- PI-NEWS - https://www.pi-news.net -

Literatur des Widerstands – damals und heute

Von den hier vorgeschlagenen Titeln sind "Das siebte Kreuz", "Die wunderbaren Jahre", "Auf den Marmorklippen", "Im Block" und "Flugasche" über den Antaios-Verlag lieferbar.

Von RÜDIGER | Wolfgang Gottschalks „Bauchschmerzen“, C.M.‘s „Ruhrkent“, Ernst Jüngers „Auf den Marmorklippen“, Reiner Kunzes „Die wunderbaren Jahre“ – hier sind zehn literarische Vorschläge für lange Winterabende, allesamt exzellente Werke deutscher oppositioneller Literatur aus den Zeiten des Dritten Reiches, der DDR und der Bunten Republik:

1. Wolfgang Gottschalk: „Bauchschmerzen“

Wer nur Bücher liest, die er nach dem ersten Satz nicht mehr aus der Hand legt, sollte sich dieses Werk schon jetzt für die Weihnachtszeit vormerken: Die Geschichte eines indigenen Deutschen, der im umgevolkten Frankfurt am Main an der buntistischen Alltagsrealität verzweifelt und zum Mörder wird. Packende Handlung, einfache Sätze, intensive, treffende Sprache: Wer sich auf „Bauchschmerzen“ einlässt, kann sich auf eine durchwachte Nacht einstellen, weil er das Buch erst am nächsten Morgen – in einem Zug durchgelesen – zur Seite legen wird. Eines der spannendsten und politisch kraftvollsten deutschen Bücher der letzten Jahre.

2. Anna Seghers: „Das siebte Kreuz“

Anna Seghers war überzeugte Kommunistin, aber die politische Einstellung eines Autors sollte dem Literaturfreund gleichgültig sein: Für den Kunstkenner zählt nur die Qualität des Werks. „Das siebte Kreuz“ [1] ist zweifellos eines der besten oppositionellen Bücher gegen das Dritte Reich. Die Flucht eines KZ-Häftlings innerhalb Deutschlands ist lebendig und mitreißend geschrieben, die Sprache leicht lesbar, die dezente kommunistische Färbung bleibt immer unaufdringlich. Wer „Das siebte Kreuz“ noch nicht kennt und sich für gute deutsche Literatur begeistert, sollte diesen Klassiker in diesem Winter auf seine Bücherliste setzen.

3. C. M.: „Ruhrkent“

Eines der interessantesten Werke der letzten Jahre: Die Lebensgeschichte eines Mitläufers des heutigen Buntismus, der die Umvolkung des Ruhrgebiets gleichgültig mitmacht und zu spät zum Rebellen wird. „Ruhrkent“ [2] ist literarisch anspruchsvoll. Komplett in Jamben geschrieben und dadurch sprachlich einzigartig in der deutschen Literatur, taucht der Leser in eine Art Sprachfluss und lässt sich durch den Rhythmus von Satz zu Satz treiben. Auch inhaltlich ist das Buch stark poetisch: In den Rückblicken auf unsere Gegenwart – „Akrobatische Verrenkungen“, „Der Zauber“, „Im Mondlicht“ – erscheint unser buntistisches Hier und Heute wie ein verrücktes Märchen. Die politische Kritik an der Umvolkungspolitik ist deutlich, drängt sich dem Leser aber nie auf – der Leser soll sich seine eigenen Gedanken machen und vor allem Freude an der eleganten, präzisen Sprache des Buches finden.

4. Reiner Kunze: „Die wunderbaren Jahre“

Eines der schönsten oppositionellen Bücher aus der Zeit der DDR: In kurzen, leicht lesbaren Texten, oft nur wenige Sätze lang, werden Szenen aus dem Alltagsleben in der DDR herausgegriffen, allesamt aus dem Blickwinkel der „wunderbaren Jahre“ [3] der Jugendzeit. Ein Buch, das sich auch zum Lesen „zwischendurch“ eignet, in dem man blättert und sich mal den einen, mal den anderen Text vornimmt. Wer die graue, spießige Realität der DDR jenseits der Propaganda vergessen hat: Mit diesem Werk ist man schnell wieder in den Zeiten jener geistigen Enge, an die die heutigen Talkshow-Teilnehmer der SED („Die Linke“) als Dauergäste von ARD und ZDF viel zu selten erinnert werden.

