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Die Triage – ein Horrorszenario?

Von DR. MARCUS FRANZ | Seit Anbeginn der COVID-Pandemie geistert immer wieder ein Wort durch die Medien, das bei medizinischen Laien (also bei den allermeisten Leuten) ein unangenehmes Gefühl hervorruft und das man lieber nicht in der Realität erleben möchte. Die Rede ist von der „Triage“.

Warum das so ist, hat einen einfachen Grund: Bei der ersten COVID-Welle im Frühling wurden zahllose Bilder und Berichte aus Bergamo (Italien) und New York gebracht, die aus total überlasteten Kliniken stammten und die die Medienkonsumenten oft sehr betroffen machten. Die Bilder zeigten zahllose schwerkranke COVID-Patienten an Beatmungsmaschinen auf Intensivstationen, völlig erschöpfte Ärzte, total übermüdete Pflegerinnen und verzweifelte Angehörige, die sich allesamt dem Anschein nach nicht mehr zu helfen wussten.

In den Berichten war wiederholt und fast täglich die Rede davon, dass die Ärzte wegen der Überlastung der Kliniken nun sogenannte Triage-Maßnahmen anwenden müssten, um die Lage unter Kontrolle zu bringen. Kaum jemand in der Medien-Szene konnte aber genau beschreiben, was „Triage“ eigentlich bedeutet. Einzelne Erklärungsversuche verpufften oder wurden nur selektiv wahrgenommen, es blieb der Eindruck: Triage hat immer etwas mit Engpass, Notfall, Rationierung und Ressourcenbegrenzung zu tun und führt zu lebensbedrohlichen Situationen.

Für die Leser, Seher und SocialMedia-Aktiven entstand im Frühjahr rasch der angsterzeugende Eindruck, Triage würde bedeuten, dass man infolge unzähliger COVID-Kranker einem Teil dieser Patienten keine Behandlung anbieten könnte und dass diese armen Menschen dann elendiglich und unversorgt zugrunde gehen müssten.

Das einsame „Ersticken am Ende des Krankenhausganges“ wurde zur Schreckensvision und die entsprechenden gruselig-grausamen Assoziationen verfestigten sich beim Publikum. Diese Stimmung wurde von der Politik sofort ausgenützt: „Wir wollen keine Zustände wie in Italien“ war im März ein Stehsatz der Regierungspolitiker und der Gedanke an die Triage war deswegen letztlich der ausschlaggebende Faktor, der zum ersten Lockdown führte bzw. diesen relativ problemlos ermöglichte. (Wobei man der Ehrlichkeit halber auch dazusagen muss, dass wir damals viel weniger wussten als heute. Masken zum Beispiel galten zu Beginn des ersten Lockdowns noch als unnötig und nur für das med. Personal sinnvoll).

Aber – was ist denn diese ominöse Triage nun wirklich? Ist sie ein Horrorszenario oder ist sie einfach ein Instrument, das Ärzten zur schnellen Orientierung dient, um gezielter und sinnvoller Hilfsmaßnahmen einsetzen zu können, wenn es einmal drunter und drüber geht oder der Patientenandrang so groß ist, dass man den Überblick verlieren könnte und nicht mehr weiß, wo man anfangen soll?

Natürlich ist die Triage Zweiteres: Sie stellt eine Technik dar, Priorisierungen vorzunehmen und medizinische Hilfe bestmöglich und am meisten nutzbringend einzusetzen.  „Triagieren“ bedeutet nämlich zunächst nichts anderes, als nach der Sichtung der Patienten eine Einteilung vorzunehmen und festzulegen, wer sofort Hilfe braucht und wer warten kann. Freilich beinhaltet die Triage auch die Notwendigkeit, zu erkennen, bei welchen Patienten keine Hilfe mehr möglich ist. Das bedeutet aber definitiv nicht, dass die unrettbaren Patienten unversorgt bleiben.

Einfachstes Beispiel einer Triage ist der Betrieb einer Notfall-Ambulanz: Wer dort stark blutend, bewusstlos oder in schlechtem Allgemeinzustand eingeliefert wird, der kommt sofort dran, ganz egal, ob dort schon 20 oder 30 Leute mit leichten Verletzungen oder mäßigen Beschwerden auf ihre Behandlung warten.

Anders gesagt: Der verstauchte Knöchel von vorgestern, der zum selben Zeitpunkt die Ambulanz aufsucht, zu dem auch der Notarzthubschrauber gerade einen Schwerverletzten gebracht hat, wird naturgemäß zurückgereiht und muss warten, bis der lebensbedrohlich Verletzte versorgt ist.

Ein anderes alltägliches Beispiel: Jedes Vorziehen eines akuten Schmerzpatienten beim Zahnarzt ist bereits eine Form von Triage. Ärzte behandeln immer diejenigen Patienten zuerst, die am dringendsten Hilfe brauchen. Jede Wartezeit ist also letztlich eine Form von Triage, da in jeder Ordination und in jeder Ambulanz immer auch akute Patienten erscheinen, die rasche Hilfe benötigen und deswegen den dort schon Wartenden vorgezogen werden.

Es gibt zum besseren Management dieser Situationen daher schon lange und speziell für Ambulanzen entworfene sogenannte Triage-Systeme. Das bekannteste davon ist das Manchester-Triage-System (MTS), das auch in etlichen österreichischen Spitälern angewendet wird. Das MTS funktioniert nach einer Dringlichkeits-Skala und die Patienten erhalten je nach Art ihrer Erkrankung/Verletzung eine farbliche Kennung, die zeigt, wie akut sie behandelt werden müssen. Die Feststellung dieser Dringlichkeitsstufen erfolgt durch speziell geschulte Ärzte oder besonders ausgebildetes Pflegepersonal. Die Skala reicht von Rot (=sofort) über Orange (sehr dringend), Gelb (dringend), bis zu Grün(normal) und Blau (nicht dringend).

Eine Neubewertung der Situation findet jedenfalls regelmäßig statt und es kann sein, dass z.B. ein „Gelber“ nach einer gewissen Zeit „Orange“ wird und vorgezogen werden muss, weil es ihm schlechter geht. Ebenso kann es passieren, dass ein „Blauer“ erst am nächsten Tag drankommt, weil Rote und Orange eben Vorrang haben und falls deren Zahl an einem Tag sehr hoch ist, werden die nicht Akuten verschoben oder weggeschickt. Das ist Alltag.

Die wesentlich heiklere und für Ärzte naturgemäß am meisten herausfordernde Art der Triage ist jene, wenn es um Leben oder Tod geht und diese Entscheidungsnot durch die immer und überall begrenzten Ressourcen entsteht. Dies kann der Fall sein, wenn nach einem Großunfall plötzlich einige oder gar Dutzende Verletzte zu versorgen sind (z.B. nach einem Bus- oder Eisenbahn-Unglück) und zunächst nur ein einziger Notarzt mit seinem Team am Unfallort eintrifft – der Arzt muss dann mit seinen Sanitätern möglichst rasch und effizient triagieren und jenen Patienten zuerst helfen, die am dringendsten seine Hilfe brauchen.

Eine solche Situation wird sich in den meisten Fällen insofern bald entspannen, da natürlich weitere Einsatzkräfte dazugerufen werden und je nach Unfallort und -Art die Zeit bis zum Eintreffen der weiteren Helfer nicht allzu lange dauert. Trotzdem ist es für den Ersthelfer respektive die Verletzten essenziell, dass die vital Bedrohten raschest diagnostiziert werden und sie ihre Hilfe umgehend bekommen, denn da geht es oft um Minuten (etwa wegen schwerer Blutungen, Brustkobverletzungen etc.). So hart es klingt: Man darf keine Zeit mit Unrettbaren verlieren, denn diese Zeit geht den Rettbaren verloren. Ein Arzt, der mehrere bewusstlose Schwerverletzte zu versorgen hat, muss sich nach bestem Wissen und Gewissen und der Erstdiagnostik entscheiden, wem er zuerst hilft – unter Inkaufnahme des Todes eines anderen Patienten. Das ist weder ethisch verwerflich noch unterlassene ärztliche Hilfeleistung, denn hier gilt der Leitsatz „Ultra posse nemo tenetur“, das heißt übersetzt: Niemand kann (moralisch) zu einer Leistung verpflichtet werden, die einfach nicht leistbar respektive unmöglich ist.

Eine Sonderform der Triage und der „Ultra posse nemo tenetur“- Situation kann auf Intensivstationen (ICU) entstehen, wenn im Rahmen einer Pandemie, die z.B. sehr viele Patienten mit schweren und beatmungspflichtigen Lungenentzündungen oder mit Multiorganversagen hervorbringt,  sukzessive immer mehr Intensivpatienten zu versorgen sind als die jeweils betroffene ICU versorgen kann.

In so einem Fall müssen die Verantwortlichen zunächst sämtliche Möglichkeiten der stationären Intensiv-Behandlung ausschöpfen und Kontakt mit anderen ICUs in naheliegenden Spitälern aufnehmen, um möglichst vielen Patienten die notwendige Versorgung anbieten zu können. Es ist in so einer Situation beispielsweise auch möglich, leichtere Fälle von der ICU auf die Normalstation zu verlegen und dort mittels transportabler Monitore und Geräte ihre Vitalparameter zu überwachen (Puls, Blutdruck, Sauerstoffsättigung). Das geschieht auch in „normalen Zeiten“, wenn z.B. eine ICU durch kurzfristig zu großen Patientenandrang überlastet ist. Jedes Spital hat üblicherweise diese Reserven in Vorhalte.

Wenn das absolute (und aus heutiger Sicht völlig unwahrscheinliche) COVID-bedingte nationale Worst-Case-Szenario eintritt und ALLE verfügbaren Intensivbetten im ganzen Land belegt sind bzw. kein Personal mehr zur Verfügung steht, sämtliche Schwerstkranken adäquat zu versorgen, dann muss eine Triage durchgeführt werden, bei der die Ärzte nach den bestehenden klinischen Kriterien abschätzen und festlegen müssen, welche kritisch kranken und an der Beatmungsmaschine befindlichen Patienten die vergleichsweise besten Überlebenschancen haben. Diesen Patienten wird man weiterhin „High Care“ (also Maximal-Medizin samt bei Bedarf künstlicher Beatmung) anbieten und sie entsprechend versorgen.

Diejenigen Patienten, die aus medizinischer Sicht schon in einem so schlechten Zustand sind, dass ihre Überlebenschancen nur noch als sehr gering eingeschätzt werden oder als unrettbar diagnostiziert werden, erhalten ein sogenanntes „palliatives Setting“ und werden von Palliativ-Medizinern übernommen: Sie bekommen Morphium, Infusionen und alle Medikamente, die ihnen Schmerzen, Angst, Atemnot und Durstgefühl nehmen.

Das heißt: NIEMAND bleibt unversorgt und es ist auch beim größten anzunehmenden Engpass immer dafür gesorgt, dass sämtliche Patienten medizinische und pflegerische Betreuung erhalten. Andere, leichter Erkrankte müssen dafür hinnnehmen, zurückgestuft oder auch in häusliche Betreuung entlassen zu werden, sofern dies medizinisch vertretbar ist.

Uns muss bewusst sein, dass auch ganz ohne Pandemie seit jeher jeden Tag Ärzte Entscheidungen über Leben und Tod treffen, die prinzipiell jenen der Triage entsprechen: Täglich wird in Krankenhäusern darüber entschieden, ob Maximal-Therapien bei unheilbar und unrettbar kritisch Kranken oder Schwerstverletzten weitergeführt oder abgebrochen werden. Es ist sogar ethisch korrekt, eine medizinisch sinnlose Maximal-Therapie zu beenden, weil der Patient aufgrund seiner Erkrankung keinerlei Überlebenschance mehr hat (wie z.B. bei metastasiertem Krebs im Endstadium oder bei therapieresistentem Multiorganversagen).

