Warum ich Deutschland liebe!Mitte der 1980er-Jahre wechselte ich die Adresse. Von einer alten, hanseatischen Stadt im Norden Polens zog es mich in eine alte, hanseatische Stadt im Norden Deutschlands. Es war kein allzu einfacher Schritt. Der Eiserne Vorhang rostete fest ein und wurde vom „Westen“ immer seltener hinterfragt.

(Gastbeitrag zur PI-Serie “Warum ich Deutschland liebe!”)

Zwischen den beiden Ländern ließ sich nur mit Visum reisen, dazwischen lag die DDR. Es gab keine E-Mail und kein Internet. Der gesamte Ost-West- Brief- und Fernmeldeverkehr unterlag strenger Kontrolle durch die Kommunisten – besonders fein, schließlich hatte ich meine Freundin in Polen zurückgelassen.

Oft wurde ich gefragt, warum ich diesen Schritt gewagt hatte. In Polen hätte ich, obwohl gerade mal Mitte 20 und mit dem Studium fertig, gute berufliche Aufstiegschancen gehabt. Ich wusste, dass ich im Exil zuerst einmal bei Null anfangen werde. Dennoch: jeder weitere Tag in der Volksrepublik wäre ein weiterer Tag unter dem Joch des Kommunismus gewesen. Für mich war alleine der Gedanke unerträglich, dass jemand für mich entscheidet, wie viele Quadratmeter Wohnfläche mir zustehen, wie lange ich auf diese Wohnfläche zu warten habe (15 bis 20 Jahre), in welcher Ortschaft ich mich niederzulassen habe, wie lange ich auf ein kümmerliches Automobil oder gar nur auf Möbel warten muss.

Ich konnte den allgegenwärtigen, grauen Dreck nicht ertragen, die tristen Stadtbilder, die verfallenden Altstädte, die hochverschmutzte Umwelt, schließlich die alltägliche, selbstlose Aggressivität und Unhöflichkeit auf der Straße, in der Straßenbahn und in den sowieso meist leeren Läden. Zumal ich (West-)Deutschland bereits kannte und wusste, dass es auch anders geht. Ich war begeisterter Freund deutscher Kultur, vor allem Literatur und der alten Filmkunst.

Mit diesem Hintergrund und mit Dokumenten meiner deutschen Vorfahren ausgestattet, wechselte ich ausgerechnet am achten Mai den Wohnort und stand vor dem Tore des Durchgangslagers Friedland – wohl wissend, dass es auch und vor allem an mir alleine liegt, was ich aus dieser Geschichte mache. Der Papierkram in Friedland, die wunderschöne Gegend, das verging alles recht schnell.
Nach zwei Wochen saß ich schon im Zug Richtung Norden, vorläufiger deutscher Personalausweis in der Tasche, und in frischer Erinnerung die perfekt arbeitende, freundliche und zielgerichtete deutsche „Bürokratie“. Mit dieser durfte ich in den nächsten Wochen und Monaten noch viel Erfahrung sammeln – was meine positive Meinung nicht im Geringsten getrübt hat. Bis heute halte ich große Stücke auf die deutsche Verwaltung. Trotz mancher Unzulänglichkeit: so gut funktioniert „Bürokratie“ in keinem mir bekannten Staat.

Bald hatte ich eine kleine Wohnung in einer Gegend, in der hauptsächlich Deutsche lebten, und konnte mich um meinen weiteren Weg kümmern: zuerst kleinere Jobs, Aufbau-Sprachkurs – der übliche, wie ich meinte, und würdige Weg eines Einwanderers. Dem Ratschlag eines bereits vor längerer Zeit ausgewanderten Freund der Familie folgend, suchte ich mir die Gesellschaft der „Einheimischen“. Da ich mich in deutscher Sprache einigermaßen gut verständigen konnte, kamen die ersten Kontakte auch schnell zustande. Ich kam mit der norddeutschen Art ausgezeichnet klar, das hat sich bis heute nicht geändert.

Als mir die Möglichkeit eröffnet wurde, mich zu meinem früheren Traumberuf fortbilden zu lassen, habe ich nicht lange gezögert. Die Integration war selbstverständlich und überhaupt nie hinterfragt. Die Deutschen meckerten genauso oft und gern wie die Polen in ihrer Heimat, wenn auch auf höherem Niveau; ich fühlte mich zu Hause. Was ich allerdings nicht ganz verstanden habe, war die verbreitete Sympathie zu allem, was politisch links war. Schon bald wusste ich, dass die Sozialdemokraten in Wirklichkeit viel zu wenig Links seien, dass der Sozialismus etwas ganz Tolles wäre, dass der „Kapitalismus“ nur Konsumzwang produziere und das auf Kosten der Dritten Welt, deren es gelte, immer und überall zu helfen – und zwar so spektakulär, wie möglich.

