[1]Der katholische Publizist und Lehrstuhlinhaber für Christliche Sozialwissenschaften an der Theologischen Fakultät Trier, Prof. Wolfgang Ockenfels (Foto), kann mit Fug und Recht zumindest als „informelles Mitglied“ der „Gesellschaft für deutliche Aussprache“ bezeichnet werden. Es ist immer wieder erfrischend, wie Ockenfels ohne zu verklausulieren auch heikle Sachverhalte in einen verständlichen Kontext stellt und dabei weder die gutmenschliche Presse noch linkskatholische Bedenkenträger zu fürchten scheint.
PI berichtete am 26. April [2] über ein sehr lesenswertes Interview der „Tagespost“ mit dem streitbaren Professor. Darin widerlegte er sehr überzeugend die um sich greifende Haltung des „Mainstream-Christentums“ (egal welcher Konfession), dass sich aus dem Christentum eine Pflicht zur praktisch beliebigen Aufnahme fremder Menschen in bisher christlich geprägten Ländern ableiten ließe. Da uns seine Gedanken nicht mehr los ließen, haben wir Prof. Ockenfels gebeten, ihm noch ein paar zusätzliche Fragen stellen zu dürfen. Gerne hat er eingewilligt und sich dabei auch als gelegentlicher Leser von PI zu erkennen gegeben.
PI: Herr Professor Ockenfels, Sie haben sich in letzter Zeit deutlich gegen die Vereinnahmung der Katholischen Soziallehre für die Masseneinwanderung von Muslimen aus Afrika verwahrt. Wie reagieren Kirchenhierarchie und Ihre Kollegen auf solche Wortmeldungen?
Ockenfels: Innerkirchlich habe ich einige positive Reaktionen gehört. Aber Kritik von den berufsmäßigen Kritikern, die sich für sehr modern halten, war nicht zu vernehmen. Seit ich verstärkt die Kritiker kritisiere und die notorischen Infragesteller in Frage stelle, verflüchtigt sich die Gegenseite. Sie stellt sich tot. Nur das mit dem Totschweigen funktioniert nicht mehr, seit es das Internet gibt. Leider erweisen sich die kirchlichen und politischen Dialogbeschwörer oft als dialogunfähig, als geistig gelähmt. Sie haben sich in ihren Kommissionen und Gremien abgeschottet und bleiben gemütlich unter sich. Es sind gerade die an die Herrschaft gelangten Progressiven, die sich vor jeder Kritik immunisieren. Diese Herrschaften glauben, das Spiel der achtundsechziger Multikultis endgültig gewonnen zu haben. Die modernen Spießer lassen sich kaum aus der Ruhe bringen, auch wenn man sie heftig provoziert.
Wir leben in einer Gesellschaft, die sich zunehmend leistungs- und tugendfeindlich zeigt, die das Gemeinwohl nur noch als Summe der Einzelinteressen der Bewohner Deutschlands begreift und auch Lebensformen nicht mehr nach ihrem Nutzen für die Gesellschaft bewertet und fördert. Gleichzeitig findet ein nie dagewesener demographischer Niedergang statt. Wie viele Jahre glauben sie, wird sich diese Gesellschaftsform in Deutschland noch am Leben erhalten können?
Mein Gott, Prophet bin ich nicht. Hören wir besser auf die Demographen, die eine deutliche Sprache sprechen. Dem deutschen Volk droht ein rapides Aussterben, eine demographische Katastrophe. Die wird sich durch massenhafte Zuwanderung nicht beheben, sondern nur noch verschärfen lassen. „Sub specie aeternitatis“, also unter dem Blickwinkel der Ewigkeit, den die katholische Kirche als Weltkirche einnimmt, gibt es ein ständiges Kommen und Gehen der Völker. Das deutsche Volk, wenn es denn seinen eigenen Untergang willig in Kauf nimmt, wird eben abdanken müssen. Aber mit der Abdankung des deutschen Volkes wäre auch ein Verschwinden des Christentums verbunden, wenn an seiner Stelle der Islam expandiert. Der multikulturelle Bevölkerungsaustausch ist stets mit gewaltigen sozialen Konflikten verbunden. Deshalb ist eine massenhafte, ungeregelte Einwanderung stets auf den Widerstand der Katholischen Soziallehre gestoßen. Nebenbei gesagt: Nach unserem Grundgesetz ist immer noch das deutsche Volk als Volkssouverän anzuerkennen. Ihm obliegt es, sich selber rechtlich und kulturell zu erhalten. Alles andere ist verfassungswidrig und sollte bevorzugter Beobachtungsgegenstand des Verfassungsschutzes sein.
Was kommt danach? Müssen wir „Eingeborenen“ und auch die Christen insgesamt damit rechnen, zukünftig eine Rolle, vergleichbar der der Indianer in Nordamerika zu spielen?
