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Götz Kubitschek: Ein Brief in eigener Sache

[1]Liebe PI-Leser, als jemand, der einen recht guten Überblick über die verschiedenen Widerstandsprojekte in Deutschland hat, stelle ich fest: Wir kommen relativ gut voran. Ob Sie an die guten Zugriffszahlen von PI denken, an die stetig steigende Auflage der Jungen Freiheit, an den 13. Einzug der AfD in ein Landesparlament, die Aktionen der Identitären Bewegung, die Demonstrationskraft von Pegida oder an das Gedeihen der Bürgerinitiative Ein Prozent – überall sammeln sich Köpfe, Macher, Leser, Wähler, kurz: Bürger, die den Politikwechsel wollen.

Diese Erfolge dürfen uns nicht täuschen: Der Gegner ist das Establishment im weitesten Sinne, und das Establishment ist ein mächtiger Gegner. Er verfügt über die Meinungshoheit, über Instrumente wie den Verfassungsschutz und Zensurbehörden, über Staatsmedien und vor allem über unbegrenzte Steuermittel, die er zur Bekämpfung unserer Arbeit einsetzt.

Alleine in den nächsten anderthalb Wochen finden in Deutschland etliche Seminare zu der Frage »Wie redet man mit Rechten richtig?« statt. Der Deutschlandfunk, das ZDF, die ARD bringen Themenabende, Thementage, Themenschwerpunkte über unsere Projekte, und wir dürfen uns nicht täuschen: Nicht jede schlechte Presse ist wenigstens Presse – viel und geschickte schlechte Presse wirkt gegen uns, zwar nicht mehr so effektiv wie noch vor Jahren, aber doch noch immer so ausreichend, daß die Wähler das Risiko scheuen, die AfD zu einer echten Macht aufzuwählen.

Es gibt aber noch etwas, das uns zusetzt: die noch immer mangelhafte Solidarität, die zum Teil aus Bequemlichkeit, zum Teil aus einer falschen Einstellung rührt. Ich mache das an zwei Beispielen deutlich, beide betreffen meinen Verlag:

1. Von Rolf Peter Sieferle ist in meinem Verlag Antaios aus dem Nachlaß das Buch Finis Germania [2] erschienen – eine knappe, ungemein klare Arbeit zur mehr als deprimierenden Lage Deutschlands. Der US-Riese Amazon hat dieses Buch nun aus seinem Sortiment genommen – man kann es noch über Amazon bestellen, aber nicht mehr direkt, sondern nur noch über Zweitanbieter. Zuvor hat Amazon das Buch direkt und in großen Stückzahlen verkauft. Es muß also selbst in so einem riesigen Konzern irgendwo einen Mitarbeiter geben, der ein Häkchen setzt und unser Buch exakt zu dem Zeitpunkt aus dem Angebot befördert, an dem es in der Presse groß besprochen wird. (Über diese Besprechung, die eine Denunziation war, habe ich hier geschrieben. [3])

2. Gar nicht erst gelistet ist bei Amazon das Buch „Die Einzelfalle. Warum wir Frauen ständig die Straßenseite wechseln“ [4] aus der Feder von Ellen Kositza. Es geht in diesem Buch um das erste Opfer der Asylinvasion: um die Mädchen und Frauen, deren Verhalten im öffentlichen Raum sich stark verändert hat seit 2015. Die Einzelfalle ist ein starkes Buch über ein existentielles Thema.

Worauf will ich hinaus? Ich will feststellen, daß ich kein Verständnis habe für das halbe Dutzend Anrufer, die allein heute ihre mangelhafte Solidarität zur Schau getragen haben – ganz zu schweigen von denen, die das gestern und vorgestern machten. Ich gebe das mal wieder:


»Verlag Antaios, was kann ich für Sie tun?«

»Tag, Meyer mein Name, ich will den Sieferle bestellen.«

»Ja, gern, das sind 8.50 zuzüglich 1.50 Porto.«

»Weiß ich. Aber ich bestelle nur, wenn Sie portofrei liefern.«

»Können wir machen, wenn Sie mindestens für 25 € Bücher bestellen, sonst lohnt sich das nicht mehr.«

»Wie: Lohnt sich nicht mehr? Amazon kriegt das doch auch hin!«

»Das ist ein Weltkonzern, der Hungerlöhne bezahlt. Machen wir nicht, und wir können mit den Paketdiensten auch nicht so verhandeln wie Amazon. Wir legen schon jetzt pro Sendung zwischen 50 Cent und 1.20 € drauf.«

»Nicht mein Problem. ich bestelle jedenfalls nur, wenn ich auch bei Ihnen portofreie Lieferung bekomme.«


Es kam nicht zum Kauf, und das ist ein Problem: Wir liefern bereits so günstig wie irgend vertretbar, und vom Verlag Antaios leben voll (Lektorat, Vertrieb) sechs Mitarbeiter plus ich selbst, teilweise (Satz, Buchhaltung, Druck) nochmals drei. Das sind zehn Leute, die Verlagsarbeit für den Widerstand machen, und das ist nicht wenig.

Ich erinnere mich noch gut an die frühen Grünen, an die ersten Bioläden, die noch echte, regionale Läden waren: Man kaufte dort nicht nur ein, um gute Ware zu erhalten, sondern auch, um diesen wichtigen kleinen Laden zu unterstützen.

Warum kauft eigentlich noch irgendein Patriot, PI-Leser, AfD-Wähler bei Amazon? Um den Globalisten und Raubtierkapitalisten Jeff Bezos noch mehr Geld in den Rachen zu schaufeln und zwar auch dann, wenn sein Laden unser Angebot nicht führt und sogar verhindert? Warum gibt man der Bequemlichkeit des einmal eingerichteten Amazon-Kontos nach? Auch auf antaios.de [5] kann man sich ein Konto einrichten und danach mit zwei Klicks bestellen und man kann fast jedes in Deutschland erhältliche Buch recherchieren und bestellen [6], da wir an die großen Lieferanten angeschlossen sind.

