In Israel ist man sehr beunruhigt wegen der Lage in Syrien. Verteidigungsminister Ehud Barak (Foto) steht daher in engem Kontakt zu US-Verteidigungsminister Panetta.
In der syrischen Hauptstadt Damaskus hat es heute Bombenexplosionen gegeben, bei denen wichtige Assad-Getreue starben bzw. schwer verletzt wurden, die gerade ein Treffen abhielten. Genannt werden Verwandte von Assad und Leute aus seiner Ministerriege. Nach Angaben der Welt [1] soll es danach einen Anruf bei der Nachrichtenagentur dpa gegeben haben, bei dem sich die „Freie Syrische Armee“ zu dem Anschlag bekannt hat. Ebenso soll sich laut „mehreren Medien“ die islamistische Gruppierung „Brigade des Islam“ zu dem Attentat bekannt haben.
Dann gibt es noch einen oppositionellen „Syrischen Nationalrat“ (SNC), der sich siegesgewiss gibt. Die Muslimbruderschaft soll ebenfalls gegenüber dpa verlautbart haben, „man nehme die Sache jetzt selber in die Hand“. Laut Berliner Umschau [2] soll sich radikalismalische „Liwa-Al-Islam“ zu dem Attentat bekannt haben. Jeder will es also gewesen sein. Pentagon-Chef Leon Panetta meint, dass die Lage mittlerweile eskaliert und „außer Kontrolle“ gerät. Mit dieser Einschätzung ist er nicht alleine. In Israel ist man sehr beunruhigt wegen möglicher Giftgaseinsätze und dem Verschwinden von Waffen aus dem syrischen Arsenal. Diese Waffen könnten sich gegen Israel richten.
Die Jerusalem Post [3] schreibt, dass die Israelis sehr alarmiert wegen der jüngsten Ereignisse in Damaskus seien. Der israelische Verteidigungsminister Ehud Barak steht daher in intensivem telefonischem Kontakt mit US-Verteidigungsminister Leon Panetta. Barak sieht das Ende der Assad-Regierung gekommen und fragt sich, was dann mit dem syrischen Waffenarsenal passieren wird:
“We are also closely tracking the possibility that Hezbollah will try to move advanced military platforms or chemical weapons from Syria to Lebanon.”
Barak befürchtet also, dass sich die islamische Hizbollah hochwertige militärische Ausrüstung aneignen wird und auch die Möglichkeit hätte, Chemiewaffen in den Libanon zu transportieren. Diese islamische Miliz ist wiederum eng mit dem Iran verbündet. In Israel denkt man über drei mögliche Szenarien nach:
1. Chemische Waffen in den Händen der Hizbollah.
2. Eine fortschreitende Zersplitterung in Syrien, in der sich Gruppen und Einzelne Waffen, Panzer, Flugzeuge oder gar Waffensysteme aneignen könnten, um sie gegen Israel einzusetzen.
3. Assad, der langsam aber sicher mit dem Rücken zur Wand steht, könnte selber auf den Gedanken kommen, alles gegen Israel einzusetzen, was ihm noch zur Verfügung steht.
Man bereitet sich daher in Israel auf alle Eventualitäten vor. Ein Leitartikel in der Wiener Zeitung [4] beschäftigt sich mit der Frage, welche Folgen der Fall von Assad haben wird und was mit den vielen von Russland gelieferten Waffen dort passieren könnte.
Überschattet wird Israel aber nicht nur von den Entwicklungen in Syrien und dem feigen Anschlag auf die israelischen Jugendlichen heute in Bulgarien (PI berichtete [5]), sondern auch von einem schon länger schwelenden gesellschaftlichen Konflikt um die Wehrpflicht, der so weit geht, dass Neuwahlen notwendig werden. Die Welt [6] schreibt:
Für viele säkulare Israelis ist es nicht mehr akzeptabel, dass orthodoxe Juden nicht der allgemeinen Wehrpflicht unterworfen sind. Zumal sie vom Staat mit erheblichen Mitteln gefördert werden, damit sie sich ihrem religiösen Auftrag entsprechend ausführlich dem Studium der Glaubensschriften widmen können.
Israels Höchstes Gericht hatte sich im Februar in einer historischen Entscheidung gegen eine Freistellung tiefreligiöser Juden vom Militärdienst ausgesprochen. Das Gesetz müsse bis Anfang August geändert werden.
Der Likud von Netanjahu hat sich grundsätzlich dafür ausgesprochen, alle Bürger des Staates zum Dienst an der Waffe oder zum Ersatzdienst zu verpflichten. Doch die religiösen Parteien sabotieren die Reform, und Mofas und seine Kadima sahen Netanjahus Kompromissvorschlag als Einladung an, die Wehrpflicht doch noch zu umgehen.
Der Regierungschef hatte nach Angaben des israelischen Rundfunks vorgeschlagen, Ultraorthodoxe und arabische Israelis statt mit 18 bis zum Alter von 23 Jahren einzuziehen. Wer dies nicht wolle, müsse bis zum Alter von 26 Jahren Ersatzdienst leisten, etwa bei der Feuerwehr oder der Polizei. Doch mit 23 Jahren sind viele Orthodoxe bereits verheiratet und Familienväter, weshalb sie den Dienst an der Waffe wiederum umgehen könnten.
Zur Zeit der Staatsgründung 1948 war vereinbart worden, ultraorthodoxe Juden vom Armeedienst zu befreien. Davon waren damals jedoch nur etwa 400 Religionsstudenten betroffen.
Angesichts der hohen Geburtenraten in ultraorthodoxen Familien werden heute Zehntausende strengreligiöser Juden im Jahr vom Armeedienst befreit, der für Männer drei und für Frauen zwei Jahre dauert. Dies sorgt bei der säkularen Mehrheit für großen Zorn. Es könnte darum ein erbitterter Wahlkampf werden. Ursprünglich hatte Netanjahu Neuwahlen für den Herbst in Aussicht gestellt. Nun könnten sie noch früher kommen.
Es gibt 800.000 [7] Ultraorthodoxe. Man kann man nur hoffen, dass die Israelis zusammenhalten und immer genug Menschen motiviert sind, den Militärdienst anzutreten, denn die Lage im Nahen Osten sieht eher schwierig als friedlich aus. Einen weiteren aktuellen Konflikt stellen die gesunkenen Reallöhne dar, die zu großen Demonstrationen [8] führten. Dabei hatte sich zuletzt ein Mann selbst verbrannt.