Ethisch und medizinisch geboten ist es aber in jedem einzelnen Fall, unrettbare Patienten palliativ zu betreuen. Jede professionell durchgeführte Triage ist also kein Horrorszenario, sondern ein Hilfsmittel, auf schnellstem Wege die bestmögliche Therapiemöglichkeit für den jeweiligen Patienten herauszufinden und danach individuell anzuwenden.


(Dr. Marcus Franz ist Facharzt für Innere Medizin und Allgemeinmediziner. Er war Spitalsdirektor und Abteilungsvorstand und davor jahrelang auch als Notarzt tätig. Franz hat eine internistisch-intensivmedizinische Ausbildung erhalten und war als Entscheider in zahlreichen Triage-Situationen, wie sie oben geschildert wurden, verantwortlich und präsent. Dieser Beitrag ist im Original erschienen bei Ortner-Online [1])

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Auf zum Menschenversuch!

geschrieben von libero am in Corona | 80 Kommentare

Von DR. MARCUS FRANZ | Alle Welt scheint davon auszugehen, dass wir in 12-18 Monaten über eine Impfung gegen das Corona-Virus verfügen werden – und alle Welt scheint überzeugt davon, dass diese Impfung dann auch wirklich wirksam ist. Auch unsere Regierung lässt immer wieder verlauten, dass man auf eine baldige Impfung warte, denn erst dann würden die Bürger wieder ihre volle Reisefreiheit zurückbekommen.

All diese Ansagen zur Impfung sind vermessen, sachlich falsch und daher zu korrigieren. Die wissenschaftlich seriöse Entwicklung eines Impfstoffes dauert im Schnitt acht bis zehn (!) Jahre. Und niemand kann garantieren, dass es überhaupt jemals eine Impfung gegen Corona geben und dass im Falle des Falles diese auch großflächig wirksam sein wird. Trotzdem wird politisch gerne so getan, als ob dies eine berechtigte Annahme sei. Nur zur Erinnerung: Es gibt lange bekannte Virus-Infektionen, gegen die bis heute kein Impfstoff gefunden wurde: zum Beispiel gegen HIV – obwohl seit bald 40 Jahren daran geforscht wird.

Die Impfung ist nicht die Rettung der Welt

Sollte der Fall eintreten, dass die Herstellung eines effizienten Corona-Impfstoffes (Vakzine) gelingt, ist auch das noch nicht die Rettung der Welt: Der Impfstoff muss ja zunächst in großen Mengen produziert werden, Millionen, ja Milliarden Leute müssten geimpft werden und es muss der Erfolg abgewartet werden. Wie man die Weltbevölkerung in kurzer Zeit ohne massiven Zwang dazu bringen möchte, sich gegen das neue Virus diese Vakzine verabreichen zu lassen, sei dahingestellt. Nur ein kleines Beispiel: In Österreich lassen sich gerade einmal acht Prozent der Bevölkerung gegen die klassische Grippe (Influenza) impfen.

Aus diesem Grund haben sich Lobbies gebildet, die eine schnelle Impfstoff-Entwicklung und damit auch eine rasche Durchimpfung der Welt anstreben. Von der Bill Gates-Foundation, die angeblich Milliarden in die Vakzine-Forschung steckt, bis hin zur altehrwürdigen Universität Oxford, an der intensiv und weltweit führend an der Impfstoff-Entwicklung gearbeitet wird.

Lasst es uns doch am Menschen versuchen

In den USA haben sich aufgrund der allgemein als sehr bedrohlich eingestuften Pandemie-Situation nun 35 Mitglieder des US-Kongresses dafür ausgesprochen, Menschenversuche mit experimentellen Impfstoffen durchzuführen – natürlich und freilich nur an jungen Freiwilligen und unter allen nur erdenklichen Sicherheitsvorkehrungen. Die Überlegung dahinter ist, dass man mit diesen Impfungen an den „Volunteers“ eine langwierige und gesetzliche Phase der Testung überspringen (die sogenannte Phase III) und damit die Vakzine schneller zum Einsatz bringen könnte. Auch namhafte Impfforscher haben diese Idee bereits intensiv diskutiert.

Das klitzekleine Problem dabei: Serielle Menschenversuche in Frühstadien der Medikamenten-Entwicklungen gelten heute allgemein als definitiv unethisch und man muss sehr, sehr gute Argumente finden, um potenziell tödliche Substanzen an Menschen zu testen, auch wenn die Betreffenden eine Verabreichung der experimentellen Vakzine absolut freiwillig in Kauf nehmen.

Wir können ja Freiwillige kaufen

Irritierend bei den Debatten zu den freiwilligen Menschen-Experimenten ist, dass in den meisten Debatten dazu sofort von einer finanziellen Honorierung die Rede war – anders gesagt, die Freiwilligkeit soll gekauft werden. Ob es für materiell schlecht gestellte Bürger nicht einen ethisch unsauberen Anreiz darstellt, sich über die Tests Einkommen zu verschaffen und dass sozusagen hier die Armen ihre Haut zu Markte tragen könnten, wird diskutiert.

Nun mag man einwenden, dass die Pharma-Industrie eben immer schon ihre neu entwickelten Pharmaka an jungen Freiwilligen getestet hat. Und ja, das ist richtig – aber diese Tests fanden in den späten Phasen der Entwicklung statt und dienten nicht dazu, die Forschungen zu verkürzen und zu beschleunigen, sondern waren gewissermaßen der Abschluss der jeweiligen über definierte Phasen verlaufenden Arzneimittel-Entwicklung.

Wer hätte das geglaubt?

Erstaunlich ist jedenfalls, dass die Corona-Pandemie Dinge ermöglicht, die vor einem Jahr noch völlig undenkbar waren: Die Politik ist plötzlich mittels der sattsam bekannten Argumente, in der immer von der Verhinderung von zehntausenden Toten die Rede ist, in der bequemen Lage, problemlos via Ausgangssperren und Lockdowns massiv ins freie gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben der Bürger einzugreifen und kaum jemand ist deswegen irritiert – im Gegenteil, die Maßnahmen werden sogar beklatscht. Auch spezielle „Gesundheitspässe“ scheinen politisch möglich, in denen vermerkt wird, ob man Corona-getestet ist oder nicht. Der Besitz solch eines Passes könnte in Zukunft die Reisefreiheit der Bürger bedingen. Ebenso wird weithin über Apps debattiert, die Infektiöse bzw. Erkrankte entdecken und melden können.

Und nun geht man noch einen Schritt weiter: Wenn die beschriebenen Menschenversuche („Human Challenges“) kommen und der bisher übliche und auf Sicherheit der Probanden bedachte Weg der Arzneimittel-Forschung infolge des steigenden politischen Drucks verlassen wird, betreten wir einen Bereich, der trotz aller lauthals betonten Freiwilligkeit einen ziemlich unangenehmen Ruch von Totalitarismus und eine noch hart zu diskutierende ethische Problematik in sich trägt.


(Dr. Marcus Franz ist Wiener Internist und ehemaliger Nationalratsabgeordnete)

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Das Leid mit der Leitkultur

geschrieben von PI am in Europa | 41 Kommentare

Von DR. MARCUS FRANZ (Wien) | Als Österreicher und Europäer wissen wir innerlich recht genau, was unsere Kultur ausmacht. Wenn wir aber darüber debattieren wollen oder unsere Werte und Haltungen exakt definieren sollen, wird es schon bedeutend schwieriger: Die pluralistische Gesellschaft ist naturgemäß sehr facettenreich und Debatten werden da schnell kontrovers. Brauchbare Definitionen von bestimmten Kulturmerkmalen sind überdies immer auch exklusiv – sprich, sie sind ausschließend. Wer Kultur sagt, muss auch Exklusivität meinen, ansonsten lässt sich keine Kultur-Debatte führen. Jede Kulturnation muss deswegen auch so etwas wie ein kulturelles Leitbild besitzen, ein Signum ihrer Identität, andernfalls wird sie zu einem schwammigen und diffusen Raum der Beliebigkeit.

Ein Syrer prägte den Begriff

Viele kluge Leute haben sich seit dem Beginn der auf Gleichheit bedachten multikulturellen Philosophie den Kopf darüber zerbrochen, ob kritikloses Multi-Kulti wirklich die Lösung aller (Kultur-)konflikte darstellt. Der von 1973 bis 2009 an der renommierten deutschen Universität Göttingen tätige, aus Syrien stammende Politologe Bassam Tibi hat schon Mitte der 90er Jahre den Begriff der „Leitkultur“ geprägt. Er war bereits damals der Ansicht, dass ein Kulturen-Mix, wie er in Europa durch die Migration entstanden ist, massive Probleme erzeugen wird und es deswegen eine identitätsbewahrende Leitkultur geben müsse. Entgegen einem weitverbreiteten Irrglauben ist es also keine „rechte“ Erfindung, von der Leitkultur zu sprechen, sondern ironischerweise stammt der Ausdruck von einem Syrer.

Bassam Tibi hat vorausschauend und scharfsinnig diagnostiziert, dass gerade ein pluralistisches Europa ein übergeordnetes und wirkmächtiges kulturelles Leitbild braucht, weil sonst alles verschwimmt. In einer völlig liberalisierten und für alles offenen Gesellschaft können sich letztendlich die Feinde derselben ganz leicht durchsetzen. Die Gegner der offenen Gesellschaft müssen nicht einmal bösartig oder aggressiv sein – es reicht schon, wenn sie wissen, was sie wollen und wer sie sind.

„Rrrrääääächz!“

In letzter Zeit ist es allerdings ziemlich still geworden um die „Leitkultur“. Wer heute noch Leitkultur sagt, gerät nämlich trotz der oben genannten Begriffs-Herkunft leicht in den Ruch, ein Erzkonservativer oder gar ein übler Rechtsaußen zu sein, der mit dem Hochhalten der eigenen Kultur andere nur abwerten will. Diese moralisierende Sichtweise auf den Kulturbegriff per se entspringt einer derzeit gerade hochmodernen egalitären Haltung – und sie ist zu Ende gedacht vollkommen unsinnig.

Das vorrangige Schätzen der eigenen Kultur ist ja grundsätzlich notwendig, denn jede Kultur muss a priori und prinzipiell für sich den Anspruch stellen, die beste zu sein. Sobald eine Kultur aufhört, diese Hegemonie anzustreben, ist sie naturgemäß dem Untergang geweiht. Das heißt aber nicht, dass erfolgreiche Kulturen ihre Werte und Mentalitäten mit allen Mitteln bis hin zu den kriegerischen überallhin verbreiten müssen. Sie können auch nur aufgrund ihrer Erfolge und ihres Nutzens für den Einzelnen ihren Führungsanspruch für legitim halten und ihn entsprechend stellen. Die positiven Effekte einer Kultur können für sich selber stehen und anderen einen Anreiz bieten, dieser Kultur nachzueifern oder (bei gegebener Eignung) auch ein Teil von ihr zu werden. Im Gegenzug bedeutet dies aber nicht, dass erfolgreiche Kulturen für Trittbrettfahrer aller Art zur Verfügung stehen müssen, ganz im Gegenteil.

