Louis Sako und Stefan HerreTreffen in Köln: Kirkuks Erzbischof Louis Sako mit PI-Gründer Stefan Herre.

Die Vertreibung der Christen aus dem Irak und der katholische Widerstand gegen den Nationalsozialismus stehen im Mittelpunkt einer Veranstaltung des weltweiten katholischen Hilfswerks „Kirche in Not“ am heutigen Samstag in Köln. PI nahm im Vorfeld die Gelegenheit wahr, mit dem chaldäisch-katholischen Erzbischof von Kirkuk, Louis Sako, zu sprechen.

Mehr Seelsorger als steifer Kirchenvertreter

Wir treffen uns am Donnerstagabend da, wo es in Köln am urigsten ist – im Cölner Hofbräu Früh gegenüber dem Dom. Neben unserem Tisch schunkelt sich eine Gruppe Karnevalisten warm, Kölsch-Kränze werden herum gereicht und der Geräuschpegel ist entsprechend hoch. Oje, denke ich, ob ich da wirklich das richtige Lokal für ein ernstes Gespräch mit dem irakischen Erzbischof ausgesucht habe?

Doch Louis Sako nimmt mir sogleich alle Zweifel. „Ich finde das schön, wenn die Leute sich verkleiden und fröhlich sind“, sagt er, und bestellt uns gleich ein frischgezapftes Kölsch. Mir ist dieser Mann auf Anhieb sehr sympathisch. Kleine Statur, ein gewinnendes Lächeln – alles andere als ein unnahbarer steifer Kirchenvertreter. Nein, eher der klassische Seelsorger-Typ. In seiner Heimat, der 500.000-Einwohner-Stadt Kirkuk, leitet der 58-Jährige eine Gemeinde mit 6000 Gläubigen. Früher, so Sako, waren es mehr. Aber die Verfolgung der Christen im Irak hat viele, auch aus seiner Gemeinde, bewogen, das Land zu verlassen.

Die Zahl der Christen im Irak hat sich nahezu halbiert

Noch vor wenigen Jahren gab es 700.000 Christen im Irak, davon die meisten in Bagdad. Jetzt sind es nur noch 400.000. „Es ist sehr schade, dass so viele Christen unser Land verlassen haben. Ich sage den Gläubigen immer wieder: Bleibt hier, helft uns, dieses Land nicht vollkommen den Muslimen zu überlassen.“ Aber die Worte verhallen zu oft. Der Exodus in für Christen sicherere Länder scheint unaufhaltbar.

„Wie ist denn überhaupt die Sicherheitslage momentan im Irak?“, frage ich Sako. „Bei uns im Norden ist es derzeit verhältnismäßig ruhig.“ Das war schon mal anders: Im April 2003 wurde die Stadt im Laufe des Irak-Krieges von alliierten Truppen und kurdischen Kämpfern erobert. Die Kurden waren Hauptakteure im Kampf um die Befreiung des Iraks, als sie die Nordfront bildeten und unter anderem durch geschickte Diplomatie Mosul und Kirkuk praktisch kampflos übernahmen.

„Die US-Truppen dürfen den Irak nicht verlassen“

Wie denkt Sako über den Irak-Krieg, möchte ich wissen. Seine Antwort mag viele überraschen, mich überrascht sie nicht. „Unter Saddam gab es mehr Sicherheit, aber weniger Freiheit. Ich bevorzuge die Freiheit“, antwortet Sako und hebt schwungvoll sein Kölsch-Glas, um seine Aussage noch gestisch zu verstärken. „Ich weiß, viele Europäer denken da ganz anders“, fügt er hinzu, aber für freiheitsliebende Menschen wie er einer ist, kann es gar keine andere Antwort geben.

Louis Sako„Und was ist mit den Amerikanern? Sollen die das Land demnächst verlassen“, frage ich. „Nein“, so Sako, „auf keinen Fall! Ohne die US-Truppen würde das Land in einem noch viel größeren Chaos versinken!“ Überhaupt hätte sich die Sicherheitslage in den letzten Monaten deutlich verbessert, vor allem in und um Bagdad. Und Sako ist optimistisch, dass diese Entwicklung anhält. Und zum Thema Sicherheit brennt ihm noch etwas auf der Zunge. „Es sind nicht in erster Linie die Iraker, die Selbstmordattentate durchführen und Autobomben zünden – das sind zumeist Ausländer. Viele kommen sogar aus Deutschland und Frankreich!“

Anschläge auf Kirchen im Irak

Man merkt: Sako ist Patriot und er liebt das irakische Volk. Und dabei macht er auch keinen Unterschied zwischen den drei Volksgruppen Kurden, Arabern und Turkomanen. Und auch gegenüber dem Islam ist Sako keineswegs feindselig eingestellt. Aber er sagt auch: „Der Islam wird ohne den Dialog mit den Christen keine Zukunft haben. Der Islam muss von der Erfahrung der Christen lernen, um einen Platz in der modernen Welt zu finden.“

Obwohl sich Sako für Verständigung zwischen Christen und Muslimen einsetzt, kommt es immer wieder zu Übergriffen von moslemischer Seite gegen die Christen und ihn. Erst kürzlich wurden die Fenster seiner Kirche zerstört, doch Sako ficht das nicht an. Die Gemeindemitglieder haben mit finanzieller Unterstützung von „Kirche-in-Not“ geholfen, das Fenster schnell wieder zu reparieren. Und wie sieht es mit seiner eigenen Sicherheit aus? „Ich weiß, dass ich für Radikale ein mögliches Ziel bin, aber ich habe keine Angst, weil ich mein Leben schon hingegeben habe. Es gehört Christus.“

„Zu tolerant, zu ungläubig und zu individualistisch“

Wir kommen auf Deutschland zu sprechen. Sako kennt Deutschland recht gut, er spricht sogar gebrochen Deutsch. Vor allem in Bayern war er schon oft zu Besuch und schwärmt von der Herzlichkeit und Wärme der Menschen dort. Ich berichte Sako über die Probleme, die es in Deutschland mit muslimischen Migranten gibt und er hört gespannt zu. „Ihr Deutschen seid einfach zu tolerant“, meint er dann, „zu ungläubig und zu individualistisch.“ Dass Deutschland immer islamischer wird, hätten wir uns selber zuzuschreiben. „Schauen Sie, meine Kirche in Kirkuk ist immer voll – und das unter schwierigsten Bedingungen. Und wie sieht es in Deutschland aus? Christ zu sein ist ‚out‘, die Kirchen leer. Dieses Vakuum besetzt der Islam.“ Und: „Ihr kriegt zu wenig Kinder!“ Da sei es nur eine Frage der Zeit, wann sich die Bevölkerungsmehrheiten in Deutschland verschieben, so Sako.

Wir verlassen nach zwei Stunden das Lokal. „Kommen Sie mich einmal in Kirkuk besuchen, Sie werden erstaunt sein.“ Er drückt mir seine Visitenkarte in die Hand und ich verspreche, ihm den Beitrag über unser Treffen zuzumailen. Mich beschleicht ein wohliges Gefühl. Trotz all der Karnevalsjecken um mich herum hatte ich an diesem Abend den Eindruck, etwas näher an den lieben Gott gerückt zu sein.

» Dokumentarfilm: “Exodus der irakischen Christen”

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