Liegt es an 1.50 € Porto? Dann stöbert man eben ein bißchen, findet noch ein, zwei interessante Bücher oder läßt sich telefonisch etwas empfehlen: Schon ist man bei 25 € und erhält eine portofreie Lieferung.

Ich mache das bis zum Sommer zu einer meiner Aufgaben: die Solidarität zu stärken unter uns. Es gibt Unternehmen, die unser Geld NICHT verdient haben.

Wir machen das nun so: jeder, der bestellt und ins Kommentarfeld »Solidarität« schreibt, kriegt den neuen Antaios-Stoffbeutel mitgeliefert.

So, ich hoffe, Amazon-Chef Bezos muß sich nun richtig ärgern!

Dank und Gruß,

Götz Kubitschek

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Klonovsky: Die Sonntage immer den Kühnsten!

geschrieben von dago15 am in Buch-Tipp | 87 Kommentare

Es ist nicht nur lästig, sondern auch unfein, sich zu wiederholen, so weit, so gewiss. Doch erstens hat mein großes schriftstellerisches (und menschliches!) Vorbild Herib. Prantl dank seiner Begabung zur Echolalie sowohl eine Professur als auch einen Ruf wie Donnerhall errungen, zweitens ist die Galerie gemütvoller Exorzisten in den deutschen Massenmedien in diesen Tagen um einen weiteren Gerechten („Zaddik“) bereichert worden – und wenn etwas genuin Deutsches in später Blüte steht, gehört es für alle Zeiten in den Bernstein dieses Diariums, so wie der Entomologe pflichtbewusst auch das trivialste Insekt für die interessierte Nachwelt in seine Schaukästen spießt.

Wolf Biermann hat einmal erzählt, wie er, damals noch nicht lange bzw. noch lange nicht im Westen angekommen, in irgendeiner Zeitung einen Artikel las, dessen Verfasser sich an ihm abarbeitete und ihm allerlei Schlimmes attestierte. Nach der Lektüre sei er bestürzt gewesen und er habe darauf gewartet, dass es an der Tür klingele. Ihm sei damals noch nicht aufgegangen, dass „im Westen“ eben jeder Journalist jeden – nein, jeden natürlich nicht, aber zumindest ihn, den Wolf Biermann – nach Belieben lobpreisen oder anpinkeln konnte, ohne dass ein SED-Politbüromitglied den Artikel in Auftrag gegeben hatte und die Stasi die Sache in die Hand nahm. Es lebe die freie Welt, mag sich der DDR-Dissident gedacht haben, als ihm die Funktionsweise ihrer Medienöffentlichkeit bewusst wurde.

Inzwischen ist alles ein bisschen anders geworden – und politisch motivierte mediale Hexenjagden, jenen Anfängen zu wehren, denen eben kein Zauber innewohnt, gab es natürlich auch schon in der guten alten Kohl-BRD. Heute kann ein Artikel den darin eines Gesinnungsdeliktes Überführten beruflich vernichten, und wenn er Pech hat, kommt zwar nicht die Stasi, aber immerhin die Antifa zu ihm nach Hause [7]. Was wiederum die Bevölkerungssausschnüffelung betrifft, bei der heutzutage noch breitere zivilgesellschaftliche Bündnisse den Staatsorganen zur Hand gehen als in der DDR, so werden die alten MfS-Kämpen neidisch auf die elektronischen Möglichkeiten schauen, die ihren heutigen Kollegen zu Gebote stehen, während sie noch in mühevoller Alltagsarbeit Briefe öffnen mussten. Tempi gottlob passati. Ein Jungbauer aus Coswig bei Dresden etwa, dem sechs Schafe gestohlen und zum Teil direkt auf der Weide brutal geschlachtet – näherhin: geschächtet – wurden, hatte die Täter kulturunsensibel als „Drecksvolk“ geschmäht und dabei deren weitere Traumatisierung billigend in den Kauf genommen, aber „ein Internet-Ermittler der Polizei entdeckte den Facebook-Eintrag“ (Bild [8]) und brachte den hetzerischen Hirten vor einen einstweilen noch deutschen Kadi. Und so lange Sie, liebe angeblich konservative Mitbürgerinnen und Mitbürger, weiter die Schlepper- und Spitzelparteien wählen, wird das so weitergehen. Aber ich schweife ab…

… und damit zurück zum Thema: Heute wachsen einem tendenzkonformen Journalisten beinahe wieder dieselben Möglichkeiten beziehungsweise Aufgaben zu wie einem Medienschaffenden in der DDR. Ein charakterfester, im Dienste der FAZ stehender Scyomant namens Jan Grossarth hat nun versucht, den Geist des Historikers Rolf-Peter Sieferle, der unlängst von eigener Hand aus dem Leben [9] geschieden ist und sich damit seinen irdischen Richtern und ihren journalistischen Schöffen entzogen hatte, vor den Tätervolksgerichtshof zurückzubeschwören.

Die Tortura noctis erreichte die gebildete Öffentlichkeit unter der Überschrift: „Am Ende rechts Rolf Peter Sieferle war ein poetischer Freigeist und großer Wirtschaftshistoriker. Als die Flüchtlinge kamen, schrieb er giftige, rechtsradikale Bücher. Dann nahm er sich das Leben. Die Geschichte einer spätbürgerlichen Verbitterung“. Sie vollzog sich nach demselben langweiligen Muster, mit dem in Spiegel, Zeit, Süddeutscher, taz et al. Gesinnungsverbrecher angeprangert werden und wäre kaum der Rede wert, wenn nicht – wir sind ja in der DDR 2.0 – Amazon unmittelbar nach dem Erscheinen des Artikels Sieferles postum erschienenes Buch „Finis germania“ [2] aus seinem Sortiment genommen hätte. Der hier bereits thematisierte schlaue Trick des Monopolisten aus dem Land of the free besteht darin, den Antiquariaten und Second-hand-Händlern den Vertrieb eines inkriminierten Buches weiterhin zu gestatten und so zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen: Autor und Verlag können nicht mehr daran verdienen, aber niemand kann Amazon vorwerfen, man habe ein Opus aus politischen Gründen gänzlich aus dem Verkehr gezogen.