Die Indianer Nordamerikas wurden weitgehend ausgerottet, wie Sie schon bei Karl May nachlesen können. Dieser Massenmord geschah nicht im Namen des Christentums, sondern im Namen des modernen Fortschritts. Die Islamisten werden uns nicht physisch ausrotten, denn sie brauchen uns ja noch, vor allem unser technisches Know-how. Aber sie werden uns kolonisieren, wie es ihnen partiell mit der Übernahme der Scharia bereits gelungen ist. Von den christlich-jüdischen und humanistischen Wurzeln unserer abendländischen Kultur bleibt kaum eine Spur, wenn wir uns nicht aktiv für sie einsetzen.
Jahrzehntelang hat sich das bürgerliche Lager damit abgefunden, dass die 68er ihre gesellschaftspolitische Agenda Schritt für Schritt „bis zum Endsieg“ in Deutschland umsetzten. So kam es zu „Homoehe“, Gender Mainstreaming und der Ächtung des Hausfrauen-Daseins. Die Regel-Doppelstaatsbürgerschaft bei Menschen mit Migrationshintergrund, das Kommunalwahlrecht für nahezu alle Ausländer und das gleichberechtigte Adoptionsrecht für Homosexuelle werden wohl nach einem zu erwartenden Regierungswechsel 2013 folgen. Glauben Sie, dass die Union irgendwann einmal wieder den Ehrgeiz an den Tag legen wird, solche Fehlentwicklungen korrigieren zu wollen – oder muss jede solche Grenzverschiebung als dauerhaft akzeptiert werden?
Sie haben bereits einige wichtige Punkte genannt, die unsere lustvolle Selbstzerstörung hinreichend markieren. Wir brauchen keinen äußeren Feind, der uns zu Grunde richtet, das bringen wir schon selber fertig. Ein Volk, das seinen eigenen Nachwuchs bereits im Mutterleib hinrichtet, hat keine Zukunft. Uns fehlen heute genau die Millionen Kinder, die wir „rechtswidrig, aber straffrei“ haben abtreiben lassen. Eine politische Partei, auch wenn sie das „C“ in ihrem Namen trägt, hat nichts als den eigenen Untergang verdient, wenn sie nicht entschiedener gegen diesen Missbrauch vorgeht.
Ist es demzufolge nicht ein „Muss“ für Wertkonservative, sich endlich außerhalb der CDU zu organisieren? So lange sich die CDU auf FDP-, SPD- und GRÜN-kompatibel trimmen muss, um mitregieren zu dürfen, sind doch von der Union keine Impulse mehr zu erwarten. Hinzu kommt, dass Leute wie Norbert Röttgen Konservative in der CDU als eine aussterbende Spezies betrachten.
Wenn Herr Röttgen dieser Meinung ist, trete ich gern aus seiner Partei aus, die dann nicht mehr meine Partei ist. Herr Röttgen hat noch in die Windeln gemacht, als ich Mitglied dieser traditionsreichen, von gläubigen Christen wie Adenauer und Erhard glaubwürdig repräsentierten Partei wurde. Doch „wohin soll ich mich wenden?“, kann ich da nur mit einem alten Kirchenlied fragen. Frau Merkel wie Herr Röttgen können mir gestohlen bleiben, wenn sie das „C“ nicht mehr bewahren wollen. Eine Partei mit dem „C“, die das Christliche nicht mehr bewahren will, betreibt Etikettenschwindel.
Wird es irgendwann gelingen, eine konservative Sammlungspartei ins Leben zu rufen, die man nicht gleich wieder unter dem Vorwand unziemlicher Äußerungen Einzelner in den Verfassungsschutzbericht befördern wird? Die Grünen entkamen dem Verfassungsschutz maßgeblich auch deshalb, weil sie Sachverhalte thematisierten, deren Wichtigkeit zumindest unterschwellig von der Gesellschaft akzeptiert wurde.
Aber was heißt hier konservativ? Was will man bewahren? Das ist die ungelöste Frage der Konservativen. Ich bin nicht geneigt, alles Mögliche, was die Vergangenheit uns hinterlassen hat, auch zu erhalten. Ganz im Gegenteil: Heute bedeutet „konservativ“ vor allem, gegen den Zeitgeist, gegen den Mainstream anzugehen. Und dies mit Berufung auf den Geist unseres Grundgesetzes, das wirkungsgeschichtlich aus dem Christentum hervorging. Vielleicht bequemen sich unsere Politiker und auch die Verfassungsschützer einmal, den Verfassungstext genau zu studieren. Etwa den Artikel 1, der die unantastbare Würde des Menschen, und den Artikel 6, der den besonderen Schutz von Ehe und Familie hervorhebt. Was wir brauchen, ist eine Verfassungspartei, die den ursprünglichen Sinn unseres Grundgesetzes wiederherstellt. Die Verfassung darf nicht unter der Hand durch willkürliche Interpretation in ihr Gegenteil verkehrt werden. Wenn einem unsere Verfassung nicht gefällt, soll er sie durch Mehrheitsbeschluss verändern – oder auswandern. Aber diesen semantischen Trick mit der Uminterpretation finde ich widerlich.
Wie hätte die Kanzlerin Ihrer Ansicht nach auf die von Thilo Sarrazin angestoßene Diskussion zur Islamisierung und möglichen Selbstauslöschung des deutschen Volkes reagieren sollen?
