Beim anhaltenden und erbitterten Kampf „gegen rechts“ fragt sich mancher, wer wohl eigentlich dazu gehört, zu den so gefährlichen „Rechten“, die es mit staatlicher Unterstützung zu bekämpfen gilt. Spiegel-Leser wissen jetzt mehr darüber, denn der Spiegel schlägt Alarm: „Rechte drängen in den Studi-Rat“ betitelt das Magazin einen Bericht von der Uni Jena. Wer ist gemeint? Mitglieder des RCDS, der Studentenvereinigung der CDU und alle, die einer Verbindung angehören. Also alle, die nicht explizit „links“ sind.
Der Spiegel warnt:
Dass politische Kontrahenten auch an der Uni um die Macht in der Studenten-Vertretung wetteifern, ist nicht neu. Dass fast ein Viertel der Kandidaten in pflichtschlagenden Verbindungen aktiv ist, schon. 112 Bewerber stehen auf den Listen zur Stura-Wahl an der Uni Jena, 25 davon sind Burschenschafter. Sie kommen von der „Germania“, der „Arminia“, der „Kan Teutonia“ – und eine Studentin der Damenverbindung „ADV Amazonia“ ist auch dabei.
Fünf dieser Verbindungs-Studenten sind auch in der CDU-Hochschulgruppe RCDS, dazu kommen weitere 16 RCDS’ler, die nicht in einer Verbindung sind. Insgesamt stellt das konservative Lager damit 41 Kandidaten für die 29 Stura-Sitze. So viele rechte oder konservative Kandidaten gab es wohl nie zuvor. Und so viel Wahlkampf auch nicht. Im vergangenen Jahr noch nahm der RCDS zwar an der Wahl teil, zog aber nur mit einem Sitz in den Stura ein. Um die Wähler warb er damals nicht besonders.
Konservative für faire Cafeteria-Preise
Jetzt stehen die RCDS-Leute mit Luftballons, Zuckerwatte und Kuchen auf dem Campus, verteilen Flugblätter – und man muss sich beinahe wundern, dass Angela Merkel nicht persönlich im Wohnheim Klinken putzen geht.
Flankiert werden sie von den Burschenschaftern, die nicht offen auftreten. Das sei ein Teil der Strategie – so stellt es zumindest der Sprecher der Juso-Hochschulgruppe Frank Dörfler dar. Er selbst sitzt im Stura und wittert eine Kampagne der CDU-geführten Landesregierung hinter der plötzlichen Konkurrenz von rechts. Am Campus in Jena sei jetzt eine regelrechte Materialschlacht entbrannt. „Nächstes Jahr sind Wahlen in Thüringen, ein unkritischer Stura wäre da hilfreich“, sagt Dörfler.
Er findet vor allem bedenklich, dass die Verbindungs-Studenten nicht offen auftreten. Einigen Stura-Bewerbern recherchierte er über die Plattform Studi-VZ hinterher. So stieß er auf deren Mitgliedschaft in den Verbindungen. „Es ist legitim, dass sie kandidieren“, sagt Dörfler. „Doch die Studenten sollen wissen, wen sie wählen“.
Das Problem: Die Listen bei der Wahl tragen in Jena ein Motto, über das sich die politische Richtung der Kandidaten nicht immer erkennen lässt. Hinter Slogans wie „Für faire Cafeteria-Preise“, „Seminarplätze für alle“ oder „Mehr Dozenten“ stehen dieses Jahr auch öfters mal Verbindungsstudenten. Juso Dörfler: „Die Burschenschafter wollen sich über Tarnlisten in das Gremium mogeln.“
Weil fechten, trinken, singen und die Mitgliedschaft in einer Studentenverbindung aber jedermanns Privatsache ist, muss ein Kandidat sie nicht angeben, wenn er sich zur Wahl stellen will. Es gebe keine Pflicht, Freizeitaktivitäten offen zu legen, sagt dazu Frances Karlen, Vorsitzende des Wahlvorstandes.
RCDS will nicht in die Ecke der Burschenschaften
Was das Wahlrecht zur Stura-Wahl nicht vorsieht, setzte daraufhin eine vom Stura finanzierte Hochschulzeitung ins Werk. Auf dem Titel des „Akrützel“ vom 5. Juni prangte ein finster dreinblickender Verbindungsstudent mit Kappe und Schmiss. Darunter stand: „Dein neuer Studentenvertreter“. Im Innenteil wurden dann die Recherchen von Stura-Mitglied Dörfler verbreitet.
„Das war keine faire Wahlkampfberichterstattung mehr“, sagt Michael Hose, Vorstand des Jenaer RCDS. Er sieht sich in eine Ecke mit den Burschenschaften gestellt. Und da will er gar nicht stehen? Ja, es gebe zwar gleiche Ansätze bei bestimmen Grundwerten, sagt Hose, aber „wir haben zum Beispiel nie eine Absprache über einen gemeinsamen Wahlkampf getroffen“. Die plötzliche Präsenz der Gruppen sei purer Zufall und vielmehr Ausdruck der Unzufriedenheit mit der Arbeit des aktuellen Sturas.
Die Sorge der Spiegelredakteure um die Meinungshoheit linker Genossen in der Studentenpolitik ist nicht unbegründet. An vielen Universitäten, besonders den eher leistungsorientiereten wie etwa der Technischen Hochschule Aachen befinden sich die zahlreichen K-Gruppen und andere Linksgruppierungen seit einiger Zeit auf dem Rückzug. Trotz „Kampf gegen Rechts“.