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Landtagsmikro noch offen: „Wir können doch nicht mit der AfD stimmen!“

Von EUGEN PRINZ | Die Plenarsitzung des bayerischen Landtags am 23. Januar 2019 hatte es in sich. Vormittags kam es bei der Gedenkveranstaltung für die Opfer der NS-Zeit zum Eklat, als Charlotte Knobloch, die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern der AfD die Verfassungskonformität absprach (PI-NEWS berichtete [1]). Wie jedoch die Vereinigung „Juden in der AfD [2]“ beweist, teilen nicht alle jüdischen Mitbürger die Meinung der ehemaligen Vorsitzenden des Zentralrates der Juden in Deutschland.

Am Nachmittag stand dann die Behandlung einer ganzen Reihe von Dringlichkeitsanträgen auf dem Programm, darunter auch der Antrag der AfD, die Verjährungsfrist für Erschließungsbeiträge bei Altfällen (Strebs) auf den 1. Januar 2018 vorzuziehen. Wie PI-NEWS bereits berichtete [3], hatten die Freien Wähler im Juli 2018 einen gleichlautenden Antrag gestellt, der damals von der CSU abgelehnt wurde. Ihr Wahlversprechen, im Falle einer Regierungsbeteiligung diese Regelung doch noch durchzusetzen, hatte die Aiwanger-Truppe beim Schachern um Ministerposten anschließend „vergessen“. Es war daher ein genialer Schachzug der AfD, die Freien Wähler mit Hilfe dieses Dringlichkeitsantrags noch einmal mit ihrer Forderung aus Oppositionszeiten zu konfrontieren.

Besonders pikant ist in diesem Zusammenhang die Pressekonferenz der Freien Wähler [4] vom September 2018, in der Freie Wähler-Chef Aiwanger ebenso großkotzig wie vehement die Abschaffung der Erschließungsbeiträge bei Altfällen forderte.

Die Abstimmung über den Dringlichkeitsantrag versprach daher, äußerst interessant zu werden, zumal die AfD eine namentliche Abstimmung beantragt hatte. Im Falle einer Ablehnung des Antrags würden sich dann insbesondere die Landtagsabgeordneten der Freien Wähler zuhause in ihrem Wahlkreis den wütenden Reaktionen der Betroffenen stellen müssen.

Rhetorisches Talent gibt sein Debut

Bevor es zur Abstimmung kam, ergriffen noch Redner der im Landtag vertretenen Parteien das Wort zu diesem Thema. Für die AfD tat dies der 28-jährige ehemalige Polizeibeamte Stefan Löw, seines Zeichens Leiter des Arbeitskreises für Integration/Kommunale Fragen, innere Sicherheit und Sport.

Da es die erste Rede des jungen AfD-Abgeordneten war, knüpfte der Autor keine allzu hohen Erwartungen an das rhetorische Geschick des Oberpfälzers. Wie man sich doch täuschen kann! Hier offenbarte sich ein Rednertalent, dass sicherlich im Laufe der Zeit zu einem „bayerischen Gottfried Curio“ heranreifen wird. Er heizte Aiwanger ein, dass diesem Hören und Sehen vergehen musste. Chapeau, Herr Abgeordneter Löw!

Und nun wurde es spannend. Wie würden sich die Freien Wähler verhalten? An dieser Stelle gilt es eine kleine Anekdote zu erzählen:

Als der Landtagspräsident die Debatte zur Durchführung der Abstimmung unterbrach, lief der Live-Stream aus dem Landtag weiter. Allgemeines Stimmengemurmel im Sitzungssaal.  Offenbar befanden sich zwei Abgeordnete zu nahe an einem noch offenen Mikrofon, denn der aufmerksame Zuhörer konnte folgende Unterhaltung zwischen zwei Abgeordneten mithören:

Fr: „Stimmt ihr dafür?“
AW: „Wir können doch nicht mit der AfD stimmen!“

Diese mitgehörte Konversation bietet einen interessanten Einblick, wie bei den etablierten Parteien die Entscheidungsfindungsprozesse ablaufen.

Die Pressestelle des bayerischen Landtags war auf Anfrage von PI-NEWS übrigens nicht bereit, das entsprechende Filmmaterial als Beweis zur Verfügung zu stellen:

„Videomitschnitte von den Zeiten zwischen den Reden können wir leider nicht anbieten. Dafür jeden Redebeitrag inklusive eventueller Zwischenfragen.“

Diese Auskunft erfolgte, NACHDEM der Autor die Frage beantwortet hatte, für welches Medium er berichtet. Ein Schelm, wer böses dabei denkt…

Alle stimmten gegen die AfD

So war dann auch das Abstimmungsergebnis nicht weiter verwunderlich: Nur die 22 Abgeordneten der AfD stimmten für den Antrag, alle anderen 155 an diesem Tag anwesenden Parlamentarier stimmten dagegen. Die Namensliste mit dem Abstimmungsverhalten eines jeden einzelnen Abgeordneten können Sie hier herunterladen [5].

