Skopje: Auf gepackten Koffern Deutsch lernen
Schon das Flugzeug nach Mazedonien landet auf einem asphaltierten Zankapfel: der moderne, nagelneue Flughafen von Skopje heißt Alexander der Große, was bereits zu einem weiteren heftigen Namensstreit mit Griechenland führte. Überhaupt weiß man nicht sicher, wie sich dieses Land nun nennt: verschiedene Varianten sind von verschiedenen Staaten und Organisationen anerkannt und auch die Flagge mußte bereits mehrfach verändert werden, da Griechenland sich „bedroht“ fühlt. Das sind aber bei weitem nicht die einzigen Probleme des EU-Beitrittskandidaten Republika Makedonija oder FYROM (Former Yugoslav Republic of Macedonia), wie das sich Land vielfach noch immer nennen muß.
(Ein Bericht aus Skopje/Mazedonien mit Photos von Mr. Merkava)
Die Stadt Skopje wird eigentlich nicht nur geographisch, sondern auch ethnisch-religiös durch den Fluß Vardar geteilt: hier der eher europäisch geprägte Südwesten der Neustadt, dort der nordöstliche, stark muslemisch-albanisch geprägte Altstadtbereich. Huntington läßt hier einmal auch bildlich grüßen. Zweifelsohne hat diese Altstadt ihren touristischen Charme, aber vom Lebensgefühl her wird sie eben von Moscheen und Minaretten überragt.
Die oberflächliche Friedlichkeit des Zusammenlebens von Moslems und Christlich-Orthodoxen hatte in Mazedonien 2001 jäh eine böse Überraschung erfahren, als moslemisch-fundamentalistische Albaner-Banden mit Mujaheddin-Zulauf versuchten, Stück für Stück den Staat Mazedonien „aufzurollen“, was dieser erst einmal gar nicht glauben wollte und sehr lange mit Gegenmaßnahmen wartete. Nach zahlreichen Gewalttaten, wohl auf beiden Seiten, gab es im Herbst 2001 das Abkommen von Ohrid, in dem der albanischen Minderheit weitergehende Rechte zugebilligt wurden. Abgesehen von einzelnen ethnisch-religiös motivierten Gewalttaten scheint das Abkommen bisher einigermaßen zu halten.
Die ab 2006 regierende Koalition Für ein besseres Mazedonien, die von der christdemokratischen VMRO-DPMNE des selbstbewußten Nikola Gruevski angeführt wird, betreibt eine deutlich konservative Politik und bei vorgezogenen bzw. Neuwahlen 2008 und 2011 wurde die Regierung Gruevski mit großer absoluter Mehrheit nachdrücklich bestätigt.
Ein Teil dieser Politik zeigt sich auch sehr deutlich im Stadtbild von Skopje: seit dem neuen Regierungsbeginn 2008 werden mazedonische kulturelle Einrichtungen und eine Vielzahl von öffentlichen Gebäuden und Denkmälern, aber auch Kunstwerke des Alltags errichtet. Neben dem Bau einer 22 Meter hohen Statue Alexanders des Großen auf einem zentralen Platz Skopjes werden auch neue Gebäude für das Außenministerium sowie weitere öffentliche Einrichtungen glanzvoll errichtet; nicht zuletzt wird aber auch an einem bedeutenden Holocaustmuseum direkt neben dem Museum des mazedonischen Freiheitskampfes gearbeitet.
Beim Gang durch das westliche Skopje mag man auf den ersten Blick nicht glauben, daß der EU-Kandidat Mazedonien eine der schwächsten Volkswirtschaften Europas hat, denn der Transformierungsprozeß ist zumindest hier unübersehbar.
