nagelAnlässlich der Jahresmitgliederversammlung der BÜRGERBEWEGUNG PAX EUROPA e.V. am Samstag in Fulda hielt der Orientalist und Islamwissenschaftler Prof. Tilman Nagel (Foto) einen sehr interessanten Vortrag zum Thema „Was ist Salafismus?“. Wir veröffentlichen nachfolgend Auszüge seines Text-Manuskripts und das Video seiner Rede.


a. Vorbemerkung

Unsere Urteile über Erscheinungen der islamischen Welt der Gegenwart kranken fast immer an zwei Unzul­änglichkeiten: Zum einen erfolgen sie vom Boden unserer eigenen Geschichte und Ideengeschichte aus, deren für uns heute pr­ägende Ergebnisse für universal gültig angesehen werden; innerhalb dieser für universal angesehenen Geschichte sucht man zum anderen nach Ereignissen, die als Auslöser für die zu beurteilenden Erscheinungen in Frage kommen könnten. Ein jedermann gel­äufiges Beispiel ist die zivilisatorische Zurückgebliebenheit vieler islamischer Lä­nder – bereits der Begriff der Zurückgebliebenheit birgt die Voraussetzung in sich, daß die eigenen, die europä­ischen Verhältnisse der gültige Maßstab seien. Und die Ursache der Zurückgebliebenheit? Sie kann bei dieser Sichtweise nicht in jenen Lä­ndern selber und in der sie beherrschenden Kultur liegen, sie muß auf Hindernisse zurückzuführen sein, die dort eine Entwicklung im Gleichschritt mit der unsrigen unmöglich machten. Sie müssen von außen her gewirkt haben, da sie ja per definitionem nicht endogener Natur sein können. Die Machtentfaltung des “Westens”, mit den Kampfbegriffen Imperialismus und Kolonialismus benannt, bietet sich als allf­älliges Schema einer “Erklärung” an.

Ein vergleichbares Muster der Bewertung wird auf den Salafismus angewendet. Selbst in seriösen Studien wie in Laurent Murawiecí The Mind of Jihad ist dies der Fall. Der Verfasser weiß sehr wohl, daß es einen sozusagen klassisch-islamischen Dschihad gibt, aber dieser wird ihm nicht zum Gegenstand grundlegender Erwä­gungen. Die islamische Welt habe die Herausforderung der modernen Zivilisation zurückgewiesen; sie habe sich stattdessen deren Schattenseiten, unter anderem dem Bolschewismus und dem Faschismus, geöffnet. Diese totalit­ären Strömungen hä­tten die muslimische Erinnerung an in der Geschichte weit zurückliegende Bewegungen geweckt, die in einem Endzeitkampf das Reich Allahs hätten verwirklichen wollen. Murawiec denkt an schiitische umstürzlerische Gruppierungen, die bisweilen neue Dynastien an die Macht brachten, die sich selber als die Erfüller endzeitlicher Erwartungen ausgaben, z.B. die Abbasiden, die Fatimiden, die Safawiden. Solche Erinnerungen h­ätten sich Deutsche wie Briten während des Ersten Weltkriegs in ihrer Orientpolitik zunutze gemacht. Jedenfalls sei die Vorstellung, daß man nur mit Gewalt der Verwirklichung legitimer politischer Ziele n­äher kommen könne, den um 1900 wirkenden Vork­ämpfern eines Wiederaufstiegs der islamischen Welt selbstverstä­ndlich gewesen. Diese hä­tten zugleich die Idee verfochten, daß zum Zwecke dieses Wiederaufstiegs die Rückkehr zur Denkweise der Altvorderen, arabisch as-salaf, unumgänglich sei. Im Laufe des 20. Jahrhunderts habe die Bereitschaft der “salafi-Bewegungen” immer mehr abgenommen, sich mit Vorstellungen des Westens einzulassen; sie hä­tten begonnen, alles zurückzuweisen und zu schm­ähen, was mit dem “Westen” zu tun habe. (Weiter auf dem Blog der Bürgerbewegung Pax Europa)

Hier das Video seines Vortrags:

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25 KOMMENTARE

  1. Selbst das führende Mitglied im Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD), der scheinbar gemäßigte Mohammedaner Wilfried „Murad“ Hofmann, ehemaliger deutscher Botschafter in Algerien und Marokko (1980-1994), vertritt „salafistische“ Ziele. Er schreibt in seinen Büchern „Islam“ und „Islam als Alternative“ (München 2002 und 1992), dass „islamischer Glaube, der nicht den Koran in seiner arabischen Ursprache für die wortwörtlich offenbarte Botschaft Allahs hält, unmöglich ist: Satz für Satz, Wort für Wort Sein (Allahs) herabgekommenes Wort, Seine unmittelbare, Sprache gewordene Mitteilung. … Die Anerkennung des Korans als Allahs Wort ist für den Muslim konstitutiv. Wer dies nicht glaubt, ist kein Muslim“! Von diesem Verständnis her sind für Hofmann und alle führenden Mohammedaner weltweit „alle wahren Muslime notwendig Fundamentalisten“.
    Und was steht im Koran? Mehr als 200 Surenverse fordern allein den gewaltsamen Kampf gegen alle Nicht-Muslime, also die „Ungläubigen“: Schlimmer als das Vieh sind bei Allah die Ungläubigen (Sure 8:55)! „Und kämpfet wider sie, bis kein Bürgerkrieg mehr ist, und bis alles an Allah glaubt“ (Sure 8:39). Zu seinen Nachfolgern sagte der Prophet des Islam: „Ihr seid das beste Volk (Nation), hervorgebracht zum Wohle der Menschheit, ihr gebietet das Gute und verwehrt das Böse und glaubt an Allah“ (Sure 3:110). Die Ereignisse in den Ländern des „arabischen und türkischen Friedens“ zeigen, dass diese „Religion des Friedens“ in Wirklichkeit eine Ideologie der Gewalt, des Hasses, der Intoleranz und des Mordens ist – auch unter den Mohammedanern selbst! Das alles findet seine Höhepunkt in Sure 9:111: „Denen gehört das Paradies (Allahs), die auf dem Wege Allahs streiten, die töten und getötet werden; ihnen gehört die wahre Verheißung.“ Dieser paradiesische Ort der Sinneslust ist vor allem Männern vorbehalten und wird in den Suren 56 und 78 beschrieben. Obwohl das alles so ist wie es ist, propagieren Politik und Kirche den Islam als „Bereicherung“ für unser Land. Und damit der Inhalt dieser Ideologie bereits den Kindern eingetrichtert wird, haben Politik und Kirche gemeinsame Sache gemacht und dem Islam auch die Türen unserer öffentlichen Schulen geöffnet und den Islam-Unterricht als Lehrfach eingeführt. In Hamburg wird demnächst sogar ein christlich-islamisher Unterricht erteilt werden und dabei der Art. 7 GG einfach ausgehebelt. Das Bundesverfassungsericht müsste wegen dieses erheblichen Verfassungsbruchs in diesem Falle eigentlich von sich aus tätig werden, weil die Politik hier völlig versagt! Und leider muss es auch immer wieder erwähnt werden: In Niedersachsen hat der Landesbischof Meister als erster den reinen Islam-Unterricht sogar an einer evangelischen Privatschule bei Hannover ohne jede Not selbst angeordnet und eingeführt.

  2. #1 BePe (10. Jun 2013 15:29)

    Claudia Roth wollte sich im Zuge der Femen-Proteste „oben ohne“ in Riad zeigen.

    Da kann man die Ausladung dieser „Schönheit“ nachvollziehen!

    😆

  3. Was ist Salafismus?

    Das ist gelebter Islam. Das ist urzeitliche Steinzeit! Das ist, wenn man Ungläubigen nach den Vorschriften des Koran die Kehle durchschneidet. Das ist, wenn man Frauen in ein Einmannzelt steckt. Wenn Frauen die Rechte von Haustieren haben. Wenn man Menschen mit einem anderen Glauben als Lebensunwerte und Untermenschen bezeichnet!

    Salafismus ist, wenn ein Moslem seine Herrenmenschen-Ideologie frei und ungehindert auslebt!

    Salafismus ist Islamo-Faschismus pur!

  4. Kluger Mann. Nur werden unsere Zweisemesterstudenten, Studienabbrecher, ausgebildeten Taxifaher mit Ehrendoktor, Pädophilen und sonstigen Alt-68er wieder nur Bahnhof verstehen.