Aiwanger am kaltschnäuzigsten

Hubert Aiwanger hat eiskalt gegen das gestimmt, was er noch vor seiner Regierungsbeteiligung lautstark vertrat. Sieht man sich in Kenntnis seines Abstimmungsverhaltens das Video seiner Pressekonferenz vom September [4] an, bekommt man eine Ahnung davon, wie die etablierten Politiker zu ihrem schlechten Ruf kommen. Ja, das Internet vergisst nichts…

Der Fall Jutta Widmann

MdL Jutta Widmann von den Freien Wählern, die sich auch jetzt noch als Kämpferin für die Interessen der „Strebs-Opfer“ geriert und damit für positive Presse sorgt, hat geglaubt, es schlauer zu machen. Sie war bei der Abstimmung erst gar nicht anwesend. Dumm nur, dass eine Anfrage in ihrem Abgeordnetenbüro ergeben hat, dass sie sehr wohl an der Plenumssitzung im bayerischen Landtag teilnahm. Die Eintausend-Euro Frage lautet nun: Wo war sie während der Abstimmung? Wenn Ihnen, lieber Leser, jetzt das Wort „Klo“ in den Sinn kommt, sind Sie nicht alleine…

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Gelungener Coup der AfD im bayerischen Landtag

geschrieben von Eugen Prinz am in Altparteien,Deutschland,Finanzen/Steuern | 73 Kommentare

Von EUGEN PRINZ | Wenn eine Kommune ein neues Baugebiet ausweist, muss dieses natürlich auch verkehrstechnisch erschlossen werden. Die so entstehenden Straßen bekommen einen frostsicheren Asphaltbelag, eine Straßenbeleuchtung, eine Kanalisation und einen Gehweg. Und die Anlieger…. die bekommen eine Rechnung. Bis zu 90% der Kosten der Ersterschließung werden in Bayern von den Kommunen per Gesetz auf die Grundstückseigentümer umgelegt. Soweit so teuer.

„Ersterschließung“ von Straßen, die älter sind als der liebe Gott

Nun stellen Sie sich vor, Sie wohnen in einem 50 Jahre alten Haus an einer Straße, die es schon seit 70 Jahren gibt. Sie ist asphaltiert, hat eine Kanalisation und eine Straßenbeleuchtung. Allerdings ist der Straßenbelag nicht mehr im allerbesten Zustand und müsste demnächst erneuert werden. Weil Sie in Bayern wohnen, machen Sie sich jedoch keine Sorgen, dass die Kommune Sie dafür zur Kasse bitten wird, denn die Straßenausbaubeiträge wurden in diesem Bundesland von der CSU im Jahr 2018 abgeschafft, nachdem die Freien Wähler ein diesbezügliches Volksbegehren gestartet hatten.

Und dann erfahren Sie, dass nicht nur der Straßenbelag, sondern von Grund auf ALLES erneuert wird und zwar vom Feinsten, inklusive LED-Straßenbeleuchtung mit neuen Lichtmasten gleich dazu, obwohl die alten noch in Ordnung sind. Und 90% der Kosten  bezahlen Sie und ihre Nachbarn, weil sich herausgestellt hat, dass „Ihre“ Straße noch nie offiziell erschlossen wurde.

Damit kann die Kommune die „Generalsanierung“ als Ersterschließung deklarieren und bei den Grundstückseigentümern abkassieren. Der Fachausdruck für solche Altfälle lautet „fiktive Ersterschließung“. Je nach Grundstücksgröße und Anzahl der Stockwerke können da mehrere zehntausend Euro fällig werden, was so manchen Anlieger in arge finanzielle Nöte bringt.

Sanierungswahn der Kommunen wegen Verjährungsfrist in 2021

Aufgrund einer gesetzlichen Regelung haben die Kommunen nur noch bis 01.04.2021 die Möglichkeit, solche „Altfälle“ auf diese Weise abzurechnen. Kein Wunder, dass bei den Städten und Gemeinden nun der „Sanierungswahn“ ausgebrochen ist.

Man will vor Eintritt der Verjährungsfrist noch so viele Straßen wie möglich auf Kosten der Grundstückseigentümer generalüberholen.

