Als ich 1983 in Wien lebte, hatte ich Gelegenheit zu sehen und zu hören, wie die Nachfahren von Leopold I. und ihre Gäste den Jahrestag der siegreichen Schlacht, die 300 Jahre zuvor stattgefunden hatte, feierten. Die frühen 80er waren eine Zeit der Todesschmerzen, des Kommunismus und des westlichen Mitgefühls für die Polen, die in diesen warmen Septembertagen in ihren Handlungen und in ihrem Denken durch den Dezember 1981 eingefroren waren.
Wien, 300 Jahre zuvor gerettet von unseren Vorvätern, dachte nicht im geringsten daran, Polen in würdiger Weise zu unterstützen. Eine ähnliche Unterstützung wie damals von Sobieski stand selbstverständlich außer Frage. Am Jahrestag des Sieges beeilten sich die Österreicher, Vertreter der Nationen einzuladen, die an der Schlacht von Kahlenberg 1683 teilgenommen haben. Trotzdem wurde die Stimme der polnischen Vertreter kaum gehört. Da Europa damals geteilt war, entschied man sich nur für eine ‘gelegenheitsmäßige’ Jahrestagesfeier der Schlacht. Diese Schlacht hat tatsächlich die Nationen wie kein anderes Ereignis in Zentraleuropa vereinigt – sie hat die Nationen nicht getrennt, denn die Herrscher vereinten sich angesichts einer Bedrohung von außen.
Ich habe den Stimmen der Historiker und Politiker auf beiden Seiten des Eisernen Vorhangs intensiv zugehört. Wie sehr doch das Stigma der damals gängigen Ideologie ihre Meinungen dominiert hat! Es lagen mehr Unstimmigkeiten über die Einschätzung der Ereignisse von 300 Jahren zuvor in der Luft als geteilter Stolz und Genugtuung über den errungenen Sieg. Es wurde betont, dass jede Nation, die an der Schlacht teilnahmen, unterschiedliche Beweggründe gehabt hatte, dem Aufruf von Papst Innozenz XI. zu folgen. Im Jahr 1983 schätzten die Parteien, beeinflusst durch die Stimmen ihrer Historiker und Politiker, die Dienste der einzelnen Armeen auf dem Schlachtfeld vor den Toren Wiens unterschiedlich ein. Aber niemand versuchte die Frage zu beantworten, vor welchem Unheil Innozenz XI. Europa dann befreit hatte. Ich hatte den bleibenden Eindruck, dass die wichtigste Geschichtslektion damals einfach das Nichtvorhandensein irgendeiner Lektion war. Die Diskussionen dienten nur der Bekräftigung von Mythen über die Dienste der einzelnen Nationen und verbargen vollkommen die Rolle der vatikanischen Diplomatie.
Heute brauchen wir, angesichts der Vereinigung Europas ein wenig verwirrt über die eigene Identität und kämpfend mit den Bedrohungen durch den globalen Terrorismus, genau die Lektion, die wir aus den Ereignissen, die während der Befreiung Wiens 1683 stattgefunden haben, gezogen haben.
Damals verstand niemand außer Papst Innozenz XI. das ganze Ausmaß der Bedrohung, die aus dem Osten kam und er fand die richtigen Argumente, die Herrscher dazu zu bringen, ihren nationalen Egoismus zu überwinden. Der Papst war sich wie niemand sonst im Klaren über die Tatsache, dass es nicht nur um die Verteidigung Wiens gegen einen weiteren militärischen Angriff einer Eroberungsnation ging, sondern um die Verteidigung Europas gegen die Sintflut des Ottomanischen Reiches, das damals den aggressiven Islam vertrat.
Warum entschieden sich die Bayern, die Sachsen, die Franken, die Polen und andere Nationen damals, den Österreichern zu helfen, ihre Hauptstadt zu verteidigen? Man kann wie 1983 eine technische, taktische oder militärische Analyse der Gründe für dieses Ereignis machen und zu Schlüssen kommen, die nur einen historischen Aspekt abdecken. Heute denken wir jedoch anders. Die gegenwärtige Situation der Welt zwingt uns dazu, den Wiener Feldzug als eine Episode mit ernstzunehmenden aktuellen Bezügen zu betrachten. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts ist der Raum für die Vereinigung und Befreiung Europas größer geworden, sich umzuschauen nach der wahren Quelle einer gemeinsamen Front gegen die Ausbreitung des Islam, der in seiner extremen Form sogar Genozid als terroristisches Mittel einsetzt. Ein heutiger Europäer, der die richtigen Lehren aus der Geschichte zieht, sollte nicht mehr darüber urteilen, wer wichtiger war und stärker oder wer mehr zum Sieg beigetragen hat. Es war ein guter Sieg, weil es ein geteilter Sieg war. Es war ein guter Sieg, weil es ein echter Sieg war. Waren die ottomanischen Streitkräfte und ihr Anführer, Kara Mustafa (Bild), die einzigen, die damals besiegt wurden? Da wurde mehr besiegt. Ein gemessen an den Maßstäben unserer Gesellschaft menschenfeindliches Wertesystem und Modell von öffentlichem Leben.