5. Werner Bergengruen: „Der Großtyrann und das Gericht“

Für viele Literaturfreunde ist Werner Bergengruen der beste deutsche Schriftsteller des 20. Jahrhunderts. Sprachlich in der allerobersten Spitzenklasse sind seine Bücher spannender, die Charaktere lebendiger, die Gedankengänge tiefer und lebensnäher als bei Thomas Mann. „Der Großtyrann“ [4] ist ein Kriminalroman mit unverkennbarer Kritik an der NS-Diktatur, aber auch geprägt von ernsthafter gedanklicher Auseinandersetzung mit dieser Diktatur: Bei Bergengruen erwarten den Leser keine neunmalklugen Plattitüden, sondern hier schreibt ein Mann mit hohem geistigem Anspruch für Leser mit genauso hohem geistigen Anspruch. Wer den „Großtyrann“ schon mit Begeisterung gelesen und noch viel, viel Zeit übrig hat, dem sei an dieser Stelle auch Bergengruens Meisterwerk empfohlen, eines der lesenswertesten Werke der deutschen Literatur überhaupt: „Am Himmel wie auf Erden“.

6. Raoul Thalheim: „Hirnhunde“

Eine Liebesgeschichte aus der Zeit unserer buntistischen Gegenwart: Gute, leichte Lektüre, immer unterhaltsam, mit einer schönen, überraschenden Wendung am Ende – „Hirnhunde“ [5] ist Literatur, die beim Lesen Spaß macht. Politisch kritisch, aber deutlich weniger frontal in der Auseinandersetzung mit der Umvolkung als „Ruhrkent“ oder „Bauchschmerzen“, werden an diesem Buch auch Leser Gefallen finden, die als stramm linientreue Zeitgenossen jegliche oppositionelle Literatur sonst nur mit spitzen Fingern berühren.

7. Ernst Jünger: „Auf den Marmorklippen“

Ernst Jüngers „Auf den Marmorklippen“ [6] ist ein Klassiker aus der NS-Zeit, der in vielerlei Hinsicht auch heute wieder aktuell ist: Der Rückzug der Einsiedler in das Privatleben angesichts der widrigen Zustände außerhalb der kleinen eigenen Welt – das kennen wir alle auch aus den glorreichen Zeiten der Angela Merkel, die wir uns als „Oberförsterin“ in diesem Buch ebenfalls gut vorstellen können. Ernst Jüngers Sprache ist sehr eigen, man braucht für dieses Buch etwas Zeit. Aber wer sich eingelesen hat, wird mit zahllosen Parallelen zur Gegenwart belohnt, auch wenn wir die Schädelstätte von „Köppelsbleek“, wo die Massen von Leichen liegen, im Paradies unserer totalen Bunten Republik wohl noch vor uns haben.

8. Walter Kempowski: „Im Block“

Wie alles von Walter Kempowski ist „Im Block“ [7] ein unterhaltsames, leicht lesbares, sprachlich exzellentes Werk. Die autobiographische Beschreibung seiner eigenen Haftzeit in der DDR ist auch historisch ein wichtiges Zeugnis für die Unmenschlichkeit und Willkür im Staat der Partei „Die Linke“ (damals: „SED), die uns bei ARD und ZDF heute als Truppe humanitärer Saubermänner verkauft wird. Alle Bücher von Walter Kempowski sind extrem lesenswert, politisch immer aus bürgerlicher Sicht geschrieben und sprachlich modern, überwiegend mit kurzen Hauptsätzen arbeitend, wobei sich die hohe Qualität von Werk zu Werk sogar noch steigert: „Im Block“ als Kempowskis Erstwerk zählt bereits zur literarischen Oberklasse, umso mehr gilt dies für sein letztes, ganz großartiges Werk „Alles umsonst“.