Nun ist dieses kleine Buch – ich las es gestern zum ersten Mal – allerdings von einer neiderregenden analytischen Brillanz und überdies, hier nimmt ja ein Mensch seinen Abschied, von göttlicher Rücksichtslosigkeit. Verteilte man den Geist des Verblichenen sozial gerecht auf die zehn merkelfrömmsten FAZ-Redakteure, ein Grossarth käme sich wie ein plötzlich Erleuchteter vor und strawanzte stolz durch die Redaktionsflure (nebenbei: Ich wäre mit einem solchen Anteil auch zufrieden). Der Bub ist Träger des Axel-Springer-Preises und des „Medienpreises Politik des Deutschen Bundestages“, und exakt so schreibt er. Da neuerdings auch linkes Publikum in meinem kleinen Ecklädchen vorstellig wird, bislang aber wohl wenig zu kaufen fand, will ich Grossarths Text als Lektion für künftigen Anwärter auf diese Preise empfehlen, denn auch die könnten eines Tages vor der seit 1933 in unserem Land virulenten Frage stehen: Wie denunziere ich als artgerecht gehaltener Medienschaffender einen himmelhoch überlegenen Kopf?

Nun, zunächst einmal, indem man die Kriterien „eher wahr“ vs. „eher falsch“ durch „korrekte Gesinnung“ vs. „böse Gesinnung“ ersetzt und sodann anhand des Lasterkatalogs durchbuchstabiert. Immerhin erspart das dem Leser, die Argumente des Begabten in einer Version wiedergekäut zu bekommen, der man eben anmerkt, dass sie zuvor einen etwas engeren Kopf passieren mussten.

Das klingt dann wie folgt:

Die politische und gesellschaftliche Entwicklung, mutmaßt Sieferle, ziele darauf, „daß eine kulturelle Formation, nämlich das indigene Volk, zugunsten anderer Volksgruppen auf seine spezifische Identität verzichten soll“. Es liest sich so, als gebe es ein Geheimprogramm einer ethnischen und kulturellen Auslöschung. Der „Auschwitz-Mythos“, wie Sieferle in toll-dreisten Anführungszeichen behauptet, verlange nach dem Verschwinden der Deutschen. Der „nationale Sozialismus“, spekuliert Sieferle, habe „vielleicht nur kontingenterweise“ – also nicht notwendig – zu „Ungeheuerlichkeiten“ geführt. Widerwärtig ist ihm die Demokratie: „Die Politiker bilden nur noch den Scheitelkamm großer Wanderdünen.“

Die Lektüre des Originals, wo auf wenigen Seiten ein atemberaubender Abriss der Kultur- und Mentalitätsgeschichte des Westens skizziert wird, überführt den Pressbengel Zeile für Zeile der Denunziation (aber deshalb wurde das Original schließlich aus dem Amazon-Sortiment genommen). Helfen wir an dieser Stelle nach.

Ad 1: Zum „Auschwitz-Mythos“ schreibt Sieferle, er ruhe in Frieden:

Es gibt noch Mythen, und es gibt noch Tabus. Nacktheit und Sexualpraktiken aller Art gehören nicht dazu, ebensowenig die gute alte Blasphemie. Die christlichen Götter etwa dürfen beliebig gelästert werden, ohne daß dies die geringsten Konsequenzen hätte. Ein Tabu steht jedoch unverrückbar: Es ist der Antisemitismus. (…) Die Gründe dafür liegen auf der Hand.

Der Nationalsozialismus, genauer Auschwitz, ist zum letzten Mythos einer durch und durch rationalisierten Welt geworden. Ein Mythos ist eine Wahrheit, die jenseits der Diskussion steht. Er braucht sich nicht zu rechtfertigen, im Gegenteil: Bereits die Spur des Zweifels, die in der Relativierung liegt, bedeutet einen ernsten Verstoß gegen das ihn schützende Tabu. Hat man nicht gar die „Auschwitzlüge“ als eine Art Gotteslästerung mit Strafe bedroht? Steht hinter dem Pochen auf die „Unvergleichlichkeit“ nicht die alte Furcht jeder offenbarten Wahrheit, daß sie verloren ist, sobald sie sich auf das aufklärerische Geschäft des historischen Vergleichs und der Rechtfertigung einläßt? „Auschwitz“ ist zum Inbegriff einer singulären und untilgbaren Schuld geworden.

Und an anderer Stelle:

„Auschwitz“ oder „die Nazis“ stehen innerhalb dieser ideologischen Figur für die totale Negation des „Menschen“, die einst historisch real geworden ist. Mit Hitler und seinen Komparsen sind der säkularisierte Teufel und das Personal der Hölle leibhaftig auf der Erde erschienen. Dieser Teufel hat eine singuläre Tat vollbracht, die Massenvernichtung der Juden, welcher die folgende Bedeutung zugeschrieben wird: Es handelte sich um nichts Geringeres als die praktische Negation des humanitären Universalismus. Hitler hat jedoch nicht etwa „den Menschen“ als solchen vernichtet, sondern das Gegenteil dieser Allgemeinheit, die „Juden“, d.h. eine Partikularität. Gerade dieser Versuch der Vernichtung einer (völkisch-rassischen) Besonderung im Namen einer anderen (völkisch-rassischen) Besonderung ist aber das extremste Dementi des humanitären Universalismus bzw. der Idee der Menschheit und ihrer unveräußerlichen Rechte. Mit dem Faschismus ist daher der Anti-Mensch aufgetreten, so daß der Anti-Faschismus zu einer Religion des Menschen werden kann, die ihre Symbole in ebendieser Negation des Menschen findet.