Die Dame hätte vielleicht einmal dieses Buch lesen sollen, bevor sie es in Bausch und Bogen ablehnte. Natürlich gibt es da einiges zu kritisieren. Aber wichtiger als die Sarrazin-Lektüre ist für eine Bundeskanzlerin wohl die Lektüre des Grundgesetzes, auf das sie vereidigt wurde. Verständlich ist es schon, wenn sie nicht ständig mit dem Grundgesetz unterm Arm herumlaufen will. Sie ist eben in der „DDR“ sozialisiert worden. Nun ist sie aber dem „deutschen Volk“ verpflichtet, dem eigentlichen Souverän unseres Staates und seiner „neuen Ordnung“. Inzwischen ist das „deutsche Volk“ völlig aus der politischen Rhetorik und Praxis verschwunden. Der Souverän spielt keine Rolle mehr. Er wird verdrängt durch eine bunte Bevölkerung, die europäisch aufgesogen, aber nicht kulturell und rechtlich verdaut wird. Das ist ein eklatanter Verrat an unserer Verfassung.
Glauben Sie, dass es, so lange die großen Kirchen in Deutschland durch die Kirchensteuer alimentiert werden, zu einer christlichen Renaissance kommen wird? Immerhin sinkt die Zahl der Taufen drastisch. Gleichzeitig nimmt die Zahl der Kinder noch stärker ab, die in ihrer Kindheit emotional von Erwachsenen an das Christentum herangeführt werden, was vielleicht das wichtigste Element in der Glaubensweitergabe darstellt.
Da sprechen Sie einen wunden Punkt der Kirche in Deutschland und den deutschsprachigen Kirchen Europas an. Schlimm wäre es, wenn deren Bestand und Wirksamkeit von staatlichen Unterstützungen abhängig wären. Denn europaweit zeichnet sich eine zunehmende Entfremdung zwischen Kirche und Staat ab. Die christlichen Kirchen werden immer mehr mit den muslimischen Gemeinschaften gleichgestellt. Aber während diese missionarisch expandieren, verlieren die Kirchen an öffentlicher Bedeutung. Zu dieser Säkularisierung und Entchristlichung haben die Kirchen, auch die katholische, selber beigetragen. Von Rom, also von der Weltkirche aus betrachtet, sieht die Sache allerdings nicht so dramatisch aus.
Wie wirkt auf Sie, dass vor drei Wochen der frühere Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestags, Reinhold Robbe, in einer evangelischen Kirche in Berlin seinen Lebensgefährten „geheiratet“ hat? Wohin entwickelt sich der deutsche Protestantismus? Wird der Graben zwischen der Katholischen und Evangelischen Kirche wieder tiefer werden?
Ich gratuliere Herrn Robbe zu seinem späten Glück, wenngleich ich bezweifle, dass es von langer Dauer ist. Sollen sie leben, wie sie wollen. Aber für eine gleichgeschlechtliche Verbindung auch noch die Kirche oder sogar den Staat in Anspruch zu nehmen, halte ich für eine Perversion. Die Kirche kann aus einer alten Sünde kein neues Sakrament machen. Und der Staat sollte sich davor hüten, die programmierte Kinderlosigkeit auch noch zu prämieren. Der Artikel 6 unseres Grundgesetzes bevorzugt Ehe und Familie. Wer dieses Privileg verallgemeinert, wer es ausdehnt auf alle möglichen Partnerschaften, schafft es ab. Die staatlich finanzierte und kirchlich eingesegnete Homoehe ist ein Signal für die Selbstabschaffung von Kirche und Staat.
Würden Sie zustimmen, dass es eigentlich vordringliche Aufgabe jedes Christen und erst recht Pfarrers wäre, Muslimen, die bei uns leben, das Christentum nahe zu bringen? Immerhin müsste doch deren Seelenheil auf dem Spiel stehen, wenn sie sich aus der muslimischen Irrlehre nicht lösen?
Es gibt einen allgemeinen christlichen Missionsauftrag. Wer den leugnet, ist kein Christ mehr. Die allgemeine Religions- und Meinungsfreiheit gibt den Christen und anderen Religionen in unseren Breiten auch jede Freiheit, für ihre Glaubenswahrheit zu werben. Die Christen hierzulande machen nur wenig Gebrauch davon. Wir sind selber ein Missionsland geworden, das der Missionare aus anderen Ländern dringend bedürftig ist. Andererseits ist bei uns die Konversion von Muslimen mit großen Risiken verbunden. Und die christliche Mission in muslimischen Staaten ist so gut wie unmöglich. Dabei ist die Religionsfreiheit ein Prüfstein für alle anderen Freiheiten.
Könnten Christen bei der Abwendung der Islamisierung Europas eine Rolle spielen oder sind sie – sozusagen als Gefangene der Bergpredigt – nicht im Prinzip dazu gezwungen, zumindest alle Elenden dieser Welt aufzunehmen?
