Der Verfassungsschutzbericht für Berlin ist dieser Tage veröffentlicht worden und zeigt ein klares Bild: Der „Kampf gegen Rechts“ war so erfolgreich, dass man den Millionenetat jetzt besser für die tatsächlichen Probleme verwenden sollte: Gegen Links, von wo die mit Abstand meisten Gewalttaten kommen, und gegen radikale Muslime, die in Deutschland mehr Anhänger als Links- und Rechtsextremisten zusammen haben.
Das rechtsextremistische Personenpotenzial in Berlin ist im vergangenen Jahr von ca. 2190 auf ca. 2010 Personen zurückgegangen. Die Zahl der Neonazis hat sich weiter von ca. 750 auf ca. 650 Personen verringert.
Dieser Trend begann bereits 2004. Auch die Mitgliederzahl rechtsextremistischer Parteien nahm von ca. 910 auf ca. 810 ab – mit Ausnahme der NPD. Die „Nationaldemokratische Partei Deutschlands“ (NPD) legt sowohl im Bundesgebiet als auch in Berlin abermals zu: In Berlin stieg die Mitgliederzahl von ca. 220 auf nunmehr ca. 290. Die Bundespartei steigerte die Mitgliederzahl von ca. 7000 auf ca. 7200.
Die „Deutsche Volksunion“ (DVU) hat aufgrund von Überalterung und mangelnder Dynamik weiter Mitglieder verloren und kaum neue hinzugewonnen. Ihre Mitgliederzahl sank von ca. 380 auf ca. 300. Die Anzahl der subkulturell geprägten und sonstigen gewaltbereiten Rechtsextremisten stagniert bei ca. 500 Personen.
Die „Politisch motivierte Kriminalität – rechts“ ist im vergangenen Jahr deutlich von 1914 auf 1456 Fälle zurückgegangen. Auch die Gewaltdelikte sanken im vergangenen Jahr von 96 auf 67 Fälle. Bei den Gewaltdelikten, die fremdenfeindlich motiviert waren oder sich „gegen links“ richteten, ist ein Rückgang festzustellen. Die Zahlen befinden sich jetzt wieder auf dem Niveau der Vorjahre. Die Propagandadelikte sind von 1330 auf 980 gesunken.
Nach dem dynamischen Aufschwung des letzten Jahres ist es der Berliner NPD 2007 gelungen, ihre Position zu konsolidieren. Sie ist weiterhin der zentrale rechtsextremistische Akteur in Berlin. Sie nutzte die Bezirksverordnetenversammlungen als ein Forum für ihre Propaganda.
Darüber hinaus versuchte sie, eine Veranstaltungsoffensive zu starten und die Bezirksrathäuser für Vorträge zu nutzen. Das selbst gesteckte Ziel von 40 Veranstaltungen in öffentlichen Räumen konnte sie jedoch nicht erreichen. Inhaltlich kam die Partei über populistische Propaganda jedoch selten hinaus. Zustand und Zukunft der Partei sind eng mit der Person des Berliner Landesvorsitzenden verbunden. Er verfügt innerhalb der Partei über uneingeschränkte Autorität und ist in der Lage, Bündnispartner aus dem gesamten rechtsextremistischen Spektrum einzubinden.
An ihre Grenzen gerät die NPD durch die fehlende Personaldecke und Fachkompetenz: So konnte die Partei die angekündigten Beratungsbüros für Arbeitslosengeld II Empfänger nicht in die Tat umsetzen. Die Aktionen blieben auf Demonstrationen und Flugblattverteilungen beschränkt. An den bundesweiten Protesten gegen den G 8 Gipfel beteiligte sich die Berliner NPD kaum.
In Berlin arbeitet die NPD weiterhin eng mit den aktionsorientierten Rechtsextremisten und autonomen Nationalisten zusammen.
Das Berliner Kameradschaftsnetzwerk besteht aus ca. 200 Personen. Allerdings gibt es keine „klassischen“ Kameradschaften mehr. Es haben sich vielmehr Aktionsgemeinschaften ohne feste Mitgliedschaften gebildet. Aktivitäten werden nicht mehr öffentlichkeitswirksam sondern eher konspirativ durchgeführt. Sofern bei Aktionen überhaupt noch unter einem bestimmten Namen agiert wird, ist dieser möglichst allgemein gehalten wie „Autonome Nationalisten Berlin“ (ANB) oder „Freie Kräfte Berlin“ (FKB) oder es werden wechselnde Organisationsbezeichnungen angegeben. Teilweise gab es Abwanderungen in die Jugendorganisation der NPD, die „Jungen Nationaldemokraten“ (JN), sowie in die „Heimattreue Deutsche Jugend“ (HDJ).