Hinzu kam etwas, was ich damals überhaupt nicht verstehen konnte: die USA galten als das böse Leviathan, „die Amis“ als grundsätzlich dumm, der US-Präsident als böser Kriegstreiber. Brecht, Tucholsky und Wallraff gehörten zu den am liebsten zitierten Schriftstellern. Es wurde sehr, sehr vieles durch die (linke) Politik-Brille betrachtet. Auch mein Status als Aussiedler schien nicht allen zu gefallen, denn es war per se eine Erfindung der „Rechten“. Flüchtlinge – gern, aber Hauptsache politisch verfolgt und mit möglichst gebrochenem Deutsch. Ohne es zu wissen, tappte ich in die Gutmenschenmenge, in die – nach meinem Gefühl – seltsam konditionierte Gesellschaft, die zwar im Wohlstand und Frieden lebte, am liebsten aber Kommunismus hätte. Schnell habe ich gelernt, nicht zu fragen, warum mein gegenüber als Fan des Sozialismus nicht einfach zig Kilometer nach Osten zieht, in das staatlich garantierte, realsozialistische DDRParadies. Diese Frage galt als salonunfähig, genauso wie ein offenes Bekenntnis zum eigenen Antikommunismus.

Jahre vergingen, der Eiserne Vorhang ist gefallen, ich lebe seit fast einem Vierteljahrhundert in Norddeutschland. Meine damals zurückgelassene Freundin hatte ich, nach einigen Jahren Fernbeziehung, geheiratet. Sie zog zu mir, lernte Deutsch, bildete sich weiter fort und war nie auf staatliche Hilfen angewiesen. Anfangs war es nicht leicht, aber wir wussten beide: nur Bildung zählt, jeder investierte Pfennig zahlt sich später mehrmals aus. Wir führen eine glückliche Ehe, uns geht es gut. Manch einer behauptet gar, wir hätten uns „germanisiert“. Das ist natürlich Quatsch. Wir haben nun mal zwei Sprachen zur Verfügung, die wir benutzen, wann immer sie uns passen. Wir lesen und schreiben in beiden Sprachen. Deutsch ist die Sprache unseres Alltags.

Warum ich mich in meiner Wahlheimat Deutschland wohl fühle? Ich habe der Bundesrepublik viel zu verdanken: großzügige Hilfe beim Neustart hier zu Lande, Geborgenheit, Sicherheit, Wohlstand, Zugang zu künstlerischen Arbeitsmitteln, die ich mir in Polen niemals hätte leisten können. Natürlich habe ich mir das meiste selbst erarbeitet. Aber die Verhältnisse in Deutschland waren mir dabei sehr hilfreich. Ich genieße den Zugang zur Kultur und Kunst, kann mich in der Literatur bewegen als wäre Deutsch meine Muttersprache, und freue mich, immer neue „Bildungslücken“ zu schließen und zu entdecken. Es ist, als wäre ich nie woanders zu Hause gewesen.

Dennoch: eine gewisse Unruhe bleibt und steigt in mir. Es sind nicht gerade Leute mit irgendwelchen religiösen Ansichten – als Agnostiker gönne ich jedem seinen Glauben, solange er dadurch nicht anderen weh tut. Außerdem gehen mich die Leute, die sich nicht integrieren wollen, nichts an; sie haben ihre Chance verwirkt und gehören nicht in unsere Gesellschaft. Was mich beunruhigt, ist der immer größer werdende Zuspruch für Ideologien, die 1989 eigentlich tot waren. Das hässliche, graue, triste, schweren Rauch speiende Biest des Kommunismus geht wieder um, stärker denn je. Der Antiamerikanismus und antijüdische Stimmungen nehmen immer beunruhigendere Ausmaße an – auch von der faschistischen Seite, natürlich, aber hauptsächlich von links.

Linke Gewaltexzesse werden schön geredet, denn es sind ja „die Guten“. Wer die Stimme gegen den neu aufkeimenden Kommunismus erhebt, wird bestenfalls als „Liberaler“ (gut, ich bin gern einer), schlimmstenfalls als „Rechter“ (was in Deutschland inzwischen mit „Faschist“ gleich gesetzt wird) bezeichnet. Ich hoffe, dass am Ende die Stimme der Vernunft obsiegen wird.

