Es kommt selten vor, dass ein Buch das Denken eines Landes nachhaltig verändert. Aber nach Christopher Clarks „Die Schlafwandler“ sehen die Deutschen Vorgeschichte und Ausbruch des Ersten Weltkrieges tatsächlich mit anderen Augen. Der Hamburger Historiker Fritz Fischer, der mit seinen Thesen von der deutschen Kriegsschuld jahrzehntelang dominiert hatte, ist außer Mode. Kein ernstzunehmender Historiker behauptet noch, das deutsche Kaiserreich sei alleinschuldig oder hauptverantwortlich für den Ausbruch des Krieges gewesen.

Dass die Deutschen nicht an allem schuld waren, dass eine Kontinuität von Bismarck bis Hitler nicht existierte,. dass die Theorie vom „deutschen Sonderweg“ an den Haaren herbeigezogen ist — das hätte man einem deutschen Historiker so nicht abgenommen. Clark, der in Cambridge lehrende Australier, hat Artikel 231, die Kriegsschuldlüge des Versailler Vertrages, endgültig ausgehebelt. Eines von 150 Weltkriegsbüchern, die in Deutschland auf den Markt kamen!

Das Geheimnis dieser phänomenalen Resonanz liegt auch darin, dass Clark blendend erzählt, dass er übermäßig heiklen Fragestellungen eher aus dem Weg geht, dass seine Erzählung europakompatibel ist. Mit der Version von den Schlafwandlern können alle damaligen Kriegsparteien leben. Nur hierzulande wurde ihm — von den üblichen Verdächtigen — Deutschenfreundlichkeit vorgeworfen. Dabei ist seine Lesart nicht einmal neu. Im Grunde nimmt er nur den Satz von Lloyd George, dem englischen Kriegspremier, wieder auf, der gesagt hatte, die Europäer seien alle in den Krieg „geschlittert“, was wohl auch der Rechtfertigung der englischen Politik im Sommer 1914 dienen sollte. In Wahrheit wussten die Verantwortlichen in den europäischen Hauptstädten genau, was sie wollten und was sie taten.

Noch ein Historikerstreit: Münkler verteidigt die Wissenschaft

Immerhin: Ganz aufgegeben haben die Protagonisten des deutschen Schuldstolzes noch nicht. Joachim Gauck wurde am 30. Dezember 2013 im „Spiegel“ mit der merkwürdigen Aussage zitiert, er könne sich „eine deutsche Beschäftigung mit dem Ersten Weltkrieg nur als Respekt vor dem Leid derer vorstellen, die damals durch uns bekämpft wurden“. Außenminister Frank-Walter Steinmeier warnte am 25. Januar 2014 in der „FAZ“ davor, „das Versagen der deutschen Außenpolitik in jenen verhängnisvollen Wochen zu relativieren“. Hans-Ulrich Wehler warf am 6. Mai 2014 in der „FAZ“ Clark vor, er verwische „verblüffend einseitig den massiven deutschen Verursachungsanteil an der fatalen Konstellation, die zum Krieg geführt hat“. Und dann attackierte er gleich auch noch den Berliner Politikwissenschaftler Herfried Münkler, der mit seinem Buch „Der Große Krieg“ ein den „Schlafwandlern“ ebenbürtiges Werk vorgelegt hat. Münkler werde der intensiven Debatte über den Weltkrieg „nicht von Ferne gerecht“. Besonders störend fand Wehler Münklers „penetrante Kritik an Fischer“. (Letzterer war, nebenbei bemerkt, Mitglied der SA und der NSDAP und hatte im Dritten Reich antisemitische Texte fabriziert. Auch ein Fall von persönlicher Vergangenheitsbewältigung.)

Münkler wiederum nahm in der „Süddeutschen Zeitung“ vom 20. Juni Fischer und dessen neuerdings auf den Plan getretene Verteidiger auseinander und zeigte Unverständnis für deren Revisionismusvorwurf Denn der sei „eine Parole parteipolitischer Kontroversen, aber keine wissenschaftliche Kategorie“. Münkler rief dazu auf; eine wissenschaftliche und keine „geschichtspolitische“ Debatte zu führen. Genau das ist der springende Punkt. Wir haben sie satt, die volkspädagogischen Belehrungen und Verdrehungen, die doch immer nur der politischen Instrumentalisierung dienen.