Mit der Bergpredigt lässt sich keine Politik machen. Das meinte schon Bismarck, und das ist auch Auffassung der seriösen Bibelwissenschaft, zu der Heiner Geißler jedenfalls nicht gehört. Die Bergpredigt gehört nicht zur Gesetzesethik, sondern zur radikal endzeitlichen Liebesethik Jesu, deren Erfüllung Glaube und Gnade bei den einzelnen voraussetzt. Staatlich erzwingbar soll dieses Handeln jedenfalls nicht sein. Was wir daraus lernen können: Gewaltminimierung auf jeden Fall. Und dass wir die Fremden, die schon im Land sind, menschlich behandeln. Aber alle Armen dieser Welt einzuladen, ihre angestammte Heimat zu verlassen, um in die reichen Länder einzuwandern: Das hätte Jesus bestimmt nicht gewollt. Er war gewiss kein Anarchist. Erst recht hat er Moral und Recht, Politik und Religion nicht miteinander vermischt, wie es im Islam der Fall ist. Christentum und Islam sind unvereinbar.
Wie könnte eine Balance zwischen dem Streben des Einzelnen nach Selbstverwirklichung und einer wieder an ihrer Zukunftsfähigkeit interessierten Gesellschaft aussehen? Was müsste sich ändern in unserem Land?
Die modernen Ideologien des Westens haben abgewirtschaftet. Individualismus und Kollektivismus, Kapitalismus wie Sozialismus sind gescheitert. Wir müssen erneut einen Dritten Weg zwischen diesen Extremen suchen. Die Soziale Marktwirtschaft war so ein Dritter Weg – und für lange Zeit sehr erfolgreich in Deutschland. Wir müssen die Zehn Gebote wieder entdecken und die klassischen Tugenden praktizieren. Damit können wir die aktuellen Krisen besser bewältigen. Mit Selbstverwirklichung auf Kosten anderer ist kein Blumentopf mehr zu gewinnen. Und ein Leben auf Pump ist Diebstahl an den späteren Generationen.
Herr Professor Ockenfels, wir danken Ihnen für das Interview.
» Email an Prof. Wolfgang Ockenfels: ockenwol@uni-trier.de [3]
Like
[10]Die Europäische Union überlegt, Dänemark wieder zur Grenzöffnung zu zwingen. Ferner warnt die EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström (Foto) vor „nationalistischen Tendenzen“ einiger Mitgliedsländer.
Der Focus [11] schreibt:
Die von Dänemark angekündigten Grenzkontrollen wirbeln in Europa viel Staub auf. Brüssel schließt eine Klage gegen Kopenhagen nicht aus. Doch die Dänen zeigen sich unnachgiebig.
Eine erste Bewertung werfe Zweifel auf, ob die Maßnahme mit den Verpflichtungen Dänemarks vereinbar sei, schrieb Kommissionspräsident José Manuel Barroso an Dänemarks Regierungschef Lars Løkke Rasmussen.
Barroso äußerte „ernste Besorgnis“ und zweifelte in dem Schreiben vom Freitag an, ob das Vorhaben einhergehe mit dem Schengen-Abkommen sowie den europäischen Binnenmarktregeln hinsichtlich des freien Verkehrs von Waren, Dienstleistungen, Kapital und Menschen. „Ich muss daran erinnern, dass wir notfalls alle nötigen Schritte unternehmen, um das vollkommene Einhalten der fraglichen Gesetze sicherzustellen“, drohte der Kommissionspräsident auch mit einem Vertragsverletzungsverfahren.
Er habe die Versicherungen der Regierung in Kopenhagen zwar zur Kenntnis genommen, dass die Kontrollen nicht gegen das Schengen-Abkommen verstießen, schrieb Barroso weiter. Er fordere den Ministerpräsidenten aber auf, die geplanten Maßnahmen nicht ohne weitere Absprache mit der EU-Kommission durchzuführen.
Warnung vor nationalistischen Tendenzen
Ähnlich äußerte sich EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström. Sie ermahnte Dänemark ebenfalls, von einseitigen Schritten abzusehen und sicherzustellen, dass alle Maßnahmen im Einklang mit der EU-Gesetzgebung stünden. „Die Kommission ist bereit, den Dialog mit Dänemark fortzusetzen“, betonte sie. „Aber wir werden, wenn nötig, die uns zur Verfügung stehenden Mittel ergreifen, um sicherzustellen, dass die EU-Gesetzgebung respektiert wird.“
Die Mitgliedsstaaten rief Malmström auf, nationalistischen und simplizistischen Tendenzen in der EU die Stirn zu bieten. Die derzeitigen Entwicklungen seien „keine vorrübergehende Grippe“, sagte sie bei einer Veranstaltung in Brüssel. „Es ist ein Signal, dass es in der Union nicht gut läuft, es uns an Selbstvertrauen fehlt, an Stärke, an Hoffnung und dem Willen, Änderungen zum Besseren einzuleiten.“
Die tiefe Wirtschaftskrise habe in Europa ein Klima der Unruhe geschaffen, von dem nun eine ganze Reihe von Bewegungen profitierten, die einfache Lösungen propagierten. Aber: „Eine große Mehrheit hat diese nicht gewählt“, betonte sie. Hier seien nun die Regierungen gefragt. Sie müssten diesen Bewegungen die Stirn bieten.