Kultur heißt auch Kampf

Jede nachhaltig existieren wollende Kultur muss in der Lage sein, sich behaupten und letztlich auch sich verteidigen zu können. Wertehaltungen ohne grundsätzliche Kampfbereitschaft und ohne zugehörige Regulative sind am Ende nichts wert. Es muss in jeder überlebensfähigen Kultur auch ein Gerüst an Sanktionen geben, das kulturkonformes Verhalten belohnt und obstruktives oder zerstörerisches Tun entsprechend bestraft. Damit ist zunächst nicht der Rechtsstaat, der ja auch ein Ergebnis der Kultur ist, gemeint, sondern vor allem das gesamte Konvolut an sozialen Regeln und kulturinhärenten Mentalitäten. Wer da herausfällt, gehört erst gar nicht hinein.

Die bei uns vorherrschenden kulturellen und sozialen Einstellungen basieren auf dem christlichen Werte-Katalog und auf der Aufklärung: Die Freiheit und Individualität des Einzelnen, die gleichen Rechte von Mann und Frau, die traditionelle Familie, die ökosoziale Marktwirtschaft, die Freiheit von Kunst und Wissenschaft und allgemein die Toleranz werden generell als die begründenden Eigenschaften unseres Kulturraumes betrachtet.

Die Crux der Toleranz

Damit sind wir gleich bei der zentralen Crux angelangt: Der stets hochgehaltene Begriff der Toleranz bringt den Nachteil mit sich, nur allzu leicht zu einer fatalen Schwäche zu verkommen. Im Rahmen der Toleranz können nämlich auch bestimmte Erscheinungen auftreten, die als Verbesserungen daherkommen, aber in Wirklichkeit die Fundamente unserer Kultur erodieren.

Ein typisches Beispiel dafür ist die sogenannte „Ehe für alle“. Sie wird als Meilenstein der Gleichstellung beworben, führt aber im Grunde nur zu einer Relativierung der kulturell und gesellschaftlich essenziellen monogamen heterosexuellen Ehe, zu der regelhaft auch das Kinderkriegen gehört. Hier wurde etwas gleichgestellt bzw. „geöffnet“, das man nicht gleichstellen und auch nicht öffnen kann. Anders gesagt: Dieser Kulturbruch kam von innen. (Wesentlich dabei ist es auch, festzuhalten, dass die klassische heteronormative Ehe ein Kennzeichen praktisch aller langfristig erfolgreichen Kulturen der Weltgeschichte ist.)

Kulturelle Schwächen und Verwerfungen

Die Toleranz kann auch zum Einfallstor für andere, nach Dominanz strebende Kulturen werden und sie kann zur Selbstfesselung führen. Wohin uns ein grundlegend falsches Verständnis von Toleranz bringt, können wir alle seit dem Beginn der Migrationskrise 2015 beobachten: Die mittlerweile „legendäre“ Grenzöffnung von Spielfeld geschah unter dem Hinweis auf unsere Toleranz und den Humanismus – und sie war dennoch ein Rechts- und Kulturbruch mit gigantischen Auswirkungen.

Die darauffolgenden Jahre und Ereignisse haben zu spürbaren Verwerfungen in der Gesellschaft geführt. Den meisten Bürgern ist mittlerweile klar geworden, dass unsere über viele Jahrhunderte gewachsene Kultur keine Selbstverständlichkeit ist, die eine immerwährende Garantie auf ihr eigenes Bestehen mit sich bringt, sondern dass diese unsere Leitkultur zumindest in Teilbereichen durchaus gefährdet sein kann. Es finden derzeit klar nachweisbare soziologische Transformationen statt, die natürlich auch kulturelle Differenzen mit sich bringen werden. Die Vorboten sind längst da.

Da stimmt was nicht

Vielen von uns fehlen noch die exakten Formulierungen dafür, um auszudrücken, was uns das stets untrügliche Bauchgefühl schon länger vermittelt: Es stimmt in Österreich, ja in ganz Europa ganz grundlegend etwas nicht. Die Auflösung dieses unguten Gefühls wird natürlich zu Recht an die Politik delegiert. Daher ist es jetzt die wichtigste Aufgabe der Politik, sich um die angegriffenen Grundfesten der österreichischen Kultur zu kümmern – und damit ist nicht das Burgtheater oder die Staatsoper gemeint.

Es ist höchste Zeit, auf den Begriff der Leitkultur zurück zu greifen und auch und vor allem seitens der Politik nicht nur die Trachtenhochzeiten wiederzubeleben und die Kirtage in der Lederhose zu besuchen, sondern klare Bekenntnisse zur österreichischen Kulturnation abzugeben und diesen Bekenntnissen auch politische Taten folgen zu lassen.


(Im Original erschienen bei thedailyfranz.at [2])

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The Good, the Bad and the Ugly

geschrieben von PI am in Meinungsfreiheit | 54 Kommentare

Von DR. MARCUS FRANZ (Wien) | Die Alpenrepublik ist gespalten, sagt man. Es gibt dort Gute, Schlechte und ganz Widerliche, erklärt man uns. Die Mitte-Rechts-Regierung mit Kanzler Kurz und Vizekanzler Strache hätte diese Entwicklung erst ermöglicht, behauptet man und wackelt mit dem Zeigefinger. Und man müsse gegen den angeblich immer stärker werdenden Rechtsruck und gegen die mit ihm verbundenen Phänomene wie Rassismus, ausuferndes patriotisches und nationales Denken, gegen grimmige Abschottungsfantasien und gegen die angeblich wieder aufkeimenden Sympathien für den Nationalsozialismus massiv ankämpfen, denn man ist ja ein moderner und toleranter Europäer ohne Toleranz für „Rechts“.

Wer sind die Guten?

Wer genau sind aber diese zeitgeistig orientierten, zweifellos überaus aufgeklärten, moralisch sicher integren, demokratisch natürlich einwandfreien und von sich so überzeugten Europäer, die den Bürgern erklären wollen, was gut, was schlecht und was widerlich ist? Wer legitimiert die gesinnungsethische Blase, die uns allen den „richtigen Weg“ zeigen will und jeden Andersdenkenden in jakobinischer Manier in die Verdammnis schicken will? Und wer gibt ihnen überhaupt das Recht, die Linken als die Guten darzustellen, die Mitte-Rechts-Wähler als die Schlechten und die Rechten überhaupt als die Hässlichen zu denunzieren?

Zunächst ist es eine erstaunlich kleine Gruppe von Journalisten und Medienleuten, die aufgrund ihrer Profession die Möglichkeit haben, erstaunlich laut ins Land zu brüllen – ihr jeweiliges Medium ist das Megaphon dazu. Diese Leute haben Schlüsselpositionen in den Redaktionen der gern so genannten Qualitätsmedien und im öffentlichen Rundfunk inne.  Und sie haben über ihr landesweites und international verzweigtes Netzwerk die Attitüde entwickelt, als eine Art selbstlegitimierte polizei-ähnliche Ermittlungseinheit den „Kampf gegen Rechts“ zu führen. Diese bereits zum Krieg ausgeartete Medienkampagne gehört mittlerweile zum Selbstverständnis ziemlich vieler Journalisten und der „Kampf gegen Rechts“ bildet für etliche von ihnen die alleinige Daseinsrechtfertigung. Wenn man schon sonst nichts ist, dann ist man wenigstens ein antifaschistischer Kämpfer. Ähnliches gilt übrigens auch für Deutschland.

Ein Kampf mit unlauteren Mitteln

Dieser Kampf ist natürlich nie ein seriöser Abtausch von Argumenten, sondern er wird stets nur mit der Nazikeule geführt. Praktisch niemand aus der Medienblase der wackeren Nazi-Jäger ist an einer Sachdebatte interessiert, dafür arbeitet aber fast jeder an der möglichst ungustiösen Diffamierung der politischen Gegner. Es gibt auch die von den Rechts-Bekämpfern oft geäußerte ganz klare Botschaft, dass man nur über, aber niemals mit Rechten redet. Und die meisten Subalternen in der Medienszene halten sich daran, denn Interviews mit Rechten führen nur die bekannten Journalisten. Interessant ist, dass die Reporter, die ja eigentlich a priori der Objektivität verpflichtet sind, ihr Berufsethos mit Füßen treten, sobald es gegen Rechts geht: Der Rechte an sich ist der natürliche Feind des selbsternannten Qualitäts-Journalisten. Er muss daher mit allen Mitteln bekämpft werden und da zählt das berufliche Ethos genau null.

Es gilt die Schuldsvermutung

Jeder Interviewpartner aus dem rechten Spektrum wird somit zu einem, der von vornherein verdächtig ist und bei dem immer die Schuldsvermutung gilt. Der oder die Rechte bringt deswegen zu jedem Interview eine große, wenn auch nur scheinbare Bringschuld mit und Rechte müssen sich zu Interviewbeginn zunächst von allen möglichen Dingen und Leuten distanzieren, um überhaupt ins Gespräch zu kommen. Erst wenn der selbstgerecht und wie ein Staatsanwalt agierende Interviewer zufrieden ist, wechselt dieser die Rollen und wird nun zum Meinungsrichter, der die peinliche Befragung mit wertenden Kommentaren fortsetzt. Im Schauprozess gilt der Interviewte sowieso schon als schuldig, bevor die Befragung noch zu Ende ist. Allerdings wird der Journalist auf diese Weise fast nie, was er eigentlich sein sollte: Ein objektiver, kritischer und sachlich fragender Reporter, der dem Publikum brauchbare Informationen liefert.

Der Wald und die Bäume

Diese bei uns bereits zur festen Gewohnheit gewordene Attitüde vieler Medienleute hat sich zu jenem sprichwörtlichen Wald entwickelt, in dem man die Bäume gar nicht mehr sieht. Jede Kritik am Reporter wird nämlich unreflektiert immer mit dem selben Totschlagargument beantwortet: Man wolle seitens der Rechten die Pressefreiheit einschränken und eine illiberale Demokratie errichten, dagegen müssten die Medien sich wappnen. Dass sich die Medienleute mit ihrem Mangel an Selbstkritik und ihrem wehleidigen Geschrei in eine fast schon lächerliche Position manövriert haben, die bei jedem halbwegs vernünftigen Menschen nur noch den Kopfschüttel-Reflex auslöst, ist den Reportern ganz und gar nicht bewusst.

Im Gegenteil, nach jeder Kritik an den Medien oder an Personen der Medienszene schreibt einer der üblichen Hypermoralisten einen Appell, wie wichtig freie Medien und unabhängige Reporter sind und man verwahrt sich im Text solidarisch gegen jeden Angriff. Ja eh, eine kritische und freie Presse ist wichtig – aber dafür bräuchte man halt objektiv agierende und souveräne Profis und keine verkappten politischen Aktivisten, die ihr Medium für den „Kampf gegen Rechts“ missbrauchen und so die Meinungsfreiheit erst recht in eine Richtung drängen wollen und damit einschränken.

Die Schergen und Helfershelfer

Die Agents provocateurs, die „Verdeckten Ermittler“-Wannabes der professionellen Schreibtischtäter und ihre Schergen sind die auf den Social Media agierenden Leute, die mit meist anonymen Accounts rund um die Uhr versuchen, rechte Politiker und diverse Bürger, die nicht mit dem Mainstream mitschwimmen wollen, anzupatzen und zu diffamieren. Eines der negativsten Beispiele ist der Twitter-Account namens @fpoefails [3] – dort findet man 7/24 die fast pausenlos geschwungene Nazikeule samt entsprechender Diskreditierungen und hässlicher Anfeindungen gegen die FPÖ und auch gegenüber Privatpersonen.

Über die Social Media werden auch die Verstrickungen der Medien in die linke Politszene klar: Vom definitiv linken Account @fpoefails holen sich die Reporter ihre Anregungen und Infos und von den echten linken Partei-Accounts, die Hetze statt Debatte bieten (wie dem Facebook-Profil SPÖ-Langenzersdorf [4]) ebenso. Dass auf diesen Konten weder das Argument noch die Fakten im Vordergrund stehen, sondern nur der intendierte Rufmord Richtung Rechts, wird spätestens bei der zweiten Zeile klar.

