Islamfreundliche Multikulturalisten betonen stets, der Islam sei mit der Demokratie vereinbar. Diese Aussage ist zweifellos richtig. Nur verbirgt sich hinter der Islam-Demokratie-Phrase, dass Demokratie noch lange nicht automatisch „Islam und Menschenrechte sind vereinbar“ bedeutet. Gern wird die Türkei als Demokratiemuster in der islamischen Welt genannt. Und genau dort macht sich eine demokratisch gewählte fundamentalistische Regierung daran, die diskriminierende islamische Geschlechterapartheid in allen Lebensbereichen durchzusetzen.

Das Kopftuchverbot in staatlich-öffentlichen Räumen, welches die Frauen schützt vor den Diskriminierungsnormen des Islam, will die reaktionär-fundamentalistische AKP-Regierung aufheben. Die Folge wäre, dass sich Frauen nicht mehr darauf berufen können, Kopftücher seien an bestimmten Orten in der Türkei verboten, wenn sie dem moralischen Druck ohne Kopftuch unehrenhaft zu sein, entgehen wollen. Ist der Diskriminierungsschutz erst einmal aufgehoben, entfaltet sich der islamische, moralisch wirkende Anpassungsdruck auch in diesen letzten Schutzrefugien der Antidiskriminierung.

In Europa betrachtet man den Wahlerfolg der AKP vor einem halben Jahr als Beleg für die Vereinbarkeit von Demokratie und Islam. Allerdings bedeutet Demokratie lediglich, dass die Regierung die Ansichten und Interessen jener vertritt, die sie gewählt haben. Ist diese Wählerschaft rassistisch, diskriminierend oder in anderer Weise intolerant eingestellt, so etabliert sich im Namen der Demokratie eben Diskriminierung und Unterdrückung.

In Europa und den USA (siehe Bushs Lobeshymnen auf die demokratische Türkei) legt man nicht mehr den Maßstab der Menschenrechte an, wenn die Ziele der AKP-Politik betrachtet werden. Es soll unter allen Umständen bei der Bevölkerung der Eindruck hinterlassen werden, dass mit der Ausbreitung des Islam keine negativen Veränderungen eintreten, so lange dieser sich gemäß demokratischen Regeln ausbreitet. So lenkt man ab vom absehbaren Resultat des Verlustes von Menschenrechten zu Gunsten einer islamkonform umgestalteten Gesellschaft. Bereits die immense Unterstützung der islamischen Geschlechterapartheid (siehe Kopftuchdebatte) in Europa zeigt, wie wenig ein Großteil, wenn nicht sogar der überwiegende Teil in Politik und Medien, noch hinter dem Verfassungsgebot und Menschenrecht steht, dass niemand aufgrund seines Geschlechts diskriminiert werden darf.

Zweckdienlich beruft man sich auf Religionsfreiheit, um islamische Diskriminierungsnormen zu rechtfertigen. Dieser Standpunkt läuft in der Praxis darauf hinaus, dass prinzipiell jedes Menschenrecht in Frage gestellt werden kann, wenn die Infragestellung aus religiösen Motiven heraus geschieht. Diese Haltung kommt einer Aufgabe der Menschenrechte gleich, die wir auch auf dem Gebiet der Meinungsfreiheit sehen. Der politisch-mediale beinahe-Konsens, unser Grundrecht auf Meinungs- und Informationsfreiheit islamischen Zensurvorstellungen anzupassen, bedeutet nichts anderes als die Akzeptanz von islamischem Unrecht, Diskriminierung und Unterdrückung. Verlust der Menschenrechte ist der zwangsläufige Preis für „Frieden“ mit dem Islam, weil aus dem Islam heraus eine Bereitschaft zum Konflikt besteht, islamisches (Un)Recht durchzusetzen.

Noch stemmen sich in der Türkei kemalistisch orientierte Instanzen gegen die Rückführung der Türkei in eine schariakonforme Gesellschaft. Die letztlich demokratisch eingeführt werden kann und soll. Allerdings werden sie nicht ewig den Forderungen der AKP und der sie unterstützenden Bevölkerungsmehrheit widerstehen können. In Europa wird man die Einführung der Geschlechterapartheid, die Abschaffung von Schutzzonen gegen geschlechtsspezifische Diskriminierung in der Türkei, als Sieg der Demokratie feiern – und als Beweis, dass der Islam mit der Demokratie vereinbar ist.

Prognose: Sollten die Kemalisten auf der Bewahrung von Diskriminierungsschutz weiterhin beharren, und die AKP oder andere fundamentalistische Kräfte einen offenen Konflikt eröffnen, wird sich der Westen gegen die Kemalisten stellen. Unter dem Vorwand, man müsse in einer Demokratie eben den Volkswillen akzeptieren. Die AKP-Diskriminierungspolitik wird man herausstellen als Vertreter der Demokratie – die Kemalisten als Antidemokraten.

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