Als die Regierung das Führen einhändig zu bedienender Taschenmesser mit dem neuen Waffengesetz unter Strafe bis zu 10.000 Euro stellte, hieß es beschwichtigend, gerade die unscharfen Formulierungen des Gesetzestextes sollten dazu dienen, dem Beamten vor Ort Ermessensspielraum zu geben, um die drastische Strafe nur gegen bekannte Problemfälle einzusetzen. Wer damals beruhigt an jugendliche Messerstecher mit islamischem Migrationshintergrund dachte, dem hat der eigene Rassismus wohl ein Schnippchen geschlagen. Gemeint waren natürlich charakterlich nicht gefestigte Bundeswehrsoldaten auf dem Weg zum Dienst.
In seinen Erläuterungen zu neuen Bestimmungen des Waffenrechtes 2008 [2] erklärt das Bundesministerium des Inneren:
Das Führen von Hieb- und Stoßwaffen, Einhand-messern und feststehenden Messern mit einer Klingenlänge über zwölf Zentimeter ist verboten, soweit hierfür kein berechtigtes Interesse vorliegt. Unter jugendlichen Gewalttätern sind die Messer, die nun dem Führensverbot unterliegen, als Statussymbol und Tatwaffe weit verbreitet. Das Füh-rensverbot soll einen Beitrag leisten, die steigende Zahl der Messerstechereien in Ballungsgebieten einzudämmen.
Wer solche Gegenstände zur Berufsausübung, Brauchtumspflege, beim Sport (zum Beispiel als Taucher, Angler oder Bergsteiger) oder zu einem allgemein anerkannten Zweck nutzt, wird durch das Führensverbot nicht beeinträchtigt. Werden diese Gegenstände jedoch in der Öffentlichkeit ein gesetzt, um insbesondere andere einzuschüchtern oder zu bedrohen, kann die Polizei nach neuer Rechtslage dagegen einschreiten.
Wer könnte gemeint sein, mit „jugendlichen Gewalttätern“, die diese Gegenstände „in der Öffentlichkeit einsetzen, um andere einzuschüchtern oder zu bedrohen“ – oder nicht selten auch, um andere schwer zu verletzen oder umzubringen? Falsch. Die sind offenbar gerade nicht gemeint.
Der Lawblog berichtet [3]:
Während in Afghanistan deutsche Soldaten Krieg führen, bahnen sich jetzt in Deutschland rechtliche Querelen für arglose Bundeswehrangehörige an. Bei Polizeikontrollen, vor allem in Schleswig-Holstein, sind nämlich Soldaten außerhalb des Dienstes mit einem juristischen Vorwurf konfrontiert worden: Verstoß gegen das Waffengesetz. Ihr Vergehen? Die Soldaten, meist in Uniform auf dem Heimweg ins Wochenende, hatten das “Standardmesser” der Bundeswehr dabei.
Es handelt sich um ein Taschenmesser (Hersteller: Victorinox), allerdings in Form eines Einhandmessers. Die Besonderheit an Einhandmessern ist, dass sie mit einer Hand geöffnet werden können. Problem: Einhandmesser fallen seit neuestem unter das Waffengesetz. Wer so ein Messer bei sich hat, riskiert ein Bußgeld bis zu 10.000 Euro.
Das Bundesinnenministerium vertritt in einem mir vorliegenden Schreiben eine harte Linie:
Die an Soldaten ausgegebenen Messer vom Typ Bw Einhandmesser Original Victorinox, Jungle Devil und Bw-Kampfmesser Infanterie fallen grundsätzlich unter den Tatbestand des Führensverbots des § 42a Abs. 1 WaffG.
Nur dienstliche Nutzung sei erlaubt. Freizeit, auch in Uniform verbrachte, sei jedoch kein Dienst:
Führt ein Soldat vor oder nach dem Dienst, auch in Uniform, solch ein Messer mit sich, greift das Waffengesetz. Es wird hierbei davon ausgegangen, dass die Bundeswehr es nicht für erforderlich hält, dass ein Soldat auf dem Heimweg oder bei der Fahrt zur Kaserne bzw. Dienststelle ein Kampf- oder Einhandmesser mit sich führt. Auch Schusswaffen und andere an Soldaten ausgegebene Ausrüstungsgegenstände müssen nach dem Dienst grundsätzlich auf dem Bundeswehrgelände verbleiben.
Weiter:
Auch unter dem Gesichtspunkt der Fürsorge der Bundeswehr für junge und charakterlich noch nicht gefestigte Soldaten scheint es vorzugswürdiger, Bundeswehrmesser grundsätzlich in der Kaserne bzw. Dienststelle zu belassen.
Der Reservistenverband hat sich inzwischen auch schon eingeschaltet. Er rät allen Reservisten dringend ab, die zur Ausrüstung gehörenden Einhandmesser bei sich zu führen, und zwar “weder bei dienstlichen Veranstaltungen noch privat”.
(Spürnase: Phil, Foto: Wehrkritisches Spruchband am „Meisnerschen Militärtempel“, wie die Neue Rheinische Zeitung [4] den Kölner Dom nennt.)
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