Wohin geht diese Reise?

Insgesamt ist diese Polarisierung der Gesellschaft keine erfreuliche Entwicklung, weil sie ja definitiv nicht über politische Debatten auf der Grundlage von verschiedenen Weltanschauungen abläuft, sondern weil sie längst eine nur noch als Schlammschlacht konzipierte Konfrontation geworden ist. Das muss man ändern.

Die Medien stellen sich gerne als die Vierte Macht im Staat dar und es wäre ihre ureigenste Aufgabe, diese Rolle möglichst souverän und seriös auszufüllen. Im Medienzeitalter liegt es daher zweifellos zunächst einmal in der Hand der Medien, hier eine Richtungsänderung in der Debattenkultur vorzunehmen. Die große Gefahr ist nämlich, dass sich die The Good, The Bad and the Ugly sukzessive vom realen Leben abkoppeln und ihr Dasein in den virtuellen Dreckslöchern verbringen (müssen), die überall von allzu eifrigen antifaschistischen Medienmenschen gegraben wurden.

Der sogenannte Durchschnittsbürger hat von diesem üblen Spiel schon längst die Nase voll, das Dreckwerfen und die Nazikeule interessieren keinen Hund mehr. Insgesamt tragen endlose Schmutzkampagnen und Nazikeulendreschereien nur dazu bei, dass die Politverdrossenheit der Bürger noch größer wird als sie das ohnehin schon ist.


(Im Original erschienen bei thedailyfranz.at [5])

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Die linke Wut

geschrieben von PI am in Linke,Linksfaschismus | 89 Kommentare

Von DR. MARCUS FRANZ (Wien) | Angesichts der chronischen und oft schäumenden Empörung von politisch links eingestellten Menschen und in Anbetracht der häufigen Anfeindungen, denen bürgerlich-rechte Politiker und Parteien in Europa trotz (oder gerade wegen) ihrer Wahlerfolge ausgesetzt sind, muss man sich die Frage stellen, woher dieser linke Furor eigentlich stammt. Es kann nicht nur die Enttäuschung über den eigenen abnehmenden politischen Einfluss sein, denn eine solche Erklärung greift zu kurz und stimmt nur für die klassische Sozialdemokratie – die löst sich zweifellos langsam überall auf. Linksideologische Inhalte sind aber in vielerlei Hinsicht auf dem Vormarsch bzw. sind diese Ideen längst auch in die Programme von einst konservativen und liberalen Parteien eingeflossen und manche linke Fraktionen eilen sogar von Sieg zu Sieg. Ein gutes Beispiel ist Deutschland: Dort erzielten die Grünen im Herbst 2018 ihr bestes Ergebnis und wurden in München sogar stärkste Partei [6]. Woher also kommt die offensichtlich ihrem Dasein einen Sinn gebende Entrüstung der heutigen Linken?

Die Gesinnungsethik ersetzt das Argument

Mit objektiven Argumenten kann man diese dauernde Erregung  nicht schlüssig erklären, dafür bewegen sich ihre „Argumentationen“ zu oft jenseits der intellektuellen Redlichkeit: Allein der ununterbrochene Gebrauch der Nazikeule beweist, dass es den gesinnungsethisch agierenden Wut-Linken nicht um den Abtausch durchdachter politischer Argumente geht, sondern vor allem um den persönlichen Angriff auf den Gegner und letztendlich um dessen ideelle Vernichtung. Man nimmt in unseren zivilisierten Zeiten als Linker zwar nicht mehr das Gewehr zur Hand (wie es weiland die linke Ikone Che Guevara tat), aber man hat keine Scheu, Rufmord zu begehen und man will die Reputation der politischen Gegner zerstören. Aus der selbstgerechten und chronischen linken Wut speist sich ein schier unerschöpflicher Drang nach der Diffamierung des politischen Kontrahenten.

Hehre Motive

Wenn man wütende Linke persönlich befragt, warum sie so sind, wie sie sind, dann hört man oft als Antwort, dass das „Nie wieder“ ihr Hauptmotiv sei: Niemals mehr soll ein faschistisches und rassistisches Regime an die Macht kommen, nie wieder darf es auch nur annähernd so etwas ähnliches geben wie das Dritte Reich. Anders gesagt, viele der Empörten entwickeln ihre politische Einstellung als Reaktion auf die Schuld und die mörderische Hässlichkeit des Nazi-Regimes und rechtfertigen damit nahezu alle ihre politischen Aktivitäten.

Mit diesem ihrem Motiv rennen sie aber offene Türen ein. Der Wille zum „Nie wieder“ wird ja ohnehin von fast allen Menschen geteilt, egal wo sie politisch stehen. Kein vernünftiger Bürger Österreichs oder Deutschlands will jemals wieder ein Nazi-Regime haben und jeder ernstzunehmende Mensch verurteilt die Gräueltaten der Kriegsjahre. Die Ablehnung des NS-Gedankenguts ist also sowieso ein bedingungsloses Apriori. In Österreich ist diese Ablehnung noch dazu in Form des sogenannten Verbotsgesetzes in der Verfassung verankert.

Linke Ideologen scheinen dieses Apriori aber zu ignorieren und es ist nachvollziehbar, warum sie das tun.  Aus der von ihnen immer wieder neu aufgetürmten historischen Schuld beziehen sie ja die Selbstlegitimation zur moralischen Absicherung ihrer Ansprüche. Und durch die Aufladung des eigenen Handelns mit dem Gestus und der Moral der (allerdings viel zu spät kommenden) Widerstandskämpfer wollen die Gesinnungsethiker auch eine politische Immunisierung erreichen, die sie vor jedweder Kritik schützen soll.

Die andauernde Beschäftigung mit der Schuld der Nazis verschafft den Linken jedenfalls jene fast schon zwanghaft wirkende Energie, die sie in die Lage versetzt, den politischen Gegner (also die „Rechten“) ständig als potenzielle Wiedergänger der braunen Vorväter identifizieren zu müssen und sämtliche Nicht-Linke unablässig unter NS-Verdacht zu stellen. Es läuft daher heute jeder, der rechts der Mitte agiert und einfach nur klare bürgerliche und/oder patriotische Positionen vertritt, permanent Gefahr, von links mit der Nazikeule attackiert zu werden. Die Pauschalierung ist an die Stelle der politischen Argumentation getreten. Man muss sich daher fragen: Ist das alles noch ernst gemeint oder ist da nicht längst etwas völlig aus dem Ruder gelaufen oder gar zur Karikatur seiner selbst geworden?

Nur ein Instrument

Der Verdacht liegt nahe, dass aus dem lauteren Motiv des „Nie wieder“ entweder ein perseverierendes und redundantes, ja eben fast zwanghaftes  „Aufarbeiten der Vergangenheit“ geworden ist oder – und das wäre die schlimme Variante – das „Nie wieder“ ist heute nur noch ein abgedroschenes Versatzstück der einstmals starken linken Identität. Damit wäre aber die stolz im Bauchladen des Hypermoralismus demonstrierte Entrüstung nur noch ein billiger Theaterdonner, der in Wirklichkeit das dröhnende Grundrauschen eines permanent ablaufenden „Antifaschistischen Karnevals“ bildet. Alle linke Betulichkeit würde damit schlagartig zur Alltags-Kasperliade ohne politischen Nutzen. Das Wissen um diese peinliche Erkenntnis könnte dann natürlich die linke Wut noch einmal verstärken, weil man hinter dem mit Donner und Nebelgranaten aufrechterhaltenen Furor die eigene Inhaltslosigkeit ganz gut verbergen kann.

Das Gleichheitsstreben als Quelle der Wut

Eine weitere Quelle des linken Zorns ist der Wille zur totalen Gleichheit. Dieser Wille wird nämlich insofern sehr leicht und rasch zur Wut, weil er sich aus ganz banalen Gründen nicht umsetzen lässt: Menschen sind einfach nicht gleich und man kann sie auch nicht gleich machen. Die wirklichen Weisen der Gleichheitsphilosophie meinen daher mit „Gleichheit“ vor allem die Gleichheit der Bürger vor dem Gesetz, weil sie wissen, dass  diese Vorstellung von Gleichheit noch am ehesten umsetzbar und sinnvoll ist. Den linksideologisch eingeengten Aposteln des Egalitarismus ist das aber viel zu wenig. Sie agieren nach dem dogmatischen Motto, dass die Gleichheit immer und überall lückenlos umgesetzt werden muss.

Mit unerschütterlichem missionarischen Eifer durchdringen die Gleichheitsaposteln daher die Parteien und die Medien, um ihre totalitären Vorstellungen durchzusetzen. Die Ehe für Alle, das Adoptionsrecht für Homosexuelle, die Gleichbehandlungskommissionen, die Anti-Diskriminierungsstellen, die Gender-Ideologie, die ungehinderte Massenmigration usw., all das sind Effekte der erbarmungslosen Gleichheitsideologie von links, die sich natürlich immer ein moralisches Mäntelchen anlegt, um ihr Dasein zu rechtfertigen und jede Kritik damit wegzuwischen. Legt man die Motive allerdings frei, handelt es sich beim humanistisch verbrämten Gleichheitsstreben meist doch nur um den trivialen Neid der Schlechtweggekommenen oder um reziprok wirksame altruistische Motive: Seht her, wie gut ich zu den anderen bin, wie gut muss ich da erst selber sein!

Die schlimmsten Ausformungen der hypermoralischen Gleichheitsideologie münden in solch fantastisch-fanatische Wünsche wie „No border, no nation“ oder in extreme feministische Anschauungen wie diejenige, dass das sexuelle Geschlecht nur ein soziales Konstrukt sei und daher Mann und Frau von vornherein völlig gleich sind. Da aber diese Sichtweisen jedem Hausverstand und jeder natürlichen Gegebenheit diametral widersprechen und sie deswegen keinerlei Chance auf Realisierung haben, wird die Wut der Ideologen dadurch nur noch mehr angefeuert.

Regenbögen, Einhörner und keine Vernunft 

Die auf falschen und unlogischen Prämissen beruhende Überzeugung, als Linker die moralische Deutungshoheit und überhaupt die einzig richtige Weltanschauung zu besitzen, führt zu andauernden Verwerfungen im politischen Diskurs und emotionalisiert mangels vernünftiger Argumente jede Debatte spätestens ab dem zweiten Satz.  Die heutige, nur noch gefühlsbasierte linke Ideologie entpolitisiert im Grunde die Politik, weil sie der Vernunft keinen Raum mehr lässt. Regenbogenfahnen und Einhörner sind deshalb folgerichtig zu den neuen linken Symbolen geworden und sämtliche Demonstrationen von Linken erwecken mittlerweile den Eindruck von zunehmender Infantilisierung und erschreckend bornierter Naivität.

Naturgemäß sind besonders die Jüngeren anfällig für die sinistren Verführungen der neulinken Ideologie und viele von ihnen beziehen aus der Buntheit des Regenbogens und aus der plüschigen Einhorn-Denke den Treibstoff für ihre Auflehnung und nicht wenige betreiben mit der linken Energie richtiggehende Wutmaschinen. Das heizt die Situation immer weiter auf. Wenn dann noch aus dem Hohen Norden eine Jeanne d`Arc der Neuzeit daherkommt und als 16-jähriges Mädel namens Greta Thunberg die Welt vor dem Klimawandel retten will, bersten bei den Jungen die Dämme.