9. Stefan Andres: „El Greco malt den Großinquisitor“

Ein weiteres Werk der Widerstandsliteratur aus den Zeiten des Dritten Reiches: Stefan Andres nimmt in diesem schmalen Buch El Grecos Gemälde „Der Großinquisitor“ [8] als Ausgangspunkt für eine Auseinandersetzung mit den Schrecknissen absoluter Macht, die persönlichen Anspielungen auf Hitler sind unverkennbar. Erstaunlicherweise durfte das Buch – wie Bergengruens „Großtyrann“ und Jüngers „Marmorklippen“ – im Dritten Reich längere Zeit unzensiert erscheinen. Zu denken geben sollte uns auch, dass diese drei kritischen Autoren im Dritten Reich unter Klarnamen zu veröffentlichen wagten, während oppositionelle Werke in unseren heutigen Zeiten der Bunten Republik – „Wolfgang Gottschalk“, „C. M.“, „Raoul Thalheim“ – leider nur unter Pseudonym erscheinen. Ein Armutszeugnis für den angeblich besten deutschen Staat, den wir je hatten, in dem sich die Dichter nicht mehr aus der Deckung wagen.

10. Monika Maron: „Flugasche“

Eines der lesenswertesten Bücher aus der Zeit der DDR: „Flugasche“ [9] – die Geschichte einer Journalistin, die sich angesichts der Umweltverschmutzung durch die Partei „Die Linke“ (damals: SED“) in Bitterfeld vor die Entscheidung gestellt sieht, entweder die Propaganda zu übernehmen und weiter Karriere zu machen, oder die Wahrheit zu schreiben und fortan als gesellschaftlich Ausgestoßene zu leben. Wir kennen diese Zwangslage auch aus der Gegenwart: Würde Monika Marons Journalistin heute in das umgevolkte Gelsenkirchen reisen, würde sie sicher wieder vor derselben Entscheidung stehen. Hochaktuell daher, unterhaltsam und gut lesbar: Ein schönes, sehr gelungenes Buch für jeden Weihnachtstisch!

Beitrag teilen:
[10] [11] [12] [13] [14] [15] [16] [17] [17] [17]
[18] [11] [12] [13] [14] [15] [17] [16] [17]
Kommentare sind deaktiviert (Öffnen | Schließen)

Kommentare sind deaktiviert Empfänger "Literatur des Widerstands – damals und heute"

#1 Kommentar von observer812 am 17. November 2021 00000011 13:56 163715738301Mi, 17 Nov 2021 13:56:23 +0200

“ Bauchschmerzen“…das Buch, welches mich emotional so gefesselt hat, dass ich es in Rekordzeit gelesen (2 Nächte) und danach weitergegeben habe, mit dem gleichen Resultat.

#2 Kommentar von ami_de_zemmour am 17. November 2021 00000011 14:37 163715986202Mi, 17 Nov 2021 14:37:42 +0200

Danke PI für den erfrischend anderen Beitrag. Natürlich wird er auch wieder Kritiker auf den Plan rufen, die darin lediglich eine PR-Aktion für Kubitscheks Antaios-Verlag wittern. Na und, warum denn nicht?! Schnellroda wird vom „System“ gefürchtet, und das sollte uns Grund genug sein, es nach Kräften zu unterstützen. Denkt also bei Euren Weihnachtseinkäufen an Antaios!

#3 Kommentar von lorbas am 17. November 2021 00000011 15:00 163716123203Mi, 17 Nov 2021 15:00:32 +0200

Ernst Jünger

“Lange Zeiten der Ruhe begünstigen gewisse optische Täuschungen. Zu ihnen gehört die Annahme, daß sich die Unverletzbarkeit der Wohnung auf die Verfassung gründe, durch sie gesichert sei. In Wirklichkeit gründet sie sich auf den Familienvater, der, von seinen Söhnen begleitet, mit der Axt in der Tür erscheint.”

