[1]In bekannt verwirrter Manier nannte FAZ-Schirrmacher im November 2011 in einem Interview mit dem Vizepräsidenten der Malediven, Mohammed Wahid, die Malediven ein Muster an Demokratie und ernannte Wahid selber zu einem wahren Ausbund von Demokraten, der Tradition und Moderne in einzigartiger Weise verbinden könne (PI berichtete) [2]. Einfaltspinsel Schirrmacher begriff nicht, dass Wahid mit Tradition nicht nur Islamismus meinte, sondern sich offensichtlich in die ausnahmslos diktatorische Tradition der Malediven (Kalife, Sultane, Diktatoren) einzuordnen gedachte.
(Von Atollman)
2008 war der Dauerdespot Abdul Gayum in den ersten freien Wahlen der maledivischen Geschichte völlig überraschend, quasi durch einen Regiefehler, abgewählt und Mohammed „Anni“ Nashid zum Präsidenten gewählt worden. Dieser hatte auf Grund einer Regierungskoalition Mohammed Wahid zum Vizepräsidenten ernannt.
Genau ein Jahr nach dem Interview, im Februar 2012 putschte Schirrmachers Demokratiewunder unter der Regieführung des abgehalfterten Gayum-Clans den ersten gewählten Präsidenten Anni weg und verweigerte in der Folge Neuwahlen – es sollte erst die Macht des Gayums wieder gefestigt werden (PI berichtete auch darüber) [3]. Diese Wahlen kamen erst am 7. September dieses Jahres zustande und Anni gewann sie unangefochten mit 45%, ohne allerdings die absolute Mehrheit zu erreichen. Zweiter wurde der Bruder des Ex-Diktators Gayum, Yamin, und Dritter der Multiunternehmer Ibrahim Gasim.
Yamin ist der Repräsentant der Gayum-Diktatur. Mit Drogen, Öl und Waffen machte er ein Riesenvermögen, er ist im Verbund mit dem Gayum-Clan wahrscheinlich einer der reichsten Männer Asiens. Einen zweifelhaften Namen machte er sich erstmals dadurch, dass er das billige Ölkontingent, das Saudi-Arabien Hardline-Genossen wie den Malediven zukommen lässt, über die Militärjunta in Burma in Asien zu Marktpreisen in den Verkauf brachte. Die offiziellen Malediven aber mussten dieses Öl teuer zu Marktpreisen einkaufen. Diesen Teil des „business“ wickelt Ibrahim Gasim ab, der seine Karriere als Volksschulabbrecher im frühen Stadium und „houseboy“ der Gayums begann. Seine Rolle war zunächst die einer Scheinadresse für Gayum- Deals, aber seine Loyalität brachte ihm mit der Zeit ein eigenes Imperium (Mehrere Touristenresorts, die Inlandfluglinie, die beiden Airtaxi-Unternehmen „Maldivian Airtaxi“ und „TMA“, eine Vielzahl anderer Firmen und Beteiligungen). Durch die offizielle Übernahme des Bereicherungsministeriums der Gayums, genannt „Ministry of Finance“, stieß er in die Politik vor. Er wurde in den Wahlen vom September Dritter und war damit aus dem Rennen, obwohl er Millionen in den Wahlkampf gesteckt und Stimmen zu durchschnittlich 40 USD pro Kopf ganz offen aufgekauft hatte. Auf seinen Touristenresorts (unter anderem Sun-Fun-Holiday-Royal Island) hat er sämtliche Angestellte gefeuert, von denen bekannt wurde, dass sie nicht für ihn gestimmt hatten.
Verfassungsgemäß wäre nun eine Stichwahl zwischen dem Erstplazierten Nashid und dem Zweitplazierten Yamin am 28. September fällig gewesen. Obwohl die Wahl ganz genau von ausländischen Wahlbeobachtern überwacht wurde und diese einen sauberen Ablauf attestierten, warf Gasim dem Wahlsieger Stimmenfälschung vor. Yamin brachte als Flankenschutz zusammen mit dem Islamistenführer Imran eine Klage ein, wonach Wahlsieger Nashid eine Bedrohung für den Islam darstelle – ein Kapitalverbrechen in einem Land, wo als einzige Religion der Islam zugelassen ist. Sich darauf beziehend annulierte das Oberste Gericht der Malediven ohne Untersuchung kurzerhand diese Wahl, setzte auch die Stichwahl ab und dafür Neuwahlen an.
Diese Neuwahlen sollten am Samstag, den 19. Oktober stattfinden. Tags zuvor gab die Maldives National Defense Force (MNDF) bekannt, ihr Oberkommandierender Mohamed Nazim habe den Vorsitz über die Elections Commission (EC) übernommen – und gewählt werde „bis zur Klärung der Vorwürfe“ nicht. Das Militär besetzte am Samstag in aller Frühe die vorgesehenen Wahllokale und „stellte die Wahlunterlagen sicher“. PI-Leser werden schon ahnen, wer Dienstherr des MNDF-Kommandanten ist: Schirrmachers Wunderdemokrat Wahid. Er hatte als Amtsinhaber übrigens auch kandidiert und ganze 5% der Stimmen erhalten. Dies braucht ihn aber nicht weiter anfechten, denn im Namen der Gayum-Gang kann er ruhig als präsidialer Vorwandlieferant das Demokratietheater weiterspielen.
Inzwischen sind zahlreiche Streiks in der Hauptstadt Male und vielen Inseln ausgebrochen. Auf den Touristeninseln ist es bislang ruhig, obwohl es dort auch schon zu vereinzelten Warnstreiks gekommen ist. Auf alle Fälle gehen die Malediven einer unruhigen Zukunft entgegen. Nach Meinung von Schirrmachers Darling kann erst wieder Ruhe nach der Eliminierung des Störenfrieds eintreten – gemeint ist der Wahlsieger Mohammed Nashid, erster demokratisch gewählter und erster demokratisch handelnder Präsident der Malediven. Mehrere Anschläge auf sein Leben hat es bereits gegeben, zeitweise wohnte er in der Indischen Botschaft.
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