Gefinkelte Alt-Linke haben das Wut-Potenzial dieser neuen Bewegung längst erkannt und klatschen den Jungen Beifall, wenn sie gegen die Konzerne demonstrieren und für das Klima die Schule schwänzen. Letztlich ist das der pure Zynismus, denn auch diese Alt-Linken bilden und vertreten genau jenes Establishment, gegen das die Jungen heute demonstrieren. Und wer genau hinschaut, der sieht, dass der Geist von Wladimir Iljitsch Lenin blinzelnd und feixend hinter den Transparenten hervorlugt, denn seine Tricks greifen unverändert:  Die jungen Linken laufen nämlich Gefahr, wie weiland Lenins „nützliche Idioten“ für sinistre Zwecke missbraucht zu werden.


(Im Original erschienen bei thedailyfranz.at [7])

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Rassismus 2.0

geschrieben von PI am in Rassismus | 115 Kommentare

Von DR. MARCUS FRANZ (Wien) | Der klassische Rassismus ist laut Duden eine ideologisch geprägte Lehre, deren Inhalte besagen, dass bestimmte Menschengruppen und Völker aufgrund von biologischen Merkmalen anderen Populationen in ihrer kulturellen Leistungsfähigkeit über- oder unterlegen sind. Soziologen und Kulturwissenschaftler orten die Ursprünge des Rassismus bereits in der Antike und manche Forscher schreiben seine Entstehung und Verbreitung den jeweiligen intellektuellen Vordenkern ihrer Zeit zu.

Dieselben Muster

Die Denkmuster des Rassismus, die in früheren Zeiten Ausbeutung, Verfolgung, Unterdrückung bis hin zur Vernichtung von verschiedenen Ethnien und Kulturen ermöglichten und die diese Untaten nicht nur rechtfertigten, sondern sogar für gut und richtig erklärten, haben sich „weiter“-entwickelt. Heute gibt es gewissermaßen einen Rassismus 2.0, der sich längst von der Ächtung diverser biologischer Merkmale entfernt und in eine Abwertung und Herabwürdigung bestimmter (politischer) Haltungen verwandelt hat.

Die Vertreter des Rassismus 2.0 sind paradoxerweise die selbsternannten Anti-Rassisten, die heute auf ganzer Linie gegen den biologistisch begründeten Rassismus vorgehen und vor allem im linken Lager zu finden sind. Unter dem Deckmantel der Gleichheitsphilosophie und des Humanismus versuchen linksorientierte Hardliner ständig, allen Andersdenkenden den Mund zu verbieten oder zumindest deren Einstellungen für verwerflich zu erklären.

Die orthodoxen Linken tun dies unter Verwendung derselben kodifizierten Raster, die früher von den Bio-Rassisten verwendet wurden. Sie haben diese Muster nur umgemünzt und von der biologistischen auf die politische und moralische Ebene verlegt. Dort fällen sie ihre Urteile: Der politisch Andersdenkende gilt als schlecht, intellektuell und charakterlich minderwertig, genuin böse, moralisch letztklassig oder ist sonstwie mit ganz schrecklichen Übeln behaftet und natürlich völlig unbelehrbar und nicht zu bekehren. Am besten ist es daher, ihn zunächst öffentlich und persönlich anzugreifen, an den Pranger zu stellen und ihm dann seine Meinung und seine Weltanschauung zu verbieten, weil diese für destruktiv und gefährlich erklärt wird.

Opferkult

Um den Rassismus 2.0 zu legitimieren, muss man sich als Vertreter desselben natürlich gegen jede Kritik immunisieren. Das gelingt am besten, wenn man sich als Opfer darstellt und dann aus der Opferrolle heraus die neo-rassistischen Angriffe aufbaut. Für die eigene Viktimisierung bieten sich jede Menge Optionen an: Man ist Frau/Feministin, Schwuler, sozial Benachteiligter, Migrant oder was auch immer – Hauptsache, man kann in der Rolle des Schwachen und Schlechtweggekommenen glänzen und dem Gegenüber dafür empört die Schuld geben.

Ein beliebtes Zielobjekt des politisch transformierten linken Rassismus 2.0 ist derzeit der „mächtige, alte weisse Mann“ [8]. Weil es ausschließlich um Weiße geht, ist sogar ein Schuss klassischer Bio-Rassismus dabei. Alles, was dieser weiße Mann von sich gibt oder tut, wird automatisch und ohne Differenzierung im weitesten Sinne als Hassrede oder als rechte Machtdemonstration denunziert. Man ist heute schon verdächtig, wenn man eine helle Hautfarbe hat, ein Mann über 50 und erfolgreich ist. Aus linker Sicht muss sich diese Gruppe von Männern von vornherein immer für alles entschuldigen, denn für sie gilt die pauschale Schuldvermutung.

Feministische Männer

Weil dieses Objekt der übelwollenden linken Phantasien vor allem von den Feministinnen als Ziel Nr. 1 auserkoren wurde, finden wir unter den angesprochenen weißen Männern recht viele, die zum Feminismus übergelaufen sind und dort ihr erbärmliches Dasein fristen. Sie sind feige und wollen ihr Leben nicht als Zielscheibe von Furien und Erinnyen verbringen. Einige dieser „Männer“ sind natürlich auch nur Heuchler, die glauben, dass sie mit einer vorgetäuschten unterwürfigen Haltung das Wohlwollen der „modernen“ Frauen erlangen können. Für beide Sorten Mann gilt, dass für sie das Prinzip Männlichkeit in Frage zu stellen ist: Es gibt eigentlich kaum etwas, das lächerlicher und erbarmungswürdiger ist als ein „männlicher“ Feminist.

Natürlich wird der gewendete Rassismus, der als Gleichheitsdenken getarnt wird, auch in allen anderen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens eingesetzt. Die Kulturkritik etwa läuft heute sofort Gefahr, als Bio-Rassismus verteufelt zu werden, wenn sie ernsthaft wird. Kritische Fragen, die den Islam oder die Migration betreffen, können und dürfen jederzeit als „rassistisch“ und „fremdenfeindlich“ missinterpretiert werden, ja sie sollen das sogar. Sachlich ist das natürlich völlig unsinnig und absurd, weil eine multinationale Religion und Kultur ja niemals an einer Rasse festzumachen ist, sondern bestimmten geistigen Haltungen entspricht.

Die Nachfahren Rousseaus

Die einzig edle und legitime „Rasse“ ist heute daher nur mehr diejenige, die aus lauter linksideologisch gefestigten und durch den Modernismus geläuterten Menschen besteht. Wer dazu gehören will, muss seinen Rousseau gelesen haben und seinen Marx, er soll Adorno und Horkheimer kennen und er muss vorgeben, zumindest ein bisschen nach den Ideen dieser Autoren zu leben. Am besten gelingt das natürlich den Salon-Linken, die sich in einem ganz speziellen Zynismus nach außen hin als altruistische Linke gerieren, aber in Wirklichkeit nur auf ihre eigenen Vorteile bedacht sind.

Die Vertreter des Rassismus 2.0 halten sich jedenfalls für die neuen und moralisch unangreifbaren Übermenschen und für die intellektuelle Herrenrasse – ohne das natürlich jemals zuzugeben. Und, noch schlimmer, vielen von ihnen ist diese ihre dubiose Haltung nicht einmal bewusst, weil sie vor lauter Moralisieren und Empören keine Zeit zur Selbstreflexion finden. Die Vertreter des Rassismus 2.0 wollen bestimmen, was gut und schlecht ist und sie möchten festlegen, wie der Mensch politisch zu sein und wie er zu leben hat. Und sie erteilen sich selbst die Befugnis, alles, was ihnen nicht passt, in Grund und Boden zu verdammen.

Obwohl die beschriebene Version des linken Weltbilds vom gesunden Menschenverstand schon längst ad acta gelegt wurde, beherrscht es noch immer große Teile der veröffentlichten Meinung und der Medienszene. Dort haben Marxens Jünger und Rousseaus Verehrer zum letzten Gefecht geblasen – sie wissen um ihre Existenzbedrohung. Es ist daher davon auszugehen, dass es vor dem Aus dieser Spielart der linken Ideologie noch zu heftigen neo-rassistischen Angriffen auf alles und jeden kommen wird, der nicht irgendwie im Chor der Mainstream-Medien mitsingt.


(Dieser Artikel erschien im Original auf thedailyfranz.at [9])

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Menschenrechte: Der Unterschied als Bedingung

geschrieben von PI am in Menschenrechte | 79 Kommentare

Von DR. MARCUS FRANZ (Wien) | Die Menschenrechte sind in letzter Zeit debattenmäßig wieder hoch im Kurs. Doch die Debatte verläuft recht einseitig: Die unerbittlichen Hüter der Menschenrechtskonventionen sehen sich bei jeder Gelegenheit veranlasst, den Absolutheitsanspruch und die Unantastbarkeit dieser Rechte zu betonen. Notfalls erklären sie jeden zum Faschisten und Nazi, der über eine Anpassung der Konventionen an die Erfordernisse der Zeit laut nachdenkt.

Den Dingen auf den Grund gehen

Wie ist das aber nun wirklich mit der Unantastbarkeit und der angeblich weltumspannenden absoluten Gültigkeit der Menschenrechte? Bei näherer Betrachtung stellt sich die Sachlage jedenfalls ganz anders dar als uns dies die  Menschenrechtskämpfer weismachen wollen. In der von der UNO akkreditierten „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte“ steht als Leitsatz explizit zu lesen, dass alle Menschen frei und gleich an Würde und Rechten geboren sind.  Das klingt zunächst einmal sehr gut und man kann diesen Satz durchaus genauso haben wollen und dementsprechend seine weltweite Umsetzung fordern. Wenn man ihn aber in der Realität anwenden will, stößt man bereits bei ganz basalen Begriffen, die für die Rechtsstaatlichkeit von Nationen die Voraussetzungen bilden, an unüberwindliche Grenzen und gelangt sofort zu unauflösbaren Widersprüchen. Das gilt ganz besonders für das Prinzip der Staatsbürgerschaft. Das Recht auf Staatsbürgerschaft wird zwar in der UN-Menschenrechtscharta ebenfalls ausdrücklich erwähnt, aber es löst die Widersprüche nicht auf, sondern verstärkt sie sogar.

Staatsbürgerschaft ist exklusiv – und diskriminierend

Sobald es ein Rechtsinstitut wie die Staatsbürgerschaft gibt, kann nämlich keine Gleichheit und keine Gleichberechtigung unter den Menschen herrschen. Jede Staatsbürgerschaft ist per se exklusiv – sprich, sie ist ausschließend. Das bedeutet, dass sie für alle in einem bestimmten Land befindlichen Nicht-Staatsbüger de facto und de jure immer diskriminierend ist, obwohl Diskriminierung laut Menschenrechtskonvention verboten ist. Trotzdem (oder gerade deswegen) ist die Unterscheidung in Staatsbürger und Fremde für den Bestand eines Staates essenziell notwendig. Jeder Staat benötigt für seine Existenz neben einem Territorium nämlich auch ein Staatsvolk und das sind nun einmal die Staatsbürger. Anders gesagt: Ein Fremder, der sich, ohne Staatsbürger zu sein, in einem anderen Land aufhält, ist in diesem Land den Einheimischen daher a priori nicht gleichgestellt. Wäre das so, würde jede Staatsbürgerschaft sofort zur Farce werden.

Eine Bedingung des Staates

Das Prinzip der Staatsbürgerschaft ist für jede Nation konstituierend, denn man kann keinen Staat bilden, der nicht irgendeine Form von „Citizenship“ für seine Bewohner gewährleistet. Eine Nation ohne Staatsbürgerschaft würde sofort in kleinere und größere Individualeinheiten zerfallen, in denen das Recht des Stärkeren gilt. Die Staatsbürgerschaft per se ist also eine notwendige und bedingungshafte Voraussetzung, ohne die ein geordnetes Funktionieren der Nationen und der staatlichen Strukturen nicht möglich wäre.