Dies erklärt den Eifer, mit dem jede „Historisierung“, „Relativierung“ und „Vergleichbarkeit“ von Auschwitz bekämpft werden soll. Wer „Auschwitz“ relativiert, relativiert die totale Unmenschlichkeit und somit die Integrität des Menschen. Damit würde aber das einzig Absolute, welches die moderne Gesellschaft, die von Relativismen und Perspektivismen aller Art zerfressen ist, besitzen könnte, ebenfalls relativiert. Die Festschreibung des Auschwitz-Mythos kann daher als Versuch verstanden werden, einer skeptischen Welt Gewißheiten zurückzugeben. (…) Es ist dies eine sensationelle Wende der europäischen Geistesgeschichte: Dreihundert Jahre Erkenntniskritik werden von einer historischen Offenbarung dementiert!

Ad 2: Was die „Kontingenz“ der Untaten des nationalen Sozialismus betrifft, muss man wissen, dass Sieferle sich zuvor mit dem zeitgenössischen Totemismus angeblicher historischer Kausalitäten und Gesetzmäßigkeiten beschäftigt. Der Narr in historicis ist ja leicht daran zu erkennen, dass er aus dem, was geschehen ist, herleiten zu können meint, dass es geschehen musste. Bei antideutschen Linken steht die Kausalitäts-Mythologie deshalb hoch im Kurs. Kontingenz ist die Klippe, an welcher der Marx’sche „historische Materialismus“ immer wieder Schiffbruch erleidet und wie der fliegende Holländer nicht erlöst werden kann – und ein Kernbegriff von Sieferles Analyse. Insofern ist der in böser Absicht zitierte Satz für ihn bloß eine erkenntnistheoretische Binse. Ein Beispiel:

Die wirklich entscheidenden Vorgänge der Wirklichkeit können nicht entschieden werden, sondern sie vollziehen sich autonom. Dies wird etwa im Zerfall der Familie deutlich, der kulturellen Differenzierung der Generationen. „Gewollt“ hat dies, von einigen Außenseitern abgesehen, niemand, und nirgendwo sind die Weichen dafür gestellt worden; noch weniger ist es möglich, diesen Vorgang rückgängig zu machen. Wir können bestenfalls versuchen, zu verstehen, was da geschehen ist. (…) Die Auflösung der Familie, deren Abschluß wir in diesem Jahrhundert erleben, schneidet das Individuum von seinen Ahnen, von der Geisterwelt, vom Absoluten ab. Es verbleibt ein Elementarteilchen in einem endlosen kalten und finsteren Raum. Älterwerden bedeutet dann, in eine Zone persönlichen Hoffnungsschwunds zu geraten; die Möglichkeiten blieben ungenutzt, die Gelegenheiten vertan. Man treibt in einen sich verengenden Korridor hinein, aus welchem es nur noch kontingente Auswege gibt.

Außer für, soviel verdient an dieser Stelle festgehalten zu werden, in die Jahre, aber nicht zu Verstand gekommene Denunzianten. Da hat Gevatter Grossarth aber noch ein bisschen Zeit.

Ad 3 sei der Vorwurf an Sieferle wiederholt: „Widerwärtig ist ihm die Demokratie: ‚Die Politiker bilden nur noch den Scheitelkamm großer Wanderdünen.'“

Im Original lautet der Passus, der dieser Aussage vorausgeht, so:

Der „Mensch“ im alten Sinn ist bereits verschwunden, und er hat die Räume mitgenommen, in denen er gelebt hatte und die auf seine individuell-familiären Dimensionen zugeschnitten waren. Die Leidenschaften etwa, die ihn einst bewegt hatten, sind in irrelevante Zonen der Privatheit oder der öffentlichen Unterhaltung abgesunken – in Teilsegmente der Wirklichkeit also, die fern von den Achsen des Geschehens liegen. War es etwa einmal möglich und sogar üblich, politische Vorgänge auch aus persönlichen Eigenschaften, aus Merkmalen, Vorlieben und Versäumnissen großer Individuen abzuleiten, so ist dies heute schlicht unplausibel geworden. Der letzte Heros dieser Art war der unzeitgemäße Bösewicht Adolf Hitler. Heute beißt niemand mehr in den Teppich. Die Politiker bilden nur noch den Scheitelkamm großer Wanderdünen, die von Elementarkräften bewegt werden.

Fragen?

Appendix: „Manche Behauptungen sind schon die Gegenwart betreffend haltlos“, weiß der FAZ-Autor. „Von Hunderttausenden Dschihadisten unter den Migranten von 2015 ist die Rede, davon, dass schon in fünf Jahren so viele junge Muslime im Land sein würden wie junge deutsche Männer. Dem Abebben der Migrationswelle, das er erlebte, widmet Sieferle keinen Satz.“

Die fragliche Passage im (bei Amazon noch normal erhältlichen) Buch „Das Migrationsproblem“ lautet:

Ist der Jubel über die Massenimmigration von Muslimen nach Deutschland die geheime Rache der Linken für den Zusammenbruch des Sozialismus? Islamisten und Linke haben ja ein gemeinsames Feindbild: Amerika, Israel, den „Westen“. Diese Feinde der Linken sollen den Kalten Krieg gewonnen haben? Da importiert man lieber Hunderttausende von Dschihadisten in der Hoffnung, daß diese dem verhaßten Westen den Garaus machen werden. Ist der islamistische Scharia-Staat, der daraus resultieren wird, aber tatsächlich das Ziel der Linken? Oder hoffen sie in ihrer unendlichen Geschichtsblindheit, sie könnten die Dschihadisten gegen den gemeinsamen Feind, den Westen, den Imperialismus, den Neo-Liberalismus instrumentalisieren, um aus den Trümmern der alten Gesellscha schließlich die sozialistische Weltrepublik aufsteigen zu lassen? Was sie dabei übersehen ist die Tatsache, daß die Dschihadisten stärker sein werden als sie selbst – so wie die „wahren“ Sozialisten und Anarchisten sich nach 1917 bald im Gulag wiederfanden, werden auch sie bald Bekanntschaft mit dem Säbel des Dschihad machen.