(Ernst Jünger, * 29. März 1895 in Heidelberg, in seinem Essay „Der Waldgang“)

[19]

#4 Kommentar von Das_Sanfte_Lamm am 17. November 2021 00000011 15:39 163716359603Mi, 17 Nov 2021 15:39:56 +0200

lorbas 17. November 2021 at 15:00
Ernst Jünger
“Lange Zeiten der Ruhe begünstigen gewisse optische Täuschungen. Zu ihnen gehört die Annahme, daß sich die Unverletzbarkeit der Wohnung auf die Verfassung gründe, durch sie gesichert sei. In Wirklichkeit gründet sie sich auf den Familienvater, der, von seinen Söhnen begleitet, mit der Axt in der Tür erscheint.”

(Ernst Jünger, * 29. März 1895 in Heidelberg, in seinem Essay „Der Waldgang“)

Immer wieder schön aus Büchern zu zitieren die man selbst nie gelesen hat.

#5 Kommentar von lorbas am 17. November 2021 00000011 15:47 163716405203Mi, 17 Nov 2021 15:47:32 +0200

Das_Sanfte_Lamm 17. November 2021 at 15:39

lorbas 17. November 2021 at 15:00

Immer wieder schön aus Büchern zu zitieren die man selbst nie gelesen hat.

Immer wieder schön, von Leuten zu lesen die seherische Fähigkeiten haben.

Leider kann ich hier nicht genau schreiben was ich beruflich mache, ansonsten hätte sich das Thema erübrigt.

#6 Kommentar von klimbt am 17. November 2021 00000011 15:58 163716472303Mi, 17 Nov 2021 15:58:43 +0200

In Zeiten von Corona, in denen die Bürger wieder mehr zu Hause sind, ist ein deutlicher Trend zum Zweitbuch erkennbar.

#7 Kommentar von canario am 17. November 2021 00000011 17:53 163717158505Mi, 17 Nov 2021 17:53:05 +0200

Lesenswert ist auch die Trilogie „Und führe uns …. “ von Elisabeth Roth (Theologin), Shaker Verlag, Aachen. Nicht einfach zu lesen – Quellenangaben und Querverweise ca. 25 %. Ungeeignet als schnelle Lektüre für ein freies Wochenende. Aber sehr informativ.
FG C.

#8 Kommentar von Alter_Frankfurter am 17. November 2021 00000011 18:05 163717232506Mi, 17 Nov 2021 18:05:25 +0200

Wie man auf subtile Weise gegen ein System anschreiben kann, zeigt der Roman
„Meister und Margarita“ von Michail Bulgakov, erschienen 1966 in der Sowjetunion und von der staatlichen Zensur um einige Stellen gekürzt, die aber heimlich vervielfältigt und unter der Hand verbreitet wurden.
Eine fiktionale reichlich skurrile Satire gerichtet gegen Missstände des Sowjetstaats, insbesondere Versorgungsengpässe, Bürokratie und Willkürmaßnahmen.
Die hohe Beliebtheit bei der lesenden Bevölkerung zeigte sich darin, dass viele Erstexemplare binnen weniger Stunden ausverkauft waren und viele Kunden den Roman innerhalb kürzester Zeit durchlasen und Teile davon auswendig wiedergeben konnten.

#9 Kommentar von Saturn am 17. November 2021 00000011 18:18 163717310106Mi, 17 Nov 2021 18:18:21 +0200

Was habe ich vor 10 Jahren noch Bücher verschlungen. Ohne TV hatte ich immer bock auf Unterhaltung.
Kein scifi Roman (sergej snegow) war mir zu abgedroschen, kein Fantasy (carth nix) zu Nerdy,
keine lovecraft Ständerwahre zu billig.
Aber keinen, der hier aufgeführten Autoren jemals gelesen zu haben,
oder zu kennen, lässt mich in Schande und Verwirrung zurück.

