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Vertrackte Sache

Von WOLFGANG EGGERT | US-Präsident Donald Trump und der französische Präsident Emmanuel Macron trugen kurz vor Trumps Besuch in Frankreich in diesem Monat einen öffentlichen diplomatischen Konflikt aus. Der Streit begann, als Macron in einem Radiointerview vorschlug, dass Europa eine Armee brauche, um sich vor den USA zu schützen. „Wir müssen uns in Bezug auf China, Russland und sogar die USA schützen“, sagte Macron.

Europa vor den Vereinigten Staaten schützen? Kommentatoren fragten sich daraufhin, ob der französische Präsident einen Rotwein zuviel genossen hatte. Was belegt, dass sie von Geopolitik wenig Ahnung haben. Macrons nüchternes Statement ist nichts anderes als ein seltenes Schlaglicht auf das internationale Schachbrett, wo versteckten Interessen stets Vorrang gegenüber vielbeschworenen Freundschaften eingeräumt wird.

Im März 1991, als die Sowjetunion zusammenbrach und jedermann das goldene Zeitalter des Friedens angebrochen wähnte, prognostizierte kein geringerer als der ehemalige amerikanische Justizminister Ramsey Clark gegenüber der französischen Monatszeitschrift L’Autre Journal: »Ich warne die Europäer davor zu glauben, daß die USA im Rahmen der Neuen Weltordnung Skrupel haben würden, auch in Europa militärisch zu intervenieren. Unsere Armee wird überall eingreifen, wo unsere Interessen gefährdet sind und zwar mit allen Mitteln, einschließlich Atomwaffen. (…) Ich gehe sogar so weit zu behaupten, daß Amerika ohne Zögern auch in Westeuropa intervenieren würde, wenn dies gegenwärtig auch manchen Leuten als absurde Idee vorkommen mag. Die USA würden eine europäische nukleare und wirtschaftliche Großmacht nicht lange dulden.«

Letzterer Punkt bewegt das US-Pentagon seit dem Millenium: die EU als Konkurrenzmacht klein zu halten oder, besser noch, klein zu machen. Die Europäer in Brüssel und Straßburg mögen übersehen haben, dass bereits die ihnen konziliant erscheinende Regierung Obama durch Unterstützung der Super-Migration 2015 eine geopolitische Agenda verfolgte, die auf Destabilisierung hinauslief.

Heute gibt es darüber kein Vertun mehr, denn anders als sein Vorgänger hat Trump alle US-amerikanische Masken fallen lassen. Sein auf den letzten Metern doch noch verhinderter Wunschkandidat für den Posten des EU-Botschafters, Ted Malloch, ein Brexit-Befürworter, der den Euro für eine „Fehlkonstruktion“ hält, sagte in einem BBC-Interview: „Ich hatte in einer vorherigen Karriere einen Posten als Diplomat, in dem ich half, die Sowjetunion zu Fall zu bringen. Vielleicht gibt es noch eine andere Union, die ein bisschen Zähmung braucht.“

Von daher ist Macrons antiamerikanische Begründung für eine Euro-Armee aus seiner Perpektive völlig korrekt. Die Frage, ob EU-kritische Patrioten dem zustimmen, ist eine ganz andere. Ihnen muss jede Intervention zur Zerschlagung des kultureinstampfenden Superstaats geradezu als Befreiung anmuten. Löst man aber das europäische Militärbündnis von Brüssel oder verbindet man es mit de Gaulles Europa der Vaterländer, dann erscheint der projektierte Kriegsbund in einem ganz anderen Licht: als Befreiung der Alten Welt von der Dauerführung durch das belligrante Amerika.

Die Sache ist vertrackt.

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