Ich möchte in wenigen Jahren nicht wieder das Land wechseln müssen, diesmal als politischer Flüchtling. Ich wünsche dem Kommunismus alles Gute – im Museum der Grausamkeiten der Geschichte, gut verschlossen hinterm Panzerglas. Ich wünsche, nicht ganz uneigennützig, Deutschland noch eine herrliche Zukunft – und Gegenwart. Ich arbeite mit dran!

Tomasz

Bisher erschienene Beiträge zur PI-Serie:

» “…weil Deutschland kein islamisches Land ist”
» “Der Einwanderer muss die Hauptarbeit leisten!”
» “Wer Mist macht in Deutschland, soll wieder raus”
» Meine Heimat … Unsere Heimat … Deutschland!
» Einwanderer müssen sich ans Gastland anpassen
» “Nach einem halben Jahr war ich integriert”
» Wenn ich an Deutschland denke…
» Eine kleine Liebeserklärung
» “Fühle mich manchmal sehr fremd und schutzlos”
» “Ich hatte und habe nur eine Heimat: Bonn”
» “Wir haben die deutschen Werte angenommen”
» “Ich liebe Deutschland wegen den Deutschen”

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16 KOMMENTARE

  1. @1 Kadushka

    Die Seite von Radio Islam ist schon heftig. Dort ist auch Hitlers „Mein Kampf“ zu lesen. Daran sieht man welche Gesinnung diese Typen haben.

  2. Wieder einmal ein sehr schöner Beitrag. Besonders die Passagen über den menschenverachtenden Kommunismus.

  3. Schön, dass es so viele „zugewanderte“ Menschen hier gibt, die unsere gemeinsamen Werte teilen. Bitte nicht wegziehen, Tomasz!

  4. nach meinem Gefühl – seltsam konditionierte Gesellschaft, die zwar im Wohlstand und Frieden lebte, am liebsten aber Kommunismus hätte.

    Wie man es so sagt. Wasser predigen aber Wein trinken.

    Ein schöner Beitrag.

  5. Wieder ein sehr aufschlussreicher Beitrag. Gerade Verfolgte des Kommunismus haben ein sicheres Gespür für die totalitäre Gefahr, die aus linkem Gutmenschentum erwächst.

    Insgesamt sehr treffend zum Ausdruck gebracht vor allem dies hier:

    Flüchtlinge – gern, aber Hauptsache politisch verfolgt und mit möglichst gebrochenem Deutsch. Ohne es zu wissen, tappte ich in die Gutmenschenmenge, in die – nach meinem Gefühl – seltsam konditionierte Gesellschaft, die zwar im Wohlstand und Frieden lebte, am liebsten aber Kommunismus hätte. Schnell habe ich gelernt, nicht zu fragen, warum mein gegenüber als Fan des Sozialismus nicht einfach zig Kilometer nach Osten zieht, in das staatlich garantierte, realsozialistische DDRParadies. Diese Frage galt als salonunfähig, genauso wie ein offenes Bekenntnis zum eigenen Antikommunismus.

  6. Ich habe deutsche Wurzeln, habe, u.a. Germanistik studiert, liebe die deutsche Sprache, Literatur, Film, Kultur etc. Ich lese taeglich im Internet deutsche Zeitungen, damit meine Deutschkenntnisse nicht einschlafen.
    Ich muss allerdings sagen, dass Deutschland mir immer fremder wird.
    Dieser Linksruck der Gesellschaft, „der Kampf gegen rechts“, alles sehr verwunderlich fuer mich. Besonders verwundert mich, dass deutsche Politiker nicht die Interessen des Volkes vertreten.
    Gratulation zur Serie, „Warum ich Deutschland liebe.“ Auch ich liebe Deutschland, kann mir aber nicht vorstellen, dort zu leben.

  7. Hallo Thomasz,

    danke für diesen Beitrag. Kurz etwas zu meiner Person:

    September 1987 hatte ich beruflich in der DDR zu tun. Im Januar des Jahres hatte ich meine 6-jährige Dienstzeit bei der Bundeswehr beendet. Es war meine erste Reise in die DDR. Über die mangelhafte Infrastruktur und das Grau und den Ruß war ich entsetzt. Die Menschen verhielten sich genau so, wie Du es beschreibst. Eines Abends lernte ich eine junge Frau kennen. Wir trafen uns offt heimlich in Ostberlin. Es entstand eine Liebesbeziehung. Wir wollten heiraten. Das war die einzige Möglichkeit zusammen zu bleiben. Dadurch gerieten wir entgültig in das Netz der Stasi. Der Druck wurde so groß, das wir die Beziehung im Frühsommer 1988 beendeten. Das war für uns beide sehr schlimm.