Trotz der geringen formalen Strukturen, organisierten Aktivisten des Kameradschaftsnetzwerks Propagandaschmierereien oder Plakate und Flugblätter zu unterschiedlichen Themen. Die vermehrten Aktionen zum Gedächtnis an Rudolf Hess und Horst Wessel zeigen die weiterhin hohe Bedeutung neonazistischer Themen.
Dem rechtsextremistischen Musiknetzwerk gehören rund 200 Personen an. Auch wenn deren Aktivitäten in Berlin zurückgegangen sind, bleiben die Strukturen sehr beständig. Das Musiknetzwerk besteht im Kern seit Jahren aus weitgehend denselben Gruppen und Einzelpersonen.
Rechtsextremistische Musikgruppen wie „Deutsch, Stolz, Treue“ (D.S.T., auch X.x.X.), „Spreegeschwader“, „Legion of Thor“ (LoT) und „Die Lunikoff-Verschwörung“ produzieren Tonträger und treten bei Konzerten auf. Die Produktion von Musik-CDs ging im vergangenen Jahr weiter zurück. Berliner Bands produzierten zwei Tonträger (2006: 3). Rechtsextremistische Konzerte fanden 2007 in Berlin nicht statt.
Berliner Musiker nahmen jedoch mehrfach an Konzerten außerhalb Berlins teil. Im diskursorientierten Rechtsextremismus verfolgt der „Verein zur Rehabilitierung der wegen Bestreitens des Holocaust Verfolgten“ (VRBHV) das Ziel, „einen organisierten und geordneten Angriff auf die Auschwitzlüge als dem Fundament der Fremdherrschaft über das Deutsche Reich zu beginnen“. 2007 gab der VRBHV seinen in den vergangenen Jahren betriebenen „Feldzug gegen die Offenkundigkeit des Holocaust“ faktisch auf, distanzierte sich weitgehend von Horst Mahler und agierte weniger in der Öffentlichkeit.
Linksextremismus
Das linksextremistische Personenpotenzial hat sich mit ca. 2210 Personen gegenüber dem Vorjahr kaum verändert (2006: ca. 2230 Personen). Dies gilt sowohl bei den gewaltbereiten aktionsorientierten Linksextremisten mit ca. 1 160 Personen (2006: ca. 1170) als auch bei den nicht-gewaltbereiten Linksextremisten mit ca. 700 Personen (2006: ca. 710 ). Ebenfalls konstant blieb mit ca. 350 Personen die Zahl derer, die linksextremistischen Parteien zugerechnet werden.
Die Anzahl der Straftaten im Bereich der „Politisch motivierten Kriminalität – links“ ist gegenüber dem Vorjahr von 543 auf 729 Fälle angestiegen. Dies betrifft sowohl die Gewaltdelikte (Anstieg von 112 auf 180 Fälle) als auch die sonstigen Delikte. Trotz dieses Anstiegs ist ein Rückgang in der Kategorie „gegen rechts“ zu verzeichnen. Dieser Rückgang könnte auf repressive und präventive Maßnahmen der Berliner Polizei und eine damit verbundene Verunsicherung innerhalb der linken Szene zurückzuführen sein.
Vor allem die Brandstiftungen nahmen zu: waren es im Jahr 2006 16, so stieg die Zahl im vergangenen Jahr auf 102. In 94 Fällen wurden Kraftfahrzeuge in Brand gesetzt, davon in 60 Fällen Firmenwagen. Fünf Gewaltdelikte wurden im Zusammenhang mit Sympathieaktionen gegen die Räumung eines besetzten Hauses in Kopenhagen / Dänemark begangen, elf weitere Gewaltdelikte standen im Zusammenhang mit der Versteigerung des Grundstückes Köpenicker Straße 137 bzw. dem ehemals besetzten Haus Rigaer Straße 94.
Die sonstigen Delikte stiegen um 127 auf 548 Fälle. Im Zusammenhang mit dem G 8-Gipfel wurden 46 Straftaten begangen. Außerdem führten zum Teil strafbare Aktionen zum Erhalt alternativer Wohnprojekte zu einem Anstieg der Fallzahlen.
