Bis vor kurzem glich das Verhältnis der Romands zu ihren französischen Nachbarn – anders als jenes der Deutschschweizer zu den Deutschen – einem schönen Frühlingstag in der Provence. Die Romands wärmten sich in der Sonne der französischen Kultur; ihre Liebe zur Douce France, obwohl nur teilweise erwidert, schien ungebrochen. Frankreich bedeutete ihnen Natur und Kultur zugleich, Midi et Paris, die Schönheit Südfrankreichs und die Eleganz der Lichterstadt. Welcher Welsche träumte nicht vom Haus in der Provence oder von der kleinen Dachwohnung – besser noch: von der «garçonnière» – in der Ville-lumière? Und wenn man sie nicht hatte, konnte man zumindest von Zeit zu Zeit nach Paris hinauffahren (man beachte: «on monte à Paris», auch wenn es geografisch hinabgeht), um dort ein Kulturbad zu nehmen und sich durch die Wendigkeit des französischen Geistes von der eigenen provinzlerischen Schwerfälligkeit erlösen zu lassen.

Diese Liebe, wir haben es angedeutet, war weitgehend eine Ein-Weg-Liebe. Aber wenn die Angebetete ihrem Verehrer gelegentlich ein Zeichen ihrer Huld zukommen liess, wenn beispielsweise im neu aufgelegten Französisch-Wörterbuch von Larousse oder Robert einige welsche Regionalismen auftauchten oder ein französischer Politiker ausnahmsweise ein gutes Wort über das politische System der Schweiz fallenliess, herrschte Freude im welschen Land. Und wenn gar ein grosser französischer Intellektueller, von der Schönheit des Lac Léman oder von der Stärke des Schweizerfrankens und dem guten Honorar angelockt, nach Genf oder Lausanne herunterkam («on descend de Paris»!), um dem Schweizer Publikum an einem Vortrag einen Spritzer französische Rhetorik zu kredenzen, dann waren der Begeisterung für den «esprit français» keine Grenzen mehr gesetzt. Auch wenn die meisten Romands sich im Kopf durch und durch als Schweizer fühlen, ihr Herz verehrt und liebt: la France.

«Liebte», möchte man jetzt fast sagen. Denn wenn nicht alles täuscht, ist ein scharfer Mistral daran, die Atmosphäre erkalten zu lassen. Schuld daran ist das neu ausgehandelte Doppelbesteuerungsabkommen zwischen der Schweiz und Frankreich in Sachen Erbschaftssteuern…

(Eine außerordentlich humorvolle und kenntnisreiche Charakteristik in der NZZ, auch wenn die Totengräberin der Schweiz, die Blocher-Verräterin Eveline Widmer-Schlumpf, die auch diese Kapitulation unterschrieben hat, geschont wird!)

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30 KOMMENTARE

  1. Welcher Genuss, diesen Kurzartikel zu lesen!
    Voller Witz, Ironie und — soll ich sagen – „esprit français“?

    Gar ein kleiner literarischer Appetitanreger! Bravo!

  2. Übrigens. Danke @ Kewil. Scheint ja die Schweiz wie seine eigene Hosentasche zu kennen 🙂

    Vielleicht ist Kewil sogar Schweizer ? Würde mich nicht wundern bei soviel Kenntnis über unsere „Schlumpfine“

    Und entgegen allen Kritikern, die gegen Kewil hetzen….. ich finde ihn eine Bereicherung für PI. Und Bereicherung ist dieses Mal durchaus positiv zu bewerten.

  3. @5
    Nein, kurze Adjektive mit ein oder zwei Silben stehen im Französischen gerne mal vor dem Substantiv, vergleiche la Grande Nation, le Bon Prix,…

  4. #4 ffmwest

    Kann diesen Kanal leider hier in der französischen Schweiz nicht empfangen 🙁

    #3 STS Lobo

    Wenn das stimmt, bin ich besonders stolz, so einen Mitbürger zu haben 🙂

  5. danke fürs einstellen dieses brauchbaren nzz artikels
    kewil.

    erst wenn der letzte gute steuerzahler leer geschröpft
    die letzte bank bankrott
    der letzte rohstoffhändler verduftet

    werden die lieben und netten merken, das man ihre SITTE (moral) nicht fressen kann.

  6. OT

    More Western jihadis fighting in Syria than in Iraq, Afghanistan, Somalia or Yemen
    Eventually they will return home — to stop them would be „Islamophobic.

    And then then it will get even more interesting. „Worries Mount as Syria Lures West’s Muslims,“ by Eric Schmitt for the New York Times, July 27 (thanks to Kenneth):

    WASHINGTON — A rising number of radicalized young Muslims with Western passports are traveling to Syria to fight with the rebels against the government of Bashar al-Assad, raising fears among American and European intelligence officials of a new terrorist threat when the fighters return home.

    http://www.jihadwatch.org/2013/07/more-western-jihadis-fighting-in-syria-than-in-iraq-afghanistan-somalia-or-yemen.html

  7. Auch das Verhältnis Schweiz-Italien ist weiter angespannt.Die beiden Länder sind sich derzeit insbesondere bei der Frage der Besteuerung italienischer Vermögen auf Schweizer Banken nicht einig. Zudem gibt es bilaterale Konflikte rund um die italienischen Grenzgänger im Tessin.

