Vor 25 Jahren ging die DDR ihrem wohlverdienten Ende entgegen. Als Erich Mielke, Minister für Staatssicherheit dieser DDR, am 13. November 1989 vor die Volkskammer trat, beteuerte er: „Ich liebe – ich liebe doch alle – alle Menschen – na ich liebe doch – Ich setzte mich doch dafür ein!“ Auf diese politische Liebeserklärung erntete der meistgehaßte SED-Funktionär nur noch höhnisches Gelächter seiner SED-Genossen, die ihn so lange ertrugen. Er wurde 1993 wegen Mordes zu sechs Jahren Haft verurteilt und 1995 auf Bewährung freigelassen. Er starb im Alter von 93 Jahren in einem Pflegeheim; er ruhe in Frieden.

Nein, persönlich gehaßt hat Mielke seine Opfer wohl nicht, sondern mit nüchtern-ideologischer Sachlichkeit bloß verfolgt, ins Gefängnis oder zu Tode gebracht. Spätestens seit seiner hassenswerten Liebesbekundung sollte der Begriff der Liebe im politisch-rechtlichen Zusammenhang gemieden werden. Weil nämlich die christlich verstandene Liebe nicht politisierbar und justiziabel, sondern existenziell-personalistisch zu verstehen ist. Wie auch der Haß, dem die christliche Liebesbotschaft diametral entgegengesetzt zu sein scheint. An den Gott zu glauben, der in Person die Liebe ist, verpflichtet zur Gottes- und Nächstenliebe, sogar zur Feindesliebe. Aber nicht dazu, Verbrechen und Verkommenheit, Laster und Lüge zu lieben. Hat Jesus die Pharisäer, Schriftgelehrten und Geldwechsler im Tempel geliebt oder gehaßt, als er sie – nicht nur mit Worten – hart anging? Heute würde er vielleicht als „Haßprediger“ angeklagt.

Liebe und Haß sind gewiß starke innere Motive, wie auch Zorn und Ekel, Wut, Rache und Verzweiflung. Zu welchen Gedanken, Worten und Werken führen sie? Dies ist zunächst eine Gewissensfrage, die das forum internum beschäftigen muß, dann erst, in zweiter Linie, eine Frage der weltlichen Justiz eines Rechtsstaats, der nicht die Gesinnungen ausschnüffeln, sondern die „sozialschädlichen“ Taten unparteiisch-leidenschaftslos verfolgen sollte.

Ein „Haßprediger“ der besonderen Art war Karl Kraus, als er vor hundert Jahren, also während des Ersten Weltkriegs, in seiner „Fackel“ die Ursachen dieses Krieges vor allem in einer korrupten, nationalistischen und zugleich „liberalen“ Presse und aggressiven Stimmungsmache ausfindig machte. „Die letzten Tage der Menschheit“, sein großes Drama, das bis heute nicht einmal auf einem Mars-Theater aufführbar erscheint, hat eine neuerliche Aktualität besonders in der Darstellung eines Journalistentyps gewonnen, wie er in der Alice Schalek geradezu klassisch vorgebildet ist: Als jenes kriegshysterische Weib, das es nicht abwarten kann, daß endlich geschossen wird – und sie dabeigewesen ist, mitten im Schützengraben, um über das Grauen lustvoll berichten zu können.

Daß Karl Kraus, der sonst (ähnlich wie Shakespeare) alles vorausgewußt haben soll, hierbei bereits den neuen Ost-West-Konflikt um die Ukraine im Blick hatte, ist eher unwahrscheinlich. Aber die neuen Schaleks beiderlei Geschlechts bevölkern zur Anheizung des neuen Konflikts unsere Medien, die ihren Haß auf den Teufel Wladimir Putin kaum noch zügeln können: Er sei sowieso krank, er habe Krebs, und überdies sei er „paranoid“, wie Herr Doktor Andreas Schockenhoff MdB per Ferndiagnose herausfand, statt sich als Christdemokrat einmal zu völkerrechtlichen Regeln, die für alle und reziprok gelten (sollten) und über die einseitige Interessen- und Machtpolitik hinausgehen, nachdenklich zu äußern. Die heute bei uns vorherrschenden antirussischen und antichristlichen Affekte werden freilich nicht vom Volksverhetzungsparagraphen erfaßt.

