinaus sagt Wallraff aber einiges Nachdenkenswertes über den Zustand unserer Gesellschaft, über unsere Werte, unser politisches Verständnis:

Der in Deutschland unter Polizeischutz lebende Rapper Shahin Najafi ist mit mehreren Fatwas, also Todesdekreten, belegt worden. Günter Wallraff sagte dazu im Deutschlandradio Kultur, deutsche Politiker müssten den Iran in seine Schranken weisen: „Unser Außenminister wäre gefordert. Wenn vor der deutschen Botschaft gelenkte Demonstrationen stattfinden, wo seine Auslieferung verlangt wird, da müsste eigentlich der iranische Botschafter einbestellt werden, um dem Einhalt zu gebieten.“

Auch bei dem seinerzeit ebenfalls mit der Fatwa belegten Schriftsteller Salman Rushdie habe es längere Zeit gedauert, bis Politiker sich für ihn verwendet hätten: „Da gab es erstmal ein feiges Wegducken.“ Diese „bequeme Feigheit“ beobachte er leider auch in dem aktuellen Fall in Deutschland.

Wallraff zeigte sich enttäuscht über das derzeit noch mangelnde Engagement prominenter deutscher Künstler, wenn es beispielsweise um die Organisation von Solidaritätskonzerten für Shahin Najafi gehe. Die Künstler müssten endlich „ihren Arsch hoch kriegen“.

Der Fall Shahin Najafi zeigt, wie es um das politische Bewusstsein in der Bundesrepublik bestellt ist, er bzw. sein Fall hält uns einen Spiegel vor. Wallraff bringt es in der folgenden Aussage noch einmal auf den Punkt, wenn er über Demokratieverständnis in Deutschland, über die Bereitschaft, die Demokratie zu verteidigen, über den deutschen (intellektuellen) Michel spricht, der nur dann protestiert, wenn auch alles seine Ordnung hat, wenn alles auch richtig und korrekt ist (ab 6:20 min):

Das erlebt man auch hier: Eine gewisse Gratisangst, und eine bequeme Feigheit und eine falsche Zurückhaltung.

Es gibt auch welche, die kennen sich überhaupt nicht aus, und sie meinen, es ginge hier um Verletzung religiöser Gefühle, und da dürfe man nicht dran rühren und da muss man viel, viel Aufklärungsarbeit erst mal leisten um ´ne Selbstverständlichkeit zu erreichen.

Wenn man nämlich jetzt, in solchen [Zeiten], wo wir noch alle in absoluten Sicherheiten sind, da wegducken, dann, was dann erst, wenn hier mal wirklich eine Bedrohung der Demokratie stattfindet und solche Kreise hier im breiteren Sinne einschüchtern? Mein Gott, dann wird diese verordnete und nie richtig erkämpfte Demokratie im Nu weggefegt.

Also, das sind erste Anzeichen, hier Klarheit zu schaffen und hier eine Selbstverständlichkeit eines Bekenntnisses, eines Schutzes [zu zeigen] und da sind auch unsere ganz bekannten Künstler und Stars erst mal gefordert.

Die müssen selber mal den Arsch hochkriegen und merken, dass es hier auch letztendlich um unsere Freiheitswerte geht.

Wallraff hat sich hier über den mentalen Zustand in Deutschland geäußert. Er hat aber darüber hinaus auch etwas über sich selbst gezeigt, darüber, wie man ein gutes Beispiel geben kann, mit Bescheidenheit und Überzeugung. Ich finde: hörenswert und nachdenkenswert und eine Aufforderung an uns alle, etwas zu tun. Für die Freiheit!

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15 KOMMENTARE

  1. Es freut mich das sich Wallraff mal klar zu der
    Sache äussert.
    „Wallraff zeigte sich enttäuscht über das derzeit noch mangelnde Engagement prominenter deutscher Künstler,…..“
    ———
    Aber bei „Rock gegen Rechts“ da lässt sich
    die „Musik-Schicki-Micki“ feiern.Ist ja auch
    PC.

  2. Danke und Bravo, Rotgold!

    Über Günter Wallraff positive Worte gerade bei PI zu lesen tut gut. Wer wirklich mal seine Bücher liest wird i.d.R. zu der Erkenntnis kommen, dass Wallraff in vielen Dingen Recht hat bzw. immer wieder bisher (auch) wertvolle Arbeit geleistet hat.