Eine ganz andere Qualität hat der zu Fremden nur hinter vorgehaltener Hand erwähnte Vorort Suto Orizari im Nordwesten der Stadt, wo heute zwischen 20 – 50.000 Zigeuner leben, wohl zum größten Teil auf gepackten Koffern, bis denn endlich die EU-Freizügigkeit kommt. Große Probleme in Šuto Orizari sind die hohe Arbeitslosigkeit, Schwarzarbeit, Kriminalität und Drogenmißbrauch. Die letzte Volkszählung von 1994 habe ergeben, daß nur 1549 Personen reguläre Arbeit hatten. Im selben Jahr gaben 3956 Erwachsene an, Analphabeten zu sein. Aber ab der sechsten Klasse lernen nun seit einiger Zeit interessanterweise alle Schüler Deutsch. Bezeichnenderweise ist die Original-Webseite von Suto Orizari mit einem Trojaner verseucht.
Das weitverbreitete Deutsch in Suto Orizari wird aber keineswegs nur vorbereitend in der Schule gelernt: Orkan, z.B., freundlich und mit nicht unsympathischen Umgangsformen, spricht gutes Deutsch, arbeitet engagiert auf dem Markt und erzählt, daß er das Deutsch während seines 2-jährigen Asylverfahrens in Deutschland gelernt hat. Leider hätte das aber letztlich nicht geklappt mit dem Asyl. Warum sollte es allerdings auch? Politisch verfolgt werden die Roma (Zigeuner) hier in Mazedonien wohl kaum, aber einfach und bequem geht es eben nicht zu. Ismet wiederum, mittelmäßiges bis schlechtes Deutsch, in seiner Art eher orientalisch-klebrig und unterschwellig aggressiv, „haßt Deutschland“ nach eigenem Bekunden, auch weil er wegen „etwas Streß mit der russischen Freundin“ sicherlich völlig zu Unrecht ausgewiesen wurde. Ein eigentlich äußerst seltenes Phänomen in der deutschen Asylpolitik, das schnelle und tatkräftige Ausweisen unerwünschter Gäste… Ansonsten ist er im Gespräch komplett darauf fixiert, daß es in Mazedonien perfiderweise nur 30 € pro Monat Sozialhilfe gäbe. Dezente Hinweise, daß sich doch zumindest in der Umgebung des Bazars selbst in Suto Orizari ein ganz respektabler Handel und Wandel entwickelt habe und es um uns herum viele recht fleißige Leute gäbe, tut er in einer Art ab, die es geraten lassen, das Thema nicht sehr viel weiter zu vertiefen. Wahrscheinlich sieht man sich früher oder später wieder in Deutschland und das bei deutlich netteren Sozialhilfesätzen.
Die konservative Regierung Gruevski tut tatsächlich etwas, worum sie verantwortungsbewußte europäische Bürger nur beneiden können: es wird nicht Schuldengeld mit vollen Händen konsumtiv aus dem Fenster geworfen, sondern auf Haushaltdisziplin geachtet. Der Staatshaushalt hatte z.B. in 2009 ein Haushaltsdefizit in Höhe von 2,2 % des BIP; die Staatsverschuldung betrug 32,4 % des BIP. Verglichen mit den verheerenden Zahlen aus dem „reichen“ Europa ein Musterbild von Solidität und Disziplin.
Insgesamt erscheint Mazedonien als ein Land mit rund drei Vierteln eher westlich ausgerichteter, christlich-orthodox geprägter und im Umgang ganz freundlichen Menschen und als ein Land mit gewissem, allerdings auch noch weiter zu entwickelndem touristischen Potential. Dieses auch dank einer tatkräftigen, selbstbewußten Regierung und des in dem europäisch orientierten Teil der Bevölkerung vorherrschenden Wunschs, verbliebene Bürden des Sozialismus durch Tatkraft – gerne natürlich auch, aber eben nicht nur mit Hilfe des EU-Steuerzahlers – abzuschütteln.
Als EU-Beitrittskandidat hat Mazedonien allerdings die hier angerissenen schweren Bürden im Gepäck, die vor den europäischen Bürgern zuerst weggeleugnet und übersehen und dann später im Europa der EUdSSR wie immer nivelliert, d.h. de facto zum großen Teil gerade über den deutschen Steuerzahler sozialisiert werden sollen.