Wir sehen also, dass die hunderttausenden Dschihadisten als potentielle Kämpfer angesprochen werden, dass sich die Zahl auf den gesamten Westen beziehen, und wenn man in Rechnung stellt, dass allein in Deutschland dank Merkel nunmehr zwischen 5,5 und 6 Millionen Muslime leben und in Umfragen regelmäßig mindestens die Hälfte von ihnen die Gesetze der Scharia für verbindlicher erklärt als die des Landes, in das sie eingewandert sind, ist Sieferles Zahlenprognose völlig korrekt. Niedlich überdies die Behauptung, die Migrationswelle sei „abgeebbt“ – als ob man im drei Meter tiefen Wasser weniger gut ertränke als im acht Meter tiefen –, denn immer noch kommt jeden Monat eine Kleinstadt rechtswidrig ins Land, der Sommer und die Familienzusammenführung stehen bevor, die Bundeswehr betätigt sich als Schlepperhilfsorganisation, und die Alltagskriminalität explodiert allerorten (Ungläubige googeln bitte: „Messer“); wirklich „abgeebbt“ ist mithin nichts.

Einen gewissen Unterhaltungswert bescheren dem Artikel die namenlosen „Freunde“ des Verstorbenen, die der Autor zitiert, einen zum Beispiel mit den Worten, dass Sieferle vor allem sein letztes Buch niemals hätte schreiben dürfen, und sei es auch nur, weil besagter „Freund“ auf diesem Level keine drei Zeilen hinbekommt. Sela, Psalmenende.

Ich meine, diese Beispiele genügen. Wenn Mollusken mit entstellten Zitaten die Demokratie zu verteidigen vorgeben, steht es wahrscheinlich ziemlich schlecht um sie. Die „ganze eingespielte Maschinerie von Verdächtigung, Anschuldigung, Denunziation, Besserwisserei und Heuchelei“ (Sieferle) namens bundesdeutsche Öffentlichkeit mag einen Menschen von Geschmack leicht dazu verführen, dass er gleich das gesamte Land verachte und ihm jene Veränderung ins Nicht-mehr-Wiederzuerkennende durch die massenhafte Einwanderung viriler Analphabeten gönnt, die Sieferle in thukydides’scher Nüchternheit prophezeit hat, doch, geneigter Leser, bedenken Sie den deutschen Opportunismus und die deutsche Servilität; wenn sich die Lage ändert, ändern sich auch die Mehrheiten, und nur aus der Angst, es könne so schnell geschehen, dass am Ende noch autochthone Merheiten zustande kommen, erklärt sich die zunehmende Raserei der Konsensvollstrecker in Politik und Medien. Ihre Zeit läuft ab.

Ich bin am Ende meines sonntäglichen und leider nicht den Künsten gewidmeten Sermons, dessen eigentlicher Zweck im folgenden Link besteht: Hier [2] nämlich können und sollten Sie das Opus postumum dieses großen Mannes erwerben.

Ich schließe mit einem letzten Zitat daraus:

Die Vollendung der Zivilisation ist das kulturelle Tierreich: das Reich der niedrigen Bedürfnisse und ihrer unmittelbaren Befriedigung. Hier stirbt keiner mehr für ein Ideal, sondern man bringt sich durch Raubüberfälle oder in Bandenkriegen um, in denen es um Rauschgiftreviere und Schutzgelderpressung geht. Der Naturzustand steht am Ende, nicht am Anfang der bürgerlichen Gesellschaft. Nachdem das Aas des Leviathan verzehrt ist, gehen sich die Würmer gegenseitig an den Kragen.

Und solange die Möglichkeit – in zunehmendem Maße sogar: die Wahrscheinlichkeit – besteht, dass dieses Schicksal auch gewissen schreibenden Würmern blüht, ist Gerechtigkeit. Ist Hoffnung. Ist Zärtlichkeit. Ist Nemesis.


(Im Original erschienen auf Michael Klonovskys „Acta Diurna“ [10])

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Robin Alexanders „Getriebene“ neuer Sarrazin!

geschrieben von PI am in Buch-Tipp | 217 Kommentare

Robin Alexander hat mit „Die Getriebenen [11]“ wohl den Bestseller des Jahres vorgelegt. Nicht nur, weil bei Amazon kein anderes Buch derzeit so durch die Decke geht (Platz 1!). Es ist ein Meilenstein, der die Republik verändern wird. Das ist übertrieben? Nein, keineswegs. Schauen wir uns das Ganze ein wenig genauer an.

1. Die Grenzöffnung für Hunderttausende, ja Millionen Flüchtlinge im Herbst 2015 hat das Land gespalten – in die, die jubelnd im Refugees-Wahn erstickten, und in die, die nüchtern und klar voraussahen: Das wird, das kann nicht gutgehen. Wir, als Freiheitliche, Konservative, Nationalliberale, Patrioten, sahen klar. Wir warnten und warnten. Wir wurden beleidigt und bedroht.

2. Jetzt kommt mit Robin Alexander der Korrespondent der „Welt am Sonntag“, für die er seit Jahren hinter die Kulissen des Kanzleramtes blicken kann. Er recherchierte in Berlin, Brüssel, Wien, Budapest und der Türkei. Er rekonstruiert die für Deutschland und Europa so gefährlichen Schlüsselentscheidungen.