Rechte und Pflichten

Für Staatsbürger gelten praktisch überall auf der zivilisierten Welt bestimmte Rechte und Pflichten, die den Nicht-Staatsbürgern nicht zustehen bzw. diese nicht betreffen. Als wichtigstes Recht des Staatsbürgers wird gerne das Wahlrecht bezeichnet, weil es den Bürger in die Lage versetzt, in seiner Nation die demokratischen Prozesse mitzubestimmen. Der Nicht-Staatsbürger darf das als Fremder explizit und definitiv nicht.

Im Weiteren ist der Staatsbürger überall auf der Welt berechtigt, im Bedarfsfalle den Schutz durch seine Nation einzufordern. Gerät also z.B. ein Österreicher in Afrika oder Asien in Not, ist die nächstgelegen Botschaft verpflichtet, ihn zu unterstützen. Und zu guter Letzt darf unter normalen Bedingungen kein Staatsbürger aus seinem Land ausgewiesen werden. Bei Nicht-Staatsbürgern ist das mit einer entsprechenden Begründung jederzeit möglich.

Es gibt natürlich nicht nur die Rechte, sondern auch die Pflichten des Staatsbürgers. In Österreich ist dessen höchste Pflicht die Wehrpflicht: Jeder Mann ab dem 18. Lebensjahr ist verpflichtet, im Ernstfall auch unter Einsatz seines Lebens die Republik zu schützen. Um dieser Pflicht gewachsen zu sein, muss er für 6 Monate zum Militärdienst einrücken und dort eine Grundausbildung erhalten. Alternativ dazu kann er den waffenlosen Wehrersatzdienst leisten, welcher aber zum Ausgleich für die Gefahren des Wehrdienstes länger dauert. Frauen müssen nicht zum Heer, dürfen jedoch freiwillig dort eintreten. In dieser geschlechterspezifischen und klar die Frauen bevorzugenden Regelung steckt übrigens ebenfalls eine Diskriminierung, die nicht jener Gleichheit entspricht, die in den Menschenrechten jedermann garantiert wird.

Nur noch Phrasen?

Man erkennt also schon in der Betrachtung eines so simplen und fundamentalen Begriffs wie jenem der Staatsbürgerschaft, wie relativ, wie widersprüchlich und wie nur scheinbar die angebliche Absolutheit der Menschenrechte ist. Umso notwendiger ist es daher, den in unseren Menschenrechtskonventionen dargestellten Begriffen auf den Grund zu gehen und ihre Bedeutung immer wieder zu hinterfragen. Wenn jedes laute Nachdenken über die Begrifflichkeiten sofort mit gesinnungsethischem Geheul erstickt wird, laufen wir Gefahr, dass die Konvention zu einer Phrasensammlung verkommt, die nur noch zu ideologischen Zwecken existiert und einer bestimmten Lobby als Argumentationskeule dient.


(Im Original erschienen auf thedailyfranz.at [10])

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Eine kurze Geschichte von Mann und Frau

geschrieben von PI am in Frauen | 180 Kommentare

Von DR. MARCUS FRANZ (Wien) | Die Frauenrechtskämpferinnen gehen in der Regel von der Prämisse aus, dass die Frau grundsätzlich und a priori vom Mann unterdrückt wird und sie daher ständig gegen diese Opferrolle ankämpfen müsse. Die aktuellen Versatzstücke dieses seit Jahrzehnten nicht enden wollenden Frauenkrieges gegen das männliche Geschlecht sind z.B. der GenderPayGap, die Frauenquote und der Kampf gegen das angeblich noch immer bestehende Patriarchat. Besonders beliebt sind derzeit die Angriffe auf den „mächtigen alten weißen Mann“, von dem allerdings niemand so genau weiß, wer das eigentlich sein soll.

Der Verweis auf die Geschichte

Gern wird in jeder einschlägigen Debatte um die Frauenrechte der historische Verweis auf die Rolle der Frau in früheren Zeiten gebracht: Das heute absichtlich negativ besetzte traditionelle weibliche Role-Model ist die abgearbeitete vielfache Mutter am Herd, die entweder gerade schwanger ist oder stillt, je nachdem. Und immer steht die arme Frau unter der Knute des angeblich zu Hause so mächtigen Mannes. Dass das so nicht stimmt und gar nicht stimmen kann, fällt einem bei näherer Betrachtung der historischen Verhältnisse sofort auf. Wie war das denn wirklich mit dem Mann und der Frau im Laufe der früheren Jahrhunderte?

Die geschichtliche Realität war anders als es uns die Kämpferinnen von heute weismachen wollen. Jeder Mann, der Familie und Nachwuchs hatte, stand unter einem enormen Erfolgsdruck, denn er war der singuläre Ernährer. Und als solcher war er von Anbeginn ständig allen möglichen Gefahren und Bedrohungen ausgesetzt. Der frühgeschichtliche Mann musste die Beute herbeischaffen und seine Frau und die Kinder notfalls mit seinem Leben gegen alle möglichen Feinde beschützen. Dazu gehörten vorzugsweise Raubtiere und Männer von anderen Stämmen oder Sippen.

Und auch in späteren Zeiten war der Mann immer derjenige, der Arbeiten jeder Art verrichten musste, um seine Familie ernähren zu können. Und stets war die Gefahr sein Begleiter. Zu seinen Aufgaben gehörten zunächst die oft langwierige und schwierige Jagd, dann kamen die bäuerlichen Tätigkeiten hinzu, die täglich zehn oder zwölf oder mehr Stunden in Anspruch nahmen. Er musste überdies oft genug das Kriegshandwerk ausüben, das ihn nicht selten das Leben kostete oder ihm Behinderungen einbrachte und er hatte alle möglichen anderen Tätigkeiten und Aufgaben zu erfüllen, die weder dem Dasein eines Paschas entsprachen noch sonst irgendwie bequem waren oder es ihm gar ermöglichten, dauernd seine Frau zu gängeln. Man kann klar sagen: Über die endlosen Zeitläufte der Geschichte war das Männerleben oft extrem gefährlich, immer kämpferisch und permanent so verantwortungs- wie entbehrungsreich.

Die Familie als Fundament

Um längerfristig bestehen zu können, brauchten jeder Mann und jede Frau ein familiäres Fundament. Kein Mann hätte in diesem Setting davon profitiert, die Frauen prinzipiell zu unterdrücken, ganz im Gegenteil. Die Lebensaufteilung zwischen Mann und Frau war über Jahrtausende von der Natur und den Fortpflanzungsergebnissen vorgegeben: Die Frau war zu Hause, sorgte für die Aufzucht und Pflege der Kinder und die Instandhaltung des Haushaltes. Der Mann war dafür den Gefahren und den Anforderungen der Umwelt ausgesetzt, egal ob er ein Jäger und Sammler des Neolithikums war, ein Bauer in der Antike, ein Ritter im Kreuzzug, ein Kaufmann des 19. Jahrhunderts, ein Soldat der kaiserlichen Armee oder ein Angestellter in den 1960er Jahren.

Klare Strukturen

Die Realität war demzufolge lange Zeit vergleichsweise einfach und klar strukturiert. Die Frau musste das Risiko der vielen Geburten tragen und der Mann war im Gegenzug der Gefahr ausgesetzt, bei seinen oben geschilderten männlichen Tätigkeiten verletzt zu werden oder ums Leben zu kommen. Männer starben deswegen sehr oft an unfallbedingten Verletzungen, an Gewalttaten und infolge kriegerischer Handlungen. Eine weitere häufige Todesursache waren Infektionskrankheiten. Frauen starben entweder am Kindbettfieber oder an anderen Infektionen. Letztlich war die kollektive Bilanz für die Frauen aber besser, denn wenn die Frau viele Kinder gebar und der Mann früh umkam, gab es über die Söhne männlichen Schutz und über die Töchter eine soziale Absicherung, sofern diese Absicherung nicht ohnehin in der Großfamilie erfolgte. Günstig für alle war es jedenfalls, in einer legitimierten Beziehung (= Ehe) zu leben.

Diese im Grunde naturrechtlich vorgegebene und sehr dauerhafte Situation fußte vor allem auf der Fortpflanzungsfähigkeit respektive war diese das bestimmende Prinzip des gesamten Lebens. Die angeblich so große Einengung des Frauenlebens ging nicht vom Manne, sondern vom Nachwuchs bzw. von der Natur aus: Die eigene Fruchtbarkeit und die stets große (und aus sozialen und versorgungsbezogenen Gründen notwendig große!) Zahl der Kinder bestimmte die Optionen der Frauen und sie kamen daher selten auf die Idee, in männliche Domänen vorzudringen oder besondere Männer-Tätigkeiten erlernen und ausüben zu wollen.

War die Frau mit ihrer natürlichen Rolle eins, bestand ihr hauptsächlicher Daseinszweck aus familiären Aufgaben und allem, was dazugehört. Im Gegenzug bestimmte letztlich die Frau und Mutter, was im familiären und häuslichen Umfeld geschehen sollte. Umgekehrt konnte der Mann weder tun und lassen, was er wollte oder sich einfach so aus der Verantwortung stehlen, denn ein ordentlicher Vater und Ehemann musste in jeder Hinsicht seinen Mann stehen. Die immer gern zitierte Abhängigkeit der Frau vom Mann war also in derjenigen Form, wie sie uns heute dargestellt wird, so nie gegeben, weil es ohne grundsätzliche und auch weitgehend gleichgestellte Kooperation nicht geklappt hätte. In seinen Grundzügen funktionierte dieses Modell bis in die 1960er Jahre des vorigen Jahrtausends.

Die Pille ermöglichte die Revolution

Doch dann kam die Pille (übrigens die Erfindung eines Mannes). Binnen kürzester Zeit sind durch diese neue Verhütungsmethode ungeheure gesellschaftliche Umwälzungen in Gang gekommen – die Frau gewann die Kontrolle über die Empfängnis und konnte damit alle gewachsenen gesellschaftlichen Strukturen in Frage stellen und sie letztlich tiefgreifend ändern. Die Büchse der Pandora war geöffnet, die Geburtenraten rasselten in den Keller und die Frauen begannen, sich völlig neu zu orientieren. Weniger Kinder zu haben bzw. den Zeitpunkt der Empfängnis selber zu bestimmen bedeutete, ungeahnte Möglichkeiten in anderen, ursprünglich nur männlich dominierten Bereichen erschließen zu können. Beruf, Karriere und die sogenannte Selbstverwirklichung gerieten in den Fokus des weiblichen Lebensmodells.

Aus dieser Situation heraus begann die Frau, in die ureigensten Domänen des Mannes einzudringen und in jedem Bereich ihre Gleichberechtigung zu fordern. Trotz der grundlegend unterschiedlichen Biologie und trotz der nach wie vor bei der Frau verbleibenden natürlichen Bestimmung des Kinderkriegens bemühten sich die Kämpferinnen, jede männliche Bastion zu erobern. Mit mäßigem Erfolg – wie wir heute wissen. Die fleißig geschürte Erwartungshaltung und die hemmungslose Ignoranz der Feministinnen gegenüber den natürlichen Bedingungen waren viel zu groß. Paradoxerweise trifft das nun vor allem jene Frauen am meisten, welche die neuen Optionen ausnützen und für sich, für ihre Familie, für ihre Karriere sowie für die Gesellschaft möglichst viel tun wollen: Nämlich die Mütter. Wer heute Mutter wird und als Mutter arbeiten geht, steckt im Doppeljoch der Familienarbeit und der Lohnarbeit – da kann der männliche Lebenspartner noch so brav mitarbeiten, die Kinder brauchen zumindest in den frühen Jahren die Mama.

