Von EUGEN PRINZ | Die Feindschaft zwischen den Türken und der als Terrororganisation verbotenen kurdischen Arbeiterpartei (PKK) hat eine lange Tradition. Die PKK ist eine sozialistisch ausgerichtete, militante Untergrundorganisation mit Ursprung in den kurdischen Siedlungsgebieten innerhalb der Türkei. Die PKK kämpft für die politische Autonomie kurdisch besiedelter Gebiete, was sie automatisch zum Todfeind des autokratisch regierenden türkischen Staatspräsidenten Erdogan macht.
Dieser betrachtet die im syrischen Grenzgebiet zur Türkei operierende Kurdenmiliz YPG als militärischen Arm der kurdischen Arbeiterpartei. Bisher konnte er nicht gegen die YPG vorgehen, da die Kurdenmiliz Seite an Seite mit den Amerikanern in Syrien den Islamischen Staat bekämpfte und somit als Verbündete von Uncle Sam unter dessen Schutz stand. Jetzt wurden die U.S. Truppen auf Anweisung des Präsidenten abgezogen und Erdogan sah seine Stunde gekommen.
Ungeliebte syrische Flüchtlinge sollen raus aus Türkei
Sein Ziel ist es, in der Region zwischen dem Euphrat im Westen und der irakischen Grenze auf syrischem Gebiet eine etwa 400 Kilometer lange und 30 bis 40 Kilometer tiefe so genannte „Sicherheitszone“ schaffen. In dieser sollen dann bis zu zwei Millionen syrische Flüchtlinge angesiedelt werden, die inzwischen in der Türkei für immer größere soziale Spannungen sorgen. Im Grunde geht es hier um nichts anderes, als um eine türkische Besatzungszone auf dem Staatsgebiet Syriens und um einen Bevölkerungsaustausch Kurden gegen Syrer.
Bisher bestanden die Gefechte hauptsächlich aus Luftangriffen und Artilleriebeschuss. Informationen der FREIEN WELT [1] zufolge, wurden dabei auch gezielt christliche Kirchen und Wohngebiete im syrischen Operationsgebiet angegriffen.
Die EU will auf diplomatischem Weg die Militäroperation stoppen und hat diese als „Invasion“ bezeichnet. Deutschland verurteile die türkische Offensive „auf schärfstmögliche Weise“, so der stellvertretende deutsche UN-Botschafter Jürgen Schulz am Donnerstag vor einer Sitzung des UN-Sicherheitsrats in New York.
Erdogan droht der EU
Wer den türkischen Staatspräsidenten kennt weiß, dass dieser leicht reizbar ist, sich nicht drohen lässt und sich auch nicht scheut, gegen Verbündete harte Maßnahmen zu ergreifen. Als Beispiel sei hier genannt, dass er trotz des heftigen Widerstands der Amerikaner das russische Luftabwehrsystems S-400 [2] gekauft hat, als ihm die amerikanischen Patriot-Raketen verweigert wurden.
Deshalb ist auch die Drohung ernst zu nehmen, die er am Donnerstag in Ankara vor Abgeordneten seiner AKP an die Europäische Union richtete:
„Hey EU, wach auf! Ich sage erneut: Wenn ihr unsere Operation als Invasion darzustellen versucht, ist unsere Aufgabe einfach: Wir werden die Türen öffnen, und 3,6 Millionen Menschen werden zu euch kommen“
Seine Aussage bezieht sich auf den Flüchtlingsdeal, der von der EU auf Betreiben Merkels im Frühjahr 2016 mit der Türkei ausgehandelt wurde. Der wesentliche Kern des Abkommens besagt, dass die Türkei ihren Grenzschutz verstärkt und dadurch verhindert, dass „Flüchtlinge“ aus den dortigen Lagern auf die griechischen Inseln gelangen. Für diese Dienstleistung wurden den Türken von 2016 bis 2018 insgesamt sechs Milliarden Euro in den Rachen geworfen.
[3]Offenbar ist das Geld inzwischen aufgebraucht. Nachdem sich Erdogan nun die kostspielige Militäraktion in Syrien leistet, braucht er monetären Nachschub. Die Türkei ist mit einer Inflationsrate von derzeit 15% wirtschaftlich in keiner guten Verfassung, deshalb liegt es nahe, sich die Syrienoperation wenigstens teilweise von der EU bezahlen zu lassen. Und da kommt der Flüchtlingsdeal sehr gelegen.
Bereits im Juli 2019 gab es aus der Türkei Signale, dass man das Abkommen unter anderen deshalb kündigen will [4], weil der Geldfluss nicht zufriedenstellend ist. Um die EU unter Druck zu setzen, wurden die Schleusen geöffnet. Nicht ganz, aber ein schönes Stück weit. Innerhalb von 24 Stunden landeten 650 Syrer und Afghanen [5] von der Türkei kommend in Schlauchbooten auf der griechischen Insel Lesbos.
Daraufhin ging, man möge dem Autor die Ausdrucksweise verzeihen, den EU-Granden der Hintern auf Grundeis, denn die Griechen waren mit der Situation vollkommen überfordert. Allerdings ist es auch nicht sehr schwierig, die Griechen zu überfordern. Die bringen es nicht einmal fertig, Büros und Computer zu stellen, wenn ihnen die EU Personal zur Bewältigung der Flüchtlingskrise schickt.
Nach dem „Warnschuss“ der Türken schlüpfte der deutsche Innenminister Horst Drehhofer in die Rolle des Krisendiplomaten. Das Ergebnis zitiert die Tagesschau [6] wie folgt:
Der türkische Außenminister lobt die Gespräche und hofft auf mehr Geld.
Die EU hat sich erpressbar gemacht
Das werden die Türken wohl auch bekommen. Die herrschende Elite in den EU Staaten weiß genau, dass sie einen zweiten Flüchtlings-Tsunami wie 2015/2016 politisch nicht überleben würde. Deshalb werden nun weitere Milliarden nach Ankara fließen und die EU wird sich mit ihrer Kritik an der Militäroperation in Syrien zurückhalten. Falls nicht, könnte Erdogan genüsslich einige größere Flüchtlingswellen auf Griechenland loslassen und lächelnd dabei zusehen, wie die Staatslenker in der EU zu schwitzen anfangen.
Es ist ein erbärmliches Bild, das die Staats- und Regierungsschefs der Europäischen Union hier abgeben. Der türkische Präsident wäre dumm, wenn er mit diesem Haufen nicht so umspringen würde.
Die EU hat sich durch das Flüchtlingsabkommen mit der Türkei erpressbar gemacht. Wären die sechs Milliarden Euro für Ankara statt dessen in Grenzschutzmaßnahmen auf den griechischen Inseln investiert worden, müsste die EU jetzt nicht über jedes Stöckchen springen, das ihr Erdogan hin hält.
Eugen Prinz [8] kommt aus Bayern und schreibt seit Herbst 2017 unter diesem Pseudonym für PI-NEWS [9] und den Blog zuwanderung.net [10]. Der Fachbuchautor und Journalist ist dem traditionellen bürgerlichen Konservatismus zuzurechnen. Dem politischen Journalismus widmet er sich, entsetzt über die chaotische Massenzuwanderung, seit 2015. Erreichbar ist Eugen Prinz über seine Facebook-Seite [11] oder Twitter. [12]
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