Von 11. bis 12. April 2013 wurde in Ankara das Symposium “Migration, Islam und Multikulturalität in Europa” abgehalten. In seiner Eröffnungsrede diagnostizierte der türkische Präsident Abdullah Gül (Foto) Rassismus und einen Mangel an Toleranz gegenüber unterschiedlichen Kulturen und Lebensweisen als eine der chronischen Krankheiten in den westlichen Gesellschaften.
(Von L.S.Gabriel)
Es werde auch von den dort lebenden Türken verstärkt Diskriminierung und Islamophobie wahrgenommen. Er beklagte die zunehmende Unterstützung für politische Parteien, die Migranten als Hauptgrund für gesellschaftliche Probleme wie Sicherheit, Arbeitslosigkeit, Kriminalität und Armut in europäischen Ländern betrachten, berichten die „Deutsch-Türkischen-Nachrichten [1]“.
Würden Gruppen durch die Politik als außenstehend betrachtet, so führe das unweigerlich zu einer Entfremdung der Migranten und Minderheiten von dem Land, in dem sie lebten, sagte Gül. Nur Länder die in der Lage seien, gesellschaftliche und kulturelle Vielfalt in Einheit und Harmonie zu manifestieren hätten Bestand. „In Anbetracht dessen, und obschon jedes Land für das Hervorbringen eigener authentischer Lösungen verantwortlich ist, ist Respekt für Multikulturalismus unerlässlich“, forderte er. „Rassismus und Intoleranz gegenüber anderen Kulturen und Lebensweisen sind leider die häufigsten chronischen Erkrankungen. Obwohl diese Krankheit unter Kontrolle gebracht werden kann, entsteht sie wieder. Besonders in Zeiten der Wirtschaftskrise.“, sagte der Präsident.
In diesem Zusammenhang sei Herrn Gül allerdings an den Umgang der Türkei mit Minderheiten erinnert. Gemäß der türkischen Interpretation des Lausanner Vertrages [2]wurden die Armenier, Bulgaren, Griechen und Juden zwar als Minderheiten anerkannt, sind aber mit erheblichen rechtlichen und praktischen Einschränkungen bezüglich ihrer Sprache und Religion konfrontiert. Das trifft für die nicht offiziell anerkannten Minderheiten in noch stärkerem Maß zu. Besonders die Kurden unterliegen erheblichen Repressionen.
Der Politikwissenschaftler Baskin Oran von der Universität in Ankara [3] sagt:
„Man sagt, Kurden und Türken seien gleichberechtigt und Kurden könnten sogar Staatspräsident werden. Auf den ersten Blick stimmt es. Im Grunde aber ist es eine Farce. In diesem Land können Kurden oder Minderheiten zwar tatsächlich bis in die höchsten Ämter kommen, nur zahlen sie einen hohen Preis: Sie dürfen ihre wahre Identität nicht preisgeben.“
Die religiöse Minderheit der Aleviten, wird als Muslime betrachtet, die erneut missioniert werden müssen, da sie den rechten Pfad des Islam verlassen hätten.
Die christlichen Minderheiten, dürfen weder Theologen im Lande ausbilden noch solche aus dem Ausland holen.
Der Mord am katholischen Priester Andrea Santoro [4]in seiner Kirche im türkischen Trabzon, im Jahr 2006, das Massaker an drei als „Missionaren [5]“ beschimpften Christen in Malatya 2007 und der Mord am armenischen Journalisten Hrant Dink [6] sind nur drei Beispiele dafür, was im Extremfall mit Minderheiten in der Türkei passieren kann.
Das standhafte Leugnen des Völkermordes an den Armeniern während des Ersten Weltkrieges ist dann nur noch ein weiterer Mosaikstein im Bild, das sich von der Türkei im Umgang mit Minderheiten zeichnet.
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