Die geheimen Verhandlungen zwischen London und St. Petersburg

An anderer Stelle, in der.„FAZ“ vom 8. Juli, erinnerte Münkler an die streng geheimen englisch-russischen Ver.- handlungen über eine Marinekonvention, deren Aufnahme das britische Kabinett am 13. Mai 1914 beschlossen hatte. Das Unterhaus war nicht informiert, wohl aber die Reichsregierung in Berlin. Die hatte mit dem Balten Benno Alexandrowitsch von Siebert einen Top-Spion in der russischen Botschaft in London sitzen. Er übermittelte insgesamt 6.000 Dokumente an die Wilhelmstraße. Besonders alarmiert war Berlin darüber, dass die beiden Verbündeten über die Möglichkeit sprachen, russische Truppen mit Hilfe der britischen Navy in Pommern anzulanden. Das hätte den drohenden Zweifronten- zum Dreifrontenkrieg ausgeweitet. Als die Reichsregierung bei Außenminister Grey um Aufklärung bat, behauptete dieser, es würden gar keine Gespräche geführt. Damit war der Restbestand an Vertrauen zerstört. Die Reichsregierung war nicht paranoid, die Einkreisung beruhte nicht auf Einbildung. Deutschland war eingekreist.

Dass bösartige Geschichtsdeutungen immer wieder aufflackern, konnten die Zuschauer im ZDF am 28. April zu bester Sendezeit bestaunen. Der Sender servierte, verpackt in einen Spielfilm, eine abstruse Verschwörungstheorie: Nicht die Serben, sondern die Deutschen hätten als die wirklichen Drahtzieher hinter dem Attentat auf Franz Ferdinand gestanden, um sich einen Anlass für den Krieg zu verschaffen.

Wer eigentlich hatte ein Motiv für den Krieg?

Abgeschlossen ist die neue Debatte über den Weltkrieg mit Clark und Münider mitnichten. Die Frage nach den Motiven der großen Mächte kam bisher zu kurz. Frankreich konnte Elsass-Lothringen nur in einem Waffengang zurückbekommen. Russland träumte von der Kontrolle der Meerengen und der Eroberung Konstantinopels. Für England war der Krieg objektiv die einzige Option, den rasant aufholenden deutschen Konkurrenten auszuschalten. Nur Berlin hatte keine Ziele, weder wirtschaftliche noch politische noch territoriale, die nur mit Hilfe eines Krieges erreichbar gewesen wären. Die Zeit arbeitete für das Kaiserreich. Ohne den Krieg wäre das neue Jahrhundert zum Jahrhundert der Deutschen geworden. Dank des Krieges und mit der Intervention der USA 1917 wurde es zum Jahrhundert der Angelsachsen, genauer: der Vereinigten Staaten von Amerika.

Ironisch und tragisch zugleich ist es, dass sich die Engländer auf einen Krieg, den sie hätten verhindern können, einließen, ihn gewannen — und dabei letzten Endes das Empire verspielten. Niall Ferguson, dessen Stimme in der angelsächsischen Welt großes Gewicht hat, glaubt, die Briten hätten den „falschen Krieg“ geführt, und sie hätten sich besser mit einer europäischen Hegemonie des Kaiserreichs abfinden sollen, auf die vor 1914 tatsächlich alles zulief.