  5. Das Wichtigste ist, deutlich zu machen, dass Salafismus keine islamistische Sekte ist, sondern gelebter Islam nach den Vorschriften des Koran. Es gibt keinen Euro-Islam. Es gibt nur einen Islam. Das müssen die Menschen begreifen. Der Islam wird erst dann sein wahres Gesicht zeigen, wenn er in der Mehrheit ist, solange dies nicht der Fall ist, passt er sich an. Wer das nicht wahr haben will, schaufelt sein eigenes Grab.
    Die Europäischen Politiker, die diesem neuen Faschismus den Weg bereiten, sind selbst die grössten Faschisten.

  6. „Salafi“, ist der „Nachahmer der Tradition“, der Tradition Mohammeds.
    Die Salafisten ahmen also Mohammed so weit nach wie möglich.
    Ihre Quellen sind in erster Linie die Hadithe und die Mohamadbiografie Ibn Ishaqs, siehe
    http://www.islamfacts.info/Islamfacts/Der_Muhamad_der_Tradition.html

    Das ist höchst pikant. Denn die Salafisten, wie die Sunniten insgesamt, haben sich, ohne es selber zu begreifen, schon ein ganzes Stück vom Koran entfernt. Nicht von ungefähr kommt, dass sich die Scharia sehr viel weniger auf den Koran als auf die (höchst dubiosen) Hadithe stützt.
    Man spricht korrekterweise von den Sunniten als den „Mohammedanern“.

  7. Das Video ist leider unvollständig und kappt den Vortrag um die wichtige Zusammenfassung am Schluss:
    .

    Der Salafismus, dies wird deutlich, kommt aus der Tiefe islamischer Gl­äubigkeit. Er ist mitnichten eine sektiererische Strömung, deren Außenseiterposition von islamischer Warte aus zu bestimmen wä­re und die dann aus der Rechtgl­äubigkeit ausgeschieden werden könnte. Er ist ferner mitnichten durch irgendwelche schuldhaften Verhaltensweisen oder Handlungen des Westens verursacht worden. Er entspricht vielmehr einem Wesenszug des Islams, der in der Heilsbotschaft des Korans gründet. Dieser Wesenszug entfaltet seine Wirkungen, seitdem der Islam sich über Medina hinaus gegen fremde Hochkulturen behaupten muß. Eine auf autorit­ären, für ewig gültig erklärten Texten beruhende Botschaft, die den Anspruch erhebt, den Kosmos zu erkl­ären und das Dasein des Menschen in totalitä­rer Manier zu regeln, muß sich gegen die Zumutungen der Wirklichkeit abschirmen. Der Salafismus scheut sich nicht, diese Notwendigkeit klar auszusprechen und zur Lebensmaxime zu erheben.

    .
    Der Göttinger Islamgelehrte wendet sich also gegen die weitverbreitete Auffassung, dass es sich beim Salafismus um einen sektiererischen „Extremismus“ handele, der exogene Ursprünge habe. Nein, sagt Nagel hier ganz klar: der Salafismus kommt aus dem Herzen des Islam, er ist Fleisch vom Fleische der Prophetenreligion – nicht mehr und nicht weniger.

  8. OT
    http://www.ndr.de/regional/niedersachsen/oldenburg/wildeshausen123.html
    Ein 20-Jähriger ist nach einer blutigen Auseinandersetzung in Wildeshausen (Landkreis Oldenburg) an seinen Verletzungen gestorben. In einer Wohnung waren am Sonntag gegen 20 Uhr sechs Männer aneinandergeraten. Vier von ihnen wurden dabei verletzt, zwei schwebten zeitweise in Lebensgefahr. Die Polizei geht davon aus, dass die Verletzungen von Messerstichen herrühren. Eine Mordkommission wurde eingerichtet.
    Angehörige verharren vor Krankenhaus

    Vor dem Krankenhaus, in das die Verletzten eingeliefert wurden, versammelten sich zwischenzeitlich rund 80 Familienangehörige. Die Polizei forderte einen Spezialisten zur Betreuung der schockierten Verwandten an.

  9. Salafisten haben starken Zulauf: Verdreifachung erwartet

    Die radikalislamischen Salafisten haben in Nordrhein-Westfalen enorm starken Zulauf. Der Verfassungsschutz rechnet damit, dass sich ihre Zahl innerhalb von zwei Jahren auf 1500 Anhänger verdreifacht. ,

    Das gab NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) am Montag bekannt, als er den Verfassungsschutzbericht 2012 vorstellte. Im Jahr 2011 war die Zahl der Salafisten in NRW noch auf 500 beziffert worden, 2012 hatte sie sich bereits auf rund 1000 verdoppelt. Ende 2013 sollen es 1500 sein.

