Der bekannte „Professor aus Heidelberg“ (Zitat Gas-Gerd), Paul Kirchhof, hat in der FAZ gestern einen langen Aufsatz zur EU-Krise veröffentlicht, der sich zu lesen lohnt. Es geht um die EU und das Recht. Kirchhof erkennt viele gravierende Defizite, auch wenn er sozusagen staatstragend argumentiert. Und Kirchhof fordert, daß die EU auf den Weg des Rechts zurückzukehren habe. Wie man die EUdSSR kennt, könnten er und wir in dieser Richtung Pech haben.

Hier ein Auszug, Interessierte sollten aber den ganzen Artikel kopieren, vor er online wieder verschwindet:

Die dritte Erschwerung, Recht und Finanzen zu stabilisieren, liegt in der dynamischen Konzeption der Europäischen Union, die immer weiter auf Kompetenzzuwachs und Vergemeinschaftung drängt, damit nie zum Ruhen im geltenden Recht findet. Der Zug zu mehr Integration ist stetig unterwegs, ohne dass sein Ziel schon bestimmt und die Haltepunkte, in denen der Mensch ein- und aussteigen kann, schon definiert wären. Europa-Recht ist ein Recht auf Rädern, das Kontinuität und Nachhaltigkeit im Elementaren kennt, im Kampf um Macht und Aktionen aber verweigert, soweit dem Bürger das Vertrauen in dieses nicht vertraute Recht versagt.

Es scheint nicht sicher, dass der Abgeordnete bei der Entscheidung über die neuen Verträge verschrobene Begriffe wie „Finanzstabilitätsfazilität“, „Stabilitätsmechanismus“ oder einen Fachbegriff wie „société anonym“ versteht, die Bedeutung der Verträge überschaut, ihre Folgewirkungen einschätzen kann.
Für die Demokratie stellt sich damit die Frage, ob ein Volksvertreter, der das Volk im Wissen nicht zu vertreten mag, für das Volk entscheiden darf. Die Entscheidungsmacht verschiebt sich vom Parlament zur Exekutive.

Aus der rationalen Gestaltung wird ein pragmatisches Funktionieren. Statt geregelt wird verhandelt, statt zum Wort gestanden laviert, statt schonend ausgeglichen pragmatisch balanciert. Die Parlamente wechseln von der Rolle des Entscheiders zum Beobachter.
Das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht verselbständigt sich zu einem Handlungsziel, das nicht nach der Werthaltigkeit von Arbeit und Werk fragt, das Wirtschaftswachstum nicht nach seinem Preis beurteilt, die Geldwertstabilität im Streit der Interessenten preiszugeben droht. Gesucht wird die „pragmatische Lösung“. Die Rechtsmaßstäbe weichen dem alltäglichen Kompromiss, der zum Kerngedanken der Demokratie erklärt wird. Die Relativität des Entscheidens droht über die Verfasstheit der Demokratie zu triumphieren…

Sehr treffend, diese Analyse!

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18 KOMMENTARE

  1. „Nimm das Recht weg – was ist dann ein Staat noch anderes als eine große Räuberbande“, zitierte Benedikt XVI. den hl. Augustinus, seinen Lieblingskirchenvater, im Deutschen Bundestag. Das klingt ziemlich heutig.

  2. Uns Verbrauchern wird immer gesagt, wir sollen nur das unterschreiben, was wir wirklich verstehen. Wissen das auch unser abgeordneten Politiker?

  3. Ich glaube nicht,dass sich das Konstrukt EU noch mal irgendwann auseinanderdividieren lässt.
    Es wird zu einem Niveauausgleich kommen,wobei Deutschland der Hauptverlierer sein wird.
    Die Tragweite vieler Beschlüsse ist den Regierenden nicht bewusst.

  4. >Der bekannte “Professor aus Heidelberg”

    Der Erfinder der Haushaltsabgabe für den Staatspropagandafunk.

    Der ist besser:
    EU- und Staatskritik: „Staat heißt das kälteste aller kalten Ungeheuer“
    von Andreas Tögel.

