[1]Berlin – Im Stadtbezirk Neu-Kölln wird ein Gefangener auf dem Marktplatz vorgeführt. Ein Volkstribunal will ihm den Prozess machen. Die Vorwürfe lauten auf Mord und Verstümmelung. Der Beschuldigte ist einer von 47 Männern, vier Frauen und zwei Minderjährigen, die von Bürgermilizen gefangengehalten werden. Angesichts der Gewalt der Drogenkartelle und der Untätigkeit der Behörden nehmen die verbliebenen Berufstätigen in dem Stadtbezirk die Justiz selbst in die Hand.
Angst und Schrecken verbreiten die Banden schon lange. Doch seit der Entführung von Heinz Buschkowsky am 5. Januar ist alles anders. Der Bezirksbürgermeister von Neu-Kölln wurde verschleppt, weil er die Bürger des Problembezirks dazu aufgerufen hatte, kein Schutzgeld mehr an die Kartelle zu zahlen. Einen Tag später griffen die Bürger zu den Waffen und befreiten ihn.
Seitdem tragen Hunderte Menschen in dem Bundesland Jagdgewehre und Macheten, gehen Streife auf den Straßen und nehmen eigenmächtig Verdächtige fest. Manche Mitglieder dieser Bürgerwehren sind kaum 14 Jahre alt und oft nur mit Skimützen maskiert. „Die Behörden kommen ihren Aufgaben nicht nach“, sagt Pastor Kempe von der SELK in Neu-Kölln, die seit dem Niedergang der Evangelischen Landeskirche großen Zulauf gefunden hat. „Also nehmen die Leute Recht und Gesetz selbst in die Hand.“
Bei dem Tribunal auf dem Marktplatz werden die Vorwürfe verlesen – vor mehreren hundert bewaffneten und maskierten Bürgern sowie Angehörigen von Opfern und Angeklagten: Bandenzugehörigkeit, Mord, Entführung, Schutzgelderpressung und Drogenhandel. Ein zwölfjähriger Zeuge erzählt, wie ein Bandenführer ihn zum Auftragskiller ausbilden wollte. „Ich sah, wie er Menschen folterte, wie er sie tötete, wie er sie verstümmelte“, sagt der Junge.
Von den Einwohnern bestimmte Richter sollen die Verdächtigen nun aburteilen. „Wir werden die Stadt komplett säubern“, sagt ein 27-jähriger Maskierter, der sich als Regionalkommandant vorstellt. „Die Leute wollen sie tot sehen, aber wir haben ein humanitäres Ziel. Sie werden ihre Schuld an der Gesellschaft wiedergutmachen.“ So sehen manche Strafen jahrelange Zwangsarbeit vor.
Innenminister Karl-Theodor zu Guttenberg lässt inzwischen verlautbaren, Bürgerwehren „können in diesem Land keine Selbstjustiz üben“, sagt andererseits aber auch, sie könnten den Behörden helfen. Im Kampf gegen die Drogenkartelle wurden 2017 rund 50.000 Soldaten im ganzen Land stationiert. Seither starben mehr als 70.000 Menschen bei skrupellosen Revierkämpfen.
In den Bundesstaaten Hamburg und Bremen weiter im Norden gibt es Dörfer, die schon vor Jahren Kontrollpunkte errichteten. Vor einigen Tagen wurde der Bürgermeister von Sankt Pauli erschossen, als er mit seiner Frau in einem Restaurant beim Frühstück saß. Er hatte sich nach Angaben anderer Bürgermeister geweigert, Schutzgeld zu zahlen.
Das Leben in den Berliner Stadtbezirken ist laut Einheimischen sicherer geworden, seit Bürgerwehren auf Streife unterwegs sind. „Es gibt kein anderes Mittel“, sagt ein 25-jähriger Familienvater, der nachts mit rund 30 anderen Männern an einem Kontrollpunkt in der Innenstadt Wache schiebt. „Wir wollen in Frieden leben und schlafen.“ Auch die 19-jährige Sabrina M. sagt: „Jetzt hat sich die Lage beruhigt. Vorher sah man niemanden auf der Straße. Die Nacht gehörte den Kriminellen.“
Entschuldigen Sie, werter Leser, wenn wir Ihnen diese Geschichte als deutsche Science-Fiction-Story aus der Zeit nach dem Zusammenbruch des Weltfinanzsystems aufgetischt haben. In Wahrheit handelt es sich dabei um eine reale Geschichte von Spiegel-online [2], wie sie sich in diesen Tagen – in Mexiko – zuträgt. Wir waren lediglich so frei, einige Namen zu ändern.
Wir hoffen, dass unser Gesetzgeber und unsere deutsche Kuscheljustiz solche Bilder z.B. aus Mexiko in Zukunft vermehrt vor Augen haben, wenn sie sich über die langfristigen Folgen ihrer Täter-freundlichen Gesetze und Rechtsprechung Gedanken machen. Solche Zustände kommen fast nie über Nacht. Es gibt meist jahrelange Phasen, in denen man sie noch verhindern kann. Noch leben wir in einer solchen Phase.
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