Kaum jemand hat die englische Verstrickung in die Tragödie klarer gesehen als die Publizistin Cora Stephan. Am 14. November 2013 kam sie in der „Welt“ zu diesem Urteil: „Ja, erst Großbritanniens Kriegseintritt hat den Krieg zum Weltkrieg werden lassen, wofür seine Regierung, wie Clark zeigt, keinen legitimen Grund hatte. Das ist das Päckchen, das England zu tragen hat — völlig unabhängig von der politischen Blindheit, den voreiligen Versprechen, der Selbstüberschätzung und den Fehldiagnosen aller anderen.“

Henry Kissingers Beitrag zur Debatte

Nicht sehr weit entfernt davon lag Henry Kissinger in einem Interview mit der „Welt am Sonntag“ vom 29. Juni: „Hätte ein Land, vielleicht Großbritannien, einen Friedensplan entwickelt, wäre es vielleicht möglich gewesen, den Konflikt zwischen Österreich und Serbien zu entschärfen und damit den Krieg zu verhindern. Hier war nichts zwangsläufig.“ Kissinger fügte hinzu, dass die deutsche Führung nach Bismarck nicht in der Lage gewesen sei, „weiter auf der Höhe von dessen diplomatischer Kunst zu agieren“. Er gab aber auch zu, dass die Deutschen damals auf zwei „schreckliche Jahrhunderte“ zurückblickten: „In allen europäischen Kriegen waren sie nicht Anstifter und Angreifer gewesen, sondern stets Opfer. Das sollte, nach der Gründung des Nationalstaats, nie wieder passieren.

Fakt ist, dass sich Berlin im Juli 1914 mit größtem Nachdruck dafür einsetzte, den serbischen Konflikt zu „lokalisieren“, dass Frankreichs Präsident Raymond Poincare ebenfalls im Juli in St. Petersburg den Krieg verabredete, dass Franzosen und Russen ohne die Gewissheit des britischen Beistandes stillgehalten hätten, dass es das Zarenreich war, das mit der Generalmobilmachung den Krieg lostrat und dass sich die Kriegspartei in London um den deutschfeindlichen Außenminister Grey erst am 2. August im Kabinett durchsetzte. Die Würfel fielen nicht in Sarajewo, sondern am 2. August in London.

(ef-Mafazin, September 2014)

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44 KOMMENTARE

  1. Was nutzt es, wenn ein paar tausend geschichtlich interessierte das Buch lesen, aber in unseren Schulen, Universitäten und von den „Qualitätsmedien“ auch weiterhin die Alleinschuldlüge propagiert und somit millionenfach in die Köfe der Menschen gepflanzt wird?

  2. Deutschland hatte 1914 nichts zu gewinnen, aber viel zu verlieren.

    Die Idee, dass Deutschland einen Krieg gewollt haben soll, ist abstrus.

    Frankreich, England, Österreich und Russland hatten viel mehr Interesse an einem Krieg. Es war der schwache Kaiser Wilhelm II, der sich im Gegensatz zu Bismarck übertölpeln und genau dann hineinziehen ließ, als die Bündnislage am ungünstigsten für das Reich war.

  3. #1 Heisenberg73 (30. Nov 2014 17:29)

    Bismarck hätte den zweiten 30jährigen Krieg von 1914 – 1945 zu verhindern gewusst!

    Aber es gibt eine Fischer-Doktrin 2.0 als Fortsetzung der ersten Fischer-Doktrin aus der Kulturrevolution von 1968:

    „Deutschland muss von außen eingehegt, und von innen durch Zustrom heterogenisiert, quasi verdünnt werden.”

  4. Wer Christopher Clark sehen will:

    Terra X | 30.11.2014, 19:30

    Deutschland-Saga (1/6): Woher wir kommen

    Welche Spuren haben die ersten Deutschen hinterlassen? Christopher Clark auf der Suche nach Antworten.

  5. #5 ridgleylisp (30. Nov 2014 17:56)

    Eine wahre Begebenheit aus einem unnötigen Krieg!

    Und heute stehen alle Völker Europas vor derselben Bedrohung wie seit 1400 Jahren und wenn sie nicht alle an einem Strang ziehen, wird Europa untergehen!

  6. Da das nun geklärt ist, können wir ja die zu Unrecht geleisteten Reparationen nach dem Ersten Weltkrieg wieder zurückfordern.

  7. #1 Grober Klotz (30. Nov 2014 17:25)
    Was nutzt es, wenn ein paar tausend geschichtlich interessierte das Buch lesen, aber in unseren Schulen, Universitäten und von den “Qualitätsmedien” auch weiterhin die Alleinschuldlüge propagiert und somit millionenfach in die Köfe der Menschen gepflanzt wird?