Die Protestaktionen gegen den G 8-Gipfel in Heiligendamm im Juni wurden überwiegend von einer Vielzahl nicht-extremistischer Organisationen und Globalisierungskritiker getragen. Proteste bildeten aber auch den Schwerpunkt der Aktivitäten der gesamten linksextremistischen Szene.
Obwohl es nicht gelang, den Gipfel zu verhindern oder nachhaltig zu stören, werteten Linksextremisten die Protestaktionen mehrheitlich als Erfolg. Anlässlich der Demonstration vom 2. Juni in Rostock, bei der es zu erheblichen Ausschreitungen gekommen war, entzündete sich eine tiefgreifende Diskussion über den Einsatz von Gewalt. Diese Debatte zeigt die ideologischen und strategischen Gräben zwischen den linksextremistischen Spektren und stellt den kurzfristigen Mobilisierungserfolg im Zusammenhang mit dem Gipfel wieder in Frage.
Die Diskussion könnte zu einer weiteren Spaltung der Szene führen. Weit im Vorfeld des Gipfels hatten sich auch zivilgesellschaftliche und linksextremistische Gruppierungen über die Formen des Protestes öffentlich auseinandergesetzt.
Hintergrund war die bereits seit Sommer 2005 anhaltende so genannte „militante Kampagne“ linksextremistischer Gipfelgegner. Allein in dem Zeitraum von Mitte Mai bis Mitte Juni verzeichnete das Bundeskriminalamt (BKA) bundesweit 604 Straftaten, die einen unmittelbaren Bezug zu den Themen G 8 oder EU aufwiesen. In Berlin wurden allein in diesem Zeitraum 34 Brandanschläge gegen Fahrzeuge und Gebäude begangen.
Die „militante gruppe“ (mg) setzte ihre gewaltsamen Anschläge im ersten Halbjahr 2007 fort. In mehreren Selbstbezichtigungsschreiben bekannte sich die Gruppe zu diversen Straftaten. Die seit 2001 in der linksextremistischen Szene geführte Militanzdebatte ist 2007 vorerst beendet worden. Zum Auslaufen der Diskussion haben möglicherweise die Festnahmen im Zusammenhang mit dem Ermittlungsverfahren gegen die mg geführt. Gleichzeitig waren diese der Beginn der Kampagne gegen die „staatliche Repression“ und für die Abschaffung der Paragraphen 129 a und 129 b StGB, die sowohl von linksextremistischen Gruppierungen wie nicht-extremistischen Akteuren unterstützt wurde.
Ausländerextremismus
Extremistische Gruppierungen werden in Berlin nur von einer kleinen Minderheit der hier lebenden Ausländer unterstützt. Im Jahr 2007 ließen sich ca. 4 670 Personen extremistischen Ausländerorganisationen zurechnen (2006: ca. 5 050 Personen); dies entspricht ca. einem Prozent der ausländischen Bevölkerung Berlins (30. Juni 2007: 466300 Personen). Die Verteilung auf die einzelnen Extremismusfelder ist weitgehend konstant geblieben: Unter den ausländerextremistischen Organisationen in Berlin bilden die Anhänger islamistischer Gruppierungen mit ca. 3420 Personen die Mehrheit; dies entspricht einem Anteil von etwa zwei Dritteln. Linksextremistische Organisationen stellen mit ca. 1250 Personen etwa ein Viertel. Ca. 300 Personen sind extrem nationalistischen Organisationen zuzurechnen.
Innerhalb der islamistischen Gruppierungen in Berlin (ca. 3420 Personen) stellen die türkischen Islamisten, die überwiegend in der „Islamischen Gemeinschaft Milli Görüº“ (IGMG) organisiert sind, mit ca. 2900 Personen die Mehrheit. Die arabischen Islamisten – Anhänger der „Bewegung des Islamischen Widerstands“ (HAMAS), der „Hizb Allah“ oder der in diversen Vereinen organisierten „Muslimbruderschaft“ (MB) – haben dagegen mit ca. 420 Personen nur einen geringen Anteil. Iranische Islamisten machen lediglich ca. 30, Islamisten sonstiger Nationalitäten ca. 70 Personen aus.