Die dänische Regierung hatte am Mittwoch angekündigt, wieder Kontrollen an Dänemarks Grenzen zu Deutschland und Schweden einzuführen, um illegale Einwanderung und organisierte Kriminalität einzudämmen.
Kritik von dänischer Minderheit in Schleswig-Holstein
Die Fraktionschefin des Südschleswigschen Wählerverbandes (SSW) im Landtag von Schleswig-Holstein, Anke Spoorendonk, äußerte die Befürchtung, die Menschen im Grenzgebiet könnten verunsichert werden. „Wenn man sich anguckt, wie die Grenzkontrollen ausgebaut werden sollen, dann kann ich mir nicht vorstellen, dass die Pendler dadurch nicht schikaniert werden“, sagte sie im Bayerischen Rundfunk. Der SSW versteht sich als Vertretung der dänischen Minderheit im Norden.
Die Grünen-Fraktionschefin im Europaparlament, Rebecca Harms, warnte vor einer Renationalisierung der Europapolitik. Es sei „höchste Zeit, sich auf bestimmte Qualitäten und Vorteile der Europäischen Union zu besinnen“, sagte Harms dem RBB-Inforadio. Eine Rückkehr in „nationale Container“ dürfe es nicht geben.
Totale Kontrolle und Abschaffung aller nationalstaatlichen Souveränität. Der EU-Alptraum wird immer schauriger…
» cecilia.malmstrom@ec.europa.eu [12]
Like
[22]
Wer in diesen Tagen „Sobibor [23]“ hört, denkt vor allem an Bilder eines Greises, der sich für lange zurückliegende Taten vor einem deutschen Gericht verantworten muss. Dass, anders als bei etwa bei Auschwitz, keine Bilder der Opfer oder der industriellen Vernichtungsanlagen vor unserem geistigen Auge erscheinen, liegt daran, dass es solche Bilder kaum gibt. Dabei ist Sobibor ein ganz besonderes Lager, Schauplatz einer der seltenen halbwegs erfolgreichen Häftlingsaufstände in KZs. Aber das hat es keineswegs zu einer Pilgerstätte der Erinnerung werden lassen – ganz im Gegenteil.
Die gewaltsame Selbstbefreiung von 365 Gefangenen brachte den Nationalsozialisten die Vergänglichkeit ihrer Herrschaft offenbar auf so unangenehme Weise ins Bewusstsein, dass sie das Vernichtungslager nach nicht einmal 2 Jahren des Betriebes nicht nur schlossen, nachdem sie die noch im Lager zurückgebliebenen Häftlinge ermordet hatten, sondern es auch dem Erdboden gleich machten und mit einem neuen Wald aufforsteten. Auf heutigen Luftaufnahmen kann man die Umrisse des einstigen Lagers kaum noch erahnen.
[24]
Von den damals entkommenen Gefangenen überlebten nur knapp 50 die eineinhalb Jahre bis Kriegsende, was nicht gerade dafür spricht, dass die katholischen polnischen Bauern der Umgebung ihnen besondere Hilfe geleistet hätten. Gerade was Antisemitismus und Judenverfolgung betrifft, war es in Polen, wie auch in vielen anderen besetzten Ländern eben keineswegs so, dass die Nazis auf eine Mauer wenn auch nur passiven Widerstandes gestoßen wären. Unter den überfallenen Völkern war so mancher gerne bereit, der SS bei der Suche nach Juden gastfreundliche Hilfe zu leisten, was nach Kriegsende gerne schnell vergessen wurde. Das mag erklären, warum auch Polen wenig Interesse zeigte, die Erinnerung an Sobibor wach zu halten.
Erst in den 60er Jahren gab es ein kleines Denkmal für die etwa 250.000 Ermordeten, das zunächst verschwieg, dass es sich dabei hauptsächlich um Juden gehandelt hatte. Erst vor wenigen Jahren wurde dies korrigiert und wenigstens zum Gedenken eine Allee gepflanzt, die dem Weg der ankommenden Juden vom Bahnsteig zur Gaskammer folgt. Eine längere Unterbringung von Gefangenen war in dem reinen Vernichtungslager nicht vorgesehen. Abgesehen von Juden, die für Arbeiten im Lager abkommandiert waren, ging es in der Regel direkt vom Zug in die Gaskammer. Eine Fabrik des Todes.
Gerade diese „Effizienz“ aber bot dann vermutlich den Ansatzpunkt für den erfolgreichen Aufstand. Denn zum Betrieb der Massenvernichtung waren gerade einmal 30 SS-Leute in Sobibor. Unterstützt wurden diese tatkräftig von etwa 100 Trawniki-Männern, Freiwilligen oder zur Freiwilligkeit gezwungenen Ukrainern, darunter auch Kriegsgefangene. Gerade diese Helfer waren, so berichten es die überlebenden Gefangenen, wegen ihrer exzessiven, unnötigen und freiwilligen Grausamkeit bei den Opfern gefürchtet. Offenbar handelte es sich auch bei diesen überwiegend um den bereits erwähnten Personenkreis in fast allen besetzten Ländern, der den Antisemitismus der Besatzer durchaus teilte, und sich durch besonderen Eifer vor den SS-Männern aufspielen wollte.