    Mit Sicherheit wird es nicht besser, wenn man zum Beispiel in Berlin das Fach „Geschichte“ komplett streicht.
    Aber als jemand, der in der DDR aufwuchs muss doch ein Mikado-Stäbchen (keine Lanze!) für den Geschichts- unterricht in der DDR brechen, was den Ersten Weltkrieg angeht:
    Dort wurde im Verhältnis zur westdeutschen Fischer-Doktrin sehr differenziert und neutral über den Ersten Weltkrieg unterrichtet.

  8. Schade, daß dieser Fritz Fischer († 1999) seine Demontage nicht mehr erlebt hat. Ich hätte es ihm gegönnt. Seine NS-Verstrickung und damit seine Disposition zur Gefälligkeit und Gefügigkeit wird ja oben angesprochen.

    Im übrigen geht es nicht darum, das Deutsche Reich reinzuwaschen. Es soll nur der Dreck ein bißchen besser verteilt werden.

  9. #8 12 September 1683 (30. Nov 2014 18:11)
    Da das nun geklärt ist, können wir ja die zu Unrecht geleisteten Reparationen nach dem Ersten Weltkrieg wieder zurückfordern.
    —————————————————

    Und die verlorenen Gebiete dazu!

  10. Das Deutsche Reich hatte zum damaligen Zeitpunkt als einzigen Verbündeten einen zerfallenden Vielvölkerstaat mit schwacher Armee (Österreich-Ungarn). Kein Wunder, dass dieser Krieg gegen „eine Welt von Feinden“ nicht zu gewinnen war.
    (Italien als unsicheren Kantonisten lassen wir mal außen vor, die haben ja bei der nächstbesten Gelegenheit die Fronten gewechselt, weil ihnen von den Westmächten die Brennergrenze und damit die Teilung Tirols versprochen wurden.)

  11. Es hatte sich schon lange abgezeichnet, die Alleinschuldthese ist nicht mehr haltbar. Die Konsequenz aus dem Versailler Friedensdiktat,der Hitlerismus, können sich die Siegermächte in ihr Gebetbuch schreiben. Ihr unerschütterlicher Glaube an ihre Deutungshoheit ist gebrochen. Vielleicht ein Remedium für die kranke deutsche Seele.

  12. Sicher ist es ein Fortschritt, dass das ZDF heute mal Clark über Deutschland sprechen lässt, anstelle des dilettantischen und phrasenhaften Knopp.
    Wenn auch Normalität erst dann herrscht, wenn ein normaler deutscher Professor die Wahrheit vortragen wird, ohne verteufelt zu werden.

  13. #5 ridgleylisp

    Ich schäme mich für die vielen Verbrecher, die wir in der Politik jeden Tage finden und die so viel Leid über die Männer im WK1 und WK2 gebracht haben.

    Haben die „Eliten“ daraus positiv etwas gelernt?

    Nein, und sie verüben jeden Tag neue Verbrechen an den Menschen, aus Neid oder egomanischen Verhalten.

    Ich hoffe, dass der Tag kommen wird, dass wir vielen von ihnen ihre Verbrechen heimzahlen werden.

  14. #13 BePe (30. Nov 2014 18:29)

    Deutsch ist, wer deutsch spricht.

    Dann bin ich (zusätzlich, auch noch) Engländer. Und Schotte, Franzose, Russe…

    Kann ich so viele Pässe überhaupt noch tragen?

  15. #11 ridgleylisp (30. Nov 2014 18:24)
    #8 12 September 1683 (30. Nov 2014 18:11)
    Da das nun geklärt ist, können wir ja die zu Unrecht geleisteten Reparationen nach dem Ersten Weltkrieg wieder zurückfordern.
    —————————————————

    Und die verlorenen Gebiete dazu!

