[1]Wir möchten nicht übertreiben, aber „Unter Linken – Der Film“ des Journalisten Jan Fleischhauer [2] (Sonntag, 23:25 Uhr, RTL) könnte – zumindest für Nicht-Linke – ein absolutes TV-Highlight werden. Fleischhauer, selbst früher politisch links geortet, aber mittlerweile „konvertiert“, führt in seiner Politreportage auf heitere Art und Weise die linke Szene in Deutschland vor. Wie z.B. Verdi-Chef Frank Bsirske (Foto r.), der ihm im direkten Körperkontakt aufzeigen wollte, wie er sich den Klassenkampf in der Realität vorstellt. (JETZT mit Video!)
Auszüge eines WELT-Interviews [3] mit Fleischhauer:
WELT ONLINE: Hatten Sie Angst, als Ihnen Frank Bsirske, der Ver.di-Chef, am Ende auf die Pelle rückte?
Jan Fleischhauer: Ich fand es verblüffend, wie wenig es braucht, damit Herr Bsirske die Fassung verliert. Ich konnte in den Augen sehen, dass er kurz davor stand, mir eine zu verpassen. Und das nur, weil ich ihn zur Beteiligung an der Auftaktdemonstration in Berlin gegen das Sparpaket gefragt hatte.
WELT ONLINE: Er wird so scheinbar selten befragt.
Fleischhauer: Gut möglich. Ein ARD-Redakteur ist wahrscheinlich viel zu brav und wohlerzogen, um den Ver.di-Chef nach seiner Verantwortung zu fragen, wenn, wie in Berlin geschehen, 15 Polizisten verletzt zurückbleiben. Ich hatte mich für diesen Auftritt aber auch entsprechend präpariert.
WELT ONLINE: Wie?
Fleischhauer: Ich bin ein großer Michael-Moore-Fan. Von Moore kann man lernen, wie man Menschen vor der Kamera in eine Situation bringt, in der ihre normalen Reaktionsmuster nicht mehr funktionieren und sie unerwartete Dinge tun. In diesem Fall hatte ich mir eine Liste aller Ver.di-Verbände ausgedruckt, die zu der Demo aufgerufen hatten, alle 22, und als Bsirske die Beteiligung seiner Gewerkschaft kleinredete, las ich die eben vor. Dem Kameramann hatte ich vorher gebeten, die ganze Zeit auf Bsirskes Gesicht zu halten. Man sieht richtig, wie er innerlich zu kochen beginnt.
WELT ONLINE: Und Sie dann anfasst.
Fleischhauer: Am Jackett. Er dreht mich zu sich herum, als wolle er mich in Position für einen Punch stellen. Kein Problem für ihn, schließlich ist er ja doppelt so kräftig wie ich. Aber worüber soll ich mich beklagen? Er hat einen tollen Mitspieler in meinem Film abgegeben, dafür werde ich ihm immer dankbar sein.
WELT ONLINE: Auch andere Helden der Linken zeigen sich von ihrer eher unbekannten Seite. Christian Ströbele als Kulturchauvinist zum Beispiel.
Fleischhauer: Die linke Lebenswelt ist voller Widersprüche, das macht sie ja auch als Schürfgebiet für politische Unterhaltung so ertragreich. Warum muss man als überzeugter Linker zum Beispiel gegen die Hamburger von McDonalds sein, aber nicht gegen den Döner um die Ecke, der im Zweifel gesundheitlich viel bedenklicher ist? Die Linke und das Essen ist überhaupt ein tolles Thema, deshalb hatte ich mich mit Ströbele vor der McDonalds-Filiale in Berlin-Kreuzberg verabredet, gegen die er mit einer Bürgerinitiative vergeblich angerannt war. Ich nehme ihn dann am Arm und wir marschieren zu einer nahe gelegenen Imbissbude, wo er anhand einer Pommes mit Mayo zu erklären versucht, warum diese Fritten im Gegensatz zu ihren amerikanischen Vettern ungefährlich für die deutsche Jugend sind. Fazit am Ende: Die deutsche Imbisskultur ist einheimisch gewachsen und deshalb schützenswert, die von McDonalds eingewandert und deshalb abzulehnen. Das fand ich komisch.
[…]
WELT ONLINE: Wer war der schwierigste Gesprächspartner?
Fleischhauer: Dieter Hildebrandt, eindeutig. Der wusste genau, worauf er sich einließ, als ich ihm gegenüber Platz nahm, um über die Linke und den Humor zu reden. Er guckte mich an mit einem Blick, der sagte: Komm, zeig, was du drauf hast. Zeig mal, ob du mich aufs Glatteis führen kannst.
WELT ONLINE: Aber er sagt dann doch einen furchtbar entlarvenden Satz: dass er sich immer über die Rechten lustig gemacht habe, weil er gegen die Mächtigen sei. Als ob die Linke bis heute keine Macht in diesem Land hätte.
Fleischhauer: Linke sind geradezu besessen von der Idee, ihre Art zu denken und die Welt zu sehen sei wahnsinnig aufrührerisch. Das hat etwas merkwürdig Unreifes, Jugendfixiertes. Es ist natürlich auch ein bisschen lächerlich, sich nicht eingestehen zu können, dass man längst selber in wesentliche Machtpositionen eingerückt ist. Als Hildebrandt groß wurde, in den 50er-Jahren, da war die Welt noch konservativ dominiert. Aber heute? Selbst die CDU ist doch auf dem Weg, eine linke Partei zu werden, weil rechts schon lange nicht mehr die Meinungsmacht liegt.
[…]
WELT ONLINE: Warum gelingt es bürgerlichen Parteien nicht, die Linke so vorzuführen wie Ihr Film?
Fleischhauer: Vielleicht fehlt es ein wenig an Einfallsreichtum. Außerdem darf man sich nicht zu sehr von seinen Emotionen leiten lassen. Wer zu wütend ist, rennt gegen sein Ziel auch an, wenn es besser wäre, ein paar Schritte zurückzutreten. „Float like a butterfly, sting like a bee“, lautete der Wahlspruch von Muhammad Ali, das lässt sich auch auf die Politik übertragen. Der große Hammer ist nicht immer der beste.
WELT ONLINE: Nicht wenige Bürgerliche scheinen die Vorbehalte des linken Establishments gegen alles Konservative zu teilen.
Fleischhauer: Es gibt es im konservativen Milieu eine eigenartige Verdruckstheit, das ist wahr. Da weint man lieber abends in kleiner Runde ins Bierglas, statt sich mal eine ordentliche Attacke auszudenken. Linke sind da nicht so zimperlich, die machen deshalb meist auch den besseren Wahlkampf.
WELT ONLINE: Sind die Bürgerlichen zu verzagt für die Politik?
Fleischhauer: Jedenfalls sind sie zu träge und ideenlos. Die Stärke der Union war bei der letzten Wahl die Schwäche der SPD, aber das kann sich schnell wieder ändern, wenn sie denn mal einen ordentlichen Kanzlerkandidaten gefunden haben. Vielleicht ist es eben doch gar nicht so schlecht, unter Linken aufzuwachsen: Es lehrt einen, nicht zu zögerlich und zu bedenkenhaft zu sein, wenn man dem politischen Gegner eine verplätten will.
Hier der Film (der Film wird derzeit von etwa 1000 Usern pro min angeschaut, von daher bitten wir um Verständnis, dass er ziemlich ruckelt; sobald die Anzahl runter geht, klappt es wieder besser):
Vierteiler auf Youtube:
» Film zum Download [4]
» Blog von Fleischhauer [5]
» BILD: Die lustigste TV-Doku des Jahres [6]