Theodor Haecker, ein katholisch gemäßigter Schüler von Karl Kraus, über den seit 1935 ein Schreib- und Redeverbot verhängt worden war, hat in seinen geheimen „Tag- und Nachtbüchern“ 1939 zu erkennen gegeben, wie sehr er die „deutsche Herrgott-Religion“ der Nationalsozialisten gehaßt hat. Sie habe „zweifellos etwas Ähnlichkeit mit dem Mohammedanismus, indem sie zur Not noch monotheistisch ist, aber vollkommen antitrinitarisch“. Für Äußerungen dieser Art müßte Haecker, Mentor der Widerstandsgruppe „Weiße Rose“, heute zwar nicht das Fallbeil, aber immer noch eine Anzeige wegen „Volksverhetzung“ fürchten. Die erfolgreichsten Volksverhetzer in Deutschland sind freilich bisher die Nazis gewesen, die gerade mithilfe des Volksverhetzungsparagraphen ihre Feinde vernichteten.

Dieter Nuhr, ein Satiriker der eher sanften und geistreichen Art, ist kürzlich wegen seiner harmlos-bürgerlichen Persiflagen auf den Koran, den er – islamisch korrekt – beim Wort genommen hatte, wegen Blasphemie angezeigt worden. Er ist nur knapp einer Fatwa entronnen – und auch einer Anklage durch den deutschen Rechtsstaat. Denn seine Satiren waren nicht einmal geeignet, „den öffentlichen Frieden zu stören“. Nicht selten sind es aber fanatische Pazifisten, die sich als Friedensstörer betätigen. Und Leute, die sich beleidigt oder diskriminiert fühlen, lassen sich leichter aggressiv mobilisieren als jene, die in Ruhe ihren Pflichten nachgehen und mancherlei Beleidigungen tolerant einstecken.

Letztere Bevölkerungsgruppe wird nicht gerade von Bündnis 90/Die Grünen repräsentiert, deren Bundestagsfraktion kürzlich zur Verschärfung und Ausdehnung des Volksverhetzungsstraftatsbestandsparagraphen aufgefordert hat. Neben den dort genannten Bevölkerungsgruppen sollen sexuelle Orientierung, Geschlechtsidentität, Weltanschauung und Behinderung ausdrücklich genannt werden. Und eine Kommission solle prüfen, ob weitere Kriterien für die Definition von „Haßkriminalität“ eingeführt werden sollten.

Mir würde allerdings schon die Klärung der Frage genügen, was Haß als leidenschaftliches Gefühl überhaupt mit dem Strafrecht zu tun hat, wenn nicht die Grenze zur Gewalt überschritten wird. Mir wird etwas schwindlig bei dem Gedanken, daß eine gehörige Portion Haß notwendig ist, um den Haß und die Hasser zu hassen und strafrechtlich zu verfolgen. Mit Theodor Haecker läßt sich fragen: „Gibt es nicht einen heiligen Zorn, ja, einen heiligen Haß?“ Natürlich gibt es ihn! Und Baltasar Gracian meinte: „Gefährlicher als der Haß ist die Schmeichelei, weil diese die Flecken verhehlt, die jener auszulöschen arbeitet.“

(Übernommen aus: Editorial der Neuen Ordnung 12/2014)

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10 KOMMENTARE

  1. Man sollte die Leute blöken lassen. Wenn einer dann meint, seinem Hasse Taten folgen lassen zu müssen, dann volle Kante Strafjustiz. Das Geblöke ist das einzige, was ich notfalls zu ertragen bereit bin; die Folgen indes nicht.

  2. Das Wort „Hass“ und den damit beschriebenen Zustand habe ich immer versucht zu vermeiden. Wer hasst kann nicht mehr klar und rational denken. Wenn Hass nicht krankhaft ist, ist Hass das Ergebnis eines längeren Prozesses der Unterdrückung oder Demütigung. Somit ist Hass eben auch eine Folge von Kleinmut, Ängstlichkeit und Feigheit, die einem daran hindern, sich gegen die Demütigungen und Unterdrückung zu wehren. Plötzlich und unerwartet bricht dieser Hass aus – unberechenbar. Das kann bei einer Einzelperson aber auch auf ganze Volksgruppen zutreffen. Politiker sollten sich dessen immer bewust sein.

  3. Seht euch die Gesichter von Merkel oder Schäuble an. Von Liebe keine Spur. Denen hat sich ihr innerer Hass auf die Deutschen ins Gesicht gefressen.

    Ja, in der DDR war bestimmt nicht alles lustig und es gab viel zu bemängeln.

    Doch hätte die DDR

    -bei 5.000.000 Arbeitslosen von „wir brauchen Zuwanderung von Fachkräften“ gesprochen?