    Wenn ich mit Günter Wallraff auch nicht immer übereinstimme, so ist doch letztlich ein Schwarz-Weiß-Denken wenig zielführend. Wer etwas auf sich hält, überläßt dieses Schwarz-Weiß-Denken anderen. 😉

  3. Die hiesigen Künstler ducken sich sicherlich weg, da sie Angst haben, als kleinlich oder gar national verbohrt gegen kulturelle Vielfalt zu sein (also nicht eben sensibilisiert zu sein) und als ggf. Islamistenhasser hingestellt zu werden. Ist politisch nicht abgesegnet und somit No go. Abgesehen, würde man doch da irgendwo schon etwas zugeben, dass der Islam vielleicht nicht doch so ganz zu hundertfünfzig Prozent engelsgleich und absolut und unumstößlich friedlich sein könnte. Wo bleibt da die Argumentation im Krampf gegen Andersdenkende, also den Islamrealisten?!

  4. Islam = drohen, vertreiben, erniedrigen, systemtisches lügen, terrorisieren, unterdrücken, vergewaltigen und töten.

    Nichts neues unter dem Halbmond – seit 1400 Jahren. Im Gegenteil es wird immer schlimmer…

  5. Meines Erachtens wäre ein wichtiger erster Schritt, wenn er auch in der Praxis höchstens symbolische Wirkung haben dürfte, diejenigen, die solche Drohungen aussprechen, mit Strafanzeigen und internationalen Haftbefehlen zu belegen. Ganz egal ob es sich um einen unbedeutenden Mufti oder einen Staatschef handelt. Hier ist Diplomatie nicht mehr angezeigt!!

  6. …und unsere Bundesbetroffenheitsbeauftragte C.F.Roth, die doch immer so ein großes Herz für Künstler hat, äußert sich nicht ?

  7. Ich denke mal, dass wir uns im Otober die Frage anders stellen werden. Dann wird die Frage lauten: Wer ist der iranische Staat?

  8. Wo sind die Menschenrechtler und NGOS, wo ist AI? Ich kann sie weder lesen noch hören in dieser Angelegenheit.

    Aber wenn es Moslems betrifft, da sind diese NGOS gleich zur Stelle!!!!

    Nieder mit der Mullah Bande!

  9. Botschafter rausschmeissen und Handelsembargo verhängen, das ist die einzig richtige Anwort.

  10. Bis der Außenminister etwas tut, kann man lange warten. Der war ja noch nicht einmal imstande, sein einziges Wahlversprechen einzuhalten.

  11. PI:

    Und was ist, wenn islamische Geistliche, die im Iran das Sagen haben, eine Fatwa aussprechen gegen einen eigenen Staatsbürger, der in Deutschland lebt?

    Wenn es denn diese Fatwa überhaupt gibt. Shahin Najafi sagte vor ein paar Wochen in einem „taz“-Interview, dass die Fatwa nicht gegen ihn gerichtet gewesen sei, „sondern gegen alle, die sich blasphemisch äußern“, sie habe auch kein Datum gehabt. „Aber irgendwelche Gruppen aus dem Umfeld des Regimes, genauer gesagt der Revolutionsgarden, haben das aufgegriffen, und inzwischen wurde sogar ein Kopfgeld auf mich ausgesetzt. Wer dahintersteht, ist schwer zu sagen.“ Es soll sich um einen Geldgeber aus einem arabischen Land am persischen Golf handeln.

    http://www.taz.de/!93251/

    Etwas undurchsichtig, das Ganze. Hinzukommt, dass in Deutschland bisher kaum einer diesen Najafi kannte, obwohl er seit sieben Jahren in Köln lebt. Er hat auch keine Anstrengungen unternommen, sich hierzulande bekannt zu machen, denn er singt nur für seine Landsleute auf Urdu.

  12. Hier zeigt sich doch wieder einmal exemplarisch, dass die ganzen Gutmenschenorganisationen nirgends sind, wenn sie etwas zu befürchten haben. Mit den Politikern ist es das gleiche.

  13. Das Morddrohungen gegen den Perser sind ja auch Friedens-Morddrohungen, Eigenarten einer Friedenskultur und ausserdem Teil des Islam und damit Teil Deutschlands.

    Als strammgläubiger Linker, Kulturrelativist und globaltümelnder Bunt-Bürger darf man gegen die Friedensreligion nichts sagen.

    Das hat Wallraff schon gut auf den Punkt gebracht.

    Aber mit Wallraff ist das so eine Sache, der hat den Islam und die dazugehörigen Gläubigen auch schon in Schutz genommen, verteidigt und Islamgegner als Nahssis und Fremdenfeinde hingestellt.

    Der letzten Konsequenz, nämlich den Islam und die Hass- und Gewaltaufrufe im Koran als Hauptgrund anzuerkennen, das schafft er nicht.
    Er will es nicht schaffen.

    „Islam ist Frieden, wer was anderes behauptet ist Nahssi und wer den Koran wörtlich auslegt, hat den Islam nicht verstanden.“
    Blablablubb….

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