Der 82-jährige Zeitzeuge Thomas Blatt, der im Prozess gegen Demjanjuk aussagte, berichtet beim Blog EinesTages [25] des SPIEGEL über die Zustände im Vernichtungslager:
SPIEGEL: Herr Blatt, Sie sind aus Kalifornien angereist, um vor dem Ermittlungsrichter in München gegen John Demjanjuk auszusagen. Demjanjuk wird vorgeworfen, am Mord von mindestens 29.000 Menschen im Vernichtungslager Sobibor beteiligt gewesen zu sein. Was werden Sie dem Richter erzählen?
Blatt: Was die ukrainischen Wachmannschaften in Sobibor getan haben. Wir hatten vor ihnen mehr Angst als vor den Deutschen, und ich war zur gleichen Zeit dort wie Demjanjuk.
SPIEGEL: Was werfen Sie ihm vor?
Blatt: Er hat mitgeholfen, dass die Todesfabrik funktionierte. Ohne die gut 100 Ukrainer hätten es die Deutschen niemals geschafft, 250.000 Juden umzubringen. Zum SS-Personal zählten gerade einmal 30 Deutsche, und von denen war die Hälfte immer im Urlaub oder krank. Wir haben in Sobibor mehr Ukrainer als Deutsche gesehen, und wir zitterten vor ihnen.
SPIEGEL: Mit „Ukrainern“ meinen Sie die ausländischen Gehilfen, die von der SS im Lager Trawniki ausgebildet worden waren; unter ihnen waren viele Ukrainer. Warum haben Sie die besonders gefürchtet?
Blatt: Sie haben uns misshandelt, sie haben alte und kranke Neuankömmlinge, die nicht mehr gehen konnten, erschossen. Und sie waren diejenigen, die die nackten Menschen mit aufgepflanzten Bajonetten in die Gaskammer trieben. Ich musste häufig nur wenige Meter entfernt arbeiten. Wenn jemand nicht weiterwollte, haben sie geschlagen und geschossen. Ich höre heute noch ihre Schreie „idi sjuda“, „komm her“.
SPIEGEL: Aber jener Teil des Vernichtungslagers, in dem die Gaskammer lag, war abgesperrt. Sie konnten doch dort nicht hin.
Blatt: Dass sie die Juden in den Zugang zur Todeszone trieben, die sogenannte Himmelfahrtsstraße, habe ich selbst gesehen.
SPIEGEL: Haben Sie auch mit eigenen Augen gesehen, wie Trawniki-Männer Häftlinge mordeten?
Blatt: Ja, ich war dabei, als Ukrainer polnische Juden erschossen, die versucht hatten zu fliehen. Und ich erinnere unendlich viele Misshandlungen. Einmal waren wir im Wald, um Bäume zu fällen. Die Ukrainer wollten, dass wir singen. Doch die russischen Lieder, die die Ukrainer hören wollten, konnten nur die polnischen Juden singen, nicht die holländischen. Da haben sie diese so gequält, dass sich einige von ihnen in der Nacht in den Baracken erhängten.
SPIEGEL: Handelten die Wachleute nicht auf Befehl der Deutschen?
Blatt: Viele waren Sadisten, die Misshandlungen waren ihnen nicht befohlen worden. Oder sie wollten sich vor den Deutschen aufspielen. Nur wenn sie Geld oder Gold von uns bekamen, ließen sie uns für eine Weile in Ruhe.
SPIEGEL: Woher hatten Sie diese Dinge?
Blatt: Ich musste zeitweise die Habseligkeiten der Ermordeten verbrennen, die diese vor dem Weg in die Gaskammer abgelegt hatten. Da waren manchmal Goldmünzen versteckt, sie lagen dann in der Asche. Andere habe ich beim Sortieren gefunden. Die Ukrainer wollten damit Prostituierte bezahlen.
SPIEGEL: Im Lager?
Blatt: Nein, in den Dörfern drum herum. Eine der Frauen hat mir das später erzählt.
SPIEGEL: Und keiner der Wachmänner hat so etwas wie Mitgefühl gezeigt?
Blatt: Da war einer, der hieß Klatt. Der hat als Einziger nicht geschlagen.
SPIEGEL: Wachleute wie Demjanjuk wurden von der SS aus dem Heer gefangener Rotarmisten rekrutiert, von denen Millionen in den Lagern der Wehrmacht elend umkamen. Hatten diese Männer eine Wahl, wenn sie ihr Leben retten wollten?
Blatt: Es stimmt, die SS verlangte von ihnen, dass sie mordeten, um zu leben. Aber viele andere Gefangene ließen sich nicht mit den Deutschen ein. Und die Wachleute in Sobibor hätten auch desertieren können. Einige von ihnen sind ja abgehauen.
SPIEGEL: Erinnern Sie sich noch an Ihre Ankunft in Sobibor?