    Besondere Sorgen bereite die steigende Zahl ausreisender Salafisten, die sich islamistischen Milizen in Syrien und Afrika anschließen.

    http://www.t-online.de/regionales/id_63787084/salafisten-haben-starken-zulauf-verdreifachung-erwartet.html

  10. #10 punctum

    Ich greife aus deinem Zitat einen Auschnitt heraus:

    Er ist ferner mitnichten durch irgendwelche schuldhaften Verhaltensweisen oder Handlungen des Westens verursacht worden. Er entspricht vielmehr einem Wesenszug des Islams

    Das kann man gar nicht genug betonen, denn schließlich ist das ein mächtiges Gegenargument gegen die Gutmenschen, die nicht müde werden zu behaupten, das wir (also der Westen) selbst Schuld sind, dass die Salafisten so im Kommen sind. Z.B. weil wir den Moslems nicht genügend Respekt entgegenbringen oder weil wir denen keine Perspektive bieten, weil wir sie mit unserer „Dekadenz“ beleidigen usw.

  11. @KDL

    Gutmenschen halten die Realität für eine Erfindung von Rechtsextremen, und bekämpfen sie darum mit der Verve der Selbstgerechten.

  12. Mit einem süffisant-hämischen Unterton kommentiert Daniel Bax in der taz die Morddrohungen gegen Hamed Abdel Samad:

    (…)In Deutschland gehört Abdel-Samad zur Riege jener „Islam-Kritiker“, die ihre Herkunftskultur mit dem vermeintlich authentischen Blick des angeblichen Insiders kritisieren. In seinem letzten Buch prophezeite er vollmundig gar den „Untergang der islamischen Welt“.(…)

    http://www.taz.de/Islamkritiker-Hamed-Abdel-Samad/!117841/

  13. Auch wenn zu diesem Beitrag nicht allzu viele Kommentare erscheinen, ist es wichtig, gelegentlich bei PI auch solche eher schwierigen Texte einzustellen. Und mit Tilman Nagel ist da ein hohes Niveau angesteuert. Muss auch mal sein neben vielem Aktuellem, das die Kommentare sprudeln lässt.

  14. Nagels Vortrag ist ein wissenschaftlicher Aufsatz für ein akademisches Publikum, und ich wundere mich, dass die BPE-Leute das ohne Murren eine Dreiviertelstunde lang ausgehalten haben. Schon der erste Satz, der sich über sieben Zeilen erstreckt, ist eine Katastrophe, so redet man nicht, wenn man Leute erreichen will, von denen die wenigsten die Uni von innen gesehen haben. Nagel hat also irgendeinen Text genommen, den er ohnehin gespeichert hatte, und darüber kann ich nicht besonders begeistert sein.

    Und was lehrt uns das? Die akademische Elite kann das Volk mit kryptischen Reden noch immer zum Verstummen bringen. Ich schätze Tilman Nagel sehr, aber wenn er einen Vortrag vor Leuten hält, sollte er sich den Leuten auch verständlich machen wollen.

  15. #19 johann:

    Aber wenigsten hat Daniel Bax die Morddrohung gegen Hamed Abdel-Samad überhaupt zur Kenntnis genommen. Es gibt das SPON-Interview mit Abdel-Samed und sonst nichts, alle anderen beschweigen den Vorgang. Nur das DeutschlandRadio hat eine kurze Notiz zum Thema, in der Rubrik „Kulturnachrichten“!, in der man so tut, als sei allseits bekannt, dass… Eine Schande ist das.

    http://www.dradio.de/kulturnachrichten/2013061011/3/

  16. Nachtrag zu #21:

    Das Wort „Katastrophe“ ist in dem Zusammenhang zu hart, „Zumutung“ wäre besser, schon der erste Satz war eine Zumutung.

  17. „Die Welt“ heute:

    „Wer es schafft, 52 Wörter in einem Satz unterzubringen, muss sich nicht wundern, wenn ihn keiner versteht. Doch das scheint vielen Topmanagern in Deutschland egal zu sein, wie eine Studie zeigt.“

    Nagels erster Satz hat 62 Wörter.

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