#10 Kommentar von Mantis am 17. November 2021 00000011 18:40 163717443506Mi, 17 Nov 2021 18:40:35 +0200

Danke für die Literaturliste, ich lese gerne die Bücher von Kempowski und habe ihn auch mal persönlich bei einer Lesung kennengelernt.

„Sobald man wieder zu schreiben anfängt, verliert sich die Angst.“
Walter Kempowski am 15. Mai 1989
Alkor – Tagebuch 1989, 2001
[20]
Die Kempowskis verloren alles: die Firma, die Wohnung, das Mobiliar, die Heimat. Fotos, Briefe, Bücher – alles vernichtet. Ihre bürgerliche Existenz, die sie sich in Rostock aufgebaut hatten, war von einem Moment zum anderen zerbrochen.
Die Mutter wurde 1954 aus dem Gefängnis entlassen und suchte nicht den Weg zurück nach Rostock. Sie ging in ihre Heimatstadt, nach Hamburg. Und auch Walter und Robert folgten ihr nach der Haftentlassung in den Westen, Walter im März, Robert im September 1956

Ein Besuch im Kempowski Haus kann ich jedem empfehlen.
„Das Haus entstand genauso, wie ich es mir vorgestellt hatte, ein wenig Höhle, ein bißchen Gutshaus, Schule und Kloster“
Walter Kempowski über Haus Kreienhoop

#11 Kommentar von Gemeinderat am 17. November 2021 00000011 19:21 163717686907Mi, 17 Nov 2021 19:21:09 +0200

Einige Bücher habe ich gelesen. Danke für die Rezension von Das siebte Kreuz. Es wird mehr als Zeit es endlich zu lesen.

Arthur Koestler Sonnenfinsternis.

Ist ein weiterer Klassiker der oppositionellen Literatur mit parallelen in die heutige Zeit.

Sehr bewegend beschreibt es den letztlich vergeblichen, intellektuellen Kampf ums Überleben im kommunistische Todeszellenblock.

Das Buch hat eine bewegende Geschichte. Auf der Flucht ins Exil wurde das dt. Manuskript vernichtet, in England auf englisch erschienen, zurückübersetzt und auf deutsch eröffentlicht. In den 2000endern in einem Schweizer Verlag als Rohfassung wieder entdeckt und veröffentlicht.

#12 Kommentar von Alter_Frankfurter am 17. November 2021 00000011 20:30 163718102808Mi, 17 Nov 2021 20:30:28 +0200

Mantis 17. November 2021 at 18:40

„Danke für die Literaturliste, ich lese gerne die Bücher von Kempowski und habe ihn auch mal persönlich bei einer Lesung kennengelernt.“
———————————
Dito!
Erinnere mich auch noch gerne an die Verfilmung von „Tadellöser und Wolff“ mit Karl Lieffen und Edda Seippel in den Hauptrollen. So manche Sentenzen von Lieffen wie „Ansage mir frisch“ oder „Wohlaufgemerkt nun also“ wurden bei uns regelrecht zu geflügelten Worten.

#13 Kommentar von Dortmunder Buerger am 17. November 2021 00000011 20:42 163718174508Mi, 17 Nov 2021 20:42:25 +0200

Danke für diesen wunderbaren Artikel mit Lesestoff für die kommenden schweren Wochen und Monate im heimischen Corona-Knast!
Walter Kempowski ist einer meiner Lieblingsautoren; ich besitze nahezu alle seine Bücher. Neben dem ‚Block‘, seinem Erstling, kann ich auch seinen wohl größten Erfolg ‚Tadellöser & Wolff‘ empfehlen. Hier schildert er den Alltag im 3. Reich aus seiner eigenen Sicht, dem Sproß einer bürgerlich-patriotisch-konservativen Familie. Man erfährt viel über die Illusionen der Bürger in der Diktatur, aber auch wie man sich arrangieren mußte, um zu überleben. Das ganz ohne moralinsauren Zeigefinger, sondern als kurzweiliger und spannender Roman. Lesenswert!

