Dass Richard Millets politische Essays (gestern bei PI vorgestellt) zu den wichtigsten Veröffentlichungen dieses Winters gehören, zeigt ein einziges Zitat des französischen Romanschriftstellers Jean Raspail (Verfasser von „Das Heerlager der Heiligen“). Raspail spricht in einem jüngst in deutscher Übersetzung veröffentlichten Interview von der Unmöglichkeit, die Wahrheit unbeschadet auszusprechen: „Denn wer es wagt, sie auszusprechen, wird auf der Stelle gejagt, verdammt und ausgeschlossen. Richard Millet kam ihr nahe, und Sie sehen ja, was mit ihm passiert ist!“ (veröffentlicht in der 57. Ausgabe der Zeitschrift Sezession).

(Von Götz Kubitschek)

Mit einem Essay hat sich Millet besonders weit vorgewagt: Er verfaßte 2012 eine „Literarische Eloge auf Anders Breivik“. Millet steht mit diesem Text in der Tradition des Komponisten Karl-Heinz Stockhausen oder des französischen Kulturphilosophen Jean Baudrillards, die ihrerseits die Anschläge auf das World Trade Center im Jahre 2001 kunst-symbolisch deuteten. In der PI-Diskussion zu Millets Essays ging es gestern um die Frage, ob eine solche literarisch-symbolische Interpretation überhaupt statthaft sei. Als deutscher Verleger Millets kann ich sagen, daß ich diesen Text sehr genau gelesen und geprüft habe: Natürlich ist er legitim, natürlich stößt Millet damit in Denkräume vor, die uns auf ungewohnte Art und Weise die Augen öffnen. Daß er sich in seinem Essay wiederholt von der Tat Breiviks distanziert, muß nicht betont werden: Selbstverständlichkeiten bedürfen keiner Herausstreichung.

Der Publizist Martin Lichtmesz hat zu Millets Herangehensweise einen sehr wichtigen Text verfaßt, er ist hier einsehbar. Noch wichtiger ist es, die Texte Millets selbst zu lesen. Hier kann man sie direkt beim Verlag Antaios erwerben.

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19 KOMMENTARE

  1. Ich glaube ich besorge mir mal besagtes Buch von Richard Millet.

    Und Thilo Sarrazins Bestseller gleich mit, den habe ich auch noch nicht gelesen.
    Was macht der gute jetzt eigentlich?

  2. Kubitschek:

    Millet steht mit diesem Text in der Tradition des Komponisten Wolfgang Stockhausen…

    Der Komponist heißt Karlheinz Stockhausen, und er ist von einem minderbemittelten Journalisten missverstanden worden. Eine Pressekonferenz beim Hamburger Musikfest, es ging um Stockhausens Monumentalwerk „Licht“, eine der Hauptfiguren ist Luzifer. Stockhausen sprach von Luzifer, der Moderator brachte den 11. September ins Spiel, und da nahm die Katastrophe ihren Anfang, Luzifer und New York und Luzifers größtes Kunstwerk.

    „Prof. Stockhausen erläuterte, dass er anlässlich der Pressekonferenz zum Hamburger Musikfestival nicht behauptet hat, dass er den Terroranschlag auf das World Trade Center als das größte Kunstwerk der Menschheitsgeschichte bewundere. Vielmehr hatte er geäußert, dass Luzifer als Geist der Rebellion und der Anarchie, der die Liebe nicht kennt, existiert und Teufelswerk vollbringt. Dieser Luzifer habe jetzt in New York gewirkt, Planung und Durchführung der Terrorangriffe erscheinen ihm – Stockhausen – wie das größte Kunstwerk Luzifers“:

    http://www.stockhausen.org/spd_cdu.html

  3. Darüber, was Kunst darf und was angeblich nicht, hat sich kürzlich auch Till Schneider auf der Achse sehr lesenswerte Gedanken gemacht:

    Ich habe eine schlechte Nachricht zu überbringen. Kunst – und insbesondere: große Kunst – hat weder die Aufgabe, “tragbare” Helden zu schaffen, noch die, “für Ausgleich zu sorgen”. Sie ist ihrem Wesen nach jenseits von Politik und Moral angesiedelt, indem sie Darstellung ist. Von allem, was dem Künstler in der Seele brennt. Häufig ist es das Extreme oder das unauflöslich Ambivalente.