    Negativ.
    In den 2+4 Verhandlungen soll Gorbatschow angeboten haben , die an die Sowjetunion gefallenen deutschen Gebiete (freilich gegen bares) wieder an Deutschland zurückzugeben – was Kohl in weiser Voraussicht ablehnte.
    Wenn man bedenkt, was wir im eigenen Land mit den faktisch türkischen und arabischen Enklaven in Berlin und dem Ruhrgebiet für Probleme haben, ist nicht auszumalen, was los wäre, wenn im deutschen Staatsgebiet faktisch nur Inhaber der russischen Staatsangehörigkeit leben würden………

  16. #4 Eurabier (30. Nov 2014 17:52)
    Wer Christopher Clark sehen will:

    Terra X | 30.11.2014, 19:30

    Deutschland-Saga (1/6): Woher wir kommen

    Welche Spuren haben die ersten Deutschen hinterlassen? Christopher Clark auf der Suche nach Antworten.
    —————

    ich bedaure, aber als ehrlich an geschichte interessierte kann ich terra x absolut nicht empfehlen.

    ich habe mir mehrere sendungen angeschaut, da hat es nur so vor fehlern gewimmelt.

  17. #2 Heisenberg73 (30. Nov 2014 17:29)
    Deutschland hatte 1914 nichts zu gewinnen, aber viel zu verlieren.

    Die Idee, dass Deutschland einen Krieg gewollt haben soll, ist abstrus.

    Frankreich, England, Österreich und Russland hatten viel mehr Interesse an einem Krieg. Es war der schwache Kaiser Wilhelm II, der sich im Gegensatz zu Bismarck übertölpeln und genau dann hineinziehen ließ, als die Bündnislage am ungünstigsten für das Reich war.

    Mittlerweile sind sich alle seriösen Historiker darüber einig, dass das 1871 wiedervereinigte Deutschland eine in ökonomischer Hinsicht einmalige Erfolgsgeschichte hinlegte.
    So wuchs durch die bis dahin in der Welt nie gekannte Industrialisierung die Bevölkerung u.a. durch Zuwanderung (!) von 41 Mio. im Jahr 1871 bis 1914 auf sage und schreibe 70 Mio. an.
    Im Gegensatz zur Gesetzlosigkeit im britischen Manchesterkapitalismus und den damals ausbeuterischen Bedingungen in den Industrien der USA herrschten in Deutschland für die damalige Zeit traumhafte Sozialstandards .
    Mit der Erfolgsstory des deutschen Kaiserreichs wuchs für die damaligen Großmächte ein Konkurrent auf dem Weltmarkt heran, den sich die Großmächte bis dahin unter sich aufgeteilt hatten – was eine nicht zu unterschätzende Mit-Ursache für den Ausbruch des Ersten Weltkrieges bedeutete .

  18. #8 12 September 1683 (30. Nov 2014 18:11)

    Da das nun geklärt ist, können wir ja die zu Unrecht geleisteten Reparationen nach dem Ersten Weltkrieg wieder zurückfordern.
    ————–
    Aber dann bitte nicht dieses wertlose Papier aus dem europäischen Farbdrucker, sondern – wie abgeliefert – in Goldmark!

  19. Interessant wäre auch mal die Antwort auf die Frage, WARUM überhaupt noch heute bei unseren Mainstreamern und Politkorrektlern ein so dringendes Bedürfnis an der Aufrechterhaltung des gängigen Geschichtsbildes zum Kriegsausbruch und so ein Horror vor „Revisionisten“ (an sich ist Revision = Überprüfung doch was positives) besteht.

    Generell sollte man doch denken, dass es sich um Geschichte handelt und – zumal unter Geltung der Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit – es vollkommen in Ordnung ist, wenn unterschiedliche Ansichten dazu vertreten werden. Dann mag man die eine oder andere Ansicht als falsch, dumm oder sonstwas bewerten, aber nicht als verboten. Genau so wie niemand ein Problem daraus macht, wenn man bezweifelt, dass es Karl den Großen jemals gegeben hat oder wie man die Rolle Napoleons genau sieht.

    Allein daraus wird deutlich, dass es bei diesem Thema gar nicht um ehrliche, offene und seriöse Geschichtsbetrachtung geht, sondern um AKTUELLE Politik, genauer um Aufrechterhaltung des Schuldkults zwecks Perpetuierung der sich daraus ergebenden Steuerungsmöglichkeit über Deutschland.

