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Kalte Trauerroutine nach Schulflurdrama?

Von LUPO | Freiburg, Kandel – und jetzt Lünen. Die Gewaltspirale in Deutschland reißt nicht ab. In der Käthe-Kollwitz-Gesamtschule starb ein 14-Jähriger durch das Messer eines 15-jährigen Deutsch-Kasachen (PI berichtete) [1]. An die reflexartige Betroffenheits-Routine der Vertreter von Politik und Sicherheitsbehörden hat man sich inzwischen widerwillig fast schon gewöhnt. Erstaunen aber löst die Lünener Gesamtschule aus, wenn sie auf die schreckliche Tat in einer Weise reagiert, die zwiespältige Gefühle auslöst.

Im Tagesverlauf sperrte die Schule ihre Webseite kkg-luenen.de [2] und ersetzte diese durch eine ganzseitige Traueranzeige. Eingebettet in schwarzen Hintergrund und an den Rändern unscharf abgebildet, ist der Pausenhof eingeblendet. Wer weiterscrollt, liest in großen weißen Schönschrift-Lettern die Worte „Wir trauern“. Dann beginnt der Text mit: „Mitteilung am 23. Januar 2018“. Spiegel-online [3] nennt es einen „Offenen Brief“ und vergisst die ersetzte Website.

Den Leser beschleicht bei dieser wie aus der Schublade gezogenen Trauer-Perfektion Sprachlosigkeit: soll man etwa angenehm überrascht sein über diesen geradezu „professionell“ zu nennenden Umgang mit schrecklichen Ereignissen, oder ist man an deutschen Schulen mittlerweile schon auf Vorkommnisse dieser Art eingestellt und vorbereitet: 1. Website sperren, 2. Traueranzeige schalten? Gibt es hier etwa bereits ein Katastrophenszenario, wie bei Messermorden oder Amokläufen kommunikativ mit der Öffentlichkeit umzugehen ist?

Man will es einfach nicht glauben. Doch aus dem folgenden Teil der schulischen „Mitteilung“ spricht schon wieder ganz die kalte Trauerroutine, die man von Politik und Behörden bei „worst cases“ kennt. „Man sei immer noch tief erschüttert von der Tragödie“, teilt Schulleiter Reinhold Bauhus in Namen des Kollegiums und sämtlicher Mitarbeiter mit. Dabei ist die „Tragödie“ doch eben erst geschehen.

Die Schulleitung berichtet nichts über Tatbeteiligte, Hergang und Motiv. Sie weiß aber eines schon ganz genau: „Es handelte sich um eine schreckliche Einzeltat, die nicht absehbar war“. Um dann weiterzufahren: „Unser tiefes Mitgefühl gilt allen Angehörigen und Freunden“. Von welchen Angehörigen ist die Rede, fragt sich der Leser? Doch sicherlich in erster Linie von der Familie des Opfers. Es fehlt im Weiteren nicht der Standard-Hinweis, dass „zu keiner Zeit Gefahr für andere bestand.“

Man sollte der Schule zugutehalten, dass sie Schlimmes erfahren hat und dass die textlichen und inhaltlichen Unzulänglichkeiten der Traueranzeige der Eile geschuldet sind, mit dem die Website geschaltet wurde. Man darf aber auch kritisch hinterfragen, ob diese technische Eile, die man an den Tag gelegt, der brutalen Tat eines Schülers an einem Mitschüler angemessen ist. Für die Würdigung der Situation gibt es auch so etwas wie ein zeitlich abgestuftes Verfahren für schulische Trauerbekundungen. Insbesondere sollte man nicht, wie in Lünen geschehen, die Traueranzeige am Schluss noch mit unpietätischen Hinweisen auf den urheberechtlichen Schutz der Website verbinden.

Wer seine Website im Ernstfall abschaltet, bringt zum Ausdruck, dass er die Kommunikation mit der Öffentlichkeit scheut und vermeiden will. Die Käthe-Kollwitz-Gesamtschule sollte als „Schule mit Courage“ (Eigenwerbung) deshalb ihre reguläre Website wieder öffnen und sich der Diskussion stellen. Dort beschrieb sich die Schule als „eine Schule, in der alle Kinder willkommen sind, gern miteinander leben und voneinander lernen“.

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