    Das kann bedeuten, dass es in einem Werk keinen einzigen “Guten” gibt, dass “das Böse triumphiert”, ja sogar, dass sich der Künstler im Schöpfungsakt mit seinen Bösewichten identifiziert.

    http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/dadgd/article/aufklaerung_fuer_aufgeklaerte

    Wie es aussieht, ist Till Schneider ein aufgehender neuer Stern der ohnehin immer besser werden Achse. Sehr witzig und sehr intelligent. Hier sein kürzlich schon gelobter „Abschied von der SZ“
    http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/dadgd/article/mein_abschied_von_der_sueddeutschen_2 mit Link zu Teil 1 gleich zu Beginn des Textes

  4. Was macht Thilo Sarrazin? Er war fleißig, am 24.02.2014 erscheint sein neuestes Buch:

    Der neue Tugendterror: Über die Grenzen der Meinungsfreiheit in Deutschland.

    Das Buch kann bei Amazon vorbestellt werden.

  5. #2 Geert akbar (17. Dez 2013 16:35)

    Ich weiß, viel zu früher OT, aber ich kann meine Begeisterung leider nicht zurückhalten:

    Heißa – 11 Jahre Haft für Fachkraft “Mehmet”!
    http://www.welt.de/vermischtes/article123031593/11-Jahre-Haft-Mehmet-sieht-sich-als-Opfer.html

    Das muss man den Türken lassen: Sie wissen wie man mit Fachkräften umgeht!
    —————–
    Seien Sie nicht so voreilig mit Ihrem Lob. Die Türken machten das nur im Hinblick auf etwaige Einbußen beim Tourismus:

    „11 Jahre und zwei Monate Gefängnis. Kurzer Prozess. Der Vorwurf: Raubüberfall in Antalya. Das Opfer: ein Deutscher. Das Ziel: eine Halskette und eine Uhr. Die Beweise: dünn.“

  6. #3 Heta

    Danke für die Aufklärung. Ich kannte nur die falsche Version und war von Stockhausen nur angewidert. So, wie Sie das erklären, ist die Sache viel sinnvoller!

  7. Nachtrag zu #3:

    Aber Stockhausen erging es danach wie Millet, das stimmt: Er wurde geächtet. Nur Max Goldt sprach in seinem Tagebuch von einem „ereignisverzerrten Tag“: „Muss man bei einem Künstler, in dessen Schädel bekannterweise ein Hirn glüht aus der Kategorie ,Das etwas andere Gehirn‘ und in dessen Werk das Feuer, ja sogar der Weltenbrand eine zentrale Rolle spielt, nun dermaßen bleiern geschockt tun, wenn er eine Sichtweise kundtut, die sich von derjenigen von Otto und Frieda Normalwurst ein bisschen unterscheidet?“

    Auch Lars von Trier war nach seiner missglückten Pressekonferenz in Cannes ein Geächteter, von Trier wollte nach der blöden Frage einer englischen Journalistin originell sein und hatte sich in irgendwas mit Hitler verheddert; die Journalistin wollte wissen, wie er sich denn jetzt fühle, wo er weiß, dass seine Vorfahren Deutsche waren. Später sagte er, auf Dänisch wäre ihm dieser Unfug sicher nicht passiert.

  8. Millet sollte sich nicht der künstlerischen Komposition des WTC widmen, sondern den alleinigen Verursacher von 9-11 endlich beim Namen nennen.

    Damit sind nicht all die kleinen möchtegern Hitlers gemeint, sondern der Auftraggeber vom 9-11 Desaster. Und da gibt es nur einen einzigen. Der genetische Nachfahre des Iblis.

    Denn er lebt lustig auf dieser Welt, mitten unter uns.

  9. @ #6 Maurice2009

    Bist du an der „Sarrazin GmbH und Co. KG“ beteiligt oder warum wirbst du so vehement für ein Buch, das keine einzige Neuigkeit für einen routinierten PI-Leser enthalten wird und auch sonst keine Auswirkungen auf dieses verdummte, feige Volk, welches vor langer Zeit mal „Die Deutschen“ genannt wurde, haben wird?