    -hätte die DDR diese Fachkräfte in 4 Sterne Hotels untergebracht, die mit Geld versorgt während Rentner Pfandflaschen aufsammeln müssen und 300.000 Leute Obdachlos sind?

    -hätte die DDR Kopftreter, Messerstecher, Mörder, Vergewaltiger und Totschläger zu Bewährungsstrafen verurteilt?

    -konnte man sich in der DDR in der Nacht auf die Straße trauen?

    -hätte die DDR die Schulden andere Länder übernommen(ESM, EUROrettung, Griechenlandhilfe usw.) während im eigenen Land die Straßen und Schulen zerfallen?

    Sicher gab es Stasi und Mauermörder.
    Doch hier gibt es die ANTIdeutsche FAschisten, Meinungspolizei nd Tausende Opfer von Migrantengewalt.

    Demnach ist die DDR im Gegensatz zur BRD ein vorbildlicher Rechtstaat gewesen.

  4. Mir würde allerdings schon die Klärung der Frage genügen, was Haß als leidenschaftliches Gefühl überhaupt mit dem Strafrecht zu tun hat, wenn nicht die Grenze zur Gewalt überschritten wird.

    Mir auch. Ich lasse mir doch nicht von diesem Staat vorschreiben, ob und wen ich hassen darf oder nicht. Es handelt sich also um eine erschreckende Tendenz in Richtung Gefühlsdiktatur. Überflüssig, die Namen Orwell und vor allem Huxley zu nennen (mache es trotzdem).

    Und zur Liebe:

    Weil nämlich die christlich verstandene Liebe nicht politisierbar und justiziabel, sondern existenziell-personalistisch zu verstehen ist.

    Wie ja das Christentum überhaupt zur Staatsräson nicht taugt, siehe Alexander Gauland:

    „Wir sagen klar und deutlich, dass wir manche Menschen in Deutschland nicht haben wollen. … Manche sagen, das sei nicht christlich. Aber die Staatsräson kann nicht christlich sein. Als Privatmann kann ich jeden aufnehmen. Aber als Staat geht das nicht.

    http://www.zeit.de/2014/44/afd-partei-alexander-gauland-konrad-adam/seite-2

  5. Anders als in früheren Zeiten spielt sich Einwanderung nicht in menschenleeren Räumen ab, die von Einwanderern erst noch zu kultivieren wären, sondern meist in übervölkerten zivilisierten Industriegesellschaften mit wohlfahrtsstaatlichen Anreizen. Hier entstehen gewaltige Integrationskosten und soziale Konflikte, die für multikulturelle Gesellschaften typisch sind.
    Ockenfels kritisiert deutsche Zuwanderungspolitik
    Hier das lesenswerte Interview in voller Länge:
    http://www.wirsindkatholisch.de/die-katholische-kirche/aktuelle-themen/pater-prof-wolfgang-ockenfels/

  6. Haß ist wie ihr Gegensatz Liebe eine Tugend. „…die Tugend aber gründet sich darauf, daß man die richtige Freude und die richtige Liebe und den richtigen Haß empfindet..“, Aristoteles, Politika 1340a 16. „Die Lüge aber ist zu hassen (misein), die Wahrheit zu lieben (stergein)“, Platon, Politeia 485c 4. Wer nicht fähig ist das Böse zutiefst zu hassen, der kann auch die Wahrheit nicht lieben. Beide setzen die erste Kardinaltugend Weisheit voraus. Aber das ist für den modernen 68er Intellektuellen Metaphysik und damit gemäß der Lehre des Big Boss Adorno-Wiesengrund falsch, denn Denken ist nicht Sein, der Begriff nicht die Sache, wie dummerweise auch noch Hegel und Marx meinten. Trotzdem geistern noch die Tugenden Toleranz und Gerechtigkeit herum, aber natürlich ohne die Weisheit und bis zur Unkenntlichkeit entstellt, damit sie zur Schaffung des Einheitsmenschen dienlich sind.

  7. Polizistenmörder Mielke ist bei den jungen Leuten schon fast in Vergessenheit geraten…die wählen wie verrückt SED/Die Linke.

  8. Hachja, die christliche Liebe spürt man hier besonders deutlich unter Artikeln über Schwule, Frauen und Atheisten.

    Aber nur die logische Konsequenz, wenn das große Vorbild im Himmel seine Schöpfung so sehr liebt, dass er jeden einzelnen, der ihn nicht anhimmelt, bis in alle Ewigkeit in der Höllenglut foltern und brutzeln lässt. 🙂

    Nein, die Bibel ist wirklich eine der letzten Anlaufstellen, um etwas über Liebe und friedliches miteinander zu lernen.

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