Von den ca. 4670 Personen, die extremistischen Ausländerorganisationen zugerechnet werden, gelten ca. 1540 als Anhänger gewaltorientierter Organisationen. Dies entspricht knapp einem Drittel des Gesamtpersonenpotenzials. Diese Personen werden extremistischen Ausländerorganisationen zugerechnet, die im Ausland – regional unterschiedlich – entweder terroristisch aktiv sind oder ausdrücklich Gewalt befürworten, z. B. zur Beseitigung der Herrschaftsstrukturen im
jeweiligen Heimatland. In Berlin verhalten sich Angehörige dieser Gruppierungen zurückhaltend und größtenteils gewaltfrei.
Die ca. 290 Islamisten, die gewaltorientierten islamistischen Organisationen zugerechnet werden, sind Angehörige der „Hizb Allah“ (ca. 160 Personen), der „Hizb ut-Tahrir“ (HuT / ca. 60 Personen), der HAMAS (ca. 50 Personen) und der Tschetschenischen Separatistenbewegung (ca. 20). Bei öffentlichen Aktionen treten die Angehörigen dieser Gruppierungen in Berlin in der Regel friedlich auf.
Die ca. 1250 linksextremistischen Ausländer in Berlin gehören alle gewaltorientierten Ausländerorganisationen an. Die kurdischen Linksextremisten – Anhänger der „Arbeiterpartei Kurdistans“ (PKK) und ihrer Nachfolgeorganisationen – stellen darunter die weitaus größte Gruppe mit ca. 1 000 Personen.
Nach der Statistik der „Politisch motivierten Kriminalität – Ausländer“ war eine deutliche Abnahme von 176 auf 137 Straftaten festzustellen.
Deutschland liegt im Fokus des internationalen Terrorismus. Das haben nicht zuletzt die vereitelten Anschlagspläne und Festnahmen der vier mutmaßlichen Anhänger der „Islamischen Jihad Union“ (IJU) im September und November bestätigt. Beim islamistischen Terrorismus haben sich die Täterprofile zunehmend ausdifferenziert.
Anschläge drohen nicht mehr nur durch von „al-Qa´ida“ gesteuerte regionale Mujahidin-Zellen, sondern auch durch so genannte „homegrown“-Terroristen, durch von „al-Qa´ida“ ideologisch „inspirierte“, strukturell ungebundene Tätergruppen sowie durch Einzeltäter, die sich aus aktuellen Anlässen zu terroristischen Aktionen entschließen. Für die Verbreitung ihrer Botschaften hat das Internet zunehmend an Bedeutung gewonnen.
In den Palästinensischen Autonomiegebieten eskalierte im vergangenen Jahr der gewaltsame Machtkampf zwischen der „Bewegung des Islamischen Widerstands“ (HAMAS) und der FATAH.
Während die bürgerkriegsartigen Auseinandersetzungen zwischen den beiden Konfliktparteien im Juni eine faktische Teilung des Palästinensischen Autonomiegebietes zur Folge hatten, verhielten sich die Berliner Anhänger beider Organisationen ruhig.
Bei der „Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs e. V.“ (IGMG) besteht trotz interner Diskussionen die enge Bindung zu der türkischen „Milli Görüs“-Bewegung sowie ihrem Führer Necmettin Erbakan fort. Schwerpunkte der Verbandsaktivitäten waren die Jugend- und Bildungsarbeit sowie die Intensivierung der Kontakte zu Politik und Gesellschaft.
Die Organisation arbeitet weiter daran, diese Kontakte zu festigen, um bei deutschen Behörden als offizieller Ansprechpartner für muslimische Belange anerkannt zu werden. Als Mitglied des „Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland e. V.“ (Islamrat e. V.) ist die IGMG diesem Ziel einen Schritt näher gekommen.
Die Entwicklung der PKK / KONGRA GEL war wie schon im Vorjahr durch die Ereignisse in der Türkei bzw. im Nordirak sowie durch zahlreiche Exekutivmaßnahmen in Europa geprägt. Besonders nach der Verschärfung des Konfliktes im Nordirak und den damit verbundenen blutigen Auseinandersetzungen im Grenzgebiet kam es im Herbst europaweit zu teilweise gewaltsamen Demonstrationen von Kurden und extrem nationalistischen Türken. Türkische Linksextremisten verhielten sich wie auch in den vergangenen Jahren in Berlin überwiegend friedlich. Sie beteiligten sich vor allem an den Protesten gegen den G 8 Gipfel im Juni in Heiligendamm.