    Nochmal: Jemand der das Scheitern von Multikulti und die unhaltbaren Zustände, die damit einhergehen, anprangert aber weiterhin eine Partei unterstützt, die diese Zustände erst ermöglicht hat, ist ein Heuchler!

  10. P.S.

    Spendet das Geld, welches ihr für diesen unnützen Sarrazin-Schinken und all die anderen Untergangsverkündgsbücher wegwerft, lieber an Michael Stürzenberger, der wirkliche etwas tut und immer finanzielle Hilfe benötigt!

  11. Habe den Thread gestern nicht gelesen, das jetzt nachgeholt und stieß dabei auf dieses von Heta ausgegrabene Interview (man mag es zwar ungern tun, aber man muß sie doch immer wieder für ihre hervorragenden Beiträge loben):
    http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/gespraech-mit-richard-millet-was-breivik-uns-sagen-wollte-11896090.html

    Unbedingt lesenswert! Zum Beispiel wegen eines solchen Absatzes:

    Frankreich hat sich trotz de Gaulles und Malraux’ Taschenspielertricks niemals von der Niederlage 1940 erholt, es hat Vichy und die Entkolonisierung niemals verarbeitet. Anders als die Angelsachsen, die ihre Vergangenheit leichter akzeptieren und besser mit ihren Niederlagen umgehen, hat Frankreich ein Problem mit seiner Geschichte.

    Hinzu kommt noch der übermäßig aufgeblasene Achtundsechziger-Mythos, dieser gewaltige Betrug, der hinter der Fassade des Situationismus und des Surrealismus die Verbrechen des Maoismus und des Stalinismus versteckt.

    Und natürlich noch mehr wegen der dann folgenden Passagen zum Thema Breivik:

    Ich denke, die europäischen Länder, die sich blind gegen die Folgen der Ideologie des Multikulturalismus stellen, werden Breiviks hervorbringen, wie Frankreich einen Mohammed Merah hervorgebracht hat.

    Ja, ja, Grande Nation, was habt ihr noch vor einem halben Jahrhundert für eine kulturelle Ausstrahlung gehabt, denken wir nur mal an den Film. Frankreich spielt kulturell für die damals noch von ihm begeisterten Deutschen schon lange keine Rolle mehr:

    Ich besitze ein schmerzvolles, exzessives Bewusstsein dessen, was Frankreich einmal war. Aber heute steht Frankreich ganz ohne Vision da, es verlischt. Wir geben es auf, seine Sitten, sein Erbe, und unsere Sprache verfällt, aber wir glauben immer noch, ganz oben zu stehen.

    Aber sich immer noch dick aufplustern, der gallische Hahn halt. Kükürükü! (Ach nein, die Türken sind ja nicht deren Hauptproblem, sondern unseres.)

  12. Frankreich hat sich trotz de Gaulles und Malraux’ Taschenspielertricks niemals von der Niederlage 1940 erholt

    Rein militärisch gesehen …, aber nein, weiter sage ich nichts, dann kommt ja sofort wieder die Keule. Da zitiere ich lieber Kubitschek, soll der doch die Keule abkriegen 😉

    „Auf den Frieden.“ Im selben Moment stach mich der Hafer.
    „Auf den raschen Sieg“, erwiderte ich. „Auf den raschen Sieg, den Blitzkrieg!“
    Mein Gast sah mich an.
    „Ja“, sagte ich sehr aufmüpfig, „diese überwältigende Zusammensetzung aus Können und Arroganz, dieser schnelle Schnitt, was hast Du dagegen?“ Und ich trank. „Haben wir erfunden.“

    http://www.sezession.de/7063/das-september-gedicht-abendphantasie.html

  13. Was nun, Herr Gauck?

    Münster: Islam-Verbände fordern Abberufung von Khorchide – „Zu liberales Islamverständnis“:

    Einer angeblichen „Theologie des Gehorsams und der Angst“ setze er seine „Theologie der Barmherzigkeit“ entgegen. Dabei vertrete der Theologe eine einseitige und „dem Zeitgeist entgegenkommende Lesart der Heiligen Schriften“.…….