[6]
Dringlichkeitsantrag, den die Freien Wähler im Juli 2018 in den Bayerischen Landtag einbrachten und der von der regierenden CSU abgelehnt wurde. Nun, da die Freien Wähler mitregieren, wollen sie von den salbungsvollen Worten von damals nichts mehr wissen

 

Nachdem den Freien Wählern durch die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge durch die CSU ihr Wahlkampf abhanden gekommen war, richtete die Aiwanger-Truppe nun ihre Bemühungen auf die Abschaffung der Erschließungskostenbeiträge bei Altfällen, abgekürzt: „Strebs“.

Im Juli brachten sie deshalb nebenstehenden Dringlichkeitsantrag im bayerischen Landtag ein.

In diesem forderten Sie unter anderem, das Kommunalabgabengesetz dahingehend zu ändern, dass die Verjährung der „Strebs“ vom 01.04.2021 auf den 01. Januar 2018 vorgezogen wird.

Freie Wähler versprechen Abschaffung der Altfall-Erschließungskosten im Falle einer  Regierungsbeteiligung

Die CSU lehnte mit ihrer Mehrheit den Antrag ab, worauf die Freien Wähler den Betroffenen versprachen, im Falle einer Regierungsbeteiligung nach der Landtagswahl dafür zu sorgen, dass die Verjährungsfrist doch noch vorgezogen wird, wie in dem Antrag gefordert.

Im September liefen dann die Freien Wähler zur Höchstform auf, was die Heuchelei betrifft. Sie luden zu einer großen Pressekonferenz zum Thema „Strebs“ ein und geißelten diese mit markigen Worten. O-Ton Aiwanger [7]: „Wir haben die Lösung, aber nicht das Mandat“.

Kein Wunder, dass die Betroffenen nach der Wahl mit Hoffen und Bangen das Ergebnis der Koalitionsverhandlungen zwischen der CSU und den Freien Wählern abwarteten. Denn nun hatte ja die Aiwanger-Partei nicht nur die Lösung, sondern auch das gewünschte Mandat.

Als jedoch klar wurde, was im Koalitionsvertrag zu diesem Thema beschlossen worden war, gab es bei den Betroffenen lange Gesichter. In dem Papier stand zu lesen:

 „Für die Kompensation der entfallenden Straßenausbaubeiträge werden wir (…) im Jahr 2019 100 Mio. Euro und ab 2020 150 Mio. Euro für alle Kommunen als zweckgebundene Pauschalen zur Verfügung stellen, wodurch auch die fiktive Ersterschließung abgegolten wird.“

Wird dies so umgesetzt – und davon kann man ausgehen – bedeutet diese kryptische Formulierung nichts anderes, als dass sich die Kommunen in Zukunft aussuchen können, ob sie anstelle der „Strebs“ eine Pauschale aus dem Fördertopf vom Freistaat Bayern in Anspruch nehmen oder weiterhin die Grundstückseigentümer zur Kasse zu bitten. Da stellt sich natürlich die Frage, welche Option sie nutzen werden.

150.000.000 : 2056 =  Hungerleiderpauschale

In Bayern gibt es 2056 Städte und Gemeinden.  Somit steht rein rechnerisch pro Kommune ein Betrag von knapp 73.000 Euro aus dem Fördertopf zur Verfügung. Damit sollen dann sowohl die Straßenausbaubeiträge als auch die Alt-Ersterschließungen pauschal abgegolten werden. Ein Hohn, sieht man sich an, was solche Erschließungen kosten. Zwei Beispiele: Die gegenwärtig durchgeführte „Ersterschließung“ der Kanalstraße in Landshut kostet weit über eine Million Euro und sogar das kleine Sträßchen Prof.-Dietl-Weg, ebenfalls in Landshut,  schlägt mit etwa  220.000 Euro zu Buche. Was werden da chronisch klamme Kommunen wie z. B. die Stadt Landshut wohl in Anspruch nehmen? Die Hungerleiderpauschale des Freistaates Bayern oder weiterhin die üppigen Beträge aus den Anliegerleistungen?

AfD bringt die Freien Wähler geschickt in die Zwickmühle

[8]
Dringlichkeitsantrag der AfD. Er ist beinahe Wortgleich zu jenem, der Wähler im Juli 2018.

Obwohl noch Neulinge im bayerischen Landtag, beginnt die AfD ihre Oppositionsarbeit gleich mit einem genialen Schachzug. In Gesprächen der AfD-Fraktionsvorsitzenden Katrin Ebner-Steiner und dem Leiter des Arbeitskreises für kommunale Fragen, MdL Stefan Löw mit betroffenen Grundstückseigentümern wurde die Idee entwickelt, den Dringlichkeitsantrag der Freien Wähler vom Juli 2018 beinahe wortgleich erneut zu stellen. Damit werden die Neulinge im Maximilianeum mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen: Sie widerlegen zum einen den Vorwurf, die AfD wäre thematisch zu einseitig aufgestellt und zum zweiten bringen sie die Freien Wähler damit in eine teuflische Zwickmühle.