Alle Nationen, die an der Auseinandersetzung bei Wien teilgenommen hatten, sind sich heute der großen Bedeutung der Schlacht für Europa bewusst. Die Antwort auf die Frage, warum die Schlacht eine der wichtigsten Episoden der Weltgeschichte war, kann aber oberflächlich beantwortet werden. War sie es, weil so viele Armeen daran beteiligt waren? Oder weil die Habsburger so eine wichtige Familie in Europa waren? Oder war der Wunsch Gebiete und andere Besitztümer zu erobern so speziell, dass er diese bewaffnete Auseinandersetzung zu etwas Besonderem machte?… Warum? Die Antwort der Historiker, die von den Europäern geteilt wird, auf diese immer noch unbeantwortete Frage, kommt in der Regel immer wieder auf die gleichen Argumente. Unsere Geschichte ist ein Versuch, tiefer zu gehen, wohin akademische Untersuchungen nicht vordringen können – zur menschlichen Seele, zu Gefühlen, Schwächen, Heldentum, Mut, Furcht, Zögerlichkeit, Liebe und Hass.
Das Buch, das sie in ihren Händen halten, ist kein historisches Lehrbuch, obwohl die Mehrheit der Charaktere und Ereignisse authentisch sind. Dies ist eine Geschichte von menschlichen Leidenschaften, angelegt in diesen spezifischen, dramatischen, faszinierenden Umständen Europas am Ende des 17. Jahrhunderts. Sie werden in diesem Roman eine Liebesgeschichte und Spionagemotive finden, Schlachtszenen und waghalsige Abenteuer. Dennoch ist dieser Roman auch ein Versuch, diese tiefere Frage zu stellen: Warum zwei Welten – die islamische und die christliche – sich von Angesicht zu Angesicht gegenüberstehen; warum der Islam in seiner extremen Ausprägung blutige Gewalt und Expansionstaktik anwendet. Wir wissen, dass es vielen Leuten heute unangenehm ist, solche Fragen zu stellen: sie halten es für politisch inkorrekt oder sogar für gefährlich. Aber wenn man keine Fragen stellt – sogar die unangenehmsten – gibt es auch keine Antworten und es entsteht kein Dialog.
Wenige Monate nach den tragischen Ereignissen vom 11. September 2001, als sich der Staub der zerstörten WTC-Türme gelegt hatte, stellte ich mir erneut die Frage warum? Diese tragische und sehr schmerzvolle Episode des beginnenden 21. Jahrhunderts lenkte meine Gedanken einmal mehr zur Geschichte, dieser magistra vitae und Lehrerin von Ursachen und Wirkungen. War das, was geschehen war, ein weiterer schrecklicher terroristischer Vorfall oder die nächste Phase im längsten Krieg der Weltgeschichte? War es ein Zufall, dass nur wenige Jahre später ein Sohn Deutschlands, Papst Benedikt XVI., auf dem nächsten Jahrestag des Wiener Siegs in seiner Vorlesung in Regensburg, die er an die deutsche Elite richtete, das in seiner Bedeutung charakteristische Zitat verwendete: “Zeigt mir was Mohammed an Neuem gebracht hat und ihr werdet nur Böses und Unmenschliches finden, so wie sein Befehl, den Glauben, den er predigte, mit dem Schwert zu verbreiten.” Sollten wir uns nicht der tieferen Analyse der Geschichte und ihrem Einfluss auf die heutige Welt von Oriana Fallaci zuwenden, die das lange Schweigen brach und an ihrem Lebensabend die wichtigsten Worte ihrer schriftstellerischen Tätigkeit verfasste? Worte voller Besorgnis und Warnung nicht nur für Europa, sondern für die ganze Welt.
Diejenigen, die schwierige Fragen nicht mögen, werden in diesem Buch, wie zuvor erwähnt, eine schöne Geschichte über die Liebe, über noble und böse Menschen und ihre Schicksale, über dramatische Kämpfe europäischer Ritter und die Dilemmas ihrer Kommandanten finden. Das Buch geht der Produktion der historischen Verfilmung “Victoria” voraus und lässt auf herausragende Weise den Phantasien freien lauf, wie es war und wie es gewesen sein könnte, und wie es sein würde – im Film.
Vom Standpunkt der Geschichte aus gesehen sind wir alle sehr jung, jung im Herzen und speziell an Erfahrung. Dies ist ein Buch für alle, die im Herzen jung geblieben sind. Manchmal ist es unterhaltsam, manchmal lehrreich und vor allem regt es zum nachdenken an. Jene, die sich einen Moment zum Nachdenken nehmen, dieses faszinierende Buch zu lesen und Freude an der Suche nach der Beantwortung der immer noch offenen Frage finden: “Warum war der Sieg bei Wien so wichtig und für wen?” werden besonders überrascht sein. Denn die Geschichte wiederholt sich.
Mit der Realisierung des “Victoria”-Projekts bin ich der tiefen Überzeugung, dass die Lektionen, die wir aus der Geschichte lernen können uns zu weiteren Siegen führen werden. Sie sind so selten in unserer polnischen Geschichte voller Niederlagen und Tragödien. Der Triumph bei Wien, der im Buch vorgestellt wird, dient nicht in erster Linie als Weg “die Herzen der Menschen zu erfreuen”, sondern als Beweisstück, dass unsere weithin verstandene Kultur nicht nur die verlorenen Schlachten und die tragischen Helden beiziehen kann. Es ist Zeit für die Denkweise, die für den Helden dieser Geschichte – Franciszek Kulczycki – charakteristisch ist: romantisches Heldentum aber auch Rationalismus. Diese zwei sehr polnischen Züge können ein “siegreicher” Beitrag zur Entfaltung eines vereinten Europa sein…
Schlussendlich laden wir alle Leserinnen und Leser dieses Buches dazu ein, die Webseite victoria-film.com [8] zu besuchen, wo Sie detaillierte Informationen über die nächsten Phasen des “Victoria”-Projekts sowie zahlreiche audiovisuelle Attraktionen im Zusammenhang mit dieser Geschichte erhalten.
Mariusz Bia?ek