#14 Kommentar von incorrect robot am 18. November 2021 00000011 05:50 163721463005Do, 18 Nov 2021 05:50:30 +0200

11. Ralf Neitzel: „Von der Sucht, andere zu bevormunden.“

#15 Kommentar von 0Slm2012 am 18. November 2021 00000011 10:29 163723139210Do, 18 Nov 2021 10:29:52 +0200

Kann der Auflistung nur zustimmen – auch wenn ich nur etwa die Hälfte der genannten Bücher gelesen habe.
Ernst Jüngers „Auf den Marmorklippen“ wollte ich mir immer wieder mal greifen. Habe noch eine Ausgabe von 1939 (!), die ein Ausbilder bei der Wehrmacht, in die mein Vater eingezogen worden war, ihm geschenkt hatte.
Ist ein dystopischer, das heißt anti-utopischer (und anti-ideologischer!) Roman, vergleichbar mit anderen antitotalitären Romanen wie „WIR“ von Jewegenij Semjatin, der sehr früh den bolschewistischen Totalitarismus als ehemaliger, früher Bolschewist SF-mäßig beschrieben hatte und (angeblich) Aldous Huxley mit seiner „Brave New World“ und Orwell mit seinem „1984“ als literarischer (und politischer) Vordenker diente.

An dieser Stelle muss ich allerdings an Fjodor M. Dostojewski erinnern, den Spengler „einen russischen Heiligen“ nannte, weit mehr als sein pazifistisch-anarchistisch-nihilistischer Landsmann Tolstoi, trotz oder wegen dessen sozialromantischem Moralismus, mit dessen ZEITgenössischer Neuauflage gerade Pfaffen und Kirchengemeinden IS- und Taliban-MUFels einschleppen.

Dostojewski, dessen Geburtstag sich gerade zum 200. Jahrestag jährt, hatte gewissermaßen die Wurzeln des Totalitarismus, von Sozialismus und Anarchismus über Bolschewismus und Faschismus bis zum heutigen neo-totalitären, globalistischen Wohlfahrtsstaat mit seiner Selbstauflösung und seiner Anarchotyrannei beschrieben.

Zugegeben, Dostojewski zu lesen, geht nicht locker-flockig von der Hand und erfordert Aufmerksamkeit und Einfühlungsvermögen.
Aber wenn man die Statements der nihilistisch-anarchistisch-sozialistischen Dämonen liest, die sie in Salons und bei Herrenabenden vortragen, wird einem nach den Totalitarismen des vorigen Jahrhunderts auch das heutige ZEITgeist-Geschehen, ebenfalls mit Heerscharen (ihre Zahl ist Legion) von Schigaljoffs und Co., klar, von der politisch-korrekten Umerziehung über linksgrüne Verelendungsstrategien aus Euronullzins, Energiewende und Fahrverboten bis hin zu FFF(=666)-Bewegung, GRÜNEN und ISlamisierung!