  20. #13 BePe (30. Nov 2014 18:29)

    Dem Ergebnis nach bin ich Engländerin.

    Wenn dann auch wohl nur eine mittelmäßige.

    😉

  21. Was Fritz Fischer vorgeworfen wird, hat er so nie gesagt und auch nie geschrieben. Der Griff zur Weltmacht war natürlich richtig, denn auch heute hätte Deutschland ohne Probleme die Ressourcen zur Weltmacht aufzusteigen. Und 1914 war das einfach der vorgezeichnete Weg. England und Frankreich waren damals ökonomisch weniger als Nichts. Die wussten schon, warum sie alles Geld in die Rüstung und den Krieg gegen Deutschland gesteckt haben. Sonst wären sie, wie auch heutzutage, für immer auf die Plätze verwiesen worden. Jetzt passiert es eben zwei Weltkriege später und 100 Millionen Tote mehr. England und Frankreich raffen es nicht, sie haben wie 1914 keine Chance gegen Deutschland. Da hilft nur die Einkreisung in der EU. Deutschland ist keine Nation mehr und muss machen, was 28 Staaten entscheiden. Ansonsten wäre Deutschland bald die Nummer 1 in der Welt. Die USA freut’s, Frankreich und England ebenfalls. Deutschland ist und bleibt der Riese in Ketten. Und den deutschen Politikern gefällt’s! Bloß nicht negativ auffallen. Negativ bedeutet hier für Deutschland absolut positiv, durch Leistung, Kreativität, Intelligenz, Wertschöpfung. Tipp: gleich Christopher Clark in TerraX: Deutschland-Saga, Was ist typisch deutsch im ZDF um 19:30 Uhr.

  22. #2 Heisenberg73 (30. Nov 2014 17:29)

    Deutschland hatte 1914 nichts zu gewinnen, aber viel zu verlieren.

    Die Idee, dass Deutschland einen Krieg gewollt haben soll, ist abstrus.
    ——————–
    Gieser Gedanke ist – bei gesundem Menschenverstand – völlig ausreichend für die Klärung der Kriegsschuldfrage. Man stelle sich nur vor wie vorteilhaft Deutschland jetzt dastünde, wenn 1914 nicht gewesen wäre. Genau diese Vorstellung muss alle anderen geplagt haben und v.a. für die Engländer der blanke Horror gewesen sein – sowohl wirtschaftlich als auch militärisch!

  23. OT
    Ach, das ist ja interessant:

    Maaßen: Es herrscht ein Wettbewerb an Meinungen, wie die Situation in der Ukraine einzuordnen ist. Allerdings beschäftigen wir uns erst mit dem Phänomen, wenn wir den Eindruck haben, dass ein ausländischer Dienst versucht, Einfluss auf die Meinungsbildung in Deutschland zu nehmen. In Teilen bemerken wir in Internetblogs oder Foren, dass in deutscher Sprache äußerst prorussische Positionen gepostet werden. Hier stellen wir uns die Frage, wer dahintersteckt.

    Und zum Thema Nummer 1:

    Maaßen: Auch nach den Vorfällen in Köln oder Hannover haben wir bisher nicht feststellen können, dass die Hooligans selbst eine extremistische Gruppierung sind. Wir wissen aber, dass es auch rechtsextremistische Hooligans gibt. Diese müssen wir weiter im Blick behalten.

    Welt am Sonntag: Die weltweiten Krisen sorgen hierzulande für hohe Flüchtlingszahlen. Mancherorts gibt es Proteste gegen Heime. Gehen da normale Bürger auf die Straße – oder Rechtsextreme?

    Maaßen: Den Versuch, sich den Unmut der Bürger beim Thema Flüchtlinge zunutze zu machen, stellen wir seit einiger Zeit fest. Die NPD und andere rechtsextremistische Gruppierungen versuchen gezielt, bürgerliche Demonstrationen für sich zu vereinnahmen.

    Ja, da mag er wohl er recht haben. Klar versuchen die das, ist doch nur natürlich.

