In einem mittelalterlichen Schauprozess gegen 100 Regimekritiker, die seit dem Beginn des persischen Volksaufstandes in iranischen Foltergefängnissen festgehalten werden, sollen die Angeklagten jetzt öffentlich abschwören und die Rechtmäßigkeit der Folterdiktatur bestätigen. Nach iranischem Recht droht den Angeklgten wegen ihres Engagements für die Freiheit die Todesstrafe.
Der österreichische Rundfunk berichtet [2]:
Kurz vor der geplanten Vereidigung von Irans Staatschef Mahmud Ahmadinedschad sind etwa hundert Teilnehmer der regierungskritischen Proteste vor Gericht gestellt worden. Der Prozess begann am Samstag vor dem Revolutionsgericht in Teheran, wie iranische Nachrichtenagenturen berichteten. Mehrere Angeklagte, denen im schlimmsten Fall die Todesstrafe droht, wiesen Wahlbetrugsvorwürfe gegen Ahmadinedschad zurück.
Wichtige Moderate auf Anklagebank
Zu den rund hundert Angeklagten zählten auch einflussreiche Persönlichkeiten des Reformlagers, berichtete die iranische Nachrichtenagentur Fars.
Unter anderem sind demnach führende Vertreter der moderaten Parteien, die von den früheren Präsidenten Akbar Haschemi Rafsandschani und Mohammed Khatami gegründet wurden, angeklagt. Beide unterstützen den unterlegenen Präsidentschaftskandidaten Mir Hossein Mussawi.
Zahlreiche Anklagepunkte
In der von Irna zitierten Klageschrift hieß es: „Diese Parteien haben die illegalen Zusammenkünfte und Krawalle geplant, organisiert und angeführt.“ Die von Khatami gegründete Partei habe zudem in Kontakt mit einem britischen Spion gestanden.
Am Mittwoch hatte die amtliche Nachrichtenagentur Irna weitere Vorwürfe gegen die Angeklagten aufgeführt: Sie hätten Waffen getragen, ausländische Medien mit Bildmaterial versorgt und Verbindungen zu „Scheinheiligen“ gepflegt. Mit diesem Begriff werden im Iran die oppositionellen Volksmudschahedin bezeichnet.
Angeklagter: „Wahlbetrug eine Lüge“
Der angeklagte ehemalige Vizepräsident Mohammed Ali Abtahi sagte laut Fars vor dem Revolutionsgericht, es sei eine „Lüge“, wenn im Zusammenhang mit der Präsidentschaftswahl vom 12. Juni von Betrug gesprochen werde.
Auf diese Weise sollten Unruhen im Iran ausgelöst werden, „damit der Iran wie Afghanistan oder Irak“ werde. Abtahi behaupetete zudem, der einflussreiche Ex-Präsident Rafsandschani habe vor der Wahl einen Pakt mit den aktuellen Oppositionsführeren geschlossen. Abtahi gilt als einer der einflussreichen Politiker des Reformerlagers im Iran. Er war früher der Stellvertreter des von 1998 bis 2005 amtierenden iranischen Präsidenten Khatami.
Rafsandschani weist Vorwürfe zurück
Rafsandschani reagierte nur wenige Stunden später und bestritt Abtahis Aussagen. Dessen Erklärungen vor dem Revolutionsgericht seien „Lügen“, erklärte ein von Rafsanjani geleitetes Kontrollgremium am Samstag laut einem Bericht der Nachrichtenagentur Irna.
Es sei unzutreffend, dass Rafsandschani, Mussawi und der frühere Präsident Khatami sich gegenseitig Unterstützung geschworen hätten, erklärte das Gremium.
„Von Amerikanern geplant“
Außer Abtahi wiesen auch andere Angeklagte Wahlbetrugsvorwürfe zurück, die während der niedergeschlagenen Massenproteste der vergangenen Wochen gegen Ahmadinedschad erhoben worden waren.
Laut Irna steht auch der US-Bürger Kian Tadschbachsch vor Gericht, dem 2007 von iranischen Behörden Spionage vorgeworfen wurde und der deswegen vier Monate hinter Gittern verbringen musste.
Nach der Verhandlung sagte er laut Irna: „Die Entwicklungen nach der Wahl waren seit einem Jahr von Amerikanern geplant.“ Die Führung in Teheran wirft insbesondere Großbritannien und den USA vor, die Demonstrationen unterstützt zu haben. Der Westen weist das zurück.
„Feinde Gottes“?
Sollten die Protestteilnehmer vom Revolutionsgericht als „Mohareb“, als „Feinde Gottes“, eingestuft werden, droht ihnen laut Fars die Todesstrafe. Ansonsten sei mit fünfjährigen Gefängnisstrafen zu rechnen.
Bei den Protesten gegen die Wiederwahl Ahmadinedschads Mitte Juni waren rund 2.000 Demonstranten festgenommen worden. Derzeit sind noch rund 250 von ihnen in Haft. Etwa 30 Menschen kamen im Zuge der Proteste ums Leben.
„Organisierte Schauprozesse“
Wie lange der Prozess dauern wird, und welche Höchststrafen den Angeklagten drohen, war weiterhin unklar. Eine Website der Reformer verurteilte den Prozess und wies darauf hin, dass den Angeklagten keine Anwälte zugestanden würden und es auch keine Geschworenen gebe.
„Glauben jene, die diese Schauprozesse organisiert haben, dass das Land angesichts des Abschlachtens der Besten ruhig bleiben wird?“ hieß es auf der Seite mowjcamp.com.
Schwerste Krise seit Revolution
Die Unruhen stürzten das Land in seine schwerste innenpolitische Krise seit 1979 und legten tiefe Gräben in der herrschenden Elite offen.Die Unruhen waren ausgebrochen, nachdem Ahmadinedschad nach der Wahl Mitte Juni offiziell zum Sieger ausgerufen worden war.
Die unterlegenen reformorientierten Kandidaten Mussawi und Karubi sprachen daraufhin von Wahlfälschung zugunsten Ahmadinedschads. Menschenrechtsgruppen zufolge wurden im Laufe der Proteste bereits Hunderte Menschen festgenommen, darunter Politiker, Journalisten und Anwälte.
Ahmadinedschad vor Vereidigung
Der mächtige Wächterrat hatte Ahmadinedschads Wahlsieg nach partieller Neuauszählung der Stimmen bestätigt. Am Mittwoch soll der Präsident für seine zweite Amtszeit vereidigt werden.
Die Bürgerbewegung PAX EUROPA demonstriert am 15. August [3] in Berlin vor der iranischen Botschaft gegen die Verfolgung der iranischen Freiheitsbewegung.
(Spürnase: Klaus)
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