Weniger gute Aussichten

Anders gesagt: Das Schicksal der Frau hat sich verschlechtert, wenn sie heute Mutter wird und arbeiten geht. War früher nur die Familie zu managen, so muss eine Frau mit Kindern heute nicht nur die perfekte Mama sein und eine attraktive Ehefrau darstellen, sie muss noch dazu und ganz besonders im Job ihre Kompetenz beweisen. So widersinnig es klingt, aber die Freiheit durch die Pille hat die Frau auf der anderen Seite in eine Art von Hase-und-Igel-Spiel gedrängt, bei der sie immer der Hase ist. Die einzige Möglichkeit, dem Doppeljoch und dem daraus entstehenden Dilemma nachhaltig zu entkommen, ist das Delegieren der Kindererziehung an Institutionen oder der völlige Verzicht auf eigene Kinder. Wenn man so will, ist der finale und fulminante Erfolg der Pille die „Frau ohne Kinder“.

It’s a man’s world

Will eine Frau in der Männerwelt reüssieren (und die Welt ist eben seit urdenklichen Zeiten eine Männer-Welt), dann kann sie das objektiv betrachtet nur dann unbelastet tun, wenn sie ohne eigenen Nachwuchs bleibt oder höchstens ein einziges Kind hat. Wie viele Frauen diesen Weg wählen, erkennen wir an der großen Anzahl von kinderlosen Frauen und an der dramatisch gesunkenen Geburtenrate: Während 1965 noch ca. drei Kinder pro Frau geboren wurden, waren es 2015 nur noch 1,49 Kinder/Frau. Man kann die Männer da aber nicht aus der Verantwortung lassen: Die zunehmenden Optionen für die Frauen haben viele Männer verschreckt. Die Zahl derjenigen Herren, die Verantwortung für eine Familie übernehmen wollen, ist ebenfalls deutlich gesunken.

Sterben wir aus?

Die magere Geburtenziffer stellt langfristig die Existenz unserer Population in Frage, denn für die konstante Aufrechterhaltung der Bevölkerung braucht man eine Rate von 2,1 Kinder pro Frau. Wir blicken also dem zwar noch fernen, aber ziemlich sicheren Ende der hiesigen Population entgegen und können die Geburtenlücke nur durch Zuwanderung ausgleichen – aber das ist eine andere Geschichte.

Die Politik plagt sich seit Jahrzehnten fast schon verzweifelt mit diesen Fragen herum, denn das unsinnige, weil falsche Dogma von der totalen Gleichheit von Frau und Mann zwingt die jeweils Verantwortlichen in enge Handlungskorridore, die sie nicht verlassen können. Alle möglichen Lobbys geben dort ihren Senf dazu: Die einen schreien nach mehr Kinderbetreuung, die anderen nach verpflichtenden Frauenquoten, die dritten nach der Väterkarenz usw. – aber eine wirkliche Lösung des Dilemmas ist mit dem Einsatz der derzeitigen Mittel nirgends in Sicht. Wenn jemand auch nur zaghaft das traditionelle Familienmodell als Ausweg aus den geschilderten Nöten anspricht, wird er vom Juste Milieu niedergebrüllt und als Chauvinist und Reaktionär verdammt.

Europäische Politiker wie Viktor Orban, die sich trauen, die Dinge beim Namen zu nennen und Lösungsvorschläge dazu präsentieren, werden hierzulande regelmäßig Opfer des medial angefachten und linksfeministisch inspirierten Shitstorms. Dabei denken immer mehr Frauen heute schon durchaus in ähnlichen und konservativen Bahnen, weil der 68er-Gedanke der Feministinnen zu Recht am Verblassen ist. Viele Frauen haben entdeckt, dass das Doppeljoch und der Tausch der Familie gegen ein Angestelltendasein ohne Kinder sich zur B-Variante des Daseins entwickeln kann: Man ist in einem Lohn-Abhängigkeitsverhältnis und am Ende allein, ohne Nachwuchs und ohne Mann.

Mutterschaft als erste Alternative

Das alles soll die Optionen und die Entscheidungsmöglichkeiten, die seit der Erfindung der Pille und seit der 68er-Revolution für die Frauen entstanden sind, nicht schmälern und niemand wird das Rad der Zeit ernsthaft zurückdrehen wollen. Aber es ist zweifellos sinnvoll, intensiver darüber nachzudenken, ob die Option „Mutterschaft“ nicht doch die beste Variante ist. Und weder die Politik noch die Medien sollten den Frauen permanent einreden, dass Lohnarbeit und Karriere zwingend notwendig für ihr Daseinsglück sind. Die Feministinnen-Ikone Simone de Beauvoir hat in einem berühmten, aber inhaltlich falschen Zitat gesagt: „Zur Frau wird man nicht geboren, zur Frau wird man gemacht.“ Dem kann man gut und gerne korrigierend entgegenhalten: „Zur Frau wird man geboren und zur Mutter wird man gemacht!“


(Im Original erschienen auf thedailyfranz.at [11])

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Heimat 2.0

geschrieben von PI am in Deutschland,Österreich | 139 Kommentare

Von DR. MARCUS FRANZ | Der Begriff Heimat hat in der letzten Zeit eine neue und positive Aufladung erfahren. Träumte man noch vor wenigen Jahren von der grenzenlosen Globalisierung, vom Global Village und von der Internationalisierung von allem und jedem, so ist man nun draufgekommen, dass die Heimat bei weitem nicht so schlecht ist wie es ihr Ruf sehr lange Zeit war.

Kein guter Ruf

In den 30er-Jahren bemächtigten sich die braunen Horden des Begriffes Heimat und verpassten ihm ein rassistisches Image. Nach der Katastrophe des Dritten Reichs erfuhr die Heimat in zahllosen Heimat-Filmen und im Wiederaufbau zwar eine positive Neubewertung – aber nur, um von den 68ern und den danach in großer Zahl auftretenden Vergangenheitsbewältigern und allen anderen linken Progressiven in einem selbstgestrickten und medial bis heute gerne verbreiteten Moralismus wieder verdammt zu werden.

Man traute sich lange Zeit nur noch in den oft scheel betrachteten Kultur-, Trachten- und Schützenvereinen von der Heimat zu reden. Dieselbe gar zu loben, war über Jahrzehnte höchstens im Sport oder bei großen offiziellen Anlässen erlaubt – etwa, wenn man die naturgemäß heimatbezogene Bundeshymne mitsang. Ansonsten klang „Heimat“ irgendwie verdächtig und die Modernisten schauten einen gleich ganz misstrauisch an, wenn man von der Heimat sprach.

Unbeirrt und heimatverbunden

Dieser konstruierte Verdacht, der ausschließlich den Zweck hatte, die bürgerlich-rechte Weltanschauung politisch zu diffamieren, legte sich wie Mehltau über die Lande und nur mutige und und bodenständige Charaktere blieben davon unbeirrt. Auch in konservativen Kreisen bemühte man sich aus lauter Angst, als „ewiggestrig“ zu gelten, sehr oft, die Heimat nur noch als Folklore erscheinen zu lassen. Klare Bekenntnisse zur deutschsprachigen Kultur, zur jahrtausendealten und prägenden eigenen Geschichte und zur Wichtigkeit des Heimatbegriffs wurden gern vermieden. Rechts-Intellektuelle, die den Mut hatten, sich positiv zu einem autochthonen Kulturbegriff und zur Heimat zu äußern, wurden stets von der linken Medien-Schickeria niedergemacht oder gleich mit der Nazi-Keule traktiert.

Heimat, reloaded

Das alles ist nun anders geworden. Das Volk hat genug vom endlos oktroyierten anti-heimatlichen Getue und es wendet sich vom öffentlichen Lechzen nach grenzenloser Internationalität immer mehr ab. Die Massenmigration hat jene natürlichen und gesunden Selbstschutz-Reflexe aktiviert, die zum Heimatbegriff dazugehören und die für ein Bestehen der eigenen Kultur und der eigenen Nation notwendig sind.

Die Erklärung, warum die „Heimat“ so eine essenzielle Wichtigkeit besitzt, findet man in einer medizinischen Analogie:  Die Heimat und ihre rechtlichen Erscheinungsformen namens Nationen, Staaten und Länder bilden eine Art Immunsystem. Die Grenzen der Nationen sind die sichtbaren Erkennungszonen, an denen Freund und Feind unterschieden werden.

Das Fremde und das Eigene

Die jeweiligen Kulturräume bieten den dort lebenden Menschen den Platz, um ihre Identität und Charakteristik zu entwickeln und zu entfalten. Ein Kulturraum kann aus historischen Gründen durchaus über seine Staatsgrenzen hinausgehen (wie etwa zwischen Österreich und Deutschland oder Südtirol), aber er wird immer eine ausgeprägte Homogenität besitzen. Ein Angehöriger einer fremden Kultur, der in Bayern oder in der Schweiz erkennbar fremd ist, wird aus ähnlichen Gründen auch in Wien oder in Bozen als fremd betrachtet werden. Es ist daher absolut gerechtfertigt und objektiv belegbar, von einer deutschen oder zumindest deutschsprachigen Kultur zu reden.

Die Natur, die Nation und den Kulturraum verbindet das immunologische Kriterium, dass alles Fremde als fremd erkannt wird. Das ist sowohl für einen Organismus wie auch für einen Staat respektive eine Kultur überlebenswichtig. Ohne diese Fähigkeit stirbt der Organismus und genauso geht es der Kultur. Das heisst nicht, dass alles Fremde immer auch ein Feind ist, sondern es geht genau um die Unterscheidungskompetenz, beides zu erkennen und auseinander zu halten. Immunsysteme, Nationen und Kulturen müssen fähig sein, möglichst rasch und eindeutig herauszufinden, was ihnen nützt, was ihnen egal sein kann und was ihnen schadet oder sie sogar vital bedroht.

Immunologische Vorgänge 

Die hochkomplexen Immunsysteme haben für diese Zwecke die Abwehrzellen und die Antikörper entwickelt. Die Nationen und Kulturen stellen aus denselben Gründen Legislative, Judikatur und Exekutive bereit. Der innere und äußere Schutz der Heimat ist letztlich genauso wichtig wie der immunologische Schutz des Individuums. Es gibt daher keine Kultur und keinen Staat auf der Welt, die nicht irgendeine Form von Abwehrkraft ihr eigen nennen. Ähnlich entwickelte Kulturen und Staaten können in diesen Fragen auch durchaus kooperieren. Die EU versucht dies, hat aber bis jetzt keine geeignete gemeinsame Immunantwort entwickeln können. Bis diese überlebenswichtige Antwort gefunden ist, müssen die einzelnen Organismen (Nationen) in Wirklichkeit also auf eigene Faust ihr Schicksal meistern.

Heimat ist ein Auftrag

Der Begriff „Heimat“ vermittelt nicht nur ein gewissermaßen archaisch bedingtes, angenehmes und vertrautes Gefühl, sondern die Heimat beinhaltet immer auch einen Auftrag zur geradezu essenziell notwendigen Existenzsicherung ihrer selbst. Das führt uns zu der Frage, warum internationalistisch agierende und gesinnungsethisch denkende Linke in allen Lagern die Heimat demontieren wollen. Was ist der Beweggrund, einer „No Border“-Philosophie anzuhängen und die Verschmelzung der Nationen und Kulturen anzustreben, wenn die eigene Heimat und Kultur doch die Seins-Bedingungen des Individuums und des Volkes sind?