    Als in Italien noch Mario Monti Ministerpräsident war, wurden sogar von der Schweiz Finanz- und Wirtschaftsgespräche abgebrochen.

  8. Natürlich ist FKK n icht mormal. Mal Mann dem Löres nicht raushängen. Gut für Frauen mag nackheit natürlicher sein, weil dem keim so auffälliges primäres Geschlechtsorgan entgegensteht. Und wie auch immer: Frauen sind im Bikini ästhetischer als ohne, jedenfalls am Strand. Dasselnbe gilt übrigens insbesondere für Männer. Es ist ja nicht so, dass im TV immer nur unterirdicher Mist lief. So sah ich mal (natürlich vor Jahren, als die Welt noch nicht ganz kaputt war) einen Beitrag, in dem Frauen sich an gut gebauten sich „räkelnden“! Männern begeisterten. Das wichtigste war dabei, dass der Mann einen Slip trug. Weil es dann ästhetischer sei. Auf die Frage des Reporters, on man da,it sgen wolle, dass Männer-Svchwänze unästhetisch seien antwortete die Veraanstalterin der Session ziemlich souverän und mehrdeutig. Allerdings ist mir der genaue Wortlauf entfallen. Carmen Thomas (WDR, Schalke05??) machte mal eine Veranstaltung zum Thema mit dem Ü-Wagen. Da war auch einer dabei, der natürlich meinte, wie natürlich das alles sei. C. Thomas sprach ihn u.a. auf Erektion an, dass das doch in der Öffentliichkeit unangenehm sei (ich weiß, dass das auf dem Gymnasium manchmal problematisch war, wenn man eine extrem attrikte Mitschülerin neben sich hatte und deren Rock extrem kurz war. Dann hoffte man manchmal aus einschlägigen Gründen nicht an die Tafel zu müssen. Nun für die FKK-Leute von damals war Erektion jedenfalls kein Problem, ich meine, weil sie eben keine bekamen. Das deutet dann durchaus in Richtung Impotenz. Die man sich ja auch einreden kann. Ich verstehe nicht, weshalb man da keinen hoch kriegt, auch wenn Frauen im Bikini ästhetischer anzusehen sein mögen. Also könnte nicht an einen FKK-Strand. das würde peinlich. Es hat damals in den 60-ern schon gereicht, dass einige Frauen im Freibad das Oberteil ablegten, die Umkleidekabinen ignorierten und sich dann auch provokativ in der Nähe der Männerumkleide auszogen (das gab einmal ordentlich Zoff mit dem Bademeister von wegen Provokation) bevor der noch obligatorische Slip angelegt wurde. Ich mußte dann immer ins Wasser gehen.

  9. OT – aber auch interessant, denn es kann damit gerechnet werden, dass sich die Abgeordneten nach der Wahl wieder mal eine satte Anhebung ihrer Diäten genehmigen wollen – man gönnt sich ja schließlich sonst nichts!

    http://www.der-reale-irrsinn.de/

    Es gibt auf dieser Seite auch sonst noch sehr viel Interessantes zu entdecken…

  10. Im welschen Fernsehen hören und sehen wir recht oft, wie französische Politiker mit einem paternalistischen Anflug von „nos amis suisses“ sprechen und dann kräftig austeilen. So etwa Sarkozy, als er verkündete, das Bankgeheimnis existiere nicht mehr. Oder die jetzigen Minister Valls und Moscovici: konfrontiert mit dem Vorwurf, schwerbewaffnete „Jugendliche“ aus Lyon trieben ihr Unwesen auch im Grenzgebiet bei uns – gute Zusammenarbeit versprochen; bei der Unterzeichnung eines fragwürdigen Abkommens mit unserer Finanzministerin – gute Zusammenarbeit fortgesetzt.

    Immer mehr Schweizer merken halt doch langsam, dass ein Wirtschaftskrieg gegen unser Land im Gang ist – komischerweise sehr oft ausgelöst von „befreundeten“ Staaten wie Amerika, Frankreich und Deutschland.

  11. Und auch mit Deutschland zeichnen sich weitere dunkle Wolken ab:

    Die Schweiz am Sonntag ist eine angesehene Zeitung in der CH die sich fast ausnahmslos mit Deutschland beschäftigt. Chefredakteur Patrik Müller begründet dies mit der Befürchtung , dass das Ergebnis der Wahlen im September auch Einfluss auf die Schweiz haben werde. Man frage sich z.B. ob es zu einer verstärkten Auswanderung gut verdienender Deutscher in die Schweiz kommen könnte , außerdem gibt es den immer noch ungelösten Steuerstreit.

    Die Schweiz befürchtet, falls Trittin & Co, ans Ruder kommen dürfte im Jahr 2015 jeder zweite Bewohner in der Schweiz einen deutschen Migrationshintergrund haben.