„‚Hier handelt es sich nicht darum‘, mischte sich schließlich der Lahme ein. Er sprach eigentlich immer mit einer Art von spöttischem Lächeln, so dass es schwer zu unterscheiden war, ob er aufrichtig sprach oder ob er nur scherzte. ‚Hier, meine Herrschaften, handelt es sich um etwas ganz Anderes. Herr Schigaljoff hat sich der Aufgabe, vor die er sich gestellt sah, mit größtem Ernst gewidmet und ist dabei sehr bescheiden. Ich kenne sein Werk. Er schlägt darin als endgültige Lösung des Problems die Teilung der Menschheit in zwei ungleiche Teile vor. Der kleinere Teil, ungefähr nur ein Zehntel der Menschheit, erhält allein persönliche Freiheit und das unbeschränkte Recht über die übrigen neun Zehntel. Diese neun Zehntel der Menschheit aber sollen ihre Persönlichkeit vollkommen einbüßen und zu einer Art Herde werden, und bei unbegrenztem Gehorsam mittels einer Reihe von Umwandlungen die uranfängliche Unschuld wieder gewinnen, so etwa den Zustand im ursprünglichen Paradies, obschon sie übrigens auch arbeiten werden. Die Maßnahmen, die der Verfasser vorschlägt, um den neun Zehnteln der Menschheit den Willen zu nehmen und sie durch umbildende Erziehung ganzer Generationen in eine Herde zu verwandeln, sind überaus interessant, sind auf naturwissenschaftlichen Tatsachen aufgebaut und sind streng logisch.‘ …
… ‚Hören Sie zu, wir stiften zuerst nur Unruhen im Land‘, redete dieser wie gehetzt weiter, während er immer wieder Stawrogins linken Ärmel anfaßte. ‚Ich habe Ihnen schon gesagt. Wir dringen unmittelbar ins Volk ein. Wissen Sie auch, daß wir auch jetzt schon furchtbar stark sind? Zu uns gehören nicht nur die, die da brandstiften und morden, oder klassische Schüsse abfeuern oder in Schultern beißen. Solche stören nur. Ohne Disziplin ist mir überhaupt nichts möglich. Ich bin doch ein Spitzbube, aber kein Sozialdemokrat, haha!
Hören sie zu, ich habe sie bereits alle zusammengezählt: der Lehrer, der sich mit den Schulkindern über ihren Gott und über ihre Wiege lustig macht, ist schon unser.
Der Advokat, der den gebildeten Mörder damit verteidigt, daß dieser geistig entwickelter sei als seine Opfer und daher, um sich Geld zu verschaffen, nicht umhin konnte, zu morden, ist schon unser.
Die Schuljungen, die einen Bauern totschlagen, nur um das Gefühl kennen zu lernen, das man dabei empfindet, sind unser.
Die Geschworenen, die alle Verbrecher ohne Ausnahme freisprechen, sind unser.
Der Staatsanwalt, der bei der Gerichtsverhandlung davor zittert, er könnte nicht liberal genug erscheinen, ist unser. Unser sind Beamte und Literaten, oh, unser sind viele, unglaublich viele, und sie wissen es selbst nicht einmal, daß sie unser sind. Auf der anderen Seite hat der Gehorsam der ewigen Schüler und Dummköpfe den höchsten Grad erreicht; bei denen aber, die sie leiten und belehren sollten, ist offenbar die Gallenblase geplatzt. Überall eine Hoffart von unvorstellbarem Ausmaß, tierische, unerhörte Begierde … Wissen Sie, wissen Sie auch, wie viele wir schon allein mit fertigen Ideechen einfangen?
Als ich Rußland verließ, wütete hier gerade die These Lettrés, nach der Verbrechen Wahnsinn sei; ich kehre zurück, und schon ist Verbrechen nicht mehr Wahnsinn, sondern geradezu gesunde Vernunft selbst, beinahe eine Pflicht oder zum mindesten ein edler Protest. …“
Fjodor M. Dostojewski, DIE DÄMONEN, München Zürich 1985

#16 Kommentar von Mantis am 18. November 2021 00000011 12:59 163724034312Do, 18 Nov 2021 12:59:03 +0200

Meine Welt im Herbst: Sie sterben zu sehen schmerzt sehr tief. Wie war sie so lebensvoll, geordnet und frei! Nun vergeht ihr Wesen. Es wird zu Erde, Asche, Staub – eingeebnet zu seinesgleichen, entschlafen und vergessen. Da bleibt nichts.

Noch leuchten Farben ganz vertraut. Sie deuten Werden und Vergehen an wie aus. Das alte Lied darüber ist verstummt, wie schade! Nun lässt ein Irrsinn, völlig menschengemacht, die ruhigen Gänge uns als furchtbar und bedrohlich erscheinen. Der Einklang mit der Schöpfung, so drängelnd er von Lautsprechern und „Aktivisten“ eingefordert wird: er ist dahin, von Laubsaugern und -bläsern knatternd weggepustet.
[21]