Der Gedanke dahinter: Die Freien Wähler werden sich der Lächerlichkeit preisgeben, wenn sie gegen einen Antrag stimmen, der dem entspricht, was sie noch vor einigen Monaten in ihrem Dringlichkeitsantrag selbst gefordert hatten. Eine Ausrede, die gut genug wäre, das zu rechtfertigen, gibt es nicht. Auf der anderen Seite sind sie aufgrund der Koalitionsdisziplin eigentlich gezwungen, mit der CSU zu stimmen und den Antrag abzulehnen. Ja, so kann es gehen, wenn man sein Wahlversprechen bricht und eine neue Partei in den Landtag eingezogen ist, die frischen Wind in die verfilzten Strukturen bringt.

Besonders „böse“ von der AfD: Namentliche Abstimmung wurde beantragt

Der Dringlichkeitsantrag wurde vor kurzem an den bayerischen Landtag übermittelt. Die Debatte im Plenum mit anschließender Abstimmung findet voraussichtlich am Mittwoch, dem 23. Januar 2019 statt.

Ein weiterer geschickter Schachzug der AfD ist, dass sie eine namentliche Abstimmung beantragt haben. Das heißt, es wird genau festgehalten, wie jeder einzelne Abgeordnete votiert hat. Diese Liste kann vom Bürger eingesehen werden. Jene Freien Wähler, die gegen den Antrag stimmen werden, können sich anschließend daheim in ihrem Wahlkreis dem Zorn der Betroffenen stellen. Wer möchte da in ihrer Haut stecken…

PI-NEWS wird in einem gesonderten Artikel über den weiteren Verlauf berichten.

Hier noch die Pressemitteilung der AfD zu diesem Thema:

 

  1. Januar 2019

AfD-Fraktion stellt zwei Dringlichkeitsanträge im Plenum

Ebner-Steiner: Keine weitere Abrechnung älterer Straßen bei Ersterschließung / Migrationspakt in Bayern nicht umsetzen

MÜNCHEN. Zur heutigen Sitzung des bayerischen Landtags hat die AfD zwei Dringlichkeitsanträge eingereicht, teilte die Fraktionsvorsitzende Katrin Ebner-Steiner mit. So soll es keine weitere Kostenbelastung für Bürger geben, wenn bei längst fertiggestellten Straßen erst nach Jahren die Ersterschließungsarbeiten stattfinden. Zudem fordert die AfD im zweiten Antrag, den kürzlich beschlossenen UN-Migrationspakt in Bayern nicht umzusetzen.

„Wir wollen Bürger vor finanziellen Risiken schützen“, betonte die stellvertretende AfD-Landesvorsitzende. Daher soll rückwirkend zum 1. Januar 2018 eine Vorschrift ins Kommunalabgabengesetz aufgenommen werden, wonach Anlieger von Straßen, deren Herstellung vor mehr als 25 Jahren begonnen wurde, von der Erhebung von Erschließungsbeiträgen befreit werden. Hunderttausende Straßenanlieger müssen laut AfD derzeit fürchten, für die Ersterschließung von noch nicht fertiggestellten Straßen, die vor Jahrzenten gebaut wurden, zu Beitragszahlungen (Strebs) herangezogen zu werden. Die Kommunen sollen für Beitragsausfälle entschädigt werden. Die im Koalitionsvertrag von CSU und Freien Wählern geplanten zweckgebundenen Pauschalen zur Unterstützung der Kommunen seien viel zu niedrig angesetzt, sagte Ebner-Steiner.   

Beim „Global Compact for Migration“ wird die Staatsregierung im AfD-Antrag aufgefordert, das Abkommen durch bayerische Behörden nicht anzuwenden. „Vor allem ist zu verhindern, dass sich aufgrund des Völkergewohnheitsrechts eine künftige Rechtsprechung auf diesen Vertrag beruft“, erläuterte die Fraktionsvorsitzende. Im UN-Pakt  sollen nach ihren Angaben Regelungen zur Migration von Menschen getroffen werden, die nicht primär dem Schutz des internationalen Flüchtlingsrechts unterliegen. „Eine Umsetzung und Unterstützung der Ziele des Pakts würden über die geltende deutsche Rechtslage weit hinausgehen“, warnte Ebner-Steiner. Zum Beispiel, weil es neue Ansiedlungsoptionen für Klimaflüchtlinge geben solle. Zudem werde die Unterscheidung zwischen legaler und illegaler Migration im UN-Abkommen aufgehoben. „Damit wären keine Zurückweisungen mehr möglich und die gesamte neu geschaffene bayerische Grenzpolizei wäre sinnlos“, betonte Ebner-Steiner.  

AfD Bayern

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