    Teilweise gelingt das auch.

    Wann und wo zum Beispiel?

    http://www.welt.de/politik/deutschland/article134618358/60-Terroristen-aus-Deutschland-fuer-den-IS-gestorben.html

  24. Na ja, war doch kein großer Wurf, die Clark-Sendung.

    Nazi-Obsession bereits bei Themen der Germanenzeit…

  25. Man kann in diesem Zusammenhang nicht oft genug auf diese Arbeit hinweisen…

    http://www.geocities.ws/dikigoros2/germaniaesse.htm

    Sie erklärt, wie die Briten 20(!) Jahre lang den 1. Weltkrieg vorbereiteten. Daß der Antideutsche Grey britischer Außenminister wurde, war nicht irgendein Zufall oder ‚Unfall der Geschichte‘, sondern zielstrebiger Vorarbeit geschuldet mit dem Ziel, den Krieg zu bekommen, den Großbritannien wollte. Keep a stiff upper lip! 😥

  26. Leider geht Christopher Clark nicht weit genug. Es gibt es viel bessere Bücher von Historikern:

    Die Bücher von Sean McMeekin (Europa-Verlag), Gerry Docherty u. Jim Mcgregor (Kopp-Verlag), Philippe Simonnot und Douglas Newton sind gute Beispiele.

  27. Na ja, großer Wurf oder nicht. Immerhin überhaupt eine Sendung mit einem positiven, fast liebevollen Ton über Deutschland. Die unvermeidlichen Nazi-Anspielungen konnte auch C. C. natürlich nicht vermeiden, aber es handelt sich um das notwendige Minimum, ohne das eine solche Sendung gar nicht gebracht würde.

    Es ist immerhin ein Schritt in die richtige Richtung. Ein Anfang.
    Ich bin Herrn Clark dankbar für seine Arbeit.

  28. #26 Diedeldie (30. Nov 2014 19:17)

    #13 BePe (30. Nov 2014 18:29)

    Dem Ergebnis nach bin ich Engländerin.

    Ah, U2…

  29. Alle Staaten waren sich bewusst, dass es zu einem Krieg kommen könnte.

    Fakt ist, kein Staat hat etwas unternommen, um die Sache zu de-eskalieren, wie man heute sagen würde.

    Tatsächlich war das ein Kartenhaus, wo der kleinste Lufthauch das ganze zum Einsturz hätte bringen können.

    Es hat die Deutschen getroffen. Tatsächlich wäre auch ein WW entstanden, hätte sich Frankreich oder Russland in einem solchen Dilemma (mit dem Rücken an der Wand) befunden. Die Schuld der Deutschen ist es, sich überhaupt erst in eine solche Lage gebracht zu haben. Deutschland hätte sich nicht bedingungslos an Österreich-Ungarn binden dürfen. Das vereitelte alle diplomatischen Wege. An diesen waren aber auch alle anderen Staaten überhaupt nicht interessiert. Es war eben eine Zeit, in der der kleinste politische Fehler zum Krieg führen konnte. Und so ist es auch passiert.

  30. Das ist doch ein ganz herber Rückschlag für alle, die glaubten, daß Geschichte erwas Vergangenes, mithin Statisches, Objektives, Unveränderliches sei.
    Deutschland ist ein klassisches Beispiel dafür, daß sich Geschichte auch nachträglich noch ändern kann.
    Lest doch bloß mal über Friedrich den Großen in einem Geschichtsbuch der Kaiserzeit, der Weimarer Zeit, des tausendjährigen Reiches, der Nachkriegszeit nach 1945, bei letzterer gibt es gleichzeitig zwei Versionen in DDR und der Bundesrepublik. Vom strahlenden Helden bis zum Kriegsverbrecher sind da alle Bewertungen erhältlich, letztere vor allem in einem Schulgeschichtspamphlet aus der französischen Besatzungszone.
    Wie der Bayer so sagt: Nix Gwisses weiß man niemals nicht.

  31. Ich finde es ja gut, dass endlich der 1. Weltkrieg ehrlich dargestellt wird. Was ist aber mit dem 2. Weltkrieg? Daran soll doch Deutschland auch allein schuld sein?