    Zeitsprung 1994

    Durch ihre Mutter hatten wir kurz Kontakt. Sie war inzwischen verheiratet, das bedeutete für mich: Hände weg!

    Zeitsprung 2008

    Durch ein Internetportal sind wir uns wieder über den Weg gelaufen. Mittlerweile hat sich ihre Ehe stark abgekühlt, ihr Mann hat zugegeben, damals von der Stasi auf sie angesetzt gewesen zu sein, Ziel uns zu trennen. Samstag habe ich Bescheid von der BStU erhalten, es gibt Aktenmaterial über mich.

    Fazit:

    Der Kommunismus muss ganau so behandelt werden, wie Du es beschreibst.

    Es lebe die Freiheit!!!!

  8. Guter Beitrag, vielen Dank!
    Die Menschen, die aus Polen zu uns gekommen sind, sollten sich öfter zu Wort melden, denn meist sind sie durch ihre Erfahrungen gut geimpft gegen alle -ismen.

  9. Wenn Du die Heimat deiner Vorfahren suchtest, dann bist du doch ein Deutscher. Kein Wunder, daß du dich in die deutsche Gesellschaft schnell einleben konntest.
    Als Pole hätte es wohl doch noch etwas länger gedauert.
    Ich glaube diese Hansstadt im Norden Polens als meinen Geburtsort identifiziert zu haben. Meine polnsiche Mutter wollte unbedingt, daß ich dort geboren werde.
    Aber mir wurde in den 80er Jahren als Kind in einer westdeutschen Kleinstadt noch vermehrt „Polacke“ hinterher gerufen.
    Bei uns gab es viele Flüchtlinge und nur dem Umstand iist es zu verdanken, daß ich nicht andauernd gejagt wurde, von den lieben deutschen Kinderlein, daß mein Opa als Kriegsfreiwilliger und ehemaliger HJ-Führer einen gewissen Respekt in der Bevölkerung meines Heimatortes genoss.
    Den Enkel vom … konnte man ja schlecht angreifen.

    mittlerweile hat sich das alles gelegt, ich bin immer noch nicht integriert in meinem Heimatort aber es ist mir auch egal. Ich bin fortgezogen, hin zu anderen Ländern.
    Meine Heimat ist mir wichtig, meine Familie in Deutschland ebenso. Aber die Leute in meiner Heimatstadt können mir bis auf wenige Ausnahmen gestohlen bleiben.

    Ich liebe Deutschland und ich war gern deutscher Soldat, fühle mich als Deutscher aber mit den kleinen Spießbürgern kann ich nichts anfangen.

    Mein Großvater, der nach dem Krieg zu seiner Überzeugung stand, der nie einen Hehl daraus machte, daß er freiwillig in den Krieg gezogen ist, daß er dies für Deutschland tat, daß er sich nicht schämt und die anderen, die sich schämen dafür verflucht ist mir tausendmal lieber als diejenigen Deutschen, die mit Sack und Asche rumlaufen. Als diejenigen Deutschen, die sich als „verführte Jugend“ bezeichnen.

    Ich finde es schön, daß der Beitragsschreiber andere Erfahrungen in Deutschland gemacht hat. Aber ich lehne den deutschen Spießbürger ab. Ich lehne ebenso die deutsche Gesellschaft ab, die so tolerant sein muß um ihren versteckten Rassismus zu bekämpfen.

    Von den Jungen in meiner ehemaligen Klasse, war schon einer wegen Volksverhetzung vor Gericht, ein anderer ist ein großes Tier bei der NPD, wieder einer ist im Aussteigerprogramm.

    Alen gemein ist, daß sie ohne ihre „Partei“ doch alle arbeitslos wären.
    So sieht es in meinem Heimatort aus. Es schaffen nur wenige raus und es kommen nur wenige rein.

    Eine typische deutsche Kleinstadt?

  10. Ein dank an dich, das du Unser Land so lobst, hört man selten..
    Leute wie du wissen was sie an DE haben und haben daher auch einen gewissen Nationalstolz währenddessen die normalen DEler alles für selbstverständlich halten. Deshalb seit ihr Teilweise echt die besseren Deutschen;)
    Also Tomasz bleib bitte bei uns und schütze/fördere das Land das dir genau wie uns allen so viel ermöglicht hat;)

  11. Guter Text!

    Für die Linken sind wir „Flüchtlinge“. Das ist der Originalton der linken Wohlstandkommunisten. Ein sehr gelungener Beitrag!

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