Die Antwort ist simpel: Das entwurzelte und in einer post-marxistisch inspirierten Einheitskultur frei flottierende Individuum ist für die staatlichen Apparate und Machthaber am besten steuerbar. Der zynisch „frei“ genannte, aber einfach nur völlig bindungslose Mensch im anonymen Großkollektiv ist das Endprodukt eines linken (Alp-)Traums, der manchen Menschen noch immer als das Paradies auf Erden erscheint.


(Im Original erschienen auf thedailyfranz.at [12])

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Von Götzen und Dienern

geschrieben von PI am in Political Correctness | 45 Kommentare

Von DR. MARCUS FRANZ | Die Postmoderne kennt keine Götter mehr, sondern nur noch Götzen. Diese Zerrbilder der Göttlichkeit stellen eine tragikomische Paraphrase auf die griechische Mythologie dar: Statt Zeus und Hera und heißen sie heute „Gleichheit“ und „Menschenrechte“ und ihr Wohnort ist nicht mehr der Götterberg namens Olymp, sondern das profane und säkulare Brüssel. Dort stehen die Schreine der Götzen-Verehrung, dort halten die Hohepriester der neuen säkularen Religion ihre täglichen Messen ab.

Ministranten und Missionare

Die Hohepriester in Brüssel haben natürlich ihre Ministranten und ihre Missionare und sie verfügen über zahlreiche weltliche Diener. Die Ministranten und Missionare verrichten ihr unheiliges Werk in den Redaktionsstuben der öffentlich-rechtlichen Sender und verbreiten von dort aus die neue Heilslehre über die Bildschirme und die Kommentarseiten der „Qualitätsmedien“. Die braven Wiederkäuer der Brüsseler Dogmen drechseln unentwegt an den neuen Mythen und überbringen sie den Menschen, so wie es weiland die Evangelisten mit ihren Schriften getan haben. In all diesen Götzen-Evangelien wird vermittelt, dass die „Menschenrechte“ und die „Gleichheit“ sakrosankte und förmlich göttliche Institutionen sind, die man weder kritisieren noch hinterfragen darf, sondern demütig, dankbar und froh verehren muss.

Zeloten und Jakobiner

Zum Schutz dieser Götzen-Wahrheit sind Heerscharen von pseudoreligiösen Eiferern im Einsatz, die einerseits daherkommen wie die berüchtigten Zeloten der Antike und andererseits agieren wie die Jakobiner nach der Französischen Revolution: Sie legen in ihrem Tun eine quasi-religiöse Beflissenheit an den Tag, die derjenigen der Zeloten in nichts nachsteht. Weil sie aber ihr gesamtes Denken und Handeln in den Dienst der säkularen Götzen gestellt haben, müssen sie sich natürlich strikt weltlich verhalten und demzufolge versuchen sie, ihre politischen Dogmen unter dem Deckmantel der „Humanität“ unerbittlich durchzusetzen. Wie die Jakobiner brüsten sie sich mit ihrem guten Willen und ihrer Menschlichkeit sowie ihrer Überzeugung, angeblich nur das Beste für alle Menschen zu wollen.

Diese ihre ständig im Bauchladen der „Haltung“ demonstrierte Humanität hindert die neuen Jakobiner und Zeloten aber nicht, überall ihre virtuellen Scheiterhaufen zu errichten, um die Kritiker der Götzen darauf zu verbrennen. Die orthodoxen Eiferer und ihre Schergen fühlen sich geradezu verpflichtet, für das Schöne, Wahre und Gute alles auszumerzen, was ihnen im Weg steht und so wollen sie mit dem polit-medialen Feuer jeden vernichten, der dem kollektiven Götzen-Wahn widerspricht.

Die Anzündhilfen für den Scheiterhaufen heißen Empörung und Diffamierung und die Prügel, mit denen die Delinquenten und Ketzer auf diese Autodafés der Postmoderne getrieben werden, sind die Nazikeulen. Freilich, wir haben uns natürlich weiterentwickelt: Kritiker und Zweifler werden heute nicht mehr physisch verbrannt, sondern man fackelt nur noch ihre Reputation und ihr öffentliches Ansehen ab. Im lodernden Feuern des Juste Milieu stehen demzufolge alle, die sich gegen den geltenden Mainstream stellen.

Kreuzzüge sind notwendig

Jede funktionierende Religion, sei sie auch noch so weltlich, braucht natürlich auch ihre Kreuzzüge, sonst kann sie ihren Furor nicht kanalisieren. Wie ein solch säkularer Kreuzzug aussehen kann, erleben wir gerade bei der Jeanne d`Arc des Kampfes gegen den Klimawandel: Greta Thunberg, ein 16-jähriges Mädchen aus Schweden ist die aktuelle (aber natürlich nur scheinbare) Anführerin von europaweiten Aktionen gegen den angeblich menschengemachten Klimawandel. Die zitierten Hohepriester tun so, als ob sie Fräulein Thunberg verehren würden und die oben genannten Boten verbreiten submissest und kritiklos die Anliegen des Mädchens.  Kein Offizieller hinterfragt, was denn die Interessen hinter dieser offensichtlich konstruierten und konzertierten Aktion sein könnten.

Bis zum Ende

Alles in allem betrachtet wird jeder nachdenkende Mensch zur Zeit Zeuge von haarsträubenden Vorgängen und kollektiven Ver(w)irrungen, die rational kaum erklärbar sind. Aber offenbar ist es wie immer in der Geschichte: Götzendienste und verrückte Tänze um ein Goldenes Kalb werden solange veranstaltet, bis ein Moses kommt und das Volk in die Schranken weist. Oder auch solange, bis eine andere und mächtigere Religion die Götzenanbetungen mit Gewalt beendet.



(Dieser Beitrag erschien zuerst auf thedailyfranz.at [13])

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Der Wahn namens Vereinigte Staaten von Europa

geschrieben von dago15 am in EUdSSR | 75 Kommentare

Von DR. MARCUS FRANZ | Besonders modern daherkommende EU-Propagandisten und andere zur Kritik-Unfähigkeit verdammte und ideologisch verblendete Menschen vertreten die Ansicht, dass eine „Republik Europa“ oder die „Vereinigten Staaten von Europa“ die Lösung aller europäischen Probleme darstellen würden und daher das Ziel aller europäischer Politik sein müssen. Nach ihrer Ansicht könne nur das vereinte Europa die bösen -ismen wie etwa den Nationalismus oder den Separatismus überwinden sowie wirtschaftliche Prosperität, soziale Sicherheit und damit für alle Zeiten Frieden und Wohlstand auf unserem Kontinent schaffen.

Das Gegenteil ist der Fall

Die EU-Fantasien und die Sehnsüchte nach dem Superstaat sind natürlich Unsinn, weil genau das Gegenteil der Fall wäre: Der Superstaat würde Europa zerstören. Man kann diese wahnhaften EU-Gedanken recht einfach widerlegen: Sobald nämlich die Nationen Europas im Superstaat EU aufgingen, würden alle nationalen und jetzt im Subsidiaritätsprinzip zu lösenden Probleme nach Brüssel wandern und dort bearbeitet werden müssen. Alle jetzigen Staaten wären ihrer Souveränität vollkommen beraubt und es gäbe keinerlei nationale Handlungsmöglichkeiten mehr, weil die komplette Staatsgewalt in Brüssel lokalisiert wäre. Die heutigen Nationen würden höchstens als Folklore-Klubs existieren dürfen und zu Karikaturen ihrer selbst werden.

Die Grenze als Bedingung

Das größte Problem nach der Aufhebung der nationalen Souveränitäten wäre die Frage der Grenze. Wenn die innereuropäischen Grenzen wirklich komplett wegfielen, würde die vielzitierte EU-Außengrenze plötzlich genau das sein, was jetzt die Staatsgrenzen unserer souveränen Nationen sind: Nämlich eine der drei wichtigsten Grundbedingungen jedes staatlichen Seins. Diese drei Bedingungen nennen sich Staatsgebiet, Staatsvolk und Staatsgewalt. Alle drei Voraussetzungen kann man ohne Grenzen nicht aufrechterhalten.  Und was die EU-Außengrenze wirklich ist, erleben wir seit Beginn der Migrationskrise täglich mit: Sie ist nicht einmal das Papier wert, auf dem sie niedergeschrieben ist.

Wenn man die Bildung der „Republik Europa“ ernst nimmt, müsste das, was jetzt an den Nationen so kritisiert wird, also erst recht wieder präsent sein, nur eben in einem riesenhaften, willkürlich geschaffenen und im wahrsten Sinne kontinentalen Rahmen. Man müsste als EU-Superstaat diese Außengrenzen bis zur letzten Konsequenz sichern und verteidigen, denn sonst hätte der neugeschaffene Staat „Europa“ keine Überlebensmöglichkeit: Sein Gebiet würde ohne Grenzschutz umgehend usurpiert werden, seine Staatsgewalt würde nie eine wirkliche sein und seine Völker würden rascher verdrängt werden als wir uns das überhaupt vorstellen können.

Der Superstaat ist eine Farce

Als Nation wäre der Superstaat eine Farce, denn obwohl er alle nationalen Außenbedingungen und Merkmale erkennbar vertreten, verteidigen und tragen müsste, könnte er in seinem Vielvölkergebilde niemals den Charakter der Nation darstellen. Eine Nation ist nämlich definitionsgemäß eine größere Gruppe von Menschen, die gemeinsame Sprache, Abstammung, Traditionen, Sitten und Gebräuche verbindet. (Wikipedia [14]) . Von anderen nicht umsetzbaren oder nur unter totalitären Bedingungen machbaren Zielen wie etwa der europäischen „Sozialunion“ sei hier gar nicht die Rede, denn diese Ziele sind so absurd und widersprüchlich, dass man sie am besten gleich wieder vergisst.

Sie erzählen immer nur die Hälfte

Diese Fakten verschweigen uns die EU-Romantiker und Zentral-Architekten tunlichst, wenn sie von der „Republik Europa“ schwadronieren. Euro-Zentralisten wollen die Nationen auflösen (=zerstören), um etwas nur scheinbar Größeres, Besseres, Schöneres zu errichten. Der Preis dieses wahnwitzigen Vorhabens wäre die Vernichtung der vielfältigen Kulturräume und Nationen des Kontinents durch einen Einheitsstaat, der eine ungeheure Gewalt ausüben müsste, um zunächst sein Entstehen und dann sein Überleben überhaupt sichern zu können.

Der Superstaat wäre demzufolge der Quell steter Konflikte und Interessens-Kollisionen. Der heute so vielgescholtene Nationalismus würde sich gegen den Totalitarismus des zukünftigen Zentralstaates ausnehmen wie ein harmloser Spleen gegen den wütenden Wahn eines Tobsüchtigen – und der Nationalismus würde in ungeahnter Wucht wieder aufleben, ähnlich den separatistischen Bewegungen, die wir gerade in Europa erleben, nur eben in viel größerem Ausmaße. Der antinationale Wahn der zwangsbeglückenden Brüsseler Sozial- und Staatsingenieure würde also erst recht genau das hervorrufen, was die manischen Europisten angeblich so gerne verhindern wollen.

Therapie tut not

Wir müssen daher aus therapeutischen Gründen den umgekehrten Weg gehen: Europa kann nur überleben, wenn es seinen Nationen sämtliche Rechte und vor allem die totale Souveränität zurückgibt und nicht sukzessive wegnimmt. Die einzige langfristig legitime und bestandsfähige Existenzmöglichkeit der EU ist das „Europa der Vaterländer“. Und nur die einzelnen souveränen Nationen können sich durch wirtschaftliche Verträge und politische Übereinkünfte gegenseitig ein freies und selbstbestimmtes Dasein ermöglichen.


(Dieser Beitrag erschien zuerst auf thedailyfranz.at [15])

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