Die Verurteilung der Hinrichtung von Massenmörder Saddam Hussein hat begonnen. Die empörten Reaktionen der hyperventilierenden Gutmenschen überschlagen sich geradezu. Jeder will dabei gewesen sein, sich von der Hinrichtung zu distanzieren und seiner Abscheu darüber Ausdruck zu geben. Nicht nur das bekannte personifizierte moralische Gewissen der Nation in Gestalt von Claudia Roth – nein, Politiker aller Parteien sind wahlweise „empört“, „betroffen“ oder „enttäuscht“, nicht nur bei uns, sondern in ganz Europa, und auch der Vatikan findet Husseins Tod „tragisch“.
Die in der großen Koalition vereinten Volksparteien SPD und CDU verurteilten [1] einhellig die Hinrichtung.
Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Ruprecht Polenz, sprach am Samstag von einer verpassten Chance für den Irak, seine Vergangenheit aufzuarbeiten. Der SPD-Europapolitiker Martin Schulz nannte die Hinrichtung Saddams einen „staatlich sanktionierten Mord“.
Polenz sagte dem Deutschlandfunk: „Ich bin grundsätzlich gegen die Todesstrafe und auch gegen die Todesstrafe im Fall von Saddam Hussein.“ Mit der Vollstreckung des Urteils sei zudem die strafrechtliche Aufarbeitung der unter Saddam begangenen Verbrechen gestoppt worden, sagte der CDU-Politiker. Bevor sich ein Land versöhnen könne, müsse es sein Verhältnis zur Vergangenheit klären.
Für die Grünen durfte sich wie erwartet Nervensäge Claudia Roth [2] empören:
„Die Hinrichtung des ehemaligen irakischen Diktators ist weder gerechtfertigt, noch ein „Meilenstein“, wie von US-Präsident Bush behauptet.
Saddam Hussein stand zu Recht vor Gericht und mußte für seine menschenverachtenden Taten verurteilt werden. Die Todesstrafe aber ist jedoch durch nichts zu rechtfertigen, denn sie ist die finalste Menschenrechtsverletzung und nicht Ausdruck eines starken Staates. Es bleibt zu befürchten, dass ihr Vollzug nun nur noch mehr Haß, Chaos und Tod im Irak erzeugen werden.“
Hier wird die besondere Empörung durch ein „final“ im Superlativ zum Ausdruck gebracht. Na, wenn das nicht was Besonderes ist! Eine Todesstrafe ist somit eine noch viel finalere Menschenrechtsverletzung als die Verbrechen, für die sie verhängt wurde. Dieselbe Roth hätte mit diesen Argumenten natürlich auch die Hinrichtung der Nazi-Größen beweint. Denn die Todesstrafe ist ja durch nichts, nichtser, am nichtsesten zu befürworten! Martin Schulz, Fraktionschef der Sozialdemokraten im Europäischen Parlament, entblödete sich nicht, gar von einem „staatlich sanktionierten Mord“ zu sprechen.
Zugleich kritisierte er die Reaktion von US-Präsident George W. Bush, der die Hinrichtung als einen Meilenstein auf dem Weg zu einem demokratischen Irak bezeichnet hatte. Diese Äußerung sei völlig inakzeptabel, sagte Schulz.
Alles klar? Hussein verteidigen, Bush verurteilen – da weiß man gleich, was Sache ist. In der übrigen Welt gab es durchaus gemischte Reaktionen. Bush, Blair und die australische Regierung begrüßten die Hinrichtung [3], während Frankreich und die Schweiz Kritik übten. Immerhin hat Frankreich betont, dass es sich um eine vom irakischen Volk gewollte Entscheidung handelte.
Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch bezeichnete dagegen die Hinrichtung als einen bedeutsamen Schritt weg von den Menschenrechten.
Sehr aufschlussreich, die Hinrichtung eines der schlimmsten Menschenrechtsverletzer der Gegenwart ist ein „bedeutender Schritt weg von den Menschenrechten.“ Und aus dem Vatikan hört man folgende Stellungnahme
Sprecher Frederico Lombardi bezeichnete es als tragisch, dass der frühere irakische Präsident gehängt worden sei.
Wir fanden eher die Leiden und das Sterben von Husseins Opfern tragisch. Wer vergessen haben sollte, um wen hier so laut geweint wird, der sollte den wirklich guten Artikel auf SpOn von Alexander Schwabe lesen, der schon mit der Überschrift deutlich macht, um wen es hier geht, um den Barbaren von Bagdad [4] Er beginnt so:
Saddam Hussein war eine Ausgeburt des Bösen. Das Unheil begann bereits vor jenem 28. April 1937, als Saddam Hussein in dem Dorf al-Audscha nahe Tikrit rund 150 Kilometer nördlich von Bagdad geboren wurde.
Sagt uns dann, was diese „“Ausgeburt des Bösen“ über die Menschheit brachte:
Saddam war unendlich grausam: 1980, nur ein Jahr nachdem er die alleinige Macht übernommen hatte, zog er in den verlustreichen, achtjährigen Krieg gegen Iran (schätzungsweise 350.000 Tote und 650.000 Verwundete auf beiden Seiten). Danach lief die sogenannte Anfal-Kampagne an: 4000 kurdische Dörfer wurden entvölkert und zerstört. 1988 griff die Armee des Terror-Regimes das irakische Kurdendorf Halabdscha mit Nervengas an. Binnen weniger Stunden starben 5000 Menschen einen grausamen Tod. Insgesamt kamen durch Saddams Völkermordpolitik rund 180.000 Kurden um. 1991 griff der Diktator Kuweit an.
Und endet so:
Als das Urteil gesprochen war, „Tod durch den Strang“, gab Saddam umgehend den Märtyrer: Wie ein Apostel schrieb er in seinen letzten Tagen einen Brief „an das irakische Volk“. „Ich opfere mich. Wenn es Gottes Wille ist, dann wird er mich in eine Reihe mit den wahren Männern und Märtyrern stellen.“ In Wahrheit stellte er sich selbst in diese Reihe – wie ihn sein Onkel in die Gefolgschaft Nebukadnezars und Saladins gestellt hatte. Saddam kam über die kindlichen Allmachtsphantasien nie hinaus. Das Unglück besteht darin, dass es nicht der kindliche Seelenzustand eines naiven Trottels war, sondern der eines Massenmörders.
Und diesen wichtigen Punkt blenden all die Empörten einfach aus, ja, er scheint überhaupt nicht wichtig zu sein. Und wir möchten nicht wissen, wieviele der heute so stark Entrüsteten an Stelle von Hussein lieber Bush am Galgen gesehen hätten. Die Trauer wäre sicher kleiner gewesen … man muss Verständnis haben.
Like