3. Robin Alexander war links. Er war bei der „taz“, unterstützte die antideutsche „Jungle World“. Das wird sich nun ändern: Denn sein Buch wird in die Annalen der Bunten Republik als Hallo-Wach-Ruf der besonderen Art eingehen. Mit Auswirkungschance auf die Wahlen!

4. Alexander zeigt in seinem Buch auch: Thilo Sarrazins Bücher veränderten die Republik im Kleinen. Auch wenn die Politik sich nicht änderte: Sarrazin war das Startsignal für konservative Kreise, für Pegida, für die AfD, für Köpfe des freiheitlichen Lagers wie Götz Kubitschek, für die Opposition rund um PI. Sarrazin machte den Weg frei. Er war der erste Türöffner für die Wende. Jetzt kommt aber noch ein vielleicht größerer Türöffner: Robin Alexander.

5. Denn ob Alexander will oder nicht: Sein Buch wird das neue Standardwerk der Anti-Establishment-Politik. Alexander entlarvt die politische Klasse Seite für Seite, Quelle für Quelle, Beleg für Beleg. Er entlarvt Merkel, Schäuble, Gabriel und Co. als Getriebene ihrer Flüchtlingsideologie. Als „Volksverräter“?

6. Es geht bereits los. Im Zuge der Alexander-Schrift kommen weitere bedeutende Bücher bei Amazon und anderswo zum Vorschein, die sonst nur in kleinen freiheitlichen Zirkeln bekannt wären. Rolf Peter Sieferle, ein großer Denker, der sich verzweifelt das Leben nahm, hat zwei Schriften hinterlassen: „Finis Germania [2]“ und „Das Migrationsproblem [12]“. Diese Schriften sind nun auch Bestseller. Somit werden sie bekannter und eine Spirale der Gegenaufklärung zur rotgründunkelroten GEZ-Verblödung auslösen. Lesen wir, bilden wir uns, verbreiten wir die Aufklärungsschriften! Mit jedem Bucherwerb können wir mit wenigen Klicks dazu beitragen, das Establishment seinem verdienten Sturz näherzubringen.

Bestellinformationen:

» Robin Alexander – „Die Getriebenen [11]“ (19,99 €)
» Rolf Peter Sieferle – „Finis Germania [2]“ (8,50 €)
» Rolf Peter Sieferle – „Das Migrationsproblem [12]“ (16 €)

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Sieferles Vermächtnis

geschrieben von PI am in Buch-Tipp | 94 Kommentare

[13]Es gibt in Deutschland nur wenige Professoren, die nicht linksgrün verblendet sind. Gerade in den Geisteswissenschaften herrscht eine rote Gesinnungsdiktatur, die freie Lehre und freie Forschung längst nicht mehr zulässt. Wenige Denker erlauben sich hier das Recht auf eine eigene Meinung, auf eine eigene Haltung, auf eine eigene Art und Weise, zu forschen und zu publizieren. Mit Rolf Peter Sieferle (Foto), Historiker und Politikwissenschaftler, hat sich nun einer der letzten freien Köpfe der deutschsprachigen Wissenschaft das Leben genommen. Man weiß nicht, ob die Politik den Ausschlag gab. Was man weiß: Sieferle hat zwei Bücher hinterlassen, die noch postum für gehörigen Wirbel sorgen werden. Sie sind sein Vermächtnis und ein Weckruf auch für die „akademischen“ Schichten Deutschlands.

Das erste Buch heißt „Finis Germania [2]“, erscheint beim Verlag Antaios von Götz Kubitschek und ist eine Streitschrift, die in jede Jeanstasche passt. Es geht gleich fundiert und geistreich, aber wütend zur Sache. Sieferle sagt, der rotgrüne „Sozialdemokratismus“ erstrecke sich über das gesamte politische Spektrum. Differenzen aller Art will er niederstrecken. Alles soll „gleich“ sein, auch das, was nicht gleich ist. Aber das ist längst kein politisches Phänomen mehr, sondern ein tiefverwurzeltes kulturelles. Neid und Engstirnigkeit präge die deutsche Denkweise, der Mittelstand ist die Kuh, die von allen Seiten gemolken und ausgezehrt wird. Aber wir wollen nicht zu viel verraten…

Was der rotgrünen Ideologie hilft: Der Deutsche ist gefangen im Bann des „ewigen Nazis“. Aus der Kollektivschuld der Deutschen, so die Parteien von CDU bis LINKE, resultiere die Verantwortung, Buße zu tun. Medien und Politik deuten das so: Nehmt mehr Migranten auf! Entschuldigt euch für früher! Schweigt und duldet die wirtschaftsfeindliche Politik der schwarzen, grünen und roten Sozis! Damit das aber so durchgezogen werden kann, darf das Volk die Vergangenheitsbewältigung niemals vollenden. Es muss weiter und weiter gebüßt werden. Dafür sorgen die „Priester“, also die politischen und medialen Verstärker des Mainstreams. Sieferle hat Recht: Das erinnert wahrlich an eine Religion mit ihren Dogmen und Werturteilen.

Was steckt also drin in „Finis Germania“? Sieferle kritisiert: Wir werden regiert von verhaltensgestörten Sozialdemokraten mit unterschiedlichen Parteibüchern. Ein in alle Lebensbereiche eingreifender Antifaschismus wirkt als Staatsreligion und lähmt das „Hühner-Volk“ der Deutschen. Damit ist Deutschlands Weg vorgezeichnet. Es geht zurück in die vorstaatlichen Zustände, wo Stämme/Clans und Banden die Sicherheit der Menschen gefährden… Außer wir wachen auf und tun etwas dagegen.