Blatt: Ja, das war im April 1943. Ich wurde mit meiner Familie aus meinem Heimatort Izbica auf Lastwagen dorthin gebracht. Wir lebten ja nur 70 Kilometer von Sobibor entfernt, wir wussten, was dort passierte. Und doch haben wir gehofft, dass das nicht unser Tod sein würde. Es ist wohl die Natur des Menschen, bis zur letzten Minute zu hoffen. Nur mein Vater, der hat gesagt: Wir werden sowieso sterben. Und ich weiß, wie ein Mann neben mir durch ein Loch in der Plane spähte und auf Jiddisch sagte: „Ys schwarz von Ukrainer.“ Er meinte die Farbe der Uniformen. Die Ukrainer eskortierten uns ins Lager.
SPIEGEL: Wie überlebten Sie die Selektion?
Blatt: Es gab in Sobibor keine Selektion, die Juden sollten dort ausnahmslos sterben.
SPIEGEL: Wie sind Sie dann dem Tod entronnen?
Blatt: Ich drängte mich nach vorn, als ein SS-Mann unsere Gruppe abschritt, um nach Handwerkern zu suchen. Dabei hatte ich gar kein Handwerk gelernt. Ich war 15 Jahre alt, klein und dünn. Vielleicht bemerkte der SS-Mann, Oberscharführer Karl Frenzel, meinen starken Willen. Er sagte: „Komm raus, du, Kleiner.“ Damit war ich vorläufig gerettet. Hinterher erfuhr ich, dass sie einige Tage zuvor holländische Juden unter den Arbeitshäftlingen erschossen hatten. Ich sollte die Lücke füllen.
SPIEGEL: Was passierte mit Ihrer Familie?
Blatt: Ein SS-Mann schlug meinen Vater mit einem Knüppel zusammen, dann verlor ich ihn aus den Augen. Zu meiner Mutter hatte ich noch gesagt: „Und ich durfte gestern die Milch nicht austrinken, du wolltest unbedingt noch welche für heute aufheben.“ Meine seltsame Bemerkung verfolgt mich bis heute; es war das Letzte, was ich zu ihr sagte. Mein zehnjähriger Bruder blieb an der Seite meiner Mutter. Sie wurden alle in der Gaskammer ermordet.
SPIEGEL: Was war Ihre Überlebensstrategie?
Blatt: Ich wusste: Die Deutschen schätzen es, wenn man sauber und gesund ist. Ich habe versucht, beim Gehen stark auszusehen, am besten mit einem Lächeln im Gesicht. Ich habe darauf geachtet, dass meine Hosen beim Schlafen nicht verknitterten und ihre Bügelfalten behielten. Und ich war neugierig, bin immer herumgegangen und habe nach Fluchtmöglichkeiten gesucht.
SPIEGEL: Was waren Ihre Aufgaben im Lager?
Blatt: Ich musste die Habseligkeiten der Opfer sortieren, Hemden zu Hemden, Schuhe zu Schuhen. Einige Male musste ich auch Frauen die Haare abschneiden, bevor sie in die Gaskammer gingen. Sie waren bereits nackt. Sobibor war eine Fabrik, zwischen Ankunft und Verbrennung der Leichen lagen meist nur wenige Stunden.
SPIEGEL: Wussten die Menschen, was mit ihnen geschehen würde?
Blatt: Vor allem die Holländer waren völlig ahnungslos. Traf ein Transport ein, hielt meist ein SS-Mann eine Ansprache. Er entschuldigte sich für die beschwerliche Reise und sagte, aus hygienischen Gründen müssten erst einmal alle duschen. Später würden sie dann irgendwo arbeiten. Manche der Juden haben applaudiert. Die konnten sich nicht vorstellen, was sie erwartete.
SPIEGEL: Sie gehörten zu den Organisatoren des Aufstands von Sobibor am 14. Oktober 1943. Wie kam es dazu?
Blatt: Geholfen haben vor allem jüdische Rotarmisten aus Minsk, die als Arbeitshäftlinge nach Sobibor gebracht worden waren. Die brauchten nur zwei Wochen, um den Aufstand zu planen.
SPIEGEL: Wie lief die Aktion ab?
Blatt: Wir wollten die SS-Leute einzeln in den Hinterhalt locken und sie dann töten. Dabei verließen wir uns auf die Habgier der Männer und auf ihre Pünktlichkeit. Das funktionierte. Einem SS-Unterscharführer, Josef Wolf, erzählten wir, dass man einen schönen Ledermantel für ihn aufbewahre. Er solle zu einem bestimmten Zeitpunkt kommen, und das machte er auch, und dann haben ihn Häftlinge getötet. Wir haben ein Dutzend SS-Leute und eine unbekannte Zahl an Wachmännern umgebracht. Die Deutschen und die Wachmänner haben erst spät gemerkt, was los war.
SPIEGEL: Wie sind Sie danach entkommen?
Blatt: Ich wollte durch ein Loch im Stacheldrahtzaun steigen, das jemand mit der Axt geschlagen hatte. Doch als der Wachmann im Turm auf uns schoss, begannen einige zu klettern. Der Zaun fiel um, ich blieb mit meinem Mantel im Stacheldraht hängen. Das hat mir das Leben gerettet. Die vor mir hinausliefen, wurden in den Minenfeldern zerfetzt, die auf der anderen Seite des Zauns lagen. Ich schlüpfte aus dem Mantel und rannte weg. Über 300 Häftlinge sind damals geflohen, rund 50 haben den Krieg überlebt.
