Von R.B. | Und wenn ich nicht mehr weiter weiß, dann bilde ich einen Arbeitskreis: den will die neue CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer in den nächsten Monaten organisieren und bis 2021 dann ein fortgeschriebenes Grundsatzprogramm vorlegen. Das ist – nüchtern betrachtet – die fast lächerlich anmutende Quintessenz aus dem CDU-Parteitag des „Aufbruchs, der Dynamik und des Zusammenhalts“. Wie die CDU aber 2,3 Mio Wähler zurückbekommen will, die sie an AfD und FDP verloren hat, steht in den Sternen.
Die Vorsitzende selbst hat nicht viel zu bieten. Desaströse Wahlverluste am 24. September, fehlende Analyse, fünf Monate ohne Regierungsbildung seitdem, ein Koalitionsvertrag, gekauft mit Erpressung. Und trotz aller Verbiegung ist Merkel nicht Herr des Handelns, sondern abhängig vom Votum von 460.000 SPD-Mitgliedern am kommenden Sonntag. Hopp oder Topp. Was für eine unwürdige, demütigende Situation für ihre ehemals stolze Volkspartei, die sich nur noch an die arithmetische Mehrheit und das Prinzip Hoffnung klammert. Ein Scheinriese ohne politischen Kompass.
Mit einer Kabinettsliste am Vorabend hat Merkel den Delegierten für den Parteitag Valium verabreicht. Sie hätte jetzt die Chance, Signale zu senden, in der Flüchtlingspolitik, dem politischen Elefanten, einzuschwenken. Stattdessen brabbelt sie von „Unbehagen“ mangels Funktionsunfähigkeit staatlicher Einrichtungen und technologischer Fortentwicklung.
Und trotzdem spenden die 1000 Delegierten dem Armutszeugnis fleißig Applaus. Die letzten Tage der SED drängen sich dem Beobachter auf. Sicher, eine gewagte Assoziation, aber auf der Titanic spielte die Kapelle auch bis zum Untergang.
Mahnungen und Warnungen von der Basis gab es an diesem Tage erstaunlich viele und harte. Eugen Abler, über 40 Jahre Parteimitglied, schrieb der Vorsitzenden ins Stammbuch, sie habe die C-Werte der CDU verraten. Die erste Reihe der CDU-Granden sitzt die schwere Kritik mit gespielter Gelassenheit aus: der bräsige Hesse Bouffier, dem Wahlen ins Haus stehen, die immer frisch ondulierte Neuministerin Julia Klöckner, die neue Generalsekretärin Annette Kramp-Karrenbauer zwischen den Loosern Ursula von der Leyen und David McAllister, Mitläufer Karl-Josef Laumann von den Sozialausschüssen und der mit Ministerposten zunächst stillgelegte Jens Spahn. Die Vorsitzende sowieso: Ist mir doch egal.
Gewiss – die CDU-Parteitagsregie funktioniert bestens. 27 Nein und 975 Ja-Stimmen zum Groko-Vertrag. Fast 99 Prozent Zustimmung für die neue Generalsekretärin „AKK“. Aber wenn 1000 Klatschhasen Beifall spenden, erzeugt das allenfalls Ausschläge auf der Lärm-Skala, ersetzt aber keine konkreten Inhalte. Und ein starkes Wahlergebnis hat SPD-Schulz auch bekommen – sogar 100 Prozent – und das war der Anfang von seinem Ende. Es scheint, je mehr sich Partei-Delegierte fürchten, desto dichter rücken sie zusammen und verteilen Traumergebnisse.
Denn am Wert der Parteitagsergebnisse gemessen waren diese Ergebnisse überbezahlt. Da brennt die Hütte, der Elefant steht trampelnd vor der Tür, und die Parteioberen haben keine Antworten parat.
- Es gibt noch immer keine zufriedenstellende Antwort auf die Gründe für das desaströse Abschneiden der CDU bei der letzten Bundestagswahl vor fünf Monaten. Die Vorsitzende phrasiert etwas von „Unbehagen“, das die Menschen u.a. vor den technologischen Entwicklungen hätten.
- Es gibt keine Antwort darauf, wie man die verlorenen Stimmen – 1,4 Mio Wähler an die FDP, fast 1 Mio an die AfD – wieder zurückholen will. Ja, man will sie zurückholen, auf jeden Fall und „ohne Schaum vor dem Mund“, sagt die neue Generalsekretärin. Aber wie das gehen soll, das lässt sie offen.
Selten hat sich eine Partei-Einpeitscherin so inhaltsleer wie Kramp-Karrenbauer vorgestellt. Statt auf das Pult zu hauen und dem Flüchtlings-Elefanten das Fürchten zu lehren, phrasiert sie minutenlang von Fragen und Antworten, die sie nicht parat hat. Um dann – schon ganz Merkel-Klon – endlich auf den Punkt zu kommen, und die Erneuerung des Grundsatzprogramms der CDU anzukündigen. Die AfD streift K-Karrenbauer ohne Namensnennung. Von einer Sammlungsbewegung, die Menschen in Schubladen steckt, ist die Rede.
Man spürt, die AfD wirkt bis in den CDU-Parteitag. Auch ohne Namensnennung.
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