Diesem Ansinnen dient Sieferles zweites Buch, das er der Nachwelt hinterlassen hat: „Das Migrationsproblem. Über die Unvereinbarkeit von Sozialstaat und Masseneinwanderung [12]“ ist ganz anders aufgebaut. Während „Finis Germania“ eher Gedanken und Notate sind, die an Schärfe nichts zu wünschen übrig lassen, ist „Das Migrationsproblem“ das analytische Begleitbuch. Dort werden die Fakten ausführlicher dargebracht. Sieferle weist nach: Der Einbruch der Flüchtlingsgewalt, der Konflikte, des Terrors – also der Einbruch der Wirklichkeit! – sorgt nicht für ein Umlenken von Merkel und Co., sondern für neue bundesrepublikanische Wohlfahrtsideen und One-World-Propaganda. Banal gesagt: Wohlstand für alle, offene Grenzen für alle!

Dabei übersieht man, dass der Sozialstaat auf Solidarität und Vertrauen fußt. Ungeregelte Einwanderung gefährdet das. Der Sozialstaat läßt sich nicht ins Unendliche ausweiten. Was wir jetzt schon sehen, wird noch stärker zunehmen: Mehr Ausgaben für den Sozialstaat, Senkung des Leistungsniveaus durch „Flüchtlinge“, Abwanderung von Höherqualifizierten ins Ausland, Lahmlegung von Innovationen durch ideologische Bremsen, Steigerung der Kriminalität, Wachsen der Terrorgefahr usw. usf.

Sieferles letzte mahnende Worte: Ein islamisches Europa wird nicht in der Lage sein, die Aufgaben des 21. Jahrhunderts zu bewältigen. Wir müssen reagieren. Noch bleibt Hoffnung. Sieferle hatte zwar keine mehr, aber seine beiden – übrigens überaus preiswerten – letzten Bücher werden als geistiges Rüstzeug dazu beitragen, Deutschland und Europa zu retten. Gegenaufklärung jetzt!

Bestellinformationen:

» Rolf Peter Sieferle: „Finis Germania [14]“ (8,50 €)
» Rolf Peter Sieferle: „Das Migrationsproblem. [12] Über die Unvereinbarkeit von Sozialstaat und Masseneinwanderung“ (16 €)

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Michael Klonovsky zum selektiven Rechtsstaat

geschrieben von PI am in Bunte Republik,Justiz | 98 Kommentare

[15]Der wackere Freiheitsstreiter Hadmut Danisch grummelt auf seinem Blog [16]: „Ist Euch mal aufgefallen, wie sich das Recht in Deutschland verschiebt? Einbruch, Diebstahl, Straßenraub, Drogenhandel, Erpressung, Freiheitsberaubung, Vergewaltigung, Kinderschänderei werden immer öfter gar nicht mehr verfolgt oder mit Witzstrafen auf Bewährung belegt. Ganze kriminelle Großfamilien werden nicht mehr verfolgt. Steuern werden da auch nicht mehr erhoben. ‚Hate Speech‘ dagegen wird immer öfter mit Haftstrafen über einem Jahr und ohne Bewährung belegt. Selbst für das Nichtzahlen von Fernsehgebühren sollte neulich eine in den Knast gehen. Und wehe, einer hier zahlt seine Steuern nicht. Man hat den Eindruck, dass Recht nur noch repressiv gegen die einheimische Bevölkerung existiert.“

Das nennt sich Willkommenskultur und dürfte wahrlich ein Prozess sein, der erst am Anfang steht. Der Rechtsstaat wird überproportional – und tendenziell ausschließlich? – gegen diejenigen in Stellung gebracht, die sich von seinem Instrumentarium beeindrucken oder mit ihm drohen lassen und die ihn zugleich finanzieren; für die anderen ist er eine Kasperlepuppe. Während in den einen Stadtteilen Knöllchen an Falschparker verteilt werden, kommt in anderen die Polizei auch dann nicht, wenn die Autos brennen. Während für den Steuerzahler eine Vorstrafe das Karriereende bedeuten kann, ist sie dem Alimentierten oder Selbstbediener völlig einerlei. Der Steuerzahler wird zur Geisel des Sozialstaats, und zwar nicht obwohl, sondern weil er ihn finanziert. Natürlich kann das nicht lange gutgehen, und in der Erosion des Rechtsstaates zum selektiven Rechtsstaat kündigt sich der Kollaps an. Der nächste Schritt wird darin bestehen, all jene mundtot zu machen, die diese Dinge beim Namen nennen; gewisse Linksextremistensüppchenkochklubs genießen bekanntlich dank justizministerlicher Förderung bereits für gewisse online-Portale Zensorenrechte.

Der Historiker Rolf Peter Sieferle hat in seinem letzten (in der Zeitschrift Tumult veröffentlichen) Essay darauf hingewiesen, was für unwahrscheinliche, seltene und zerbrechliche Phänomene der Rechtsstaat und der Sozialsstaat aus weltgeschichtlicher Perspektive sind. Wir hielten sie im Tunnelblick unseres Kurzzeitdenkes für normal, nähmen es als gegeben hin, dass sie existierten, hätten das Gefühl dafür verloren, welcher gewaltiger Aufwand und welches Unmaß an Leiden nötig waren, dass solche Strukturen ausnahmsweise entstehen konnten. Sie entstanden übrigens in Europa, ein paar andere Weltgegenden übernahmen dieses Modell, doch global und aufs Ganze gesehen sind sie exotische Ausnahmen. Die mit den Begriffen Rechtsstaat und Sozialstaat beschriebene Sphäre von Sicherheit und Prosperität wird momentan von der politischen Klasse (West-)Europas und ihren intellektuellen Lautsprechern sehenden Auges im Namen der Gleichheit, der Antidiskriminierung und der heiligen Diversivität preisgegeben. „Die europa?ischen Gesellschaften sind von dem Grundgedanken des Egalitarismus besessen“, schrieb Sieferle dazu. „Dieses ideologische Muster produziert die Utopie der totalen materiellen Gleichheit, die gewissermaßen den naturalen Attraktionspunkt der menschlichen Existenz bildet. Ungleichheiten sind dagegen ‚unnatu?rlich‘, sie gelten als bloße ’soziale Konstrukte‘ und sind daher ohne weiteres zu rekonstruieren. Dies gilt fu?r alle Dimensionen, also fu?r Geschlecht, Rasse, Begabung, soziale Position etc. Aus dieser Perspektive eines universalistisch-egalita?ren Programms ist jede reale Ungleichheit schlechthin unertra?glich.“