SPIEGEL: Und wie haben Sie sich die anderthalb Jahre bis Kriegsende durchgeschlagen?
Blatt: Die Freiheit war schwierig. Wenn ich ein Christenjunge gewesen wäre, hätte ich bessere Chancen gehabt. Die Leute hätten sich um mich gekümmert. Doch wohin sollte ich? Mein Heimatort Izbica hatte keine jüdische Gemeinde mehr, und die polnischen Bauern sahen in uns vor allem die Christusmörder. Ein Bauer versteckte mich und einige andere zunächst gegen Geld, das wir aus Sobibor mitgenommen hatten. Später versuchte er, uns zu erschießen. Die Kugel steckt noch immer in meinem Kiefer. Ich habe mich dann im Wald oder in leerstehenden Gebäuden versteckt.
So unterschiedlich können die Bilder sein, an die Menschen denken, wenn sie „Sobibor“ hören.
[26]
Like
[30]Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, ich gehöre zu den etwa 50.000 Bürgern, die sich jeden Tag auf dem Internet-Blog informieren, den Sie offensichtlich im Auge hatten, als Sie dieses Zitat formulierten: „Leider kamen prompt auch Reaktionen aus einem fremdenfeindlichen und rechten Milieu, die mit Blick auf das Fahnenmeer diffuse Ängste schüren wollen“, sagte Rosenthal.
(Offener Brief an den Würzburger Oberbürgermeister Rosenthal von le Waldsterben)
Erstaunlich, dass Sie „fremdenfeindlich“ und „rechts“ mit einem Blog verknüpfen, den man – Gott sei’s geklagt – als eine der letzten verbliebenen israelfreundlichen deutschen Inseln betrachten muss, der schon in seinem Header für unser Grundgesetz und die Menschenrechte eintritt, die der Staat, dessen Flaggen Sie so fröhlich und scheinweltoffen durch Ihre Stadt wehen ließen, zunehmend gerne mit Füßen tritt (insbesondere, wenn Israelis diese Menschenrechte wahrnehmen wollen) und sich gerade massiv an solche Staaten annähert, die die Technik des Begrabens von Menschenrechten noch viel besser beherrschen – ja, dies mit dem Artikel 24 der ‚Kairoer Erklärung der Menschenrechte‘ Wegsehern wie Ihnen sogar schriftlich geben. (Nur lesen Sie es leider nicht.)
Abgesehen davon, dass neben den Gemeinsamkeiten, die wir beide sicherlich teilen – das Eintreten für Freiheit, Demokratie und Menschenrechte – uns ganz sicher der Umstand trennt, dass mir der moralische Kompass noch nicht abhanden gekommen ist, gibt es einen weiteren Grund, weswegen ich die echte freiheitliche Demokratie dieses Blogs erkenne und Sie nicht:
Er schärft die Sinne dafür, erkennen zu können, wann sich grandioser Stuss hinter vordergründig wohlklingenden Formulierungen verbirgt – so wie bei Ihrem Zitat. Das will ich Ihnen einmal durch eine Textersetzung verdeutlichen:
Nehmen wir an, es ginge nicht um türkische Fahnen in der Innenstadt im Sommer, sondern um die Weihnachtsdekoration im Winter: „Leider kamen prompt auch Reaktionen aus einem weihnachtsfeindlichen und atheistischen Milieu, die mit Blick auf das Glühbirnenmeer diffuse Ängste schüren wollen“, sagte Rosenthal.
Verstehen Sie den Unterschied?
Für den Fall, das nicht, mache ich es Ihnen einfacher: ersetzen Sie die türkischen durch andere Flaggen – z.B. einer Kultur, deren Menschen uns wohl noch erheblich fremdartiger erscheinen und deren Kultur zur unsrigen so unterschiedlich ist, das Geschäftsreisende vor ihrem ersten Besuch Schulungen benötigen, um nicht von einem Fettnäpfchen ins nächste zu treten: „Leider kamen prompt auch Reaktionen aus einem fremdenfeindlichen und rechten Milieu, die mit Blick auf das Meer japanischer Fahnen diffuse Ängste schüren wollen“, sagte Rosenthal.
Allerdings sollte ich Sie warnen: Wenn Sie jetzt den Westerwelle machen würden („Ich habe verstanden“), dann sollten Sie sich schon mal auf den Abschied von ihrem Posten vorbereiten. Denn wir sind das Land, das so weltoffen, vorzeigedemokratisch und tolerant ist, dass jeder, der es wagt, Wahrheiten zu benennen, mit einer umgehenden Sarrazinierung rechnen muss.
Da ist die Pippisierung weitaus angenehmer: Machen Sie sich die Welt, widi widi wie Sie Ihnen gefällt. Und trösten Sie sich notfalls damit:
Der Mann, der vom 20. Stock eines Hochhauses fällt, hat 19 Stockwerke lang keinerlei Probleme. Vom-Hochhaus-Fallen ist also zu 95 Prozent eine feine Sache. Ganz ähnlich wie bei der Zuwanderung – da haben Sie das Prinzip ja verstanden.
Like