    Aber, wie war das noch, mit dem Hitler-Stalin-Pakt? Ohne diesen Pakt hätte es keinen Krieg gegen Polen gegeben. Also, war Stalin genauso Schuld am Ausbruch des 2. Weltkrieges wie Hitler!

    Ach ja, und wie war das mit dem Blanko-Cheque den Großbritannien und Frankreich Polen im Falle eines Krieges mit Deutschland ausgestellt haben? Danach wurden alle Verhandlungen über Danzig (kein Teil Polens und zu 98% deutschsprachig) und den Korridor eingestellt. Vom März 1939 bis zum 1. September 1939 wurden ca. 80000 deutschsprachige Polen vertrieben… bis die Lage der deutschen Minderheit in Polen die Danzigfrage in den Schatten stellten.

    Natürlich hätten die Franzosen und Briten weiter an ihren Fingernägeln gekaut, wenn etwas ähnliches mit Ihren Landsleuten passiert wäre…

    Ja ja, die alliierte Kriegspropaganda bestimmt immer noch die Debatte über den 2. Weltkrieg. Lügen haben sehr sehr lange Beine… Unsere Geschichtsbücher sind voll davon…

  32. Ich bin schon gespannt auf die Bücher im Jahre 2039 – 100 Jahre „danach“!

    Obwohl, eigentlich gibt es die ja schon, derzeit allerdings alles noch „Autobahn“…

  33. Alles gut und richtig, was im Artikel und hier in den Kommentaren geschrieben wurde. Leider ist es aber so, dass die Zeit eben nicht für das Deutsche Reich arbeitete. Frankreich steckte Unsummen in die Aufrüstung Serbiens und Russlands (dessen eigentliche Schwäche damals niemand ahnte. Es wäre mal interessant zu untersuchen, wo dieses Geld eigentlich herkam …) Als Reaktion auf die immer bedrohlichere Einkreisung gab es in Österreich und Deutschland durchaus Kräfte, die einen Befreiungsschlag herbeisehnten – so Conrad von Hötzendorff und Helmuth von Moltke. In ein paar Jahren sei es zu spät und Deutschland der Entente hoffnungslos unterlegen. Die mussten später als Belege für die deutsche Kriegsschuld herhalten.
    Also doch – Schlafwandler!

  34. #3 Eurabier
    Ich stimme uneingeschränkt zu!

    #8 12 September 1683

    Da das nun geklärt ist, können wir ja die zu Unrecht geleisteten Reparationen nach dem Ersten Weltkrieg wieder zurückfordern.

    Die Reparationszahlungen schenken wir denen. Die haben zwar beide Kriege militärisch gewonnen, dank der deutschen Wirtschaftskraft und Tüchtigkeit wirtschaftlich letztendlich aber eine krachende Niederlage erlitten. Wenn die die Reparationszahlungen zurückzahlen müssten, wären die vollends pleite.
    Meine Frau und ich verbrachten im Frühjahr 1993 ein paar Tage in Paris und wohnten bei einem jungen Ehepaar (er war Manager in einem mittelständischen Unternehmen). In den Gesprächen stellte sich heraus, dass die Franzosen große Angst vor dem wiedervereinigten Deutschland hatten – nicht militärisch, sondern ausschließlich wirtschaftlich. Heute wissen wir, dass deren Angst wohlbegründet war… :mrgreen:

  35. #40 alleinschuldthese

    Aber, wie war das noch, mit dem Hitler-Stalin-Pakt? Ohne diesen Pakt hätte es keinen Krieg gegen Polen gegeben. Also, war Stalin genauso Schuld am Ausbruch des 2. Weltkrieges wie Hitler!

    Auch der rote Diktator und Schlächter Stalin fiel am 17. Sept. 1939 mit 800.000 Soldaten in Polen ein und nahm sich die Osthälfte, die heute immer noch zu Belorus gehört. Ich wüsste nicht, dass England und Frankreich anschließend auch der Sowjetunion den Krieg erklärt hätten – oder habe ich da etwas verpasst? *kopfkratz*

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