Die derzeit anhebende Völkerwanderung aus Afrika und dem Orient ist für einen von innen hypermoralisch weidwund geschossenen Erdteil nicht parierbar; er muss sterben, das heißt sich in eine multiethnische Stammesgesellschaft neuen Typs verwandeln, im Namen der Menschlichkeit. Und dies wird er tun, sofern nicht jemand das Ruder herumreißt. Im Gegensatz zu Australien, Japan und den USA/Kanada ist Europa nur von einem vergleichsweise schmalen Meer und nicht durchgängig von einem solchen umgeben, die Landbrücke nach Europa beherrscht ein glaubensdurchglühter Sultan, der von einem neuosmanischen Imperium tagträumt und diese Grenze als politisches Druckmittel gegen Europa benutzt. Während die Bevölkerungen Nord- und Südamerikas ungefähr ausgeglichen sind, explodiert die Bevölkerung Afrikas und übertrifft heute bereits jene Europas um das nahezu Doppelte (um 1900 lebten in Afrika etwa so viele Menschen wie in Deutschland und Frankreich zusammen). Für Afrika gilt in noch stärkerem Maße, was Winston Churchill 1935 im Parlament zur dritten Lesung der „India Bill“ ausführte, es ist ein Kontinent, der auf den Import der europäischen Ordnung und Wissenschaft „nur mit einem Wachsen der Bevölkerung reagierte. Ungeheuer ist dort das Steigen der Bevölkerungszahl. Neuer Reichtum, neue Nahrung, neue Fortbewegungsmöglichkeiten, neue Hygiene, neue Kanäle, Verbesserungen des Wald- und Ackerbaus haben an der Lage der Masse nichts geändert. Sie haben nur in den letzten fünfzig Jahren hundert Millionen Menschen mehr ins Leben gerufen (für Afrika wären es in den letzten 50 Jahren zwischen 600 und 700 Millionen – M.K.). Eine ungeheure Bevölkerung ist im großen und ganzen auf einer sehr niedrigen Lebensstufe stehengeblieben, hat sich aber vermehrt.“ Und vor den Augen dieser Massen liegt, dank amerikanischer Politik nicht mehr von einem Sperrgürtel aus Diktatoren umgeben, das europäische Schlaraffenland, in dem man nur dafür, dass man anwesend ist, Geld bekommt.

Unsere Willkommenskulturbolschewisten werden selbstredend andere Früchte ernten, als sie derzeit noch mit dem inneren Frohlocken des nivellierunssüchtigen revolutionären Ressentiments wähnen. Denn während die Linke bei der Zerstörung gewachsener Strukturen stets zielstrebig und berechenbar agiert, ist sie mit eigenen Aufbauleistungen ebenso stets überfordert. Sowohl der Rechtsstaat als auch und vor allem der Sozialstaat sind als Kompromisse zwischen Konservativen und Progressisten entstanden. Das heute herbeigeholte Ersatzproletariat der Linken, die diesmal in einem welthistorisch bislang unerhörten Bündnis mit den asozialsten, bindungslosesten Teilen des Großkapitals agiert, ist aber so zahlreich, dass die verbliebenen konservativen Dämme (west)europaweit zu brechen drohen. Welche historisch gewachsenen Strukturen das Leben in Europa so einzigartig gemacht haben, „wird man erst begreifen, wenn sie verschwunden sind, d. h. wenn eine neue multitribale Struktur sie verdra?ngt hat. Vielleicht ist der Untergang Europas dann ein Lehrstu?ck fu?r andere industrialisierte Zivilisationen (wie China), und vielleicht werden die letzten Europa?er in U?bersee Zuflucht suchen“, notierte Sieferle. Der Prozeß der Universalisierung und Globalisierung sei wohl unvermeidlich, und jene Vo?lker, welche die Geschichte der letzten Jahrtausende gepra?gt haben, „werden letztlich von ihm verschlungen werden. Wir sollten uns aber daru?ber im klaren sein, daß dies mit zahlreichen schmerzlichen Friktionen verbunden sein wird. Viele Deutsche mo?chten heute gerne als Volk verschwinden, sich in Europa oder in die Menschheit aulo?sen. Andere Vo?lker werden aber heftig Widerstand gegen eine solche Aussicht leisten. Harmonisch wird dies alles nicht abgehen, zumal einzelne Kulturen versuchen werden, bei dieser Gelegenheit ihre tradierten Muster universell durchzusetzen, sei es in Gestalt der westlichen ‚Menschenrechte‘, sei es in Gestalt des islamischen ‚Dschihad‘ oder was auch immer. Die Immigrationskrise, in der wir uns aktuell beenden, ist daher vielleicht nur der Vorbote umfassenderer Konvulsionen, in denen alles untergehen wird, was uns heute noch selbstversta?ndlich scheint.“

Aber, wie der Genosse Marx statuierte, die Menschen machen ihre Geschichte selbst, wenngleich unter den vorgefundenen Umständen. Letztere kann man nicht ändern, das lächerliche Personal, welches ausgerechnet jetzt die Geschicke unseres Landes zu lenken fingiert, muss man gleichwohl nicht hinnehmen.

(Im Original erschienen auf Michael Klonovskys Acta Diurna [17])

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