    Eingangszitat von Edward Abbey (1927 – 1989): „Wenn du dich weigerst, ungerechte Steuern zu bezahlen, wird dein Eigentum konfisziert. Wenn du versuchst, dein Eigentum zu verteidigen, wirst du festgenommen. Wenn du dich der Festnahme widersetzt, wirst du niedergeknüppelt. Wenn du dich dagegen wehrst, wirst du erschossen. Diese Maßnahmen sind bekannt als Rechtsstaatlichkeit.“

    http://ef-magazin.de/2012/07/12/3603-eu–und-staatskritik-staat-heisst-das-kaelteste-aller-kalten-ungeheuer

  5. Die kritischen Stimmen werden immer mehr, immer potenter und immer lauter. Und die Stimmen welche PI in die rechte Schmuddelecke stellen wollen werden immer kläglicher. Mittlerweile darf sogar im Kanzlerdialog auf PI verlinkt werden!

  6. Die EU ist inzwischen bei ihren Völkern so beliebt, daß sie sich keine Volksabstimmung mehr leistet. Spricht das nicht Bände?

    Wer die Demokratie fürchtet, wie der berühmte Teufel das Weihwasser kann doch nur mit Rechtsbruch regieren.

    Eine relativ einfach zu begreifende Tatsache!

    Natürlich kann man diesen einfachen Sachverhalt auch in tollen juristischen Büchern darstellen, so man denn will!

  7. Vor Jahren hat Ex-BP Herzog schon festgestellt, dass 84% der Gesetze aus Brüssel kommen.
    Das war schon illegal. Wir haben keine Kommission gewählt, die über uns herrscht.

  8. #2 LupusLotarius (13. Jul 2012 09:47)

    Der Euro wurde ausschließlich für VW, Niklas Berggruen, Dr. Oetcker und Co. gemacht.
    Dafür wurde jedem Politiker, der die EU und die Wünsche der stellvertretend genannten Unternehmen durchboxt, Plätze in den Aufsichtsgremien und Vorstandetagen zugesagt, und das bekommen wir derzeit zu spüren.

    Es ist nicht die Überzeugung die unsere Politiker antreibt, sondern die reine Eitelkeit und Geldgier!

    Gruß

    Katthaus

  9. So wie die EU agiert auch die Bunte Republik.

    Da wo man mit GG und Beachtung von Rechten der Bürger nicht durch käme, da läßt man die einfach weg. Hier arbeitet man mit Rechtsbruch, Willkür und Unrecht. Ganz einfach so, um bestimmte Interessen durchzudrücken.

    Hier wäre z.B. die staatlich so dringend gewünschte Zuwanderung zu nennen!
    Alles nach der Methode, koste es, was es wolle! Wat mut dat mut.

    Keine Gleichbehandlung und keine Menschenrechte mehr und deren angebliche Wächter verschließen davor einfach die Augen!

    Ist es nicht schön, wenn man hemmende Gesetze einfach durch Mißachtung umgehen kann?

  10. Die Mutti ist alternativlos und sie wird es schon richten. Was braucht es, wenn man Mutti hat, Leute mit Sachverstand.
    Was hat ein Wissenschaftler, was ein Politiker nicht hat? Er hat Sachverstand und genau solche Leute brauchen Mutti und Ihresgleichen nicht, wenn sie Deutschland gegen die Wand fahren wollen.
    Wir haben Mutti, hoch lebe Mutti, unser aller geliebter Hosenanzug.

  11. Ein Beitrag von Kirchhof im Stil eines öffentlichen Biefes an die Kollegen des jetzt tagenden Bundesverfassungsgerichts. Vielleicht hifts. Habe da aber keine allzu großen Hoffnungen.

  12. Voßkuhle hat’s am Deinstag etwas knapper ausgedrückt: „Europa fordert den demokratischen Verfassungsstaat ebenso wie der demokratische Verfassungsstaat Europa fordert. Wer dieses Verhältnis zu einer Seite auflöst, verliert die andere!“

  13. Oh, Professor Kirchhof – mit dem Wort F I N A N Z S T A B I L I T Ä T S F A Z I L I T Ä T haben Sie meinen Tag gerettet! So etwas können nur diese EU-Volltrottel absondern!

  14. Wie lautete eine der der linken Kampfparolen?

    „Legal, illegal, schei**egal!“

    Und was passiert, wenn die Rufer von damals heute in den Regierungen sitzen?

    Wir bekommen eine Regierung, denen Legalität oder Illegalität völlig schei**egal ist, wenn das Ergebnis nur ihren Zielen dient.

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