    Steinbrück hatte ja den Schweizern bereits mit der Kavallerie gedroht (Quelle: Schwäbische Zeitung 27.Juli 2013) :

    http://www.sonntagonline.ch/

  12. @6;7;12
    Vor allem ist es eine Anspielung auf ein sehr populäres Chanson von Charles Trenet aus den 40er Jahren, in dem es heißt: „Douce France, cher pays de mon enfance…“

  13. Der gute Charles Trenet würde sich allerdings im Grabe umdrehen, könnte er sehen, was aus „douce France“ geworden ist!

  14. Nicht nur die frankophonen Schweizer bewundern Frankreich. Ich habe in der Schweiz studiert und bewundere vieles an den Schweizern, besonders ihre direkte Demokratie. Das einzige, was mir negativ auffiel war die übertriebene Vorliebe der Deutschschweizer für die französische Sprache, während umgekehrt kaum ein frankophoner Schweizer mal ein deutsches Wort über seine Lippen brachte. Es ist eben immer eine etwas peinliche Angelegenheit, wenn eine Bewunderung so einseitig bleibt.

  15. OT

    Der FC Basel hat momentan Probleme mit diesem oder jenem seiner überbezahlten Fussballsternchen. In einem PI-Artikel konnte ich meinem Ärger über die verwöhnten Kicker etwas Luft machen. Da dieser jetzt aber geschlossen ist und der „Blick“ immer noch hartnäckig dem Maserati-Fussballer aufsitzt – was ich in diesem Fall begrüsse -, möchte ich diesen Beitrag noch als OT bringen : man kann sich nicht vorstellen, was passiert wäre, wenn…

    Ländliche Idylle: Ponyschule, Kinder vor dem Dorfladen, Traktoren – hier raste der Spinner durch. Eine schockierte Augenzeugin sagt: «Es hat Wumms gemacht! (…) Das wäre eine Wahnsinnskatastrophe gewesen. Es hätte Tote geben können».

    http://www.blick.ch/sport/fussball/superleague/es-haette-tote-geben-koennen-id2387434.html

    Jetzt sind wir aber gespannt, wie der Richter und der Vorstand des FC Basel so etwas beurteilen.

  16. #19 Bourguignon   (28. Jul 2013 13:38)
     
    Anspielung auf ein sehr populäres Chanson von Charles Trenet “Douce France, cher pays de mon enfance…”

    *****************
    Als Ergänzung dazu: In der französischen Literatur kommt dieser Begriff der „Douce France“ und der „douceur“ immer wieder vor. Vor allem bei den Dichtern der Renaissance und den Romantikern. Berühmt ist etwa das Sonett von Joachim du Bellay, „Heureux qui, comme Ulysse, a fait un beau voyage…“ und der dann in sein Heimatdorf zurückkehrt und sich der lieblichen Landschaft erfreuen kann.

    Und tatsächlich: Da würden sich noch viele Leute im Grab umdrehen! Vielleicht gelingt es Marine Le Pen noch, die Liebe zum eigenen Land, zur eigenen Kultur, nochmals zu beleben?

  17. #23
    Es wäre ihr zu wünschen. Mit meiner bescheidenen Stimme werde ich dazu beitragen 😉
    Danke für die interessante literarische Ergänzung.

  18. Zitat: „a new terrorist threat when the fighters return home.“
    die waren dort nie zu Hause. Deren Heimat ist die islamische Ideologie, die Moschee, die Terrorhorde, zu der sie gehören. Die Länder in die sie eingedrungen sind und von deren Leistungen sie schmarotzen sind für die nur Brutstätten für auszumerzende Kuffar.

  19. #6 what be must must be

    La “Douce France”?

    Heißt es nicht “La France Douce”?
    ————————————–
    „Douce France“ ist sprichwörtich in FR, kommt im mittelalterlichen „Rolandslied“ vor, woher es alle gebildeten Franzosen mit „Bac“-Abitur kennen.

    Das „Rolandslied“ könnte man als das ultimative Islamkritikerbuch bezeichnen, auch für Deutsche geeignet, weil es ja „unseren“ Roland beschreibt.

  20. #27 nicht die mama   (29. Jul 2013 02:57)
     
    Widmer-Schlumpf?

    *****************
    Ja, wir haben sie auch ganz in unser Herz geschlossen! Ganz lieb hat sie die „Schweizerzeit“: in deren Archiv hat sie einen Ehrenplatz:

    http://www.schweizerzeit.ch/cms/index.php?page=/Seiten/SchweizerzeitArchiv-5&SID=cb91001e78d5bec6d6677c464a1be53812672b78http://www.schweizerzeit.ch/cms/index.php?page=/Seiten/SchweizerzeitArchiv-5&SID=cb91001e78d5bec6d6677c464a1be53812672b78

  21. #27 nicht die mama   (29. Jul 2013 02:57)
     
    ************
    Auch für die Karikaturisten ist sie ein Glücksfall! (Habe leider nichts gesammelt.)

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