    Münster: Der innermuslimische Streit um die theologische Richtung von Mouhanad Khorchide, dem Leiter des Zentrums für islamische Theologie an der Universität spitzt sich zu. Der Koordinationsrat der Muslime hat am Dienstag offen die Abberufung des Professors gefordert. Das Verhältnis sei zerrüttet.

    Neue Eskalationsstufe im innermuslimischen Streit um das Zentrum für islamische Theologie an der Universität Münster. Die Islamverbände im Koordinationsrat der Muslime (KRM) fordern jetzt offen die Abberufung von Prof. Mouhanad Khorchide als Leiter des Zentrums. Khorchide habe die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Islamverbänden „nachhaltig zerrüttet und irreparabel beschädigt“, heißt es in einer am Dienstag veröffentlichten Stellungnahme des KRM.

    Eine weitere konstruktive Zusammenarbeit mit ihm sei daher nicht möglich, erklärte der KRM, dem die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (DITIB), der Zentralrat der Muslime, der Islamrat und der Verband der Islamischen Kulturzentren im Koordinierungsrat angehören. Vorangegangen war ein Meinungsaustausch, zu dem der KRM eingeladen hatte. An dem Treffen nahm auch Khorchide teil. Khorchides Theologie gehe „weder mit dem dahinter stehenden wissenschaftlichen Anspruch noch mit Khorchides Selbstverpflichtung zur bekenntnisgebunden Islamtheologie konform“, heißt es in dem rund 70-seitigen KRM-Gutachten.

    Das Gutachten, das sich mit Khorchides 2012 erschienenem Buch „Islam ist Barmherzigkeit“ beschäftigt, kommt zu dem Schluss, dass der Theologe methodische Fehler begehe und eine „ideologisch begründete Selektion“ islamischer Quellen betreibe. Einer angeblichen „Theologie des Gehorsams und der Angst“ setze er seine „Theologie der Barmherzigkeit“ entgegen. Dabei vertrete der Theologe eine einseitige und „dem Zeitgeist entgegenkommende Lesart der Heiligen Schriften“.

    Jeder der vier im KRM vertretenen Verbände hatte einen Gutachter benannt, darunter drei Theologen und einen Politologen. Der Berufung Khorchides zum Leiter des ZIT, dessen Lehrbetrieb seit dem Wintersemester 2012 läuft, hatten sie zunächst zugestimmt.„Wir nehmen die Stellungnahme zur Kenntnis“, kommentierte Universitätssprecher Norbert Robers die neue Entwicklung. Die Uni setze aber darauf, dass der theologische Beirat des Zentrums nun schnell gegründet werde. Denn nur dieses Gremium könne inhaltliche und personelle Entscheidungen am Zentrum für islamische Theologie treffen.Bundespräsident Joachim Gauck hatte bei seinem Besuch der Universität Münster Ende November noch dazu aufgerufen, die Konflikte um das ZIT in Ruhe zu lösen. Der Islam kenne nicht „die eine religiöse Autorität“. Es sei gut, wenn die Universitäten die pluralistische Tradition des Islam in wissenschaftlicher Freiheit ohne politischen oder fundamentalistischen Druck weiter entwickeln könnten.

    http://www.wn.de/Muenster/Islamverbaende-fordern-Abberufung-Zu-liberales-Islamverstaendnis-Khorchide-soll-gehen

  14. Die sehr zu empfehlende Zeitschrift „Sezession“ sollte hier jeder lesen und abonnieren. Sie könnte übrigens noch einen „kleinen Schuß PI“ vertragen.

  15. Obwohl ich das Buch noch nicht zu Ende gelesen habe, das Schlußkapitel über Breivik läßt einen den Atem anhalten schon im Erwarten, ist diese rechtsliterarische Neuedition einem Abenteuer ähnlich, vergleichbar den kühnen Expeditionen verrückter, besessener Forscher der Vergangenheit. Wäre die kopernikanische Wende nicht